▼ 124 (fortgesetzt) |
Um Produktionswege für die Umformatierung von traditioneller in mediale Wissensvermittlung aufzeigen zu können, muss zunächst analysiert werden, wie Wissen an deutschen Hochschulen vermittelt wird.
▼ 125 |
In erster Linie untersucht die im Folgenden dargestellte Studie Lehrveranstaltungen an Hochschulen in Bezug auf die angewandten Lehrverfahren, die Darstellungsformen und die eingesetzten technische Geräte, um die elementaren Bestandteile von Lehrveranstaltungen identifizieren zu können. Diese Ergebnisse ermöglichen dann eine Typisierung von Veranstaltungen und somit eine Ermittlung von Lehrformaten.
Der zweite Analyseschwerpunkt ermittelt zum einen die Bereitschaft der Lehrenden, traditionelle Wissensvermittlung in eine mediale umzuwandeln und zum anderen Erfahrungen in Produktion und Einsatz von E-Learning in der Hochschullehre, um Produktionswege zur Umformatierung unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen (Personal, Geld, Produktionseinrichtungen) für die ermittelten Typen an Lehrformaten aufzeigen zu können.
Daher orientiert sich die Studie an folgenden Leitfragen:
Analyseschwerpunkt 1 (Grundlage für die Ermittlung der Lehrformate):
▼ 126 |
Analyseschwerpunkt 2 (Bereitschaft und Erfahrungen zu E-Learning):
Dieses Kapitel soll zunächst die Studie beschreiben und danach auswerten, welche Lehrverfahren, Darstellungsformen und technische Geräte die Lehrenden in ihren Veranstaltungen einsetzen. In Kapitel 5 sollen mögliche Lehrformate ermittelt und der Analyseschwerpunkt 2 ausgewertet werden.
▼ 127 |
Die Grundgesamtheit dieser Studie bilden die Lehrenden aller deutschen Hochschulen. Es wird davon ausgegangen, dass es in den verschiedenen Studienfächern Unterschiede in Bezug auf angewandte Lehrverfahren, Darstellungsformen und Technische Geräte gibt. Die amtliche Hochschulstatistik registriert 275 Studienfächer. Inhaltlich verwandte Studienfächer werden in 58 Studienbereiche, inhaltlich verwandte Studienbereiche wiederum in zehn Fächergruppen zusammengefasst22.
Fächergruppen |
Studienbereich |
01 Sprach- und Kulturwissenschaften |
Sprach- und Kulturwissenschaften allgemein; Evang. Theologie, -Religionslehre; Kath. Theologie, -Religionslehre; Philosophie; Geschichte; Bibliothekswissenschaft, Dokumentation, Publizistik; Allgemeine und vergleichende Literatur- und Sprachwissenschaft; Altphilologie (klass. Philologie), Neugriechisch; Germanistik (Deutsch, germanische Sprachen ohne Anglistik); Anglistik, Amerikanistik; Romanistik; Slawistik, Baltistik, Finno-Ugristik; Außereuropäische Sprach- und Kulturwissenschaften; Kulturwissenschaften i.e.S.; Psychologie; Erziehungswissenschaften; Sonderpädagogik |
02 Sport |
Sport, Sportwissenschaft |
03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften |
Wirtschafts- und Gesellschaftslehre allgemein; Regionalwissenschaften; Politikwissenschaften; Sozialwissenschaften; Sozialwesen; Rechtswissenschaft; Verwaltungswissenschaft; Wirtschaftswissenschaften; Wirtschaftsingenieurwesen |
04 Mathematik und Naturwissenschaften |
Mathematik, Naturwissenschaften allgemein; Mathematik; Informatik; Physik, Astronomie; Chemie; Pharmazie; Biologie; Geowissenschaften (ohne Geographie); Geographie |
05 Humanmedizin |
Humanmedizin (ohne Zahnmedizin); Zahnmedizin |
06 Veterinärmedizin |
Veterinärmedizin |
07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften |
Landespflege, Umweltgestaltung; Agrarwissenschaften, Lebensmittel- und Getränketechnologie; Forstwissenschaft, Holzwirtschaft; Ernährungs- und Haushaltswissenschaften |
08 Ingenieurwissenschaften |
Ingenieurwesen allgemein; Bergbau, Hüttenwesen; Maschinenbau/Verfahrenstechnik; Elektrotechnik; Verkehrstechnik, Nautik; Architektur, Innenarchitektur; Raumplanung; Bauingenieurwesen; Vermessungswesen |
09 Kunst und Kunstwissenschaft |
