Stereologische Analyse von Mikroglia und afferenten Terminalen im Facialiskerngebiet nach facio-facialer Anastomose bei der Ratte und Korrelation polyinnervierter Endplatten mit der Vibrissenbewegung

Mit der Durchtrennung des Facialisnervs wird eine Vielzahl von Prozessen in Gang gesetzt, die der Nervenregeneration und Reinnervation der Muskulatur dienen. Die eigentliche Funktion der Motoneurone, die Generierung von Aktionspotentialen zur Ausbildung von Muskelkontraktionen, wird herunter reguliert. Solche reaktiven Prozesse sind zum einen die Deafferenzierung des Facialiskerngebiets, um ein schädigendes Übermaß exzitatorischen Inputs an den Motoneuronen zu vermeiden und zum anderen eine damit assoziierte Mikrogliose, welche, neben der initialen Aufrechterhaltung der Vitalität von Motoneuronen, die Fähigkeit besitzt über eine Neosynaptogenese die Reafferenzierung des Facialiskerngebiets zu modulieren. Bisher wurden diese Prozesse bis 2 Monate nach Durchtrennung des Facialisnervs und facio-facialer Anastomose (FFA) nachbeobachtet, wobei sich zusätzlich noch eine Atrophie des Facialiskerngebiets und eine vermehrte Abnahme exzitatorischer Terminale, im Vergleich zu den inhibitorischen Terminalen, zeigte. Um diese Reaktionen im Facialiskerngebiet im weiteren Verlauf zu untersuchen, wurden 16 Ratten in zwei Gruppen (jeweils N = 8) eingeteilt, von denen die eine Gruppe eine facio-faciale Anastomose (FFA) nach Transsektion des Facialisnervs erhielt und die andere Gruppe ohne Facialisläsion nur scheinoperiert wurde. Vier Monate nach dem operativen Eingriff wurde der Hirnstamm entnommen und immunhistochemisch gefärbte Schnitte hergestellt, sodass der Facialiskern anschließend stereologisch ausgewertet werden konnte. Mittels fluoreszierender Antikörper gegen den vesikulären Glutamat-Transporter-2 (VGLUT2) und den vesikulären GABA-Transporter (VGAT) wurden sowohl die exzitatorischen als auch die inhibitorischen afferenten Terminalen im Facialiskern analysiert. Große C-Typ-Terminale, die cholinerge Präsynapsen an Nissl-gefärbten Motoneuronen-Perikarya und proximalen Dendriten darstellen, wurden mittels Antikörper gegen Cholinacetyltransferase (ChAT) gefärbt und analysiert. Mikroglia wurde mittels Antikörper gegen ionisiertes-Calcium-bindendes-Adaptermolekül-1 (Iba1) dargestellt. Die Ergebnisse der Untersuchungen 4 Monate nach FFA zeigten, dass das Facialiskerngebiet in seinem Volumen um -19% atrophiert, aber keine Atrophie oder ein Verlust von Motoneuronen zu Verzeichnen war. Vielmehr waren die exzitatorischen (VGLUT2+) und inhibitorischen (VGAT+) afferenten Terminalen in ihrer Gesamtheit um -8% reduziert. Dies war auf einen starken Verlust VGLUT2+ Terminale zurückzuführen, da die Anzahl der VGAT+ Terminalen im Vergleich zu Kontrolltieren zugenommen hatte. Ebenfalls war eine signifikante Reduktion der ChAT+ axosomatischen Synapsendichte um -42% zu verzeichnen. Daraus resultiert eine verminderte Aktionspotentialbereitschaft und somit die reduzierte Modulation der frequentierten Rhythmik feuernder Motoneurone. Die Analyse der Mikroglia ergab, dass selbst 4 Monate nach FFA im Facialiskerngebiet noch eine Überzahl an Mikroglia im Vergleich zu Kontrolltieren vorlag. Dies kann als Ausdruck eines anhaltenden Prozesses der Reintegration afferenter Signale mit motoneuronalen Postsynapsen im Rahmen der Neosynaptogenese angesehen werden. Während der Aussprossung der sich regenerierenden Axone des Facialisnervs können sich durch Fehlleitungen verschiedene pathologische Veränderungen in den Muskelfasern ergeben, die einen starken negativen Einfluss auf die Muskelfunktion ausüben. Mehrere neuromuskuläre Endplatten können zum einen polyneuronal, also durch Axonterminale verschiedener Motoneurone, oder zum anderen seriell durch eine einzige ausgeprossene Axonterminale gleichzeitig innerviert werden. Um zu überprüfen, ob der Grad der polyinnervierten Muskelfasern mit der Schwere der funktionellen Beeinträchtigung zusammen hängt, wurde die Vibrissenbewegung der Ratten 4 Monate nach FFA gefilmt und anschließend der ipsilaterale M. levator labii superioris, als repräsentativer externer Vibrissenmuskel, entnommen. In seriellen Schnitten wurden die Axonterminalen zwischen den Muskelfasern mit fluoreszierenden Antikörpern gegen ChAT und die neuromuskulären Endplatten mit Fluorophor-konjugiertem α-Bungarotoxin angefärbt. Als Parameter der Vibrissenkinematik, die den Grad der funktionellen Reintegration der Muskulatur wiederspiegelt, wurde die maximale Amplitude der Vibrissenbewegungen verwendet. Vier Monate nach FFA wiesen 32% der neuromuskulären Endplatten eine Polyinnervation auf. Im Hinblick auf einen hypothetischen Zusammenhang zwischen dem Innervationszustand der Muskelfasern beider Gruppen und den funktionellen Parametern aus den Videoanalysen ergab sich eine starke negative Korrelation und somit eine Bestätigung des negativen Einflusses der Fehlinnervation auf das funktionelle Outcome nach Facialisregeneration.

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