1 Einleitung

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Schule hat sich in den letzten gut zwanzig Jahren deutlich verändert: die Schüler1 und deren gesellschaftliche, wirtschaftliche, familiäre und mediale Umfelder sind andere geworden. Während Pädagogen und Eltern zum Teil kreativ versuchen, mit den veränderten An- und Herausforderungen umzugehen, verbleiben schulinstitutionelle Rahmenbedingungen und schulpolitische Bemühungen zurzeit noch überwiegend eher in alten Mustern (vgl. Kap.2.3). Vermehrt in die öffentliche Kritik sind sie alle geraten: Eltern, Lehrer, Schule und Schulpolitik, ja, ‚Erziehung’ selber befindet sich in der Krise (Retzer/ Simon 1998). In ähnlicher Weise wie sich Erziehungsvorstellungen in eine Vagheit und Unverbindlichkeit hinein pluarlisiert haben, haben sich auch die Aufgaben und Funktionen von schulischen Pädagogen2 vervielfältigt. Dass Unsicherheiten in pädagogischen Feldern und im erzieherischen Handeln deutlich zugenommen haben, kann allerdings auch als eine Chance perzipiert werden: nämlich als die Gelegenheit, Erziehung und Pädagogik zu überdenken, sie mit anderen, neuartigen Blicken anzuschauen und dementsprechend differenzierter und mit mehr Optionen zu handeln als vorher. In der gegenwärtigen Schul- und Erziehungskrise kann es sich für Lehrer als wesentliche Mitgestalter von Unterrichts- und Erziehungsprozessen in Schule also ausdrücklich lohnen, nach dem positiven Veränderungspotenzial von neuartigen ‚Erzählungen’ Ausschau zu halten. Solche ‚Logiken des Gelingens’ (Spiess 2000) müssen in einer (im Vergleich zu den gegenwärtig gängigen Narrationen) unterschiedsbildenden Weise neue und ‚un-gewohnte’ Handlungsmöglichkeiten eröffnen, die von den Betroffenen als hilfreich bewertet werden.

Eine eigenständige Theorierichtung, die sich in den letzten Jahren in Berufskreisen, die mit persönlicher Beziehungsgestaltung im Einzelfallbezug (z.B. Berater und Therapeuten) zu tun haben, zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der systemisch-konstruktivistische Ansatz. Dieser hat mittlerweile auch in die pädagogische Diskussion Einzug gehalten; und einige Autoren unterstellen ihm (so auch diese Dissertation) hohe Relevanz für gegenwärtige und zukünftige Aufgaben in und von Schule.3 Auch auf posttraditionalem Hintergrund bietet sich der systemisch-konstruktivistische Ansatz an, bisherige schultypische Erzählungen zu ergänzen (Kap.5).

Diese Dissertation unternimmt den Versuch, die Prämissen der systemisch-konstruktivistischen Theorie auf Schule4 zu übertragen, ein Weiterbildungscurriculum für Lehrer in der Praxis zu entwerfen, durchzuführen und dann mit den involvierten Pädagogen als Fachleuten zu evaluieren, ob bzw. inwieweit aus ihrer Sicht sich Ergebnisse zeitigen, die sie in ihrer alltäglichen schulischen Praxis – unter unveränderten institutionellen und politischen Rahmenbedingungen – als unterstützend erfahren.5 Insofern als die Lehrer in der Fortbildungsgruppe aus den verschiedensten Schultypen kommen (und nicht speziell Förderpädagogen sind), geht es nicht um eine vollständige Beratungsausbildung sondern um insgesamt drei wesentliche Bereiche: 1. das eigene Selbstverständnis als schulischer Pädagoge, 2. Haltungen, Positionen und Instrumente für schulische Beratung in einem weiten Sinne und 3. Schulentwicklung sowie Passung von Mitarbeiter und Organisation (jeweils auf systemisch-konstruktivistischem Hintergrund).6

