2 Rahmen der Wissensvermittlung: Veranstaltungsformen, Lehrmethoden und Lernmodelle

▼ 43 (fortgesetzt)

Nach Steindorf (2000, S. 28) kann jeder Mensch Wissen unmittelbar oder mittelbar erlangen. Unmittelbares Wissen eignen wir uns durch eigene Anschauung oder persönliche Erfahrung an. Mittelbares Wissen entstammt aus Erfahrungen anderer und wird durch auditive oder visuelle Kommunikation weitergegeben.

Die Vermittlung von Wissen und Kompetenz findet in Hochschulen in verschiedenen Veranstaltungsformen statt, in denen die Lehrenden verschiedene Lehrmethoden und Lehr-Lernmodelle verwenden. Sie bilden den Rahmen der Wissensvermittlung, in dem Hilfsmittel zur Visualisierung (Darstellungsformen, Technische Geräte und Medien) eingesetzt werden.

2.1 Veranstaltungsformen

▼ 44 

Die traditionelle Wissensvermittlung an Hochschulen findet in verschiedenen Veranstaltungsformen statt. Die mittelalterlichen Universitäten kommunizierten Wissen in mündlicher Form und bedienten sich der Kommunikationsformen ihrer Zeit: der Vorlesung lectio oder dem Streitgespräch disputatio (Encarnação, Leithold & Reuter, 1999). Kröger und Reisky (2004) bezeichnen diese Lernkultur (Präsenzunterricht) als Face-To-Face-Education. Der Name ergibt sich aus den angewandten Kommunikationsformen Frontalunterricht (one-to-many), Gruppendiskussion (many-to-many) und persönlichem Gespräch (one-to-one).

Im Laufe der Zeit haben sich in den Hochschulen neben der klassischen Vorlesung auch andere Veranstaltungsformen etabliert, beispielsweise Seminare, Praktika, Übungen und Tutorien oder Projektarbeiten. Es gibt eine Tendenz hin zum Typus des „seminaristischen Unterrichts“, in denen die Lerninhalte nicht nur dargeboten werden, sondern mit den Lernenden gemeinsam entwickelt werden (Voss, 2006). Mit der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge wird dieser Typus vom Ministerium explit eingefordert, um damit Absolventen mit Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Problemlösekompetenz hervorzubringen (Kammasch, 2006; Eyerer et al., 2006).

Eyerer et al. sehen den Absolventen als Entrepreneur („einer, der etwas unternimmt“), der hinterfragen, bewerten, Wissen anwenden muss, „um für die Gesellschaft relevante Produkte (auch und gerade Dienstleistungen) zu erzeugen“ (Eyerer et al., 2006, S. 12). Um dies zu gewährleisten, muss jede Veranstaltungsform ihren festen Platz in der Hochschulausbildung finden, welches im Rahmen von Evaluationen und Akkreditierungen von Studiengängen und Hochschuleinrichtungen fortlaufend überprüft wird.

▼ 45 

Abbildung 2-1: Kombinierte Veranstaltungsformen bringen Entrepreneure hervor (in Anlehnung an Eyerer et al., 2006, S. 12)

2.1.1 Die Vorlesung

Die Vorlesung ist die klassische Veranstaltungsform in der Hochschullehre, die etwa 80 Prozent der Lehrenden nutzen (Kaufhold-Wagenfeld & Ruf, 2005). Der Begriff Vorlesung selbst stammt aus der Zeit, in der Bücher für die meisten Studierenden zu teuer waren und eine Vorlesung hauptsächlich darin bestand, das der Lehrende aus Büchern vorlas.

In einer heutigen Vorlesung steht die Vermittlung von Faktenwissen im Vordergrund, wobei der Lehrende als Experte in diesem Wissensgebiet auftritt. Der Lehrende stellt den Lernenden den „State of the Art“ vor und erarbeitet die Schwerpunkte, die von einem Absolventen des Faches erwartet werden. Dabei entwickelt der Lehrende hauptsächlich Tafelbilder oder verwendet Folien und Overheadprojektoren (vgl. Voss, 2006).

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Bedingt durch die generell hohen Teilnehmerzahlen findet die Stoffvermittlung in der Regel „frontal“ statt, d. h. die Interaktivität zwischen den Teilnehmenden ist in einer Vorlesung meist begrenzt, ein direkter Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden findet kaum statt. „Individualität im Lernverhalten, Lernvermögen, Lebensumstände, und Auswirkungen von Lebenserfahrungen des Lernenden auf seine Wahrnehmung“ sind in einer klassischen Vorlesung eher nebensächlich (Kröger & Reisky, 2004, S. 14). Die Lernenden machen sich während der Veranstaltung Notizen und arbeiten das behandelte Thema nach. Der Studienerfolg folgt in der Regel nicht direkt aus dem Besuch einer Vorlesung, sondern in Phasen intensiven Selbststudiums und bei der Arbeit in selbst organisierten Kleingruppen (Voss, 2006). Als Lernkontrolle müssen die Lernenden meist Fachfragen beantworten, aber keine eigenen Lösungsansätze entwickeln (Kröger & Reisky, 2004).

Die Veranstaltungsform Vorlesung wird nach Voss (2006) in zweierlei Hinsicht in Frage gestellt: erstens von der Kognitionspsychologie und zweitens von ansprechenden Selbstlernmedien.

Erstens, die Kognitionspsychologie geht davon aus, dass „der Prozess des Wissenserwerbs im Wesentlichen eine aktiv-subjektive Konstruktion von Wissensstrukturen ist“. Dieser Prozess sollte möglichst von aktivierenden Veranstaltungsformen gefördert werden, wozu die Vorlesung zunächst nicht zählt. Jedoch kann eine Vorlesung durch eine dynamische Sprachführung und plastische Beispiele die Zuhörer fesseln und innerlich aktivieren. Voss stellt aber fest, dass „nur ein verschwindend geringer Anteil der Vorlesung […] von dieser Qualität“ ist. Dieses Problem existierte nach Schleiermacher jedoch schon vor fast 200 Jahren. Er war davon überzeugt, dass seine Kollegen mit ihren „unlebendigen und stagnierenden Inhalten“ lieber Bücher verkaufen sollten, als Vorlesungen zu halten (Schleiermacher, 1808).