Kunst, Kunstwissenschaft allgemein; Bildende Kunst; Gestaltung; Darstellende Kunst, Film und Fernsehen, Theaterwissenschaft; Musik, Musikwissenschaft |
10 Außerhalb der Studienbereichsgliederung |
Außerhalb der Studienbereichsgliederung |
Die Fächergruppen 02 Sport, 09 Kunst und Kunstwissenschaft und 10 Außerhalb der Studienbereichsgliederung werden nicht untersucht. Die Fächergruppen 05 Humanmedizin und 06 Veterinärmedizin werden in der folgenden Analyse zu der Fächergruppe 05/06 Medizin zusammengefasst. Somit bilden sechs Fächergruppen bilden die Grundlage der Befragung (siehe Tabelle 4-2 ):
▼ 128 |
Diese Fächergruppen werden in verschiedenen Hochschularten gelehrt. Die Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) unterscheidet zwischen den Hochschularten Universitäten u. Ä. Hochschulen23, Kunst- und Musikhochschulen24 und Fachhochschulen25. Die einzelnen Fächergruppen werden teilweise an Universitäten und Fachhochschulen gelehrt, beispielsweise die Ingenieurwissenschaften, und sollen daher auch an beiden Hochschularten befragt werden.
Die Lehrenden der Hochschuleinrichtungen sollen persönlich angeschrieben oder angesprochen werden. Die Tabelle 4-2 zeigt die kontaktierten Hochschulen und Universitäten, die aus praktikablen Gründen die Stichprobe bilden.26
▼ 129 |
Je nachdem, wie hoch der Rücklauf war, wurden weitere Hochschulen und Universitäten in die Studie mit aufgenommen. Es wurde angenommen, dass diejenigen Lehrenden, die ihre E-Mail-Adresse öffentlich anzeigen, eine größere Bereitschaft zeigen, an der Studie teilzunehmen. Daher wurden die Webseiten der Hochschulen und Universitäten nach aufgelisteten E-Mail-Adressen durchsucht. Grundlage hierfür bildete zunächst die Webseite studieren.de 27, die alle Hochschulen und Universitäten nach Studienbereichen sortiert auflistet.
Fächergruppen |
Studienbereich |
01 Sprach- und Kulturwissenschaften |
Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd Technische Universität Dresden Universität Erfurt Universität Leipzig Universität Paderborn |
03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften |
Hochschule Aalen Fachhochschule Nürtingen Hochschule Pforzheim Universität Bielefeld Universität Erfurt Universität Mainz Universität Tübingen |
04 Mathematik und Naturwissenschaften |
Hochschule Aalen Universität Ilmenau Universität Stuttgart |
05/06 Medizin |
Universität Aachen Universität Bochum Universität Heidelberg Universität Leipzig Universität Tübingen |
07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften |
Hochschule Neu-Brandenburg Hochschule Dresden Universität Kiel Universität Gießen |
08 Ingenieurwissenschaften |
Hochschule Aalen Universität Ilmenau Universität Stuttgart |
Die Befragung fand an Hand eines strukturierten Telefoninterviews statt. Ein schriftlicher Fragebogen diente als Interviewleitfaden.
▼ 130 |
Die meisten Lehrenden an Hochschulen haben keine pädagogische Ausbildung und gestalten ihre Veranstaltung eher intuitiv. Daher sind die im Fragebogen verwendeten Begriffe den Lehrenden eventuell unbekannt und somit erklärungsbedürftig. In einem telefonischen Interview kann der Befragende jederzeit eingreifen und Erklärungen liefern.
Neben der anonymen Erfassung soziodemografischer Angaben behandelt der Fragebogen vier Fragenblöcke, der sich an den oben aufgeworfenen Fragestellungen orientiert:
Fragebogengestaltung28
▼ 131 |
Der Fragebogen beinhaltet geschlossene Fragen mit verschiedenen Antwortalternativen und offene Fragen. Abgesehen von den persönlichen Angaben (soziodemografische Angaben) beziehen sich alle Fragen auf eine spezifische Veranstaltung und nicht auf das gesamte Lehrangebot eines Lehrenden. Insgesamt haben die Lehrenden 17 Fragen pro Veranstaltung beantwortet, wenn sie kein E-Learning einsetzen, 30 Fragen pro Veranstaltung kombiniert mit E-Learning.
