Kollektive Schuldgefühle in der deutschen Erwachsenenbevölkerung bezogen auf die deutsche Kolonialgeschichte

Hintergrund: Menschen können sich nicht nur für eigene Verfehlungen, sondern auch für Verfehlungen von Mitgliedern der eigenen sozialen Gruppe schuldig fühlen, selbst wenn diese von vorangegangenen Generationen begangen wurden. Hauptziel der vorliegenden Studie war es, empirisch fundiert abzuschätzen, inwieweit solche kollektiven Schuldgefühle in der deutschen Erwachsenenbevölkerung auch bezogen auf die in den ehemaligen Kolonien begangenen Verbrechen vorliegen könnten.

Methodik: Grundlage hierfür bilden die erhobenen und gewichteten Angaben von 1.048 Teilnehmenden (18-79 Jahre) einer standardisierten deutschlandweiten Online-Befragung. Ein Empfinden kollektiver Schuldgefühle wurde mit der Zustimmung zur Aussage „Ich fühle mich schuldig für die negativen Dinge, die meine Vorfahren den Menschen in den ehemaligen Kolonien angetan haben.“ (Likert-Skala; „Stimme vollkommen zu“ (1) bis „Stimme überhaupt nicht zu“ (7)) erfasst.

Ergebnisse: Lediglich 4,3% der befragten Erwachsenen gaben an, dem Vorhandensein kollektiver Schuldgefühle aus den skizzierten Gründen vollkommen zuzustimmen (Mittelwert=5,2/Standardabweichung=1,9; Median=6). Signifikant höhere Zustimmungen zeigtet sich bei Frauen (vs. Männern), bei Befragten aus Berlin (vs. aus anderen Bundesländern) und bei Befragten mit politischer Orientierung an Der Linken und Bündnis 90/Die Grünen (vs. an anderen Parteien). Vergleichbare Ergebnisse wurden für die Bereitschaft zur persönlichen Beteiligung an Entschädigungen ermittelt.

Schlussfolgerung: Kollektive Schuldgefühle bezogen auf die deutsche Kolonialgeschichte werden zwar in einem Teil der deutschen Erwachsenenbevölkerung empfunden, scheinen jedoch bezogen auf die gesamte Erwachsenenbevölkerung nicht weitverbreitet zu sein. Diese Ergebnisse bestätigen existierende Annahmen und Befunde, dass kollektive Schuldgefühle wahrscheinlich aufgrund einer stark ausgeprägten Motivation, eine positive soziale Identität aufrechtzuerhalten, nicht die vorherrschende emotionale Folge von solch historischen Verfehlungen von Mitgliedern der eigenen sozialen Gruppe zu sein scheinen.

Schlüsselwörter: kollektive Schuldgefühle, Kolonialismus, Entschädigungen, Soziale Identität

Background: People can feel guilt for their own moral transgressions, but also for transgressions of members of their own social group – even if these were committed by previous generations. The main aim of this study was to an empirically based assessment of the extent to which such feelings of collective guilt could also exist in the German adult population in relation to the crimes committed in the former German colonies.

Methods: Results are based on the collected and weighted data from 1,048 participants (18-79 years) in a standardized nation-wide online survey. A sense of collective guilt was measured with the agreement to the statement “I feel guilty for the negative things my ancestors did to the people in the former colonies.” (Likert-scale; “Completely agree“ (1) to “Do not agree at all“ (7)).

Results: Only 4.3% of the adults surveyed stated that they completely agree with the existence of collective feelings of guilt for the reasons outlined (mean=5.2/standard deviation=1.9; median=6). Significantly higher levels of agreement were found among women (vs. men), among respondents from Berlin (vs. from other federal states) and among respondents with a political orientation towards the parties ‘Der Linken’ and ‘Bündnis 90/Die Grünen’ (vs. other parties). Comparable results were obtained for the willingness to personally participate in compensation.

Conclusion: Collective feelings of guilt related to the German colonialism are felt in a part of the German adult population, but do not appear to be widespread among the adult population as a whole. These results confirm existing assumptions and findings that collective guilt does not appear to be the predominant emotional consequence of such historical transgressions committed by members of one’s own social group, probably due to a strong motivation to maintain a positive social identity.

Keywords: collective guilt, colonialism, reparations, social identity

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