Den weltweiten Goldstandard zur Dignitätsbestimmung auffälliger Schleimhaut-läsionen des oberen Aerodigestivtraktes (OADT) stellt die invasive Entnahme von Gewebeproben zur Begutachtung durch einen Pathologen dar. Lässt sich histologisch ein maligner Tumor nachweisen, handelt es sich in über 90% der Fälle um ein Plattenepithelkarzinom (PEC) der Schleimhäute (Pai und Westra 2009). Die visuelle und endoskopische Untersuchung erfolgt aktuell sowohl ambulant als auch während Tumoroperationen im klinischen Alltag nur mit Weißlicht. Eine langjährige klinische Erfahrung und genaue Kenntnis der Anatomie sind daher zwingend notwendig, da eine frühzeitige Diagnose entscheidend für die Behandlungsstrategie und die Chancen auf Heilung der Patienten ist. Es handelt sich hier um eine stark untersucherabhängige Methode, die keine unmittelbare histologische Aussage zu Schleimhautveränderungen im OADT treffen kann (Ambrosch 1996). Deshalb werden seit Jahrzehnten weltweit verschiedene innovative optische Bildgebungsverfahren in der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO-Heilkunde) zur besseren Detektion und Abgrenzung von Tumoren entwickelt. Das ideale Ziel der einzelnen Verfahren ist non-invasiv und in Echtzeit im Sinne einer „optischen Biopsie“ während ambulanter Untersuchungen oder bei Operationen definitive Aussagen über Gewebeveränderungen zu treffen (Volgger et al. 2013a, Arens et al. 2016). Bisher wird noch kein optisches Diagnoseverfahren im klinischen Alltag angewendet (Betz et al. 2016). Eine relativ neue Technik stellt in diesem Zusammenhang die konfokale Endomikroskopie (CLE) dar. Im Vergleich zu anderen Fachdisziplinen wie beispielsweise der Gastroenterologie wurden in der HNO-Heilkunde nur wenige Arbeiten publiziert, die die CLE zur Erkennung von PEC verwendet (Abbaci et al. 2014, Goetz et al. 2011). Es wurde bisher gezeigt, dass diese optische Technik zu diesem Zweck ein gewisses Potential besitzt. Quantitativ messbare Kriterien, die eine eindeutige Unterscheidung zwischen Tumorgewebe und gesunder Schleimhaut ermöglich, wurden aber noch nicht bestimmt (Thong et al. 2012, Volgger et al. 2013a). Unabhängig von einander kommen verschiedene Studien zu dem Schluss, dass bei der Betrachtung von CLE-Aufnahmen Unterschiede in der Architektur der Zellverbände und in der Zellgröße von Tumoren im Vergleich zu gesunder Schleimhaut auffallend sind (Pogorzelski et al. 2012, Haxel et al. 2010). In der zugrunde liegenden publizierten Orginalarbeit wird unseres Wissens der weltweit erste automatisierte Bilderkennungsalgorithmus zur Detektion von PEC im OADT anhand von CLEBilder vorgestellt. Die vorgelegte Arbeit ist zudem die weltweit erste Publikation, die quantitativ messbare Bilddaten in CLE-Bildern erhebt. Sie beweist, dass sowohl die Architektur der oberflächlichen Zellverbände als auch die Zellgröße in CLE-Bilder valide Kriterien sind, anhand derer ein PEC von gesunder Schleimhaut unterschieden werden kann. Darüber hinaus wurden bei der Studie indirekt zahlreiche Daten über die generelle Zellgröße und Gewebestruktur von PEC und gesunder Schleimhaut des OADT erhoben. Die prospektive Observationsstudie wurde in der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum Jena durchgeführt. Teilnehmer der Studie waren 12 Patienten mit klinischem Verdacht eines PEC. Die CLE-Bilder wurden nach intravenöser (i. v.) Applikation von Fluorescein in vivo während diagnostischer Panendoskopien aufgezeichnet. An allen untersuchten Schleimhautläsionen wurden direkt im Anschluss Biopsien entnommen. Zwei Gruppen mit einerseits histologischem Nachweis eines PEC (Tumorgruppe n=5) und andererseits mit gesunder Schleimhaut (Kontrollgruppe n=7) wurden gebildet. Die Auswertung der CLE-Aufnahmen sowie die Annotation relevanter Bildsequenzen und Bildareale erfolgte mit medizinischem Expertenwissen. Darauf aufbauend wurden im nächsten Schritt mit Methoden der digitalen Bilderkennung quantitativ messbare Bilddaten identifiziert. Die Analyse mit spezifischen Bilderkennungsverfahren („automated cell border segmentation, distance map“) ergab statistische Werte der Zellgrößen in den beiden Gruppen. Anhand dieser Informationen erfolgte das Training des Algorithmus mit der „leave-two-patients-out“- Methode (Hyperlink zum öffentlich zugänglichen technischen Report: http://www.inf-cv.unijena. de/microscopyanalysis). Unser Algorithmus ist in der Lage mit einer Spezifität von 0.85 ± 0.14 und einer Sensitivität von 0.72 ± 0.13 CLE-Bilder von PEC von gesunder Schleimhaut zu unterscheiden. Um die Aussagen des Algorithmus korrekt zu bewerten ist bei der Anwendung dieses optischen Verfahrens medizinisches Expertenwissen notwendig. Die Weiterentwicklung zur „online“-Anwendung im Sinne einer „optischen Biopsie“ als Ergänzung zur Weißlichtuntersuchung erscheint realistisch, wenn größere klinische Studien folgen.