Ablauf des Telefoninterviews
Jeder Befragte hat eine an ihn persönlich adressierte E-Mail29 inklusive Fragebogen erhalten, mit der Bitte, sich bei Interesse zurückzumelden. Für das Telefoninterview wurde ein Termin vereinbart. Der zu Befragende hatte den Fragebogen digital vorliegen und konnte die Fragen mitlesen. Im Durchschnitt hat ein Interview zwischen 15 bis 25 Minuten gedauert. Die Lehrenden wurden zunächst gebeten, Auskunft über ihr Lehrangebot zu machen. Danach haben Interviewer und Lehrender gemeinsam entschieden, welche Lehrveranstaltung oder auch mehrere für die Untersuchung in Frage kommen. Es wurden die Veranstaltungen ausgewählt, die sich am meisten unterscheiden (z. B. Vorlesung und Seminar). Nahezu identische Veranstaltungen eines Lehrenden wurden nicht erfasst. Fast alle Lehrenden haben Auskunft über zwei Veranstaltungen, die sich im Lehrverfahren und Medieneinsatz unterscheiden, für die Befragung gegeben, wobei einige eine Befragung am Telefon durchführten und einen zweiten Fragebogen digital ausfüllten und per E-Mail zurücksandten. Wurde E-Learning in einer Veranstaltung eingesetzt, wurde diese vorrangig gewählt, um Daten über Erfahrungen mit E-Learning zu dokumentieren. Die Telefoninterviews wurden nicht aufgezeichnet und anschließend transkribiert, der Fragebogen diente lediglich als Gesprächsprotokoll.
Mitte März 2005 begann die Pilotstudie an der Hochschule Aalen, die die Fächergruppen 03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 04 Mathematik, Naturwissenschaften und 08 Ingenieurwissenschaften vertritt. Nachdem die einzelnen Studiendekane in den Fakultäten mit der Bitte an Beteiligung auf die Studie hingewiesen haben, wurde jeder Professor an der Hochschule Aalen angeschrieben. Diese Interviews fanden alle persönlich statt. Ende Januar 2006 wurden die Lehrenden der Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd durch den Rektor über die Studie informiert und ebenfalls via E-Mail persönlich angeschrieben. Die Interviews fanden überwiegend telefonisch statt. Bei allen anderen in Tabelle 4-2 aufgelisteten Universitäten wurden die Internetseiten nach E-Mail-Adressen von Lehrenden durchsucht und persönlich angeschrieben. Von insgesamt 806 kontaktierten Lehrenden nahmen bis Anfang August 2006 189 Lehrende an der Studie teil. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 23,5 Prozent (siehe Tabelle 4-3).
▼ 132 |
Fächergruppen |
Anfragen |
Rückläufe [N] |
Quote in [%] |
Gesamt |
806 |
189 |
23,5 |
Universitäten |
585 |
92 |
15,7 |
Fachhochschulen |
221 |
97 |
43,9 |
Fächergruppe | |||
01 Sprach- und Kulturwissenschaften |
143 |
45 |
31,5 |
03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften |
153 |
45 |
29,4 |
04 Mathematik und Naturwissenschaften |
128 |
40 |
31,3 |
05/06 Medizin |
147 |
12 |
8,2 |
07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften |
114 |
13 |
11,4 |
08 Ingenieurwissenschaften |
121 |
34 |
28,1 |
Bemerkenswert ist, dass von den kontaktierten Lehrenden an Fachhochschulen fast jeder Zweite antwortete (43,9 Prozent), von den Lehrenden der Universitäten erklärte sich knapp jeder sechste bereit, die Fragen zu beantworten.
Die Fächergruppen 01 Sprach- und Kulturwissenschaften, 03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 04 Mathematik, Naturwissenschaften und 08 Ingenieurwissenschaften haben sich vergleichbar aktiv verhalten. Die Fächergruppen 05/06 Medizin und 07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften haben sich deutlich weniger an der Studie beteiligt.
