Der Beitrag fragt nach den Strategien politischer Kommunikation, die im deutschen Katholizismus nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg und der Revolution von 1918/19 die Beteiligung an der politischen Neugestaltung auf revolutionärer Grundlage rechtfertigen konnten. Den Ausgangspunkt bildete dabei zunächst der Appell an den politischen Pragmatismus als „weltanschaulichen“ Grundbestand des Katholizismus, der in der allgegenwärtigen Verwendung des Begriffs vom „Boden der Tatsachen“ eine formelhafte Gestalt gewann und durch die Revolutions- und Bolschewismusfurcht im Katholizismus, aber auch durch Verweise auf die verfassungspolitischen Erfolge der Zentrumspartei in der Weimarer Nationalversammlung gestützt wurde. Grundsätzlicher ließ sich die Beteiligung an der politischen Neuordnung durch die fortgeführte Kritik des Kaiserreiches als kleindeutsch-protestantischer Machtstaat, vor allem aber durch die theologisch-psychologische Deutung von Krieg, Niederlage und Revolution als „seelische“ Krise einer durch individualistischen Liberalismus und materialistischen Kapitalismus seit dem 19. Jahrhundert in ihren Grundfesten erschütterten Gesellschaft rechtfertigen. Diese traditionell-apologetische katholische Kulturkritik führte intellektuelle Traditionen des Integralismus weiter und war mit der emanzipatorischen Traditionslinie der liberalen Demokratie schwer zu vereinbaren. Dennoch ermöglichte das in dieser Kulturkritik artikulierte Ganzheits- und Gemeinschaftsdenken nach 1918 mit all seinen Ambivalenzen eine kommunikative Integration im deutschen Katholizismus und damit auch eine „vernunftrepublikanische“ Öffnung gegenüber den neuen politischen Realitäten.
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