PISA, Ganztagsschule, Bildungsstandards und Steuerungsfragen im Bildungssystem : zum Zusammenhang von Bildungspolitik und Schulentwicklung & das Nachdenken über Bedingungen des Aufwachsens

Ganztägige Angebote an Schulen sind kein neues Phänomen. So ist für das Gebiet der DDR eine spürbare Ausweitung ganztägiger Angebote seit Ende der 1950er Jahre dokumentiert (Matthes 2009). In der ehemaligen Bundesrepublik wurde durch Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates Ende der 1960er Jahre ein „erheblicher Auftrieb“ (Ludwig 2005: 272) registriert. Dieser führte jedoch nicht zu einer flächendeckenden Etablierung entsprechender Angebote. Erst im zurückliegenden Jahrzehnt gewannen schulische Ganztagsangebote in Gesamtdeutschland merklich an Bedeutung. Für diese Entwicklung können maßgeblich drei Beweggründe identifiziert werden: Erstens die Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien und die darin dokumentierte enge Kopplung zwischen schulischem Bildungserwerb und sozialer Herkunft. Mit Hilfe der ganztägigen Angebote sollte die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler verbessert und soziale Nachteile ausgeglichen werden (KMK 2002a; Deutscher Bundestag 2009: 17). Zweitens wurden Ganztagsschulen als Scharnier zwischen schulischer Bildung und Bildungsangeboten der Kinder- und Jugendhilfe identifiziert. Den Schulen wurde in diesem Zusammenhang eine zentrale Funktion für die Gestaltung lokaler Bildungslandschaften zugesprochen (Deutscher Bundestag 2005: 14f). Drittens wird in Ganztagsschulen eine bedeutsame Struktur für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Deutscher Bundestag 2011: 228) sowie zur Unterstützung von Alleinerziehenden gesehen (Rollett u.a. 2008: 899). Damit wird deutlich, dass die Beweggründe zum Ausbau ganztägiger Betreuungsangebote nie allein pädagogisch, sondern immer auch sozial-, familien- und arbeitsmarktpolitisch motiviert waren. Entsprechend legitimieren die nicht-pädagogischen Motive den Ausbau ganztägiger Bildungsangebote an Schulen auch dann, wenn die Wirkung auf den schulischen Kompetenzgewinn durch erziehungswissenschaftliche Studien in Frage gestellt wird.

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