Diving und Gliding als sequentielle Entscheidungsstrategien

Der Besuch einer Kunstausstellung kann sehr unterschiedlich gestaltet werden. Während der eine durch die Ausstellung gleitet und sich lieber ein Gesamtbild verschafft, verweilt der andere bei den Exponaten und taucht in die einzelnen Arbeiten ein. So streifen auch Jagdtiere unter-schiedlich schnell durch Gebiete, um in kurzer Zeit möglichst viel Beute zu erlegen und das Überleben zu sichern. Doch wie verhält es sich, wenn eine Reihe von Entscheidungen hinterei-nander zu treffen ist? Wenn für die Entscheidungen nach Informationen gesucht werden muss, aber nur eine begrenzte Zeit verfügbar ist? Wird bei einer solchen Sequenz an Entscheidungen auf die Menge gesetzt, jedoch auf Kosten der Genauigkeit der Entscheidungen? Oder auf Ge-nauigkeit, dann jedoch auf Kosten der Menge an Entscheidungen? Welche sequentiellen Entscheidungsstrategien genutzt werden und welche Situations- und Per-sonenmerkmale deren Wahl beeinflussen, ist eine bislang noch unbeantwortete Frage. Diese Dissertation untersucht erstmals die genannten Fragestellungen und eröffnet das neue For-schungsfeld des sequentiellen Entscheidens unter zeitlichen Restriktionen. Zentrale These ist, dass es individuelle Unterschiede bei der Strategiewahl in sequentiellen Entscheidungssituati-onen gibt. Diese Unterschiede verstärken sich mit zunehmendem Zeitdruck und können wei-terhin durch ein individuelles Informationsbedürfnis erklärt werden. Für das Forschungsprojekt wurden sieben Studien mit über 990 Versuchspersonen durchge-führt. Als Ausgangspunkt wurden zwei sich diametral gegenüberstehende Strategien bestimmt. Diving (engl., Tauchen) beschreibt die Maximierung der Informationsmenge pro Entscheidung durch eine Minimierung der Anzahl an Entscheidungen, während Gliding (engl., Gleiten) eine Maximierung der Entscheidungen durch eine Minimierung der Informationen pro Entscheidung kennzeichnet. Der erste Teil der Forschungsarbeit bestand aus vier Studien und untersuchte, ob Diving oder Gliding stärker genutzt wird, wie gut die Strategien erlernt werden können und wie gut die Anpassungsfähigkeit ist, wenn sich die Anforderungen aus der Umwelt ändern und die erlernte Strategie nun zu schlechten Ergebnissen führt. Diese Fragen wurden anhand mehrerer Aktien-käufe fiktiver Unternehmen studiert, die innerhalb unterschiedlich starker Zeitbegrenzungen getätigt werden mussten. Um genauere und dadurch lukrativere Käufe zu tätigen, konnten In-formationen zu den Unternehmen gesucht werden – was jedoch Zeit in Anspruch nahm und die Menge an Entscheidungen reduzierte. Die Ergebnisse zeigen, dass Gliding generell stärker ge-nutzt wurde, gerade wenn der Zeitdruck zunimmt. Gliding konnte weiterhin auch besser erlernt werden. Wenn sich die Umwelt allerdings änderte, erwies sich eine gute Lernleistung als Nach-teil – je besser eine Strategie erlernt wurde, desto schlechter war die Anpassungsfähigkeit. Per-sonenmerkmale konnten die Nutzung der Strategien nicht erklären. Der zweite Teil der Forschungsarbeit bestand aus zwei weiteren Studien. Sie untersuchten den Einfluss sequentieller Umweltmerkmale sowie Personeneigenschaften auf die Informationssu-che. Es mussten erneut Aktienkäufe in einer begrenzten Zeit getätigt werden, nun konnten je-doch Empfehlungen von Fachberatern eingeholt werden, welche der Aktien die gewinnbrin-gendste sei. Dabei stand eine unterschiedliche Anzahl an Beratern zur Verfügung und es musste eine unterschiedliche Anzahl an Aktienkäufen getätigt werden. Weiterhin wurde untersucht, ob eine zeitliche Begrenzung zu einem anderen Vorgehen führt, wenn sie einzelne Entscheidungen limitiert oder als Gesamtlimit für alle Entscheidungen vorliegt. Es zeigte sich, dass wenn we-nige Berater zur Verfügung standen und wenige Aktien gekauft werden mussten, mehr Infor-mationen gesucht wurden. Die unterschiedlichen Formen der Zeitlimitierung wie auch die Per-sonenmerkmale nahmen keinen Einfluss auf die Informationssuche. Der dritte Teil der Forschungsarbeit bestand aus einer Studie und diente der Generalisierbarkeit der bisherigen Befunde. Zentrale Fragen waren, ob Diving und Gliding auch in der Domäne der Objektsuche genutzt werden und ob deren Nutzung durch Personenmerkmale erklärt werden kann. In der Studie musste auf einer Landkarte beispielsweise nach einem Schatz gesucht wer-den. Auf vier Inseln gab es jeweils vier Höhlen, in denen sich der Schatz befinden konnte. Da jedoch nur Zeit für die Suche in vier Höhlen verfügbar war, musste entschieden werden, z. B. zu „diven“ und in allen Höhlen einer Insel zu suchen oder zu „gliden“ und in jeweils nur einer Höhle auf jeder Insel zu suchen. Bei dieser Aufgabe zeigte sich, dass Diving und Gliding die präferierten Suchstrategien waren und gleichermaßen genutzt wurden. Personeneigenschaften konnten dies jedoch nicht erklären. Zusammenfassend konnte belegt werden, dass sowohl generelle als auch individuelle Präferen-zen bei der Wahl sequentieller Strategien vorliegen. Dies erwies sich sowohl bei Entschei-dungs- als auch bei Suchaufgaben. Dabei zeigte sich, dass Zeitdruck zu einer stärkeren Nutzung von Gliding führt. Es wurde erstmals nachgewiesen, dass Diving und Gliding erlernt und rou-tiniert werden können, was zu Anpassungsproblemen führt, wenn sich die Umwelt ändert. Der Einfluss von Personenmerkmalen auf die Strategiewahl konnte hingegen nicht ausreichend nachgewiesen werden.