▼ 47 

Zweitens, ansprechende und flexible Selbstlernmedien, die ein orts- und zeitunabhängiges Lernen ermöglichen und bspw. Simulationen, Animationen und interaktive Übungen enthalten können, stellen für die klassische Vorlesung eine weitaus größere Konkurrenz dar als das Printmedium. Jedoch erfordern Selbstlernprogramme ein hohes Maß an Eigen-Motivation und Selbstdisziplin sowie ein auf die Kommunikationstechniken abgestimmtes Lern- und Kommunikationsverhalten. Diese Eigenleistung zu erbringen, scheint momentan die Lernenden zu überfordern. Zahlreiche Studien belegen, dass die bei den Lernenden beliebteste Lernform immer noch eine Präsenzveranstaltung ist (Kröger und Reisky, 2004).

2.1.2 Das Seminar

Seminare dienen dazu, vertiefende Inhalte zu einem bestimmten Themengebiet zu erarbeiten. Es zeichnet sich durch hohe Interaktivität zwischen Lehrenden und Lernenden aus. Die Lernenden erschließen komplexe Fragestellungen selbstständig und präsentieren das Erlernte in Form von Referaten und/oder einer schriftlichen Ausarbeitung. Der Lehrende übernimmt in diesem Prozess als Spezialist im Themenbereich die Rolle als Berater und liefert ggf. Hintergrundinformationen. Die Lernenden erarbeiten meist in Gruppen ein vorgegebenes Thema und präsentieren ihr eigens erarbeitetes Wissen häufig in Form von Referaten, die auch als Standardleistung für qualifizierte Leistungsnachweise gelten (vgl. Niegemann, 1996). Nach den Referaten finden protokollierte Diskussionen statt. Reflexion und konstruktive Kritik vertiefen das Themengebiet (Hesse, 2006).

Seminare an Hochschulen können sich in Proseminare, Seminare und Hauptseminare untergliedern. Proseminare sind Veranstaltungen des Grundstudiums, die an Hand eines ausgewählten Themas zum wissenschaftlichen Arbeiten anleiten. Seminare oder Hauptseminare sind Veranstaltungen des Hauptstudiums, die komplexe Fragestellungen behandeln und die Befähigung zu selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten erfordern.

▼ 48 

Der Lernerfolg in Seminaren hängt mit der Teilnehmeranzahl zusammen, sie gelten mit über 30 Studierenden als überfüllt. „Besonders problematisch sind ganztägige Blockseminare“, in denen viele Referate gehalten werden und kaum mehr Zeit oder auch Anregung zur Diskussion besteht (Niegemann, 1996, S. 2). Dieses Problem haben Wissenschaftskongresse mit Postersessions gelöst, die Kurzvorträge ersetzen. In einem Raum werden zwei bis sechs Poster gruppiert und von einem Moderator, der in die behandelnde Thematik einführt, betreut. Jeder Referent stellt sein Poster vor (maximal fünf bis zehn Minuten) und anschließend diskutieren die Teilnehmenden 30 bis 60 Minuten zunächst in Kleingruppen mit den Referenten. Abschließend fassen die Referenten die wichtigsten Argumente und Fragen zusammen und diskutieren sie nochmals im moderierten Plenum (ebd.).

2.1.3 Die Übung oder das Tutorium

Diese Lehrveranstaltungsform ist ein komplementäres Angebot zur Vorlesung und dient dazu, den in einer Vorlesung vermittelten Stoff zu festigen und an Hand von Aufgaben zu vertiefen und anzuwenden. Die Übung konzentriert sich auf die praktischen Ziele eines Studiums und gilt als Hilfestellung zur Entwicklung berufsrelevanter Fähigkeiten und Kompetenzen. Der Lehrende löst eine Aufgabe exemplarisch an der Tafel oder die Lernenden erarbeiten die Aufgaben selbstständig, wobei der Lehrende bei Verständnisschwierigkeiten aushilft (Hesse, 2006).

Tutorien sind eine Spezialform der Lehrveranstaltungsform Übung. Seit Ende der sechziger Jahre spielt der Einsatz studentischer Tutorien eine wachsende Rolle in der Hochschuldidaktik. Tutorien „haben eine herausragende Orientierungsfunktion für Erstsemesterstudierende in deren zukünftigen Lernverhalten“ (Schubert-Henning, 1997, S. 2). Studierende eines höheren Semesters unterstützen ihre Kommilitonen beim Bearbeiten der Übungsaufgaben (Voss, 2006) und „leiten zu selbstorganisiertem Lernen sowie wissenschaftlichen Arbeiten an“ (Siep & Stemmler, 1997). Diese von Studierenden selbst organisierten Lerngruppen mit maximal 15 Teilnehmenden sind motiviert und arbeiten kontinuierlich zusammen. Siep und Stemmler sprechen hier von Fachtutorien und unterscheiden zwischen fachspezifischen Lernzielen und fachübergreifenden Lernzielen. Zu den fachspezifischen Lernzielen gehören neben dem Erlangen von Grundkenntnissen im Fach selbst auch der Umgang mit Fachliteratur, das Entwickeln von Methodenbewusstsein und das Anwenden von Methoden. Darüber hinaus erlangt der Lernende fachübergreifende Handlungskompetenz (Metawissen). Er erkennt, strukturiert und löst selbstständig Probleme, übernimmt Eigeninitiative und Selbstverantwortung, lernt seine Standpunkte kritisch zu hinterfragen und sachbezogen zu diskutieren (ebd.).

