Fossile Mentalitäten : Zur Geschichte der fossilen Durchdringung moderner Vorstellungswelten

Mit dem Konzept der „fossilen Mentalitäten“ und der „fossilen Vorstellungswelten“ schlagen wir in diesem Papier ein Analyseinstrumentarium vor für historisch informierte und sozial differenzierte Forschungen zu den Wechselwirkungen zwischen präfossilen, fossilen und postfossilen Energieträgern auf der einen und gesellschaftlichen Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Handlungsgewohnheiten auf der anderen Seite. Was sind fossile Mentalitäten? Wie unterscheiden sich diese von präfossilen Mentalitäten? Was lässt sich aus der Analyse bisheriger Energietransformationen – allen voran der Transformation hin zur Nutzung fossiler Ressourcen – über die Art und Weise schließen, wie sich gesellschaftliche Vorstellungswelten verändern? Welche Mentalitäten wurden verdrängt, welche blieben bestehen, und welche sind neu entstanden? Welche Auseinandersetzungen gab es darum? Was genau wir unter Mentalitäten und Vorstellungswelten verstehen, erläutern wir basierend auf Überlegungen aus der Mentalitätsgeschichte und der relationalen Sozialstruktur- und Habitusanalyse. Inwiefern Mentalitäten fossil geprägt sind, umgekehrt aber auch die Nutzung fossiler Energieträger ermöglichen, diskutieren wir basierend auf existierender Literatur und auf Fallstudien. Wir analysieren einerseits, wie bestimmte steigerungsorientierte oder externalisierende Vorstellungswelten durch die Nutzung fossiler Energie befördert oder hervorgebracht wurden, andererseits aber auch, inwiefern bestimmte Mentalitäten den Übergang hin zu fossilen Energieträgern bedingt und mit verursacht haben. Diese Aufarbeitung von Debatten zur gesellschaftlichen Transformation von präfossilen, kreislaufbasierten hin zu fossilen, auf extraktiv gewonnenen linearen Flüssen basierenden Gesellschaften und den damit einhergehenden Mentalitätsverschiebungen ergänzt damit bisherige gesellschafts- und geschichtswissenschaftliche Forschungen zu Energietransitionen. Aus den historischen Diskussionen lassen sich einige zentrale Dimensionen herausarbeiten, die für die Erforschung des Zusammenhangs von Energietransformationen und Mentalitäten – auch der aktuellen Transformation hin zu einer postfossilen Bioökonomie – zentral sind. 

With the concept of "carbon mentalities" and "carbon imaginaries" we introduce an analytical
toolkit for historically informed and socially differentiated research on the interactions between pre-fossil, fossil and post-fossil energy regimes on the one hand and societal patters of perception, feelings and action on the other. What are carbon mentalities? How do they differ from pre-fossil mentalities? What can be concluded from the analysis of previous energy transformations – first and foremost the transformation towards the use of fossil resources in the context of industrialization – about the ways in which societal imaginaries change? Which mentalities have been displaced, which have persisted, and which have emerged anew? What struggles have been fought around fossil resources and mentalities? We explain what exactly we mean by mentalities and imaginaries based on arguments from the history of mentalities and sociological analyses of relational social structures and habitus. The extent to which men-talities are based on fossil resources, but conversely also enable the use of fossil resources, is discussed based on existing historical literature and through case studies. On the one hand, we analyze how mentalities of escalation and externalization were promoted or brought about by the use of fossil energy, and on the other hand, to what extent certain mentalities conditioned and contributed to the transition towards fossil energy sources. This reappraisal of debates on the societal transformation from pre-fossil, cyclical societies to fossil, extractive societies based on linear flows and the associated shift in mentalities thus complements previous sociological and historical research on energy transitions. In conclusion, we develop a set of key dimensions from
these historical discussions that are central to research on the relationship between ener-gy
transformations and mentalities – including the current transformations towards a post-fos-sil bioeconomy.

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