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Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel fordert – wieder einmal - die Pädagogik heraus, Erziehungs- und Bildungsprozesse neu zu konzipieren. Das macht gerade auch für schulische Kontexte Sinn, da sich empirisch leicht belegen lässt, dass Schule für den gelingenden Entwicklungsprozess von Kindern eine wichtige und eigenständige Bedeutung zukommt (Keogh 1997).7 Da obendrein gegenwärtig der Einruck entstehen kann, dass Pädagogen die Lösung von Erziehungsproblemen zugemutet wird, die an anderen als schulischen Orten der Gesellschaft entstehen (Huschke-Rhein 1998ba, 37) - und das auch noch bei einem wachsenden gesellschaftlichen Legitimationszwang nach PISA und OECD-Studien -, erscheint es umso nützlicher, schulische Prozesse unter die (bzw. eine andere) ‚Lupe’ zu nehmen. Zu schauen ist dann insbesondere, was gemäß des entsprechenden pädagogischen Ansatzes mach- und leistbar ist und was nicht (Palmowski 2003). Hierbei greifen Pädagogen zunächst i.d.R. auf ihnen vertraute, subjektive Alltagstheorien zurück, die aus einer Außenperspektive als unreflektierte Ressourcen für Kommunikations- und Beziehungsgestaltung sowie Konfliktlösung in Schule beschrieben werden können. Diese können in einem Fortbildungsprozess so bewusst gemacht, reflektiert und (wissenschaftlich) ergänzt bzw. ‚umgebaut’ werden, dass neue, theoretisch fundierte Ausgangspositionen auf Bewusstseinsebene auch neue, in der Praxis erprobte Chancen auf der Handlungsebene eröffnen können (Palmowski 2003, 24).

Der Pädagogik als Wissenschaft kommt in dieser Situation die Doppelrolle zu, sowohl als Reflexionswissenschaft Bildungs- und Erziehungszusammenhänge zu erforschen, als auch als Handlungswissenschaft Vorschläge zu machen, wie Bildungs- und Erziehungspraxis konkret gestaltet und verbessert8 werden kann. Wenngleich aufgrund der angesprochenen Pluralisierung innerhalb der Disziplin kein Konsens (mehr?) über eine Definition oder die Ziele der Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft9 besteht (Büeler 1998, 45), so wird doch zumindest i.d.R. das wesentliche Ziel von Pädagogik darin gesehen werden können, Mündigkeit und Selbstbestimmung bei Heranwachsenden (und Erwachsenen) zu befördern.

Diese Zielsetzung bedeutet in einer postmodernen, sich ständig verändernden, zunehmend komplexen Gesellschaft u.a., dass auch die Pädagogik mit zunehmend komplexen Modellen von Wirklichkeit arbeiten muss, während sie sich bewusst bleibt, dass diese jeweils nur heuristischen Modellcharakter besitzen. Eine zentrale Annahme dieser Arbeit ist, dass in den postmodernen Gesellschaften - im Vergleich zu den bisherigen Kulturen - die Balance zwischen weitestgehender Komplexitätsreduktion einerseits und der Ermöglichung viablen Handelns andererseits für den einzelnen Menschen wie für Gesellschaften wie auch vielleicht für die Menschheit selber sich weiter verschiebt hin zu einer insgesamt höheren Komplexität von Modellen. Bereits Kinder seien dabei, Welten zunehmend komplexer zu konstruieren, so v.Aufschnaiter (1998). Balgo/Werning (2003, 9) sprechen in diesem Zusammenhang von „komplexitätserhaltender Komplexitätsreduktion“, die gerade von der Systemtheorie „als Wissenschaft der Komplexität“ (Strunk 2006, 138) geleistet werden kann.10 Die mittlerweile durchaus umfangreiche Literatur zur systemisch-konstruktivistisch Pädagogik11 trägt dem Rechnung und fordert u.a. „systemische Weiterbildung von Lehrern, in der konkrete Konzepte erprobt und simuliert und Methoden geübt werden können“ (Reich 1997, 90). Dieser Forderung will die hier vorliegende Dissertation genüge tun als ein konstruktiver bzw. ‚konstruierender’ Baustein neben anderen.

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Eine entsprechende Forschung macht auch deshalb Sinn, weil der Lehrberuf seit vielen Jahren „zu den am stärksten vom Burnout-Syndrom betroffenen“ Berufen zählt (Omer/Schlippe 2004, 165f). Tatsächlich erfordern „wenige Berufe [...] eine derart vielseitige Kompetenz wie die des Lehrers. Zu ihr gehören fachliches Können, starke persönliche Präsenz und Ausstrahlung und flexibles Reagieren auf sich ständig verändernde Situationen genauso wie intuitives Gespür, Verständnis für völlig unterschiedliche Schülerpersönlichkeiten, Widerstandskraft, Geschick bei atmosphärischem Gegenwind und – vor allem – Führung“ (Bauer 2007c, 51).