2.1.4 Das Praktikum

▼ 49 

Der Lehrveranstaltungstyp Praktikum (auch Labor) wird eher in den naturwissenschaftlichen Fächern angeboten und ist zwar eine kostspielige, aber auch sehr erfolgreiche Veranstaltungsform (Kammasch, 2006). Die Lernenden wenden in einem Praktikum fachspezifische Methoden an und führen Experimente und Messungen durch. Dabei erwerben sie fachbezogene praktische und methodische Fertigkeiten. Von dem Lernenden wird ein erhöhtes Maß an Selbstständigkeit verlangt. Die Studierenden führen Versuche unter Anleitung selbst durch und/oder beobachten den Ablauf der Experimente. Durch das Arbeiten an realen technischen Geräten werden dem Lernenden „Erfolgserlebnisse durch die Erfahrung, etwas bewegt oder geschaffen zu haben“ ermöglicht (Behr, Bock & Weimar, 2003). Das Praktikum „ist als ein exemplarischer Ausschnitt der technischen Zivilisation konzipiert, in dem sowohl das Grundlegende als auch das instrumentelle Detail studiert und angeeignet werden kann“ (Weick, zitiert nach Behr, Bock & Weimar, 2003).

Die Laborarbeit liefert nach Kammasch optimale Lernbedingungen, indem sie neben Hören, Schreiben und Sprechen, das „unmittelbare Tun“ verlangt.

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„Die hier verlangte Eigeninitiative geht weit über die in Seminaren und Vorlesungen verlangte hinaus.“ (Kammasch, 2006, S. 7)

Bruchmüller und Haug (2001) gliedern entsprechend dem steigenden Anspruchsniveau im Studienverlauf das Labor in drei Stufen.

Abbildung 2-2: Laborarbeit in der Hochschulausbildung (Bruchmüller & Haug, 2001, S. 69)

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Das integrierte Labor (IL) lockert die Vorlesung auf und lässt Studierende die Theorie nachvollziehen, überprüfen und erleben. An Hand von Laboranleitungen mit strukturierten Aufgabenstellungen führen die Studierenden im ersten und zweiten Semester Übungsversuche (Stufe I) durch. Nach Bruchmüller und Haug liegt das Ziel im integrierten Labor und Labor der Stufe I eindeutig im „‚Lernen‘, und zwar auf der Stufe von Lernen bis hin zu ‚Lernen lernen‘“ (Bruchmüller & Haug, 2001, S. 71).

In Laborversuchen der Stufe II kommen die Versuche in den Bereich der Problemlösung mit eigenem Versuchsaufbau und „offenem Ausgang“. In Gruppen führen die Studierenden die Versuche selbstständig durch, die oftmals durch Gespräche und Diskussionen der Studierenden untereinander oder mit Laborassistenten ergänzt werden und den Lernvorgang wesentlich fördern. Die Lernenden müssen Laborberichte schreiben, halten Vorträge und lernen somit das Lehren (vgl. ebd.).

In der Stufe III werden Problemlösekompetenz und Kreativität gefordert und bilden eher den Abschluss einer Hochschulausbildung. Die Studierenden erfahren durch die Stufen I bis III eine Entwicklung über Nachvollziehen, Transferieren bis hin zu „offenen Problemlösungen und deren Bearbeitung in Projekten“ (Kammasch, 2006, S. 11).

▼ 52 

Die Veranstaltungsform Praktikum/Labor verzahnt die im Frontalunterricht dargebotenen Informationen und Lerninhalte mit der Praxis (Eyerer et al., 2006). Sie vermittelt und vertieft fachspezifische Inhalte und bildet gleichzeitig auch in Schlüsselqualifikationen aus und sollte daher einen weitaus höheren Stellenwert in der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung erhalten.

„Das Arbeiten im Labor ist immer mit zwischenmenschlichen Begegnungen und Erlebnissen verbunden. Sie sinnvoll zu intendieren und strukturieren schafft Voraussetzungen, unter denen soziale und kommunikative gemeinsam mit fachlichen Fähigkeiten gut ausgebildet werden können.“
(Kammasch, 2006, S. 14).

2.1.5 Die Projektarbeit

▼ 53 

Eine Projektarbeit ist laut DIN-Begriffsnorm 69901 „ein Vorhaben, das im wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z. B.

Im Rahmen von Projekten lernen die Studierenden, wie komplexe praxisnahe Probleme gelöst werden und bereiten somit die Lernenden auf die bevorstehende Arbeitswelt vor (Junge, 2006). Gerade Berufsanfänger haben oft Schwierigkeiten mit umfangreichen und kaum überschaubaren Problemstellungen und Lösungswege überzeugend zu präsentieren und exakt zu dokumentieren. Zudem werden „seit einigen Jahren […] verstärkt zwei Bereiche angemahnt: Teamarbeit und Persönlichkeitsbildung“ (Claus & Reissenberger, 1997; S. 2). Während der Bearbeitung eines Projektes wenden die Lernenden im Studium erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten (Fachkompetenz) an und trainieren Schlüsselqualifikationen. Nach dem Motto „learning by doing“ fördert diese Lehrform Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit durch Teamarbeit (Sozialkompetenz). Im Laufe der Problemlösung müssen die Studierenden ihr Wissen ergänzen, aktualisieren und auf eine jeweilige Aufgabenstellung übertragen (Methodenkompetenz). Meist fixieren die Lernenden die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsschritte und Ergebnisse in einem Projektbericht schriftlich und tragen sie in einer Abschlusspräsentation vor (Grass, 1998).

▼ 54 

Projekte werden meist erst in den höheren Semestern angeboten, da die Studierenden in der Lage sein müssen, auf bereits erlernte Inhalte aufzubauen und sich zusätzlich benötigte Informationen selbst zu beschaffen (Voss, 2002). In dieser Veranstaltungsform müssen sich die Lernenden aktiv beteiligen, wodurch bessere Lernergebnisse als bei einer passiven Rezeption von Inhalten erzielt werden (Gräsel, Fischer, Bruhn & Mandl, 1997). Die Projektarbeit unterscheidet sich von anderen Veranstaltungsformen insofern, dass Problemlösungen „nicht nur fachlich fundiert, sondern auch praktisch umsetzbar“ sein müssen (Junge, 2006, S. 3).