▼ 133 |
Von insgesamt 147 kontaktierten Lehrpersonen der Fächergruppe 05/06 Medizin antworteten lediglich 12 Lehrende, in der Fächergruppe 07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften wurden 114 Lehrpersonen kontaktiert, von denen 13 Fragebögen ausfüllten. Die Ergebnisse dieser beiden Gruppen sind vor diesem Hintergrund zu betrachten und können kein repräsentatives Ergebnis für diese Fächergruppen liefern. Die Abbildung 4-1 gibt einen Überblick in Bezug auf die persönlichen Angaben der Stichprobe.
Abbildung 4-1: Die Stichprobe im Überblick | ||
Über 80 Lehrende machten Angaben zu zwei oder drei ihrer Veranstaltungen und somit bildet die Stichprobengröße eine Anzahl von 274 Veranstaltungen. Alle Veranstaltungen wurden inhaltlich den Fächergruppen zugeordnet. Wurde beispielsweise das Studienfach Statistik in der Fächergruppe 03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gelesen, so wurde die Veranstaltung dennoch der Fächergruppe 04 Mathematik, Naturwissenschaften zugeordnet.30 Somit ergibt sich die in Tabelle 4-4 dargestellte Verteilung der 274 befragten Lehrveranstaltungen.
▼ 134 |
Universität |
Hochschule |
Gesamt |
||||||
Fächergruppen |
[N] |
[%] |
[N] |
[%] |
[N] |
[%] |
||
01 Sprach- und Kulturwissenschaften |
48 |
17,5 |
10 |
3,7 |
58 |
21,2 |
||
03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften |
24 |
8,8 |
46 |
16,8 |
70 |
25,6 |
||
04 Mathematik und Naturwissenschaften |
19 |
6,9 |
46 |
16,8 |
65 |
23,7 |
||
05/06 Medizin |
12 |
4,4 |
1 |
0,4 |
13 |
4,7 |
||
07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften |
7 |
2,6 |
7 |
2,6 |
14 |
5,1 |
||
08 Ingenieurwissenschaften |
12 |
4,4 |
42 |
15,3 |
54 |
19,7 |
||
Summe |
122 |
44,5 |
152 |
55,5 |
274 |
100 |
Bezogen auf die verschiedenen Veranstaltungstypen ergibt sich für die Hochschularten und Fächergruppen folgendes Bild:
Fächergruppen |
Vorlesung |
Seminar |
Übung |
Praktikum |
Projektarbeit |
Gesamt |
159 |
67 |
24 |
10 |
14 |
Universitäten |
53 |
50 |
14 |
2 |
3 |
Fachhochschulen |
106 |
17 |
10 |
8 |
11 |
Fächergruppe | |||||
01 Sprach- und Kulturwissenschaften |
18 |
37 |
2 |
0 |
1 |
03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften |
45 |
15 |
4 |
1 |
5 |
04 Mathematik und Naturwissenschaften |
42 |
7 |
6 |
4 |
5 |
05/06 Medizin |
6 |
4 |
2 |
1 |
0 |
07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften |
10 |
0 |
2 |
0 |
2 |
08 Ingenieurwissenschaften |
38 |
4 |
7 |
4 |
1 |
▼ 135 |
Die folgenden Ergebnisse sollen zeigen, in welchem Rahmen und mit welchen Hilfsmitteln Lehrende ihr Wissen an Studierende weitergeben. In dieser Auswertung wird SPSS von LEADTOOLS eingesetzt.
Das Lehrverfahren kann darbietend, erarbeitend oder explorativ sein und wurde aus folgenden Fragen und Antworten ermittelt31:
Das Lehrverfahren ist … |
darbietend |
erarbeitend |
explorativ |
Die Rolle des Lehrenden ist … |
führend, vorgebend |
entwickelnd, anleitend |
anregend, beratend |
Die Rolle des Lernenden ist … |
aufnehmend, |
unter Anleitung |
selbstständig |
Die Lerninhalte erarbeiten … |
die Lehrenden |
die Lernenden unter Anleitung |
die Lernenden |
Die Lernmaterialien werden … |
zur Verfügung gestellt und gemeinsam bearbeitet |
zur Verfügung gestellt |
nur im geringen Maß zur Verfügung gestellt |
Beispiele |
Vortrag, |
angeleitetes Praktikum oder Übung |
Experiment, |
▼ 136 |
Die Mehrheit der Lehrenden (75,5 Prozent) wendet eine Kombination aus allen drei Lehrverfahren in einer Lehrveranstaltungsreihe an. Es gibt kaum „reine“ Lehrveranstaltungen (knapp 3 Prozent). Über 21 Prozent der Lehrenden verwenden zwei Lehrverfahren.