A visit to an art exhibition can be carried out in very different ways. While one person glides through an exhibition and likes to get an overall impression, another person lingers, and gets involved in each exhibit. In a similar way, predators sweep through areas at different speeds in order to catch as much prey as possible in the shortest possible time in order to ensure survival. But how does it work if a series of decisions have to be made one after another? If information has to be sought out to make those decisions but there is only a limited time available? Would the emphasis in such a series of decisions be on solving them all, at the expense of precision? Or would one prioritise precision, even if it meant not all decisions could be made? Which sequential decision strategies are used and which characteristics of the situation and the individual exert an influence on the choice of strategy has remained unanswered for a long time. This dissertation examines the above questions for the first time and opens up a new research field of sequential decision-making under time constraints. The central argument within this thesis is that there are individual differences in the choice of strategy for sequential decision making. These differences become more pronounced as time pressure increases and can be further explained by an individual’s need for information. For the research project seven studies with over 990 participants were carried out. As a starting-point, two diametrically opposed strategies were defined. Diving describes the maximisation of the amount of information per decision with a minimisation of the number of decisions made, while Gliding describes a minimisation of information per decision and a maximisation of the number of decisions made. The first part of the research consisted of four studies and looked at whether Diving or Gliding is more pronounced depending on how well the strategies can be learned and how adaptable the individual is to changes in the conditions if the learned strategy now leads to bad outcomes. These questions were studied through the purchase of shares in fictitious enterprises, which had to be undertaken in very different time frames. To undertake more precise and therefore more profitable share dealings, participants could search for information on the enterprises – but this demanded time and therefor reduced the number of decisions. The results showed that generally Gliding was more often used as time pressure increased. Furthermore Gliding could also be learned better. When conditions were altered, a good standard of learning proved to be a disa-dvantage – the higher the level of learning, the lower the level of adaptability. Personal chara-cteristics could not explain the use of the strategies. The second part of the research consisted of two further studies. They looked at the influence of sequential background characteristics as well as personal characteristics when searching for information. Again, share dealings were undertaken within a restricted time scale, but now recommendations from consultants could be obtained on whether the shares were the most pro-fitable. For this, a varying number of consultants were available and a varying number of share dealings had to be made. It was also taken into consideration whether a time limitation led to a different approach, if it limited single decisions, or acted as an overall limit to all the decisions. The study showed that when fewer consultants were available and fewer dealings had to be made, more information was sought. Neither the varying time limitations nor personal charac-teristics had any influence on information searches. The third part of the research consisted of one study and served to draw generalisations from the earlier findings. The central questions were whether Diving and Gliding were also used in the context of looking for an object and if their use could be explained by personal characteris-tics. An example in this study was looking for treasure on a map. Four islands each had four caves in which the treasure could be found. However as there was only time available to look in four caves a decision had to be made whether to dive and look in all the caves of one island, or to glide and look in one cave on each island. This exercise showed that Diving and Gliding were the preferred search strategies and were used equally. Personal characteristics however could not explain this. In summary it can be verified that general and individual preferences lie behind the choice of sequential strategies. This was evident in both decision-making and searching tasks. It was also evident that time pressure leads to a greater use of Gliding. It was proved for the first time that Diving and Gliding can be learned and used routinely, which leads to adaptability problems when conditions change. The influence of personal characteristics on the choice of strategy, on the other hand, could not be sufficiently proved.

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