Die Projektarbeit, die zum Selbststudium motiviert, ist eine moderne Lehrveranstaltungskonzeption und wird vermehrt als Ergänzung und Alternative in der Hochschullehre eingesetzt (Voss, 2002). Im Zuge der Bachelor- und Masterumstellung haben die Hochschulen die Möglichkeit, die kognitionspsychologischen Ansätze fest in die Curricula zu integrieren (Kammasch, 2006). Die noch relativ junge Veranstaltungsform sollte nach Kammasch in den Studiengängen fest verankert werden. Das Arbeiten mit Projekten bietet für das Erlernen von Problemlösungsprozessen und die Ausbildung von Grundbefähigungen, zum Teil auch als „soft skills“ oder Schlüsselqualifikationen bezeichnet, den idealen Rahmen (Kath, 2002).

2.1.6 Das Kolloquium

Ein Kolloquium (lat. colloquor = sich besprechen, sich unterreden) ist „ein zeitlich organisiertes, wissenschaftliches Lehrgespräch“ und ist in der Regel eine Veranstaltung des Hauptstudiums und des Postgraduiertenstudiums (Rauch, 1994, S. 2). Kolloquien sollen fortgeschrittenen Studierenden, Examenskandidaten/-kandidatinnen und Doktoranden/Doktorandinnen ermöglichen, Forschungsprobleme zu diskutieren. Die Teilnehmer haben hier die Möglichkeit, ihre laufenden Forschungsarbeiten und Studien zu präsentieren und gemeinsam mit Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und anderen Doktoranden oder Studierenden zu diskutieren. Die angehenden Wissenschaftler sollen sich selbst kontrollieren, Ideen anderer mit berücksichtigen und sich auf die Verteidigung vorbereiten. Neben der Problemlösekompetenz müssen Doktoranden „Vermittlungs- und Diskussionskompetenz im Austausch sowohl mit fachkundigem als auch fachunkundigem Publikum“ besitzen (Senger, 2003, S. 12).

▼ 55 

In manchen Hochschulen finden fachspezifische Tagungen statt, die ebenfalls als Kolloquien bezeichnet werden. Hier treffen sich Lehrende und Forschende verschiedener Hochschulen und präsentieren Forschungsarbeiten und Erkenntnisse (z. B. das Internationale Feuerfest-Kolloquium5).

2.2 Lehrmethoden

„Lehren ist […] die Unterstützung von internalen Lernprozessen des Individuums durch externale Maßnahmen der Lernumweltgestaltung.“ (Einsiedler, 1981, S. 83)

▼ 56 

Um interne Lernprozesse anzuregen, setzen Lehrende verschiedene Lehrmethoden ein. Das Wort Methode (griech.) kann nach Steindorf (2000, S. 175) mit „dem Weg zum Ziel“ übersetzt werden und beschreibt ein planmäßiges, folgerichtiges, überlegtes und kalkuliertes Verfahren. Die Lehrmethode ist nach Klingberg (1972) eine Methode der Vermittlung, der Führung, Lehrens und umfasst nach Einsiedler (1976) viele Dimensionen, wie beispielsweise kognitive Strukturierung des Unterrichts, soziale Strukturierung, organisatorische Maßnahmen. Einsiedler (1981) differenziert die Lehrmethoden nach den Bereichen Lehr- und Lernverfahren, Lehr- und Lernstufen, Lernhilfen, Sozialformen.

Die Lehr- und Lernverfahren und Sozialformen werden im Folgenden genauer betrachtet, da sie Teil der folgenden Studie sein sollen. Die Befragung nach Lehr- und Lernstufen und Lernhilfen würde die Befragung sprengen. Auf diese beiden Merkmale der Lehrmethode soll im Hinblick auf die Umformatierung (traditionelle Wissensvermittlung in mediale Wissensvermittlung) eingegangen werden(vgl. Kapitel 6, S. 131).

2.2.1 Lehr- und Lernverfahren

▼ 57 

In den verschiedenen Veranstaltungsformen wenden die Lehrenden bewusst oder intuitiv verschiedene Lehrformen oder Lehrverfahren an. Die Unterscheidung von Lehrformen macht die Vielschichtigkeit von Lehr-Lernprozessen durch Typisierungen durchschaubar. So wird in pädagogischen Lexika zwischen direkter und indirekter Lehrform unterschieden, bei denen der Lehrende zu Gunsten der Medien zurücktritt. In Bezug auf die Verhaltensweisen des Lehrenden und in welcher Weise er versucht, dem Lernenden Kenntnisse und Geschicklichkeiten beizubringen, unterscheiden pädagogische Lexika weiterhin zwischen der akromatischen (vortragenden), der deiktischen (vorzeigenden, vormachenden), der erotematischen (fragenden), der heuristischen (Fragen entwickelnden, auf das Finden gerichtete) und der sokratischen (dialogische) Lehrform (vgl. Lehrformen, 1988, S. 263).

Weiterhin unterteilt Dolch (1965) in Abhängigkeit der Aktivität von Lehrenden und Lernenden in die darbietend-gebende Lehrform, die herausholend-erörternde Lehrform und die anreizend-aufgebende Lehrform. Einsiedler greift diese Unterteilung auf und beschreibt folgende drei Lehrverfahren: das darbietende Lehrverfahren, das erarbeitende Lehrverfahren, das explorative Lehrverfahren. Sie unterscheiden sich sowohl im Grad der Lerneraktivität als auch im Grad der Strukturierung (Einsiedler, 1981). Steindorf (2000) kommt zu gleicher Dreiteilung: Darbietung, Gemeinsame Erarbeitung, Schülerselbsttätigkeit. Er verdeutlicht sein Konzept in folgendem Schema:

Abbildung 2-3: Unterrichtsformen (in Anlehnung an Steindorf, 2000, S. 131)

Das darbietende Lehrverfahren

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Darbietende (deduktive) Lehrverfahren haben einen hohen Strukturierungsgrad. Der Lehrende bereitet die Inhalte auf und gestaltet den Lehrprozess weitgehend selbst. Dieses lehrergeleitete Lehrverfahren wird vor allem zur Einführung neuer Inhalte und Zusammenfassung von Ergebnissen eingesetzt (Gruehn, 2000).

