Die Sprechwissenschaft, die in ihrer Entstehungsgeschichte auf das Engste mit der Lehrerbildung verbunden ist, setzt in der Sprecherziehung von Lehramtsstudierenden bis heute einen deutlichen Fokus. Die Anforderungen an eine leistungsfähige Stimme und normadäquate Sprechweise sind hoch. Es wird davon ausgegangen, dass ohne diese Voraussetzungen ein Lehrer seiner Vermittlerrolle von Wissen nicht gerecht werden kann und dass sich eine auffällige Stimme oder Sprechweise erschwerend auf die Aufnahme von Unterrichtsinhalten auswirkt. In der Realität können die sprecherzieherischen Ideale selten beibehalten werden. Die Sprechwirklichkeit an Schulen zeigt sehr unterschiedliche auffällige stimmliche und artikulatorische Eigenschaften von Lehrpersonen. Es ist davon auszugehen, dass individuelle Stimmen und Sprechweisen nicht nach normierten Vorgaben funktionieren. Im Fokus der Untersuchung stand das Erkenntnisinteresse, ob zum einen auffällige Sprechmerkmale die Informationsverarbeitung beim Hörverstehen beeinflussen und zum anderen, ob durch einen allmählichen Gewöhnungsprozess eine Verbesserung der Leistungen eintritt. Die Untersuchungsmethode hierfür war komplex angelegt und wurde als Panelstudie mit 101 Schülerinnen und Schülern (MW 11 Jahre) in 10 Erhebungszeiträumen als Feldexperiment durchgeführt. Durch die Manipulation einer als unauffällig eingeschätzten Referenzsprecherin wurden zwei sprecherzieherisch prototypische Merkmalen (erhöhte Sprechstimmlage und Sigmatismus) untersucht. Ein umfangreicher Fragenkatalog zu verschiedenen Hörtexten testete die Verstehensleistung von Schülern auf verschiedenen inhaltlichen Ebenen. Das Ergebnis der empirischen Studie zeigt, dass die untersuchten auffälligen Sprechmerkmale keinen signifikanten Einfluss auf die Hörverstehensleistung von Schülern vorweisen und das Verstehen nicht beeinträchtigen.