Mit der erforderlichen, zunehmenden Komplexität von Modellen steigt für die postmoderne Gesellschaft (wie auch für Schule und pädagogische Weiterbildung) der Bedarf an Beratung und Begleitung, um in der steigenden Komplexität Orientierung finden und erhalten zu können. Schule muss dann in posttraditionalen Gesellschaften zunehmend „konsultativ“ und Pädagogik stärker zu einer „Beratungswissenschaft“ (Huschke-Rhein 1998ba, 8,17) werden. Dies gilt auf systemisch-konstruktivistischen Hintergrund, den diese Arbeit verfolgt, noch verstärkt, da ihm gemäß nicht instruktiv interagiert, sondern Entwicklung letztlich nur angeregt werden kann. Ausgangslage dieses epistemologischen Modells ist die praktische Erfahrung als Mensch und Pädagoge, dass wir „nur zu gut wissen, dass in unserer Erlebenswelt Dinge, Zustände und Verhältnisse keineswegs immer so sind, wie wir sie haben möchten“ (Glasersfeld 1992. S.30). Welt muss dann nicht mehr (wie noch in der Moderne) erobert, sondern vielmehr verstanden werden (Baumann) – wobei Letzteres, konstruktivistisch gedacht, (lediglich) bedeutet, eine jeweilige ‚Passung’ zu finden (Voß 2000b, 33). Eine solche Sichtweise führt zu einem grundlegenden „Strukturwandel des Lernens und des Unterrichts“ (Decker 1998, 114).

Es ergeben sich dann erhebliche Implikationen für Aspekte wie z.B. pädagogisches Selbstverständnis, Erziehungsstil, pädagogische Haltungen, Erwartungen, Beziehungsgestaltungen, Kommunikation, Methoden, Instrumente, Steuerungskonzepte und letztlich für den Erziehungs- und Bildungsbegriff selbst (Huschke-Rhein 1998ba, 26). Derartige Aspekte und Bereiche der Pädagogik werden in dieser Dissertation auf systemisch-konstruktivistischem Hintergrund ausgeführt und auf ihre schulpädagogischen Konsequenzen bzw. Handlungsangebote hin befragt, bevor sie Gegenstand eines wissenschaftlich fundierten Curriculums werden können.

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Mehrere bedeutsame Gründe lassen sich nennen, weshalb der systemisch-konstruktivistische Ansatz - im Sinne von Angeboten einer nützlichen Passung für posttraditionale pädagogische Arbeitswelten - den postmodernen, komplexen Anforderungen für Pädagogik eher gerecht wird als frühere Bildungsansätze.12 Der systemische Ansatz vermag,

Was den Wissenschaftsbegriff betrifft, sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass, konstruktivistisch gesehen, dem Autor dieser Arbeit und der hier präsentierten Untersuchung bewusst ist, dass der Bezug zu seiner ‚scientific community’ einen Aufmerksamkeit lenkenden Gestaltungsfaktor für seinen wissenschaftlichen Text (Mayring 2004, 586) darstellt. Konstruktivistische Forschung anerkennt die unvermeidbare Beobachterleistung des Forschers, welche in der Kybernetik zweiter Ordnung dazu führt, dass er (auch erforschte) Wirklichkeit unvermeidbar mitkonstruiert. Ein Forschungsbericht darf daher durchaus einen persönlichen Stil beinhalten und kann auch in der ersten Person geschrieben werden, wobei eigene Vorannahmen und Prägungen des Forschers ebenso explizit benannt werden müssen wie der Umstand, dass die Darstellung des Forschers nur eine unter verschiedenen denkbaren Versionen ist (Mayring 2004, 584). Forschung in diesem Sinne ist nach Van Maanen selbst-bekennende Beschreibung (Van Maanen 1995).15 Im Sinne der wissenschaftlichen Konsistenz und der eigenen Glaubwürdigkeit entsprechen nicht nur die Inhalte der hier entwickelten und untersuchten Fortbildung systemisch-konstruktivistischen Voraussetzungen sondern auch die Form der Fortbildung sowie die hier vorliegende wissenschaftliche Untersuchung selbst.

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Von einer Metaposition gesehen, geht es bei Forschung immer auch um den Machtanspruch konkurrierender Paradigmen mit ihren anthropologischen und ethischen Prämissen (Voß 2005b, 19). Diese Arbeit vertritt in diesem Zusammenhang die These, dass eine ‚abrufbare’ Vielfalt von unterschiedlichen Erzählungen, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Prämissen wissenschaftlich nicht in einem Modell vereinbar sind, in der schulischen Alltagspraxis die Handlungsoptionen für den Lehrer vermehrt. Deshalb sollten auf einer praktischen Ebene die Ausführungen dieser Dissertation eher als Ergänzung zu denn als ausschließende Abgrenzung von bestehenden Ansätzen gesehen werden.