Nach Einsiedler gehören zum darbietenden Verfahren „der Vortrag, die Vorlesung, das Vormachen einer Fertigkeit (z. B. Umgang mit einem Gerät, Vorführung eines motorischen Ablaufs), die Demonstration (z. B. eines mathematischen Beweises oder eines naturwissenschaftlichen Experiments), die Erklärung eines Bildes (z. B. beim Diavortrag) oder einer Schemazeichnung, die Erläuterung eines Organisationsproblemes sowie die Erzählung“ (Einsiedler, 1981, S. 117).

Das bekannteste darbietende Lehrverfahren ist das vororganisierende Lehren nach Ausubel (1974). Für Ausubel ist es besonders wichtig, dass der Lernende vom Allgemeinwissen zum Einzelwissen eine Differenzierung des Wissens erreicht und durch das Erstellen von Beziehungen Wissen in vorhandene kognitive Strukturen integriert. Um den Lernenden die ihnen unbekannte Wissensstruktur zu verdeutlichen, wird vom Lehrenden ein abstrakter begrifflicher Bezugsrahmen (advanced organizer) vorgegeben.

▼ 59 

Eine höhere Lernaktivität kann mit einer problemorientierten Darbietung erzielt werden. Eine interessante Problemstellung motiviert den Lernenden zu Lernaktivitäten. Damit werden nach Einsiedler (1981, S. 119) „Widersprüche offengelegt, alternative Lösungsmöglichkeiten erörtert, offene Fragen aufgezeigt, überraschende Fakten genannt, Zweifel geäußert u. Ä.“.

Das darbietende Lehrverfahren wird in der pädagogischen Literatur oft als sehr abwertend und negativ bewertet, obwohl darbietende Elemente in jeder Lehrform notwendig sind. Gerade in Einführungen oder Zusammenfassungen sind darbietende Elemente sinnvoll (vgl. Einsiedler, 1981) und gehören damit zum „unerläßlichen Repertoire eines jeden Lehrers“ (Gruehn, 2000, S. 44).

Das erarbeitende Lehrverfahren

In einem erarbeitenden Lehrverfahren, auch als entwickelndes Lernen oder Lehrer-Schüler-Gespräch bekannt, strukturiert der Lehrende die Veranstaltung mittleren Grades. Der Lehrende steht nicht mehr im Mittelpunkt, der Ablauf ist teilweise festgelegt und erhöht somit die Eigenaktivität der Lernenden. Da der Lehrstoff nicht einfach dargeboten wird, sondern gemeinsam mit den Lernenden „angegangen, erschlossen und angeeignet wird“ (erarbeitender Unterricht, 1988, S. 133), haben erarbeitende Lehrverfahren im Gegensatz zu darbietenden Lehrverfahren das Ziel, bestimmte Denkoperationen beim Lernenden zu aktivieren bzw. Kompetenzen schrittweise aufzubauen (Einsiedler, 1981; Rosenshine & Stevens, 1986). Sie dienen der „Analyse von Einzelheiten, dem Herausstellen wesentlicher Begriffsmerkmale, der Anwendung gelernten Wissens auf neue Kontexte sowie der Überprüfung gelernten Wissens bzw. des Verständnisses grundlegender Konzepte […] oder logischer Operatoren“ (Gruehn, 2000, S. 44). Die zu erlernenden Informationen werden im Gedankenaustausch entwickelt. Der Lehrende stellt gezielt Fragen, die die Lernenden beantworten, der Lehrende gibt den Lernenden wiederum Rückmeldung. Somit kann er den Lernweg lenken. Der zu lehrende Gegenstand wird damit in eine dialogische Form umgesetzt. Nach Aebli ist „die didaktische Frage […] eines der wichtigsten Mittel der Leitung der geistigen Arbeit des Schülers“ (Aebli, 1976, S. 219). Thiele (1978) sieht Fragen, die zu einem anspruchsvollen Denkniveau führen, als eine der wichtigsten Lehrtätigkeit an. Typische Lehrtätigkeiten sind nach Thiele Problematisieren, Nachhaken, Akzentuieren, Erklären oder Begründen lassen, Folgern lassen, Bewerten lassen, Verstärken, Aufgreifen, und Weiterführen von Äußerungen der Lernenden (nach Einsiedler, 1981, S. 122). Steindorf (2000, S. 143) schlägt eine verschiedene Einteilungen von Fragen vor: logische Beschaffenheit (intendierte Inhalt, logisch-sprachliche Qualität), didaktischer Zweck und Echtheit der Frage.

▼ 60 

Nach Jannasch & Joppich ist „das Wichtigste am entwickelnden Unterricht […] die Pause, in der weder Lehrer noch die Kinder reden“, damit genügend Zeit zum Überlegen vorhanden ist und nicht zum Raten aufgefordert wird (1994, S. 81).

