Für Stephan Der Glaube an die Göttin und den Gott: Theologische, rituelle und ethische Merkmale der Wicca-Religion, unter besonderer Berücksichtigung der Lyrik englischsprachiger Wicca-Anhänger Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doctor philosophiae (Dr. phil.) vorgelegt dem Rat der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena von Britta Rensing geboren am 28. Januar 1972 in Köln Magdeburg 2006 vom Rat der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertation am: angenommen Gutachter 1. Prof. Dr. Udo Tworuschka 2. Prof. Dr. Wolfgang G. Müller 3. Tag des Kolloquiums: 5.12.2006 Die vorliegende Arbeit wurde unter Betreuung von Herrn Prof. Dr. Udo Tworuschka, Lehrstuhl für Religionswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena in der Zeit von April 2004 bis März 2006 angefertigt. Herrn Prof. Dr. Udo Tworuschka danke ich für die engagierte Betreuung und wertvolle Unterstützung bei der Bearbeitung der Aufgabenstellung. Herr Prof. Dr. Wolfgang G. Müller danke ich für wichtige Hinweise und Anregungen zur Lyrikanalyse und für stetige Hilfsbereitschaft. Sylvia Paetzold-Siewert und Pia Zumbrink danke ich für ihre konstruktive Kritik und Aufmunterung. Ich danke Janet Farrar und Gavin Bone für das ausführliche Interview. Besonders danke ich Arianna Moonlightshadow, Zelda of Arel, Shona und Lady Bridget für ihre Anmerkungen zur wiccanischen Dichtung. Schließlich danke ich Anja Dill und Sandra Täschner für die stetige Diskussionsbereitschaft. Inhaltsverzeichnis Einleitung 1 A. Alte und neue Themen und Quellen 7 1. Forschungsüberblick 7 1.1 Bemerkungen zur Gender-Forschung 7 1.2 Beschäftigung mit Wicca in Deutschland 9 1.3 Christlich orientierte Stellungnahmen 13 1.4 Forschung und Literatur im englischsprachigen Raum 15 1.4.1 Verschiedene Forschungsprojekte 16 1.4.2 Soziologische Darstellungen 21 1.4.3 Historische Darstellungen 25 1.4.4 Darstellungen der Religious Studies 26 1.4.5 Quellensammlungen 27 2. Dichtung im Wicca 28 2.1 Schattenbücher 29 2.2 Die Quellen 29 2.2.1 Das Worldwideweb 30 2.2.2 Klassische-wiccanische Texte und Gedichte von 30 Doreen Valiente 2.2.3 Printmedien 31 2.3 Gedichte als Informations-und Datenlieferanten 31 2.4 Ordnung der Gedichte nach Themenbereichen 32 2.5 Religions-und Literaturwissenschaft 33 2.6 Erfahrung und Entwicklung 33 2.7 Subjektivität 36 3. Beobachtungen zur Lyrik der Wicca 38 3.1 Apostrophen 38 3.2 Sprecherperspektiven und Personalpronomen 40 3.3 Ausrufe und Fragen 46 3.4 Metaphern, Vergleiche und häufige Motive 49 3.5 Verwendung der Zeiten 56 3.6 Verwendung von Partizipien 57 B. In-und Umwelt 59 1. Gerald Gardner 59 2. Religions-und Kulturintegration 65 2.1 Bemerkungen zum Begriff ‘Synkretismus’ 71 2.2 Gardner -der Stifter 73 2.3 Die Alte Religion und die Kritik an Aidan Kelly 76 3. Zum Selbstverständnis als Wicca 77 3.1 Gedichtanalyse „A Pagans ‘Halloween’ Poem“, Cather 81 Steinkamp 4. Demographische Aspekte 91 4.1 Religiöse Herkunft 92 5. Religiöse Sozialisation in neuheidnischen Familien 95 5.1 Literatur zur neuheidnischen Erziehung 99 5.2 Erziehung zu Naturbewusstsein 106 6. Die Bedeutung des Internet 108 C. Weltbild der Wicca 113 1. Wicca als Kongruenzreligion 113 1.1 Der Begriff ‘Naturreligion’ 113 1.2 Zur Begriffsgeschichte 113 1.3 Die zentrale Stellung der Natur 117 1.4 Gedichtanalyse „The tree’s sight“, Zelda of Arel 117 1.5 Kongruenzreligion und Kongruenzprinzip 124 2. Wicca als Mysterienreligion 