Weiße Bruderschaft und Delphische Idee : Esoterische Religiosität in Bulgarien und Griechenland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

In der krisenhaften Situation der Zwischenkriegszeit treten in Südosteuropa zwei Männer mit messianischem Sendungsbewusstsein in Erscheinung: der bulgarische Theologe Petăr Dănov (1864–1944) und der griechische Literat Angelos Sikelianos (1884–1951). Beide proklamieren den Anbruch eines künftigen Zeitalters der Liebe, des Friedens und der Harmonie, wobei sie ihren jeweiligen Völkern eine zentrale Rolle im Hinblick auf die dafür nötige „Erleuchtung“ und Höherentwicklung der Menschheit zuschreiben. In Bulgarien formiert sich die von Dănov gegründete religiöse Bewegung Weiße Bruderschaft als Vorhut der verkündeten neuen Ära; in Griechenland wirbt Sikelianos für seine Delphischen Idee, der zufolge ein internationales spirituelles Zentrum in Delphi den Grundstein für die Erlösung der Welt legen soll. Im Rahmen dieser Dissertation untersuche ich die beiden Phänomene in vergleichender Perspektive als Manifestationen esoterischer Religiosität, d.h. als Teil einer ideen- und religionsgeschichtlichen longue durée neoplatonisch-gnostisch-hermetisch geprägten Denkens und Handelns. Von besonderem Interesse ist dabei zum einen die Frage, wie die beiden Protagonisten versuchen, soziale Anerkennung für ihre (esoteriktypischen) Ansprüche auf ein höheres Wissen über den Kosmos sowie die daraus abgeleiteten millenaristischen Visionen zu erlangen und Anhänger bzw. Unterstützer zu mobilisieren. Des Weiteren beleuchte ich die Positionierung der Vertreter esoterischer Religiosität gegenüber den Orthodoxen Kirchen als den dominanten religiösen Institutionen der Region wie auch, umgekehrt, die kirchliche Kritik an den Esoterikern. Eine dritte vergleichend-analytische Betrachtung gilt den visuellen und ästhetischen Aspekten (Rituale, Inszenierungen) von Weißer Bruderschaft und Delphischer Idee, die ich in den länder-übergreifenden historischen Kontext einordne.

This dissertation examines two manifestations of esoteric religiosity in the first half of the 20th century: the White Brotherhood movement in Bulgaria, founded by theologian Petăr Dănov (1864–1944), and the so-called Delphic Idea propagated by Greek poet Angelos Sikelianos (1884–1951). Both men proclaim the dawn of a new age of peace and harmony after World War I, and attribute crucial roles to the Bulgarian and Greek peoples concerning mankind’s spiritual awakening and unification. These millenarian messages are based on claims of higher knowledge about the cosmos typical for esotericism in general; the first part of my comparative analysis is therefore a look at the strategies applied by Dănov and Sikelianos in order to gain social legitimacy for their claims and visions and thus to attract adherents and supporters. Secondly, I juxtapose the essential traits of esoteric religiosity with the main characteristics of institutional Christianity, and use this conceptual framework to shed light on the mutual perception of the two esoteric movements and the dominant Greek and Bulgarian Orthodox Churches. Thirdly, a comparison will be drawn between the respective visual and aesthetic aspects of the White Brotherhood and the Delphic Idea.

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