Das explorative Lehrverfahren

Explorative bzw. entdeckenlassende Lehrverfahren zeichnen sich durch einen geringen Strukturierungsgrad aus. Die Lernenden erarbeiten weitgehend selbstständig Sachstrukturen. Sie transformieren und integrieren die neu erarbeiteten Informationen in ihre kognitive Struktur. Die Lernenden können unterschiedliche Lernwege zur Erreichung des Lernziels einschlagen und individuelle Interessen im Rahmen eines verbindlich festgelegten Lernziels verfolgen (Einsiedler, 1981). Dabei erhalten sie im Vergleich zum darbietenden und erarbeitenden Lehrverfahren am wenigsten Lernhilfen und Anleitungen. Da der Lernende seine Lernaktivität weitgehend selbst gestaltet, müssen beim entdeckenlassenden Lehrverfahren bestimmte begriffliche Voraussetzungen vorhanden sein (Egan & Greeno, 1973). In deduktiven (darbietendes und erarbeitendes) Lehrverfahren werden zunächst Regeln, Gesetzmäßigkeiten u. Ä. dargeboten und anschließend in Beispielen angewandt. Beim induktiven Lernen werden aus Beispielen Regeln, Gesetzmäßigkeiten u. Ä. abgeleitet.

▼ 61 

Das explorative oder entdeckenlassende Lehrverfahren fördert die intrinsische Motivation. Bei der intrinsischen Motivation spielen positive oder negative Verstärkung keine Rolle (Edelmann, 2000). Es ist ein Lernen oder Arbeiten aus eigenem, innerem Antrieb und zur persönlichen Befriedigung.

„Intrinsische Motivation setzt sich zusammen aus dem Sachinteresse (Neugier), dem Anreiz (positive Emotion) und der Erfolgserwartung.“ (Edelmann, 2000, S. 258)

▼ 62 

Nach Holzinger ist intrinsische Motivation wesentlich wirkungsvoller und dauerhafter als extrinsische Motivation (Holzinger, 2001).

Mehrere Studien haben gezeigt, dass für das explorative Lernen „bestimmte begriffliche Voraussetzungen“ vorhanden sein müssen und nicht alle Lernenden aktiviert. Gerade schwächere Lernende hatten in den Studien Probleme, neue Inhalte selbstständig zu strukturieren und zu integrieren (Einsiedler, 1981, S. 127) und können in manchen Fällen überfordert werden (Holzinger 2001). Wenn die Lernenden die entsprechenden Endeckungsfähigkeiten beherrschen (Erkennen des Problems, Aufstellen von Hypothesen, Abstrahieren von Ergebnissen usw.) führen explorative Lehrverfahren zu höheren Behaltensleistungen und Transfereffekten als darbietende oder erarbeitende Lehrverfahren (Egan & Greeno, 1973; Jüngst, 1978). Diese Entdeckungsfähigkeiten können mit Hilfe eines von Jüngst entwickelten Curriculum erlernt werden. Schulmeister differenziert zwischen selbstsicheren, kompetenten Lernenden und misserfolgsängstlichen Lernenden, wobei erstere für das entdeckenlassende Lehrverfahren durchaus geeignet sind und zweitere eher vom erarbeitenden Lehrverfahren profitieren.

Typische Muster für das explorative Lehrverfahren sind beispielsweise Referat, Projektarbeit, Experiment oder Planspiel.

Die Lehrverfahren im Vergleich

▼ 63 

In den Veranstaltungsformen an Hochschulen werden Lehrverfahren meist kombiniert angewandt. So werden beispielsweise neue Inhalte dargeboten und anschließend in Übungen vertieft. Jedes einzelne Lehrverfahren hat seine didaktische Funktion und auch Berechtigung, beinhaltet Vor- und Nachteile. Die traditionelle Hochschullehre ist davon geprägt, dass meist darbietende Methoden (Vortrag, Vorlesung) und erarbeitende Methoden (Praktikum, Übung) zum Einsatz kommen. Die Tabelle 2-1 fasst die oben dargestellten Lehrverfahren zusammen.

Lehrverfahren

Darbietendes
Lehrverfahren

Erarbeitendes
Lehrverfahren

Exploratives
Lehrverfahren

Das Lehrverfahren ist …

lehrergeleitet,

deduktiv

lehrergeleitet,

deduktiv

lernergeleitet,

induktiv

Die Rolle des

Lehrenden ist …

führend, vorgebend

entwickelnd, anleitend

anregend, beratend

Die Rolle der

Lernenden ist …

aufnehmend,
nachvollziehend

teilnehmend, mitdenkend, anleitend bearbeitend

eigentätig, selbstständig
bearbeitend

Die Aktivität des

Lehrenden ist …

erforderlich

erforderlich

weniger erforderlich

Die Aktivität des

Lernenden ist …

weniger erforderlich

erforderlich

erforderlich

Die Lerninhalte …

gibt der Lehrende den Lehrenden vor und der Lehrende nimmt sie rezeptiv auf.

werden gemeinsam bestimmt und von den Lernenden unter Anleitung bearbeitet.

werden von den Lernenden selbstständig erarbeitet.

Die Lerninhalte

präsentieren …

fast ausschließlich die Lehrenden.

Lehrende und
Lernende.

fast ausschließlich die Lernenden.

Der Strukturierungs-
grad …

ist sehr hoch.

ist mittel.

ist gering.

Probleme …

wirft der Lehrende auf und werden ggf. gemeinsam gelöst.

werden gemeinsam definiert und unter Anleitung bearbeitet.

definieren und bearbeiten die Lernenden selbst.

Lernhilfen und

Anleitung …

werden zur Verfügung gestellt und gemeinsam bearbeitet.

werden zur Verfügung gestellt.

werden nur im geringen Maß zur Verfügung gestellt und enthalten keine oder wenig didaktische Strukturierung.

Sozialform

Frontalunterricht,
Einzelarbeit

geringer Anteil an Frontalunterricht, Einzel-, Gruppen- oder Partnerarbeit

Einzel-, Gruppen- oder Partnerarbeit

Beispiele

Vortrag, Vorlesung, Demonstration, Erklärung, Erzählung

problembasiertes Lernen und angeleitetes Praktikum oder Übung

Projektarbeit, Fallstudie,
Experiment, Planspiel

2.2.2 Sozialformen

Sozialformen kennzeichnen die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden oder Lernenden untereinander und regeln die Beziehungsstruktur untereinander. Lehren und Lernen kann in vier verschiedenen sozialen Formen stattfinden: Frontalunterricht (Plenum, Klassenunterricht), Einzelarbeit, Partnerarbeit (Paararbeit) und Gruppenarbeit.