Es folgen noch einige eher formale Hinweise, bevor die Einleitung mit einem Grobüberblick über den Aufbau bzw. die Gliederung der Dissertation beendet wird. Angesichts der Tatsache, dass systemisch-konstruktivistisches Denken mittlerweile auch in pädagogischen Kreisen etabliert ist, verzichtet diese Arbeit darauf, systematisch in den systemisch-konstruktivistischen Ansatz einzuführen; vielmehr wird eine grundlegende Kenntnis systemisch-konstruktivistischen Denkens und Vokabulars vorausgesetzt. Im Sinne der Wissenschaftlichkeit müssen dennoch mitunter einige systemisch-konstruktivistische Begrifflichkeiten kurz erläutert werden, bevor sie auf ihre Implikationen für pädagogische Kontexte untersucht werden.

Die Begriffe ‚Weiterbildung’ und ‚Fortbildung’ verwende ich synonym. Die meisten Ausführungen gelten für ‚schulische Pädagogen’, ‚Sozialpädagogen in Schule’ und ‚Lehrer’ in ähnlicher Weise, insofern ist die Verwendung dieser Begrifflichkeiten ebenfalls ansatzweise synonym (wo dies nicht gilt, wird dies entsprechend kenntlich gemacht). Der Begriff ‚Schule’ besitzt vielfältige Facetten. An etlichen Stellen der Dissertation wird, um die erforderliche Klarheit herstellen zu können, zwischen Schule als ‚staatlichem Schulsystem’ und Schule im Sinne des ‚Schulhauses’ differenziert. Grundsätzlich gilt, dass Begriffe, die nicht explizit definiert sind oder der systemisch-konstruktivistischen Theorie entspringen, in ihrem eher alltagssprachlichen Sinne verwendet werden.16 Aus einigen verwendeten Quellen habe ich Zitate, die sich ursprünglich auf Eltern (statt auf Pädagogen) bezogen oder auf Beratung und Therapie (statt auf außerunterrichtliche Gespräche in Schule und Unterricht), verwendet, wenn eine Übertragung ohne Probleme möglich war. Dies habe ich entsprechend gekennzeichnet.17

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Die Arbeit ist in drei Hauptteile gegliedert. Im ersten Teil (Kap.2-4) werden die Ausgangslage, die Zielsetzung der Untersuchung und das wissenschaftstheoretische Vorgehen geschildert. Aktuelle Herausforderungen und Chancen für schulische Pädagogik werden angesichts gesellschaftlicher und anderer kontextueller Veränderungen sowie der gegenwärtigen Schulpolitik in Deutschland untersucht (Kap.2). Diese Überlegungen führen zusammen mit ersten Hinweisen aus der Literatur über erfolgreiches Lehrerverhalten zu einer Zielsetzung für die Untersuchung der Dissertation (Kap. 3). Das entsprechende wissenschaftliche Vorgehen wird in Kap.4 erläutert.

Im zweiten Teil werden aus den systemisch-konstruktivistischen Prämissen Implikationen für schulische Pädagogik in der (angehenden) Postmoderne gezogen. Dafür wird zunächst ein postmoderner Gesellschaftstyp idealtypisch entwickelt und aus ihm (Bildungs)Anforderungen an seine Bürger abgeleitet (Kap.5). In Kap.6 werden – im Sinne von Umwelten für das pädagogische Geschehen vor Ort - Erziehungsvorstellungen der letzten Jahrzehnte und die institutionelle Rahmung von Schule in ihren möglichen Auswirkungen auf die an Schule Beteiligten jeweils modellhaft untersucht. Die beiden Folgekapitel beleuchten auf einer noch eher abstrakten Ebene die Implikationen systemisch-konstruktivistischer Erzählungen für Pädagogik (Kap.7) und Schule als System bzw. Organisation (Kap.8). Diese Überlegungen werden in den drei Folgekapiteln für den aktuellen Schulalltag weiter ausdifferenziert und konkretisiert: Es werden aus systemisch-konstruktivistischer Sicht vielfältige Haltungen, Positionierungen und Instrumente für schulische Pädagogik (Kap.9), für ‚Beratung’ (in einem weit gefassten Sinn18) in Schule als Sonderfall der schulischen Pädagogik (Kap.10) und für die Position engagierter Lehrer in Schulentwicklungsprozessen (Kap.11) vorgestellt und entfaltet.

