Die vorliegende Arbeit plädiert für einen differenzierteren Blick auf die hochkomplexe Musikgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts und die Erweiterung des Modernitätsbegriffs über die standardisierte Mahler-/Schönberg-Achse der weithin etablierten Wiener Moderne hinaus. Neben der Musik des französischen Impressionismus und des Neoklassizismus gab es noch viele weitere Stilebenen und Ausdrucksbereiche, zwischen denen sich die Musik des frühen 20. Jahrhunderts bewegt hat. Die Arbeit vermittelt einen Eindruck anderer Stilmittel modernen Komponierens zwischen dissonanter Tonalität, wie sie etwa in Gustav Mahlers Neunter Symphonie zu beobachten ist, und konsonanter Atonalität, wie man sie zeitgleich etwa in Werken Edward Elgars antreffen kann. Anhand der Ouvertüren "Cockaigne" und "In the South (Alassio)", sowie der Symphonie Nr. 1 werden progressive Formen erweiterter Tonalität bei Elgar aufgezeigt, aber auch andere Parameter musikalischer Konzeptionen von Moderne über die Harmonik hinaus analysiert, wie etwa Motivik und Klangraum. Besonderes Augenmerk wird auf das Schaffens Jean Sibelius' gelegt, dessen musikalisches Wirken zahlreiche Komponisten im 20. Jahrhundert angeregt hat, wobei die Modernität seines symphonischen Stils beispielhaft anhand der Tondichtungen "En Saga" und "Pohjolas Tochter", sowie der Symphonien Nr. 3, 4, 5 und 7 untersucht wird. In einem Exkurs über die jeweils ersten Symphonien William Waltons und Samuel Barbers wird zudem Sibelius' immense Ausstrahlung auf Komponisten jüngerer Generationen erörtert.