129 2.1 Zur Bestimmung von Wicca als Mysterienreligion 129 2.2 Gedichtanalyse „The Mysteries“, Doreen Valiente 133 2.3 Gedichtanalyse „All Knowledge -The ‘Secret’ of the 136 Universe Revealed“, Lionrhod 2.4 Gedichtanalyse „Moon Song“, Ravenwitch 139 2.5 Initiation, Selbst-Initiation und Dedikation 141 D. Bausteine 150 1. Götterwelten 150 1.1 Spannungsfeld von Monotheismus und Polytheismus -150 Die geschichtliche Entwicklung der Begriffe 1.2 Weiblich und Männlich 153 1.3 Darstellung der zwei Hauptpositionen zum Götterbild 159 1.3.1 Das allumfassende Göttliche 159 1.3.2 Göttervielheit 163 1.4 Die Botschaft des Polytheismus und warum Wicca 165 nicht missionieren 1.5 Der Einzelne und seine Erfahrung 168 1.5.1 Individueller Glaube 169 1.5.2 ‘Nach Hause Kommen’ 173 1.6 Göttin und Göttinnen 174 1.6.1 Der Mond 175 1.6.2 Die Esbats 178 1.6.3 13 Vollmonde 183 1.6.4 Sonne und Mond 186 1.6.5 Die dreifache Göttin in unterschiedlichen Religionen 187 und Kulturen 1.6.6 Die dreifache Göttin im Wicca 189 1.6.7 Gedichtanalyse „The Maiden, The Mother, The Crone“, 191 unbekannter Autor 1.6.8 Mädchen, Mutter und Alte 196 Exkurs: Die Venus von Willendorf und paläolitische 197 Figurinen 1.6.9 Verbundenheit mit der Göttin 201 1.7 Gott und Götter 206 1.7.1 Cernunnos -der gehörnte Gott 207 1.7.2 Gedichtanalyse „Cernunnos Tattoo“, Jeff Mann 211 1.7.3 Der Grüne Mann 215 1.7.4 Gedichtanalyse „King of the Wood“, Doreen Valiente 218 2. Der Jahreskreis und der Mythos der Götter 221 2.1 Die acht Jahreskreisfeste 221 2.2 Dunkle Göttinnen des Kreislaufs: Kali, Hecate und 229 Cerridwen 2.3 Der Kreis, das Rad und das Leben 232 2.4 Samhain: Fest der Übergänge 234 3. Der Tod und das ‘Summerland’ 238 3.1 Gedichtanalyse „The Hanged Man And The Ten Of 243 Swords“, Mary Ann Murphy 4. Rituale 256 4.1 Das Athame 258 4.2 Im Kreis 261 4.3 Energiesammlung und -sendung 265 4.4 Heiliger Raum 268 4.5 ‘Drawing Down the Moon’ 271 4.6 Der magische Name 273 5. Ethik 276 5.1 Die ‘Wiccan Rede’ 277 5.2 Die Bedeutung des ‘Will’ 282 5.3 Das Böse und die Schuld 285 5.4 Sexualität 287 6. Magie 292 6.1 Forschungsüberblick zur Magie 292 6.2 Die Welt als magisches System 297 Schlussbetrachtung 303 Bibliographie 307 A. Primärliteratur 307 B. Sekundärliteratur 314 C. Quellen 341 D. Literatur zur Lyrik 343 E. Lexika und Handbücher 346 F. Interviews 350 G. Fernsehsendungen 351 H. Liste der Webseiten und Zugriffe 351 I. Liste der Gedichte 356 Anhänge 366 Abbildungen 366 Interview mit Janet Farrar und Gavin Bone 368 „Charge of the Goddess“ 378 Gedichte 380 1 Einleitung 1993 fand in Chicago erneut das Parlament der Weltreligionen statt. Neben verschiedenen Vertretern der Religionen und Glaubensgemeinschaften, die auch schon hundert Jahre zuvor auf dem ersten Weltparlament vertreten waren, nahmen 1993 auch Vertreter von neuheidnischen Organisationen teil. Der Covenant of the Goddess, die Earth Spirit Community und der Circle Sanctuary wurden in der Versammlung durch Deborah Ann Light, einer Angehörigen aller drei Gruppen, vertreten. Für die Fellowship of Isis war Lady Olivia Robertson anwesend (Küng/Kuschel 45, 129f). Beide verhandelten und unterschrieben die anlässlich der Konferenz formulierte Erklärung zum Weltethos „Towards a Global Ethic: An Initial Declaration“ (NightMare 137). Die Verbreitung des Neuheidentums mit Wicca als der größten Gruppe und die weltweite Zunahme der Anhänger haben Wicca und Neuheidentum mittlerweile zu einer