Im dritten Teil der Dissertation werden der Entwurf, die Durchführung und die Evaluation der Fortbildungsreihe dargestellt: Zunächst werden die Ziele einer systemisch-konstruktivistischen Fortbildung für Lehrer in der Berufspraxis (Kap.12) und die Anforderungen an das Curriculum und seine Durchführung (Kap.13) bestimmt. In Kap.14 werden Thesen über die vermuteten Auswirkungen der Fortbildung auf die Teilnehmer (bzw. ihre Konstrukte) erstellt. Kap.15 zeigt die Befragung der Seminarteilnehmer bzw. Mitforscher zu Beginn der Reihe auf; Kap.16 das genaue Curriculum inklusive der teilnehmenden Beobachtung von mir als Seminarleiter und ‚Hauptforscher’19; Kap.17 die abschließenden, Unterschiede generierenden Interviews mit den Teilnehmern. Die Kap.18 bis 24 werten unter Verwendung zentraler Kategorien die Daten der Untersuchung aus, so dass in Kap.25 eine Gesamtwürdigung der Thesen und der Fragestellung der Untersuchung bzw. der Dissertation unternommen werden kann. Im letzten Kapitel (26) reflektiere ich als ‚Hauptforscher’ kurz den gesamten Forschungsprozess aller drei Teile und ende mit einigen abschließenden Bemerkungen. Das Verzeichnis der verwendeten Literatur und der Abbildungen finden sich im Anschluss.20

Teil I – Situationsbeschreibung und wissenschaftliches Vorgehen

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Der erste der drei Hauptabschnitte der Dissertation umfasst drei Kapitel. In Kapitel 2 werden aktuelle Herausforderungen und Chancen für Lehrer und Schule in Deutschland heute skizziert und die Idee eingeführt, dass systemisch-konstruktivistische Ansätze und Sichtweisen für Pädagogen in der heutigen Schule – trotz oder gerade bei unangemessenen schulpolitischen Kurskorrekturversuchen – hilfreich professionalisierend wirken können. Im 3.Kapitel wird das Ziel der Untersuchung der Dissertation dargestellt. Und im 4.Kapitel wird das wissenschaftstheoretische Vorgehen ausführlich beschrieben. Aus Gründen der eigenen Glaubwürdigkeit und logischen Konsistenz sollen sowohl die Seminarreihe als auch die begleitende Forschung zur systemisch-konstruktivistischen Fortbildung selber systemisch-konstruktivistischen Grundannahmen entsprechen.


Fußnoten und Endnoten

1  Zur einfacheren Verständlichkeit (also aus rein pragmatischen Gründen) benutze ich in dieser Arbeit die männliche Form. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich mir der Gender-Problematik bewusst bin.

2  Das gilt mit Abstrichen sicherlich auch für Eltern, die (bzw. deren kognitive Konstrukte) allerdings nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind.

3  „Vieles von dem, das sich heute im beraterischen oder therapeutischen Kontext ereignet und das sich systemisch oder kommunikationstheoretisch begründet, wird in absehbarer Zeit und zum Teil auch jetzt schon als relevant für das Handeln in pädagogischen Zusammenhängen bezeichnet und Eingang in die pädagogische Arbeit in den verschiedensten Institutionen finden“ (Palmowski 1998a, 31).

4  Und zwar allgemein auf Schule zu übertragen (und nicht speziell auf Förderpädagogik oder Erwachsenenbildung, aus denen die meiste bisherige Fachliteratur zum systemisch-konstruktivistischen Ansatz stammt).

5  Aufgrund des zirkulären Ansatzes der konstruktivistischen Systemik gehe ich davon aus, dass positive Erfahrungen der Lehrer nur dann positiv bleiben, wenn auch Schüler (und Eltern) als zentrale Interaktionspartner davon profitieren.

6  Es geht in dieser Doktorarbeit also nicht um die Frage, wie die Schule von morgen aussehen wird, sondern um die Frage, wie systemisch-konstruktivistische Sichtweisen praktizierenden Lehrern in den Umfeldern von heute eine aus ihrer Sicht wirksame und hilfreiche Unterstützung sein können. Clement (2007) vertritt die These, dass die ‚Wunderfrage’ (de Shazer 2003) dann besonders wirksam ist, wenn nur ein Faktor in der Ausgangslage verändert wird, weil dann Unterschiede gezielter herausgearbeitet werden können. Insofern könnte so formuliert werden: Gegeben die gegenwärtigen Schulstrukturen, wie kann ein Lehrer mit der Aneignung systemisch-konstruktivistisch basierter (Teil)-Sichtweisen Schule für sich stimmiger erleben?