Frontalunterricht

▼ 64 

Im Frontalunterricht (lat. frons, frontis = Stirn, Stirnseite, vordere Linie) werden Lehrender und Lernende als eine Einheit betrachtet. Im 19. Jh. wurde der Klassenunterricht einerseits unter ökonomischen, andererseits auch unter disziplinarischen Gesichtspunkten eingeführt (Einsiedler, 1981; Meyer, 1987). Der Frontalunterricht ermöglicht eine rasche, gleiche und effektive Informationsdarbietung für alle Lernenden und bietet eine gute Übersicht über die Unterrichtssituation.

„Frontalunterricht ist die vermeintlich effektivste Form der Stoffvermittlung, tatsächlich aber nur eine geeignete Form der Darstellung von Sach-, Sinn- und Problemzusammenhängen.“ (Meyer, 1987)

▼ 65 

Im Frontalunterricht wird vor allem Orientierungswissen oder Begriffswissen vermittelt, das als Grundlage für das prozedurale Wissen dient (vgl. 1.2.2 Fertigkeiten). Diese Sozialform erzieht zwangsläufig zu Passivität und Anpassung, zu Ruhe-, Ordnung- und Disziplinwahren und eignet sich kaum für die Entfaltung des selbstständigen Denkens, Fühlens und Handelns (Meyer, 1987). Nach Flechsig gliedert sich der Frontalunterricht in fünf Phasen: Orientierungsphase (Anknüpfungsphase), Rezeptionsphase (Präsentationsphase), Interaktionsphase (Verarbeitungsphase), Festigungsphase (Absicherungsphase) und Anwendungsphase.

Diese Sozialform wird von Pädagogen eher als kritisch eingeschätzt, da sie wenig Aktivität der Lernenden zulässt, eher zum rezeptiven Lernen zwingt und den Lernenden nicht individuell betrachtet. Trotz dieser Kritik ist diese Form nach wie vor die „in europäischen Schulen aller Art am weitesten verbreitete Unterrichtsform“ (Flechsig, 1996, S. 99). Auch in der Hochschullehre bevorzugen etwa 80 Prozent der Lehrenden die traditionell frontale Form (Kaufhold-Wagenfeld & Ruf, 2005).

Einzelarbeit

Bei der Einzelarbeit bearbeitet, übt oder vertieft der Lernende ohne direkte Hilfe des Lehrenden oder die Unterstützung anderer an Hand von Arbeitsblättern oder -büchern Lerninhalte, um selbstständig Teilziele zu erreichen.

▼ 66 

Steindorf (2000) unterscheidet fünf Formen der Einzelarbeit:

Einzelarbeit sollte unbedingt mit sozialen Formen kombiniert werden, da sie zu Isolierung führen kann und das Konkurrenzverhalten fördert.

▼ 67 

Die Einzelarbeit wird in Hochschulen oft als Selbststudium bezeichnet und ist ein fester Bestandteil jedes Studiums. Das Selbststudium bildet in Bachelor- und Masterstudiengängen den Kern von Lehre und Lernen an der Hochschule und fließt in die Berechnung des Work l o ad 6 ein. In einem Selbststudium erlernen die Lernenden Fachwissen (Fakten, Begriffe etc.), das vorbereitend zu Präsenzveranstaltungen dient. Dies kann mit Hilfe eines Lehrbuches oder digitalen Medien stattfinden (Schwarzenbach-Kupper & Osterwalder, 2001).

Partnerarbeit

Die Partnerarbeit ist eine relativ junge Sozialform, die erst nach dem zweiten Weltkrieg von Simon und Mitarbeitern entwickelt wurde (Simon, 1959). Bei der Partnerarbeit kooperieren zwei Lernende im Unterricht. Beim kooperativen Lernen werden andere Lernende in den Lernprozess mit einbezogen, d. h. gemeinsame Aktivitäten stehen im Vordergrund. In kleinen Gruppen erarbeiten die Lernenden selbstständig Inhalte. Sie lernen soziale Kooperation, kontrollieren und korrigieren sich gegenseitig.

Die Partnerarbeit kann bei Wiederholungs- und Sammelaufgaben oder als Kontrolle von Auswendiglernen eingesetzt werden. Eine Methode der Partnerarbeit ist das Peer Tutoring, Scripted Cooperation: Zwei Lernende erhalten eine Aufgabe, beispielsweise in Textform. Beide lesen zunächst den ersten Teil des Textes. Ein Lernender fasst den Text zusammen und arbeitet die Hauptpunkte heraus, während der andere ihm zuhört und eventuell korrigiert oder ergänzt. Dann lesen beide den zweiten Teil des Textes und tauschen die Rollen (Clark & Mayer, 2003).

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In der Hochschule werden Labortätigkeiten oft in Partnerarbeit durchgeführt. Gemeinsam führen die Studierenden die Experimente durch, schreiben Laborberichte und „verteidigen“ ihre Ergebnisse vor den Lehrenden. Auch in Seminaren bereiten Studierende oftmals paarweise Themen auf, die Sie im Plenum präsentieren.

Die Partnerarbeit schult die Lernenden in der Fähigkeit zu gegenseitiger Hilfe, bietet intimere Arbeitsmöglichkeiten, regt den Gedankenaustausch an und bereitet auf die Gruppenarbeit vor (Steindorf, 2000).

Gruppenarbeit

Die Gruppenarbeit (Gruppenlernen, kooperatives Lernen und kollaboratives Lernen7 stellt eine wichtige soziale Organisationsform dar und verfolgt soziale, affektive und kognitive Lehrziele. Jedes einzelne Gruppenmitglied hat einerseits eine individuelle Aufgabe, die in seiner Verantwortlichkeit liegt, ansonsten ergeben sich negative Konsequenzen. Ziel ist es, ein höheres Maß an Eigenbeteiligung jedes einzelnen Lernenden zu erreichen. Andererseits erarbeitet die Gruppe auch gemeinsame Aufgabenbereiche. Das gemeinsame Erarbeiten ist besonders erfolgreich, wenn die Gruppenmitglieder sich gegenseitig anleiten und ermutigen. Im regen Austausch lernen die einzelnen Gruppenmitglieder sich selbst und eigene Lernmethoden zu verstehen (metakognitives Wissen) und entwickeln effektivere Lerntechniken und Lernstrategien (Konrad & Traub, 2001).

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Jedes Gruppenmitglied entwickelt im Lernprozess die Fähigkeit zur sozialen Kooperation, d. h. der Lernende entwickelt die Kommunikationsfähigkeit, reagiert sensibel, lernt zu koordinieren und selbstständig zu denken und zu arbeiten. Die kooperativen Lernmethoden gehören zu den am gründlichsten untersuchten Alternativen zum traditionellen Schulunterricht. Hinsichtlich der Breite positiver Auswirkungen ist das kooperative Lernen als Unterrichtsmethode konkurrenzlos (Slavin, 1982). Methoden und Modelle für kooperatives Lernen wurden schon vor 40 Jahren für den Präsenzunterricht entwickelt und es wurde der Nachweis geführt, dass diese Methoden den Lernprozess fördern und verbessern (Slavin, 1995; Clark & Mayer, 2003). Die verschiedenen Methoden sind nach Clark und Mayer (2003) die Jigsaw-Methode, Structured Controversy, Problem-Based Learning und Peer Tutoring.

Jigsaw-Methode (Gruppenpuzzle): Eine Lerngruppe wird in einzelne Gruppen (home teams) mit je vier bis fünf Mitgliedern geteilt. Jedes Gruppenmitglied erhält ein Segment des zu erarbeitenden Themas, das er seiner Gruppe vermitteln muss. Dazu splitten sich die Gruppen auf, treffen sich in Expertenteams (specialty subteams) und erarbeiten die Inhalte sowie eine Strategie, wie die anderen Jigsaw-Gruppenmitglieder unterwiesen werden sollen (Clark & Mayer, 2003).

Structured Controversy: Die Lerngruppe wird vom Lehrenden in Vierergruppen geteilt. Jede Gruppe erhält ein Diskussionsthema, wobei zwei Mitglieder die Pro-Position und zwei Mitglieder die Contra-Position übernehmen. Nachdem die Pro- und die Contragruppe ihre Argumente separat besprochen haben, präsentiert die Progruppe ihre Argumente der Contragruppe. Die Contragruppe wiederholt die Proargumente, um zu zeigen, wie sie die Proargumente verstanden hat. Danach werden die Rollen getauscht. Die Vierergruppe präsentiert dadurch eine durchdachte und logisch aufgebaute Stellungnahme für die anderen Vierergruppen (Clark & Mayer, 2003).

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Problem-Based Learning: Eine Gruppe von acht bis zehn Lernenden trifft sich ohne großartige Vorbereitung mit einem Tutor, um z. B. einen Krankheitsfall zu analysieren und zu diskutieren. Einen hohen Lernerfolg erzielen die Lernenden nach der „Seven-Jump-Methode“ (Clark & Mayer, 2003): Nachdem die Lernenden das Problem gelesen oder gehört haben, …

  1. … klären sie unbekannte Begriffe und Sachverhalte.
  2. … definieren sie das Problem.
  3. … analysieren sie das Problem mit Hilfe von Brainstorming verschiedener plausibler Erklärungen.
  4. … entwickeln sie eine kritische Abhandlung der verschiedenen plausiblen Erklärungen und versuchen eine kohärente Beschreibung des Problems aufzuzeigen.
  5. … definieren sie Lernziele.
  6. … befassen sie sich selbstgesteuert mit eventuell vorhandenen Lücken (festgestellt durch die definierten Lernziele).
  7. … treffen sie sich mit den anderen Gruppen, tauschen Lernergebnisse aus und entwickeln eine Endversion des Problems.

Die Gruppenmitglieder lernen das jedoch nicht von selbst und besitzen nicht von vornherein die Fähigkeit, kooperativ zu lernen. Voraussetzung für das Erlernen dieser Fähigkeit ist zunächst eine strukturierte Lernsituation und Interaktionsform. Weiterhin müssen die Gruppenmitglieder generell eine Bereitschaft zur Gruppenarbeit aufweisen (Hesse, Garsoffky & Hron, 1997).

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„The essential feature of cooperative learning is that the students help other students to be successful.“ (Slavin, 1982, S. 8)


Fußnoten und Endnoten

5  Im Internationalen Feuerfest-Kolloquium diskutieren internationale Wissenschaftler Themen im Bereich „Feuerfeste Werkstoffe für die Metallerzeugung“, siehe <http://www.feuerfest-kolloquium.de/>, Zugriff am 18.08.2006

6 

Workload ist der erwartete studentische Arbeitsaufwand, der für einen erfolgreich absolvierten Studienabschnitt notwendig ist. Der Arbeitsaufwand wird in Zeitstunden gemessen und setzt sich aus folgenden Faktoren zusammen:

– Kontaktstunden

– Selbststudium

– Vor- und Nachbereitung einer Veranstaltung

– Prüfungsvorbereitung

– Erstellung von Studien- und Abschlussarbeiten

– sonstige studienrelevante Aktivitäten (Praktika, Exkursionen, etc.)

7 

„[…] cooperative learning will be defined as students working together in a group small enough that everyone can participate on a collective task that has been clearly assigned. Moreover students are expected to carry out their task without direct and immediate supervision of the teacher.“ (Slavin, 1995, S. 3)

Nach Slavin können die drei Begriffe „kooperatives Lernen“, „kollaboratives Lernen“ und „Gruppenlernen“ synonym verwendet werden (Konrad & Traub, 2001; Hesse, Garsoffky & Hron, 1997).



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18.03.2008