Abbildung 4-2 Kombinationen von Lehrverfahren | ||
Obwohl drei Viertel der Lehrenden die Kombination aus allen drei Lehrveranstaltungen wählen, nutzen Sie zu über 50 Prozent in den Veranstaltungen das darbietende Lehrverfahren.
▼ 137 |
Abbildung 4-3: Welches Lehrverfahren wenden die Lehrenden an? | ||
In den Fächergruppen lassen sich durchaus Unterschiede im angewandten Lehrverfahren erkennen. Jedoch muss dies im Zusammenhang der befragten Veranstaltungsform gesehen werden. In den Fächergruppen mit hohem Anteil an explorativem Lehrverfahren wurden auch deutlich mehr Veranstaltungsformen wie Seminare oder Projektarbeiten befragt (siehe Tabelle 4-6 , S. 94).32
Abbildung 4-4: Welches Lehrverfahren wenden die Lehrenden der einzelnen Fächergruppen an | ||
Rückfragen der Studierenden
▼ 138 |
Im Lernprozess spielt die Kommunikation und Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden eine wesentliche Rolle. In einer Vorlesung mit über 75 Studierenden findet kaum eine Kommunikation zwischen Lehrendem und Lernenden statt und die Lerneraktivität auf Seiten der Studierenden kann stark eingegrenzt sein. In Projektarbeiten oder Praktika hingegen ist der kommunikative Austausch ein wesentlicher Bestandteil der Veranstaltung.
Die Studierenden stellen einerseits mündliche Fragen, nämlich innerhalb einer Veranstaltung, direkt danach oder außerhalb und andererseits schriftliche Fragen per E-Mail:33
▼ 139 |
Aus den Antworten wird die Kennzahl der Rückfragen k R berechnet. Dabei entspricht:
keine = 0; < 5 Fragen = 0,25; < 10 Fragen = 0,5; < 15 Fragen = 0,75; > 15 Fragen = 1
Die meisten Fragen werden innerhalb einer Veranstaltung gefragt. Es werden knapp halb so viele Fragen direkt danach, noch etwas weniger außerhalb einer Veranstaltung gestellt. Am wenigsten stellen die Studierenden schriftlich ihre Fragen (per E-Mail).
▼ 140 |
Abbildung 4-5: Rückfragen der Studierenden pro 90 Minuten (2 Semesterwochenstunden) | ||
Insgesamt stellen die Studierenden knapp 12 Prozent aller ihrer Fragen in schriftlicher Form.
Abbildung 4-6: Wie viel Prozent aller Fragen werden per E-Mail gestellt? | ||
▼ 141 |
Die Studierenden der Fächergruppe 01 Sprach- und Kulturwissenschaften stellen knapp 17 Prozent aller ihrer Fragen per E-Mail, die der Fächergruppe 08 Ingenieurwissenschaften nur zu 5,5 Prozent (siehe Tabelle 4-7 ).
mündlich |
schriftlich |
|||
Fächergruppe |
während |
direkt danach |
außerhalb |
|
Gesamt |
51,2 |
23,5 |
13,4 |
11,8 |
01 Sprach- und Kulturwissenschaften |
49,1 |
22,1 |
15,2 |
16,6 |
03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften |
51,9 |
22,0 |
11,6 |
14,5 |
04 Mathematik und Naturwissenschaften |
46,0 |
24,4 |
17,4 |
12,2 |
04-38 Informatik |
56,0 |
20,2 |
11,1 |
12,6 |
05/06 Medizin |
52,0 |
23,4 |
14,4 |
10,2 |
07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften |
42,9 |
29,0 |
14,0 |
14,1 |
08 Ingenieurwissenschaften |
53,9 |
27,6 |
13,1 |
5,5 |
Vorlesung |
50,1 |
26,6 |
12,0 |
10,5 |
Seminar |
48,6 |
20,5 |
14,8 |
16,2 |
Übung |
58,9 |
18,0 |
15,0 |
8,1 |
Praktikum |
53,9 |
21,5 |
14,8 |
9,8 |
Projektarbeit |
51,2 |
14,3 |
19,4 |
15,1 |
Die Tabelle 4-7 zeigt jedoch, dass in Vorlesungen generell weniger E-Mail-Fragen gestellt werden, noch weniger in Übungen und Praktika. Genau dass sind aber typische Veranstaltungsformen in den Fächergruppen 04 Mathematik, Naturwissenschaften und 08 Ingenieurwissenschaften. Werden nur die Fragen der Studierenden der Veranstaltungsform Vorlesung betrachtet, können die Werte miteinander verglichen werden. Tabelle 4-8 zeigt, dass die Informatiker wesentlich mehr Fragen schriftlich formulieren als die Ingenieurwissenschaftler und Sprach- und Kulturwissenschaftler.