7  Das gilt schon allein aufgrund der Tausenden Stunden, die junge Menschen in der Schule verbringen (müssen). Schule ist aus weiteren Gründen als eigenständige Größe für den Entwicklungsprozess von Kindern zu sehen. U.a. bietet sie ein Umfeld, in dem Kinder mit Peers viel Umgang haben und ebenso mit Lehrern, denen gerade auch von Eltern abweichende Funktionen zukommen (Kap.7.13.2).

8  bzw. auf gegenwärtige Kontexte adaptiert werden kann

9  Die Begriffe „Pädagogik" und "Erziehungswissenschaft" verwende ich synonym.

10  „Der hohe Grad von Autonomie des Menschen gegenüber seiner Umwelt führt zu hochkomplexen Umweltbeziehungen, und diese hohe Komplexität muß handhabbar, ‚operationabel’ gehalten werden, wenn sie verträglich für das Leben und das Überleben bleiben soll; und hierfür sind spezifische Lernprozesse erforderlich“ (Huschke-Rhein 1997, 41f).

11  Vgl. das Literaturverzeichnis: z.B. Voß, Palmowski, Balgo, Siebert, Arnold, Huschke-Rhein, Reich.

12  Oder weshalb der systemisch-konstruktivistische Ansatz sie zumindest zeit- bzw. ‚epochen’-angemessen ergänzen kann.

13  Dass der Ansatz durch die (mit anderen Beratungsansätzen vergleichsweise) niedrigfrequente Beziehung zum schulischen Berater auch die Wahrscheinlichkeit von ‚Übertragungen’ auf den Berater verringert (Schweitzer/ Schlippe 2006, 36), gilt dann nicht, wenn der begleitende Pädagoge den Schüler auch im Unterricht hat. Letzteres bietet sowohl Vor- als auch Nachteile. Die Notwendigkeit ‚sauberen Begleitens’, die Nützlichkeit von Supervision steigt aber tendenziell für einen solchen Pädagogen.

14  Hennig/ Knödler (2000, 14) sehen ein zentrales und erfolgversprechendes Anwendungsgebiet systemischen Denkens explizit im Umgang mit (in der Postmoderne zunehmenden) Schulproblemen und ‚Problemschülern’.

15  Im Unterschied zu „realistischer Darstellung“, die die Erfahrungsebene ausblendet, und im Unterschied zu „impressionistischer Beschreibung“, die hochgradig persönlich ist.

16  z.B. der Begriff ‚Rolle’, der aus systemischer Sicht eine Ansammlung von kommunikativ verhandelten Funktionen eines Subsystems in einem System bezeichnet.

17  Die Bedeutung der verwendeten Klammern bei Zitaten: [] = Teil des Originals, z.B. aus Wortstellungsgründen hier eingefügt; [xyz, R.M.] = xyz ist nicht Teil des Originalzitates, sondern wurde von mir als Autor der Dissertation eingefügt, ohne dass die ursprüngliche Bedeutung entstellt wird; () = Klammer als Bestandteil des Originalzitates.

18  Angesichts des in Schule sehr vieldeutig und unklar verwendeten Begriffs der ‚Beratung’ unterscheide ich zwischen Beratung in einem engeren Sinne (ein Klient kommt von sich aus und hat ein Anliegen) von Beratung in einem weiteren Sinne (quasi jegliche Form außerunterrichtlicher Gesprächsführung mit Schülern und Eltern kann bzw. wird faktisch in Schule als Beratung bezeichnet, auch Gespräche in mehr oder minder ausgeprägten Zwangskontexten). Dies wird weiter unten genauer ausgeführt.

19  Zu den Begriffen ‚Haupt-‚ und ‚Mitforscher’ vgl. Kap.4.5.8.

20  Noch ein Hinweis für die Leser der Online-Version der Dissertation: Einige Formatierungen erscheinen einer Dissertation nicht würdig. Sie ergeben sich aus der Notwendigkeit, eine vorgegebene Software zu verwenden, die teilweise nur sehr eingeschränkte Funktionen erlaubt.



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09.06.2008