Abstract Ziel der vorliegenden Arbeit war die Analyse der Mundgesundheit von 5- bis 15-jährigen Kindern und Jugendlichen aus dem Ennepe-Ruhr Kreis (EN-Kreis) in einem 10-Jahresvergleich (2001, 2006, 2011). Im Jahr 2011 wurden erstmalig die klinischen Folgeerkrankungen der unbehandelten Milchzahnkaries von 5- und 8-Jährigen erfasst. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in der Zeitschrift BMC Oral Health von (Grund et al. 2015): Clinical consequences of untreated dental Caries in German 5- and 8-year-olds. (DOI 10.1186/s12903-015-0121-8) publiziert und in die vorliegende Dissertationsschrift integriert. Weiterhin wurde die Beziehung zwischen der Mundgesundheit und besuchten Schulform von 12- und 15-Jährigen des EN-Kreises untersucht. Im Jahr 2011 nahmen 5- (n=496), 8- (n=608), 12- (n=471) und 15-Jährige (n=840) an der jährlichen Reihenuntersuchung der Zahnärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes teil. Der Kariesbefall wurde nach WHO Standard (1997) von einer kalibrierten Jugendzahnärztin unter den Bedingungen der Reihenuntersuchung in den Kindergärten bzw. Schulen erfasst. Der Significant Caries Index (SiC-Index) und die Lorenzkurve wurden zur Beschreibung der Kariespolarisation herangezogen. Der Sanierungsgrad und -stand wurde für alle Altersgruppen ermittelt. Das Kariesbefallsmuster wurde bei den 5-Jährigen anhand der Early Childhood Caries (ECC) Klassifikation von (Wyne 1999) bestimmt. Odontogene Infektionen als Folgen unbehandelter Milchzahnkaries wurde bei den 5- und 8-Jährigen mit dem pufa-Index erfasst (Monse et al. 2010). Die Korrelation zwischen dmft- und pufa-Werten wurde mit dem Spearman-Rangkorrelationskoeffizient (ρ) nachgewiesen. Der Zusammenhang zwischen Kariesprävalenz und –befall mit der besuchten Schulform wurde mit deskriptiver Epidemiologie bei den 12- und 15-jährigen Schülern untersucht. Bei allen Tests wurde das Signifikanzniveau p≤0,05 gewählt. Die Kariesprävalenz der 5-Jährigen sank von 33,9% (2001) auf 26,2% (2011) und der Kariesbefall von 1,5 ± 2,8 dmft (2001) auf 0,9 ± 2,0 dmft (2011). Nach der ECC-Typisierung (Wyne 1999) dominierte bei den 5-Jährigen der ECC-Typ I (22%), gefolgt von ECC-Typ II (4%) und ECC-Typ III (0,2%). Die 8-Jährigen wiesen eine Kariesprävalenz von 48,8% im Milch- und von 3,9% im permanenten Gebiss auf. Insgesamt sank die Kariesprävalenz um 11,1% (2001=60,4%; 2011=49,3%). Der Kariesbefall belief sich auf 2,1 ± 2,8 dmft und 0,1 ± 0,4 DMFT. Die Erhebung des pufa-Index ergab bei den 5-Jährigen eine pufa-Prävalenz von 4,4% und bei den 8-Jährigen von 16,6%. Der pufa-Index betrug für die 5-Jährigen 0,1 ± 0,5 pufa und für die 8-Jährigen 0,3 ± 0,9 pufa mit einer Konzentration auf die p-Komponente. In beiden Altersgruppen waren die ersten Milchmolaren am häufigsten von odontogenen Infektionen betroffen. Es lag eine signifikante Korrelation zwischen den dmft- und pufa-Indizes vor (5J: ρ=0.399, p<0.001; 8J: ρ=0.499, p<0.001). So wiesen 8-Jährige mit einem pufa-Index>0 einen signifikant höheren Kariesbefall im permanenten Gebiss auf (p=0,003). Im internationalen Vergleich wiesen deutsche Kinder eine niedrige d-Komponente bei einer hohen Tendenz zur Entwicklung odontogener Infektionen auf (untreated caries pufa ratio: 5J=14,2%; 8J=34,2%). Die 2011 untersuchte Kariesprävalenz der 12-Jährigen lag bei 24,6% und die der 15-Jährigen bei 36,8% mit einem Kariesbefall von 0,5 ± 1,1 DMFT bzw.1,1 ± 1,9 DMFT. Es wurde eine statistisch signifikante Zunahme des Kariesbefalls mit abnehmendem Bildungsgrad der Schüler aufgezeigt. Hauptschüler wiesen im Untersuchungszeitraum die schlechteste Mundgesundheit im Vergleich zu Real-schülern, Gesamtschülern und Gymnasiasten auf. Dagegen hatten Gymnasiasten die mit Abstand beste Mundgesundheit. Die Kariesprävalenz und der Kariesbefall nahmen innerhalb des 10-jährigen Beobachtungszeitraumes in allen Altersgruppen ab. Diese Gesamtverbesserung der Mundgesundheit muss jedoch differenziert betrachtet werden, da eine starke Polarisation des Kariesbefalls zu beobachten war. Unter den 5-Jährigen vereinten 20% der Kinder 90% des Kariesbefalls auf sich. Diese Kinder haben ein hohes Risiko odontogene Infektionen zu entwickeln, die wiederum einen erheblichen Einfluss auf die Allgemeingesundheit und Entwicklung der Kinder haben können. Von den 8-Jährigen wiesen 16,6% der Kinder odontogene Infektionen aufgrund unbehandelter Milchzahnkaries auf. Diese Kinder haben ein signifikant höheres Kariesrisiko der bleibenden Zähne. Unter den 12- und 15-Jährigen vereinten 20% der Kinder mehr als 80% des Kariesbefalls auf sich. Es konnte erneut eine Konzentration der Krankheitslast auf Hauptschüler festgestellt werden. Insgesamt können die vorliegenden Resultate der epidemiologischen Querschnittsstudie über den Zeitraum von 10 Jahren den politischen Entscheidungsträger verdeutlichen, dass Prophylaxeprogramme einer regelmäßigen Evaluation und kritischer Analyse bedürfen. Um die gesundheitliche Benachteiligung von Kindern mit einem niedrigen Sozialstatus, insbesondere von Hauptschülern, zu kompensieren, sind flächendeckende und intersektorale Präventionsprogramme notwendig.