▼ 142 |
In den Fächergruppen 03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 04-38 Informatik und 07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften werden sogar mehr Fragen schriftlich formuliert als außerhalb einer Veranstaltung mündlich gefragt.
mündlich |
schriftlich |
|||
Fächergruppe |
während |
direkt danach |
außerhalb |
|
Gesamt |
51,2 |
23,5 |
13,4 |
11,9 |
01 Sprach- und Kulturwissenschaften |
52,7 |
24,2 |
14,8 |
8,3 |
03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften |
52,4 |
23,5 |
11,3 |
12,8 |
04 Mathematik und Naturwissenschaften |
44,5 |
28,2 |
14,9 |
12,5 |
04-38 Informatik |
53,6 |
23,6 |
9,2 |
13,7 |
05/06 Medizin |
49,6 |
27,2 |
12,3 |
10,8 |
07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften |
37,2 |
36,1 |
13,2 |
13,4 |
08 Ingenieurwissenschaften |
53,7 |
30,1 |
11,6 |
4,7 |
Die Lehrenden präsentieren ihr Wissen mit beispielsweise Texten und Bildern an verschiedenen technischen Geräten. Die Lehrenden wurden gebeten, die nachstehende Tabelle 4-9 veranstaltungsbezogen auszufüllen. Sie sollten zunächst entscheiden, welches Gerät sie zu wie viel Prozent einsetzen und danach, welche Darstellungsformen sie mit welchem technischen Gerät kombinieren.34
▼ 143 |
Tabelle 4-9: Welche Darstellungsformen und technischen Geräte setzen die Lehrenden ein? | ||
Technische Geräte
Über 70 Prozent der befragten Lehrenden verwenden in ihren Veranstaltungen die Tafel/ Whiteboard, 65 Prozent einen Beamer und 58 Prozent einen Tageslichtprojektor. Analoge und digitale Geräte werden zu gleichen Anteilen genutzt (8,8 Prozent). Flipcharts verwenden die Lehrenden kaum, obwohl sie nach Nachfrage zur Verfügung ständen.
Abbildung 4-7: Welche technischen Geräte setzen die Lehrenden ein? | ||
▼ 144 |
Durchschnittlich werden pro Veranstaltung zwei verschiedene technische Geräte eingesetzt. Knapp 18 Prozent nutzen nur ein technisches Gerät, davon allein 12,8 Prozent nur den Beamer, 3,6 Prozent den Tageslichtprojektor und nur 1,5 Prozent ausschließlich die Tafel.
Die Kombination Tafel und Tageslichtprojektor (23,0 Prozent) oder Tafel und Beamer (21,2 Prozent) wird wesentlich häufiger eingesetzt als die Kombination Tageslichtprojektor und Beamer (7,7 Prozent).35 23,4 Prozent der Lehrenden nutzen die Dreierkombination Tafel, Tageslichtprojektor und Beamer.
Diese Ergebnisse lassen zunächst vermuten, dass die Tafel bzw. das Whiteboard immer noch das Leitmedium in der Lehre ist. Diese Zahlen sagen jedoch nur aus, dass die meisten Lehrenden eine Tafel nutzen. Die Analyse der Angabe, wie viel Prozent der Darstellungsformen die Lehrenden an die Tafel zeichnen, zeigt jedoch ein ganz anderes Bild.
▼ 145 |
Über den Beamer werden knapp 45 Prozent aller Lerninhalte präsentiert. Der Tageslichtprojektor rückt mit 27 Prozent an die zweite Stelle, die Tafel wird mit knapp über 25 Prozent auf den dritten Platz verwiesen. Die restlichen Lehrenden, nicht einmal 2 Prozent, nutzen analoge oder digitale Geräte für Audio oder Video.