international vertretenen Religion gemacht. Der Begriff ‘Weltreligion’ ist ein religionswissenschaftlich unklarer Begriff. Die Liste der Weltreligionen ist in verschiedenen Ländern eine andere. In Deutschland wird der Begriff ‘Weltreligion’ besonders in der Religionspädagogik verwendet. Die Kriterien, an denen eine Weltreligion festgemacht werden kann, sind unterschiedlich. Mensching beschreibt solche Religionen als Universalbzw. Weltreligionen, die das Produkt einer späteren Zeit darstellen, die dem Individuum, das sich im Unheil befindet, das Heil anbieten und die den Anspruch auf universale, weltweite Geltung erheben (Mensching, Religion 64ff). Manche jüngeren Religionen, wie etwa die Bahai, bezeichnen sich ausdrücklich als Weltreligion, anderen Religionen, wie Wicca und Neuheidentum, ist diese Bezeichnung weniger wichtig. Betrachtet man alleine die Verbreitung des Neuheidentums über den ganzen Globus, kann man auch hier von einer Weltreligion sprechen. Den Kriterien einer Weltreligion nach Mensching entspricht Wicca nur insofern es sich um eine junge Religion handelt, die das Individuum anspricht und die übernational zugänglich ist. Allerdings verkündet Wicca keine „universale Heilsbotschaft“, weil sich die Anhänger nicht als in einer Unheilssituation befindlich verstehen (Mensching, Religion 66). Seit dem Parlament von 1993 hat sich die Betrachtung von Wicca und Neuheidentum jedoch von einer „fringe group“ zu einer „religious minority“ entwickelt (NightMare 138; zur Lage des Neuheidentums als minority religion in den USA siehe Barner-Barry). 2 1. Darstellung der vorliegenden Arbeit Das Anliegen dieser Arbeit ist die religionswissenschaftliche Darstellung der Wicca-Religion. Zu diesem Zweck wird auf verschiedene Informationsquellen zurückgegriffen. Zunächst stützt sich die Untersuchung auf zahlreiche Veröffentlichungen, in denen Wicca-Anhänger ihre eigene Religion beschreiben. Dabei werden je nach Schwerpunktsetzung die möglichen Variationen innerhalb der religiösen Praxis und des spirituellen Erlebens von Wicca deutlich. Mittlerweile existiert auch eine Fülle von wissenschaftlichen Studien und Untersuchungen zum Thema Wicca und Neuheidentum, die vorwiegend im englischsprachigen Raum veröffentlicht wurden. Weiterhin wurden mit zwei bedeutenden Vertretern der Wicca- Religion, Janet Farrar, die bereits 1970 in den Coven von Alex und Maxine Sanders initiiert worden war, und Gavin Bone, der Erfahrungen in der Arbeit mit verschiedenen Traditionen und Coven gesammelt hat, Interviews zu Fragen der wiccanischen Spiritualität und zur Entwicklung der Religion in der Gegenwart geführt. Schließlich zieht diese Arbeit erstmals Gedichte von Wicca-Anhängern als Material zum Einblick in die Religion heran. Es gilt, die zahlreichen Gedichte wiccanischer Autoren unter Einbeziehung literaturwissenschaftlicher Hinweise für die Erforschung der Wicca-Religion fruchtbar zu machen. Die Gedichte werden als neues Material zur Betrachtung der neuen Religion herangezogen und auf ihre Aussagen im Hinblick auf das religiöse Empfinden der Wicca hin untersucht. Sie werden exemplarisch zur Verdeutlichung einzelner Sichtweisen erarbeitet, zu Punkten befragt, die einer Konkretisierung bedürfen und dort als Texte herangezogen, wo sie eine detaillierte Sicht auf z.B. Spiritualität und rituelle Abläufe vermitteln. Durch die Gedichte werden unterschiedliche Schwerpunkte und Nuancen der Anhänger und Zusammenhänