Das Einfamilienhaus zur Disposition – Wohnpraktiken im Empty Nest : Auswertung eines empirisch forschenden Lehrformats

In Deutschland stehen 16 Millionen Einfamilienhäuser mit einer oder zwei Wohneinheiten, von denen beträchtliche Flächen ungenutzt oder leer sind. Dies bietet Potenzial für eine sozial-ökologische Transformation, die jedoch – so die Ausgangsthese – nur mit und durch die Bewohner*innen realisiert werden kann. Die Fokussierung liegt dabei auf räumlich-programmatischen Optionen anstelle quantitativer Flächenreduktion. Die Suche nach Qualitäten, wie dem Teilen von Räumen oder dem Bündeln von Funktionen, steht im Vordergrund. 

In der als forschendes Lehrformat konzipierten Untersuchung wurden gemeinsam mit Studierenden der Architektur und Urbanistik anhand qualitativer empirischer Methoden, einer Kombination aus zeichnerischen Analysen, Leitfadeninterviews und Modellfotografien, acht Fallbeispiele in Deutschland untersucht. Ausschlaggebend für die Fallauswahl sind Bewohner*innenkonstellationen in Einfamilienhäusern, in denen Kinder ausgezogen sind oder dies kurz bevorsteht (Empty Nest), da hier die größten Flächenpotenziale erwartete wurden. 

In der Auswertung der erhobenen Daten zeigte sich die Wirkmacht mentaler Erinnerungs- und Optionsräume und das Festhalten an Vorstellungen von Autarkie und Abgrenzungen, die mit dem Wohneigentum in Verbindung gebracht werden. Es finden stetige Transformation der Einfamilienhäuser durch die Bewohner*innen im Lauf ihrer Biografie statt – geplant und ungeplant, meist im Selbstbau. In diesen Bricolagen, dem ständigen Um- und Weiterbauen, manifestierten sich weitergehende gesellschaftliche Fragen, wie zum Beispiel Anpassungen an Folgen des Klimawandels, die Überalterung der Gesellschaft, Digitalisierung und Veränderungen während der Pandemie. Es zeigten sich verdrängte Wohnzukünfte und die Untersuchungsmethode setzte bei den Befragten eine Reflexionsprozess über eigene (Norm-)Vorstellungen – und damit einen ersten Schritt der Transformation – in Gang. 

Das Projekt wurden an der Fakultät Architektur und Urbanistik an der Bauhaus-Universität Weimar im Sommersemester 2023 im Rahmen der Lehrveranstaltung ›Half Measures – Das Einfamilienhaus zur Disposition‹ durchgeführt. Es war Bestandteil des Teilprojekts ›Weiterentwerfen‹ der interdisziplinären Forschungswerkstatt ›Krise und Transformation des Eigenheims‹ (11/2022-2/2024) an der Bauhaus-Universität Weimar. Erkenntnisse und Folgefragen dienten als Grundlage für architektonische Entwurfsprojekte, welche ab Oktober 2023 von Architektur-Studierenden an der Bauhaus-Universität Weimar bearbeitet wurden.

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