In der Literatur zur internationalen Weltordnung ist häufig die Rede von einer „liberalen internationalen Ordnung“, die insbesondere auf Institutionen und Normen wie den Multilateralismus basiert, die Rede. Zu diesen Institutionen gehörten insbesondere auch internationale Organisationen. Doch trotz all der Arbeiten, die sich mit der internationalen Weltordnung und internationalen Organisationen beschäftigen, wurde sich bisher nicht der Frage gewidmet, ob diese wirklich liberal sind. Und falls sie nicht liberal sein sollten, welche Werte und Normen dominieren stattdessen in zeitgenössischen internationalen Organisationen? Um dieser Frage nachzugehen, werden mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring und Fenzel die in den jeweiligen Gründungsverträgen, Statuten und Chartas eines Samples internationaler Organisationen festgeschriebenen Normen und Werte aufgezählt. Im weiteren Verlauf werden diese politischen Ideologien zugeordnet und quantitativ untersucht. Daraus ergibt sich ein Bild, welche Ideologien in internationalen Organisationen eine Rolle spielen. Auch die in dieser Arbeit aufgestellten Hypothesen, die sich mit Eigenschaften der internationalen Organisationen, wie das Gründungsjahr, und deren Auswirkungen auf die Ideologien der Werte und Normen der internationaler Organisationen beschäftigen, werden an dieser Stelle beantwortet. In den Ergebnissen zeigt sich, dass internationale Organisationen, auch wenn sie als liberal und Stützen der liberalen Weltordnung angesehen werden, gar nicht so liberal scheinen, wie es häufig angenommen wird. Zwar spielt der Liberalismus eine große Rolle, doch auch die Werte und Normen anderer Ideologien, wie zum Beispiel des Sozialismus und des Konservatismus, sind von Bedeutung. Somit sollten internationale Organisationen und die darauf aufbauende Weltordnung in Zukunft nicht von Vorneherein als liberal, sondern ideologisch umfassend betrachtet werden, um von ihnen ein vollständigeres Bild zu erhalten.