Abbildung 4-8: Welches Gerät wird hauptsächlich für die Inhalte benutzt? | ||
Die Abbildung 4-9 zeigt, dass die Fächergruppen die drei Hauptgeräte Tafel, Tageslichtprojektor und Beamer unterschiedlich häufig einsetzen.
▼ 146 |
Abbildung 4-9: Welche Geräte nutzen die Lehrenden für die einzelnen Darstellungsformen? | ||
Darstellungsformen
Die Lehrenden sind im Fragebogen aufgefordert worden, Prozentangaben zur Verwendung von verschiedenen Darstellungsformen in Kombination mit verschiedenen technischen Geräten zu machen (siehe Tabelle 4-9 ).36 Diese Angaben beziehen sich rein auf die Präsentation des Lehrenden, nicht auf die ausgehändigten Materialien (bspw. Darstellungsformen im Skript) und sollen aufzeigen, wie letztendlich ein Beamer- oder Tafelbild aussieht und ob es bevorzugte technische Geräte für einzelne Darstellungsformen gibt.
Die Ergebnisse zeigen, dass dynamische Darstellungsformen wie Audio, Video, Animationen und Softwarevorführungen im Vergleich zu Formeln nur halb so oft verwendet werden. Texte und Bilder37 werden zu etwa gleichen Anteilen genutzt.
▼ 147 |
Abbildung 4-10: Zu welchen Anteilen nutzen die Lehrenden die Darstellungsformen? | ||
Texte, Charts, Abbilder und dynamische Visualisierungen werden in erster Linie am Computer mit Beamer dargestellt (zwischen 40 und 50 Prozent, außer Videos mit über 60 Prozent). Nur Formeln werden mit knapp 49 Prozent in erster Linie an die Tafel geschrieben.
Abbildung 4-11: Welche Darstellungsform wird an welchem technischen Gerät visualisiert? | ||
▼ 148 |
Entscheidend für die spätere Diskussion zur Umformatierung ist, ob eine Darstellungsform flüchtig oder dauerhaft ist und ob die Inhalte bereits digitalisiert sind. Darstellungsformen an Tafel oder Whiteboard sind flüchtig, es sei denn, sie werden abfotografiert, was durchaus einige Lehrende tun. Flipchartanschriebe und handschriftlich beschriebene Tageslichtprojektor-Folien zählen an sich zu den dauerhaften Darstellungsformen, wenn sie nicht „entsorgt“ werden. Meist werden sie aber als Tafelersatz benutzt, um Inhalte zu entwickeln oder stichwortartig zusammenzufassen. Dennoch werden sie in die dieser Studie zu den dauerhaften Darstellungsformen gezählt.
Die Abbildung 4-11 zeigt, dass lediglich je ein Fünftel der Abbilder, Piktogramme, Karten und der Charts, Tabellen, Diagrammen flüchtig sind. Formeln werden zu knapp 50 Prozent an der Tafel entwickelt, Texte sind zu einem Drittel flüchtig. Insgesamt von allen Darstellungsformen sind lediglich knapp ein Viertel flüchtig. Die restlichen sind dauerhaft auf Folien oder sogar digital gespeichert.
Wie viel ist digital?
Der Einsatz der technischen Geräte lässt schon vermuten, dass der digitale Anteil der Präsentationen sehr hoch ist. Tatsächlich liegen 62 Prozent aller Präsentationen digital (auf einem Computer) vor. Die Lehrenden präsentieren jedoch nicht nur Inhalte, sie verteilen zusätzlich Materialien, wie beispielsweise Skripte, Arbeitsblätter, Zusatzliteratur etc.:
▼ 149 |
Das Begleitbuch wird vom Digitalisierungsgrad der Materialien ausgeschlossen. In 36,9 Prozent der Veranstaltungen arbeiten die Studierenden mit einem Begleitbuch, immerhin bieten neun Lehrende (3,4 Prozent) ein Begleitbuch in digitaler Form, was sich nach Nachfragen die Studierenden aber ausdrucken.
Die Auswertung zeigt, dass der Digitalisierungsgrad der Materialien sehr hoch ist: 65 Prozent aller Materialien liegen in digitaler Form vor.
▼ 150 |
Fächergruppe |
Digitalisierungsgrad
|
Digitalisierungsgrad
|
Gesamt |
0,65 |
0,62 |
01 Sprach- und Kulturwissenschaften |
0,57 |
0,63 |
03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften |
0,69 |
0,71 |
04 Mathematik und Naturwissenschaften |
0,59 |
0,39 |
04-38 Informatik |
0,88 |
0,78 |
05/06 Medizin |
0,45 |
0,63 |
07 Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften |
0,70 |
0,71 |
08 Ingenieurwissenschaften |
0,62 |
0,45 |
Die Ergebnisse zeigen, dass es kaum noch die klassische (Vor-)Lesung gibt. Die Lehrenden wenden kombinierte Lehrverfahren an und nutzen mehrere Medien in den einzelnen Veranstaltungen. Die Lehrenden sind bereit, neue Medien (bspw. Beamer) in den alltäglichen Lehrbetrieb mit aufzunehmen, verzichten aber nicht auf die klassischen. Im Folgenden soll versucht werden, Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Lehrveranstaltungen herauszuarbeiten und daraus Typen zu bilden. Davor wird der Begriff des Lehrformats eingeführt.
22 Siehe Wissenschaft weltoffen (2006). Glossarstichwort Fächersystematik. < http://www.wissenschaft-weltoffen.de/glossar/f01_html>, Zugriff am 29.06.2006
23 Zu der Hochschulart Universität zählt die HIS die Universitäten, Gesamthochschulen (bis Sommersemester 2002), Pädagogische Hochschulen und Theologisch/kirchliche Hochschulen. Siehe Wissenschaft weltoffen (2006). Glossarstichwort Hochschulen in Deutschland. <http://www.wissenschaft-weltoffen.de/glossar/h06_html>, Zugriff am 29.06.2006
24 Diese Hochschulart lehrt hauptsächlich die Fächergruppe 09 Kunst und Kunstwissenschaften und wird daher in dieser Studie nicht berücksichtigt.
25 Zu der Hochschulart Fachhochschulen zählt die HIS Fachhochschulen (ohne Verwaltungsfachhochschulen) und Verwaltungsfachhochschulen. Siehe Wissenschaft weltoffen (2006). Glossarstichwort Hochschulen in Deutschland. <http://www.wissenschaft-weltoffen.de/glossar/h06_html>, Zugriff am 29.06.2006
26 Die Autorin arbeitet zu diesem Zeitpunkt an der Hochschule Aalen. Daher wurden die nahe gelegenen Hochschulen ausgewählt: Hochschule Aalen, Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd. Einige Befragungen fanden auch auf Grund von Empfehlungen der Autorin bekannter Professoren statt, so beispielsweise die Fachhochschule Nürtingen oder die Universität Erfurt.
27 Siehe studieren.de (2006). Listen Fachbereiche. <http://www.studieren.de/fachbereiche.asp>, Zugriff am 20.02.2006
28 Fragebogen, siehe Anhang A
29 E-Mail Anschreiben, siehe Anhang A
30 Insgesamt wurden 72 Veranstaltungen einer anderen Fächergruppe zugeordnet, als in der sie tatsächlich gelesen werden. Dies entspricht 26,3 Prozent.
31 Siehe Frage 2.10 im Fragebogen, Anhang A2. Die Lehrenden konnten im Fragebogen Prozentangaben machen, da die Pilotstudie bereits ergab, dass sich die Lehrenden kaum für eine der angebotenen Antwortmöglichkeiten entscheiden konnten.
32 In den folgenden Auswertungen in Bezug auf die verschiedenen Fächergruppen wurde das Studienfach Informatik getrennt von der Fächergruppe Mathematik, Naturwissenschaften betrachtet. Die Lehrveranstaltungen dieses Studienfaches haben deutlich andere charakteristische Eigenschaften in Bezug auf die Verwendung von Darstellungsformen und technischen Geräten.
33 Siehe Frage 2.9 im Fragenbogen, Anhang A2.
34 Der Tageslichtprojektor wurde in drei Gruppen geteilt, um zu ermitteln, ob die präsentierten Darstellungsformen analog oder digital vorliegen.
35 Vielleicht aus dem Grund, dass Tageslichtprojektor und Tafel meist die gleiche Projektionsfläche benutzen.
36 Für die weitere Auswertung werden die Karten zu den Abbildern gezählt.
37 Charts, Tabellen, Diagramme, Abbilder, Piktogramme, Karten
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DiML DTD Version 3.0 | TARGET Textarchiv Gotha/Erfurt | HTML-Version erstellt am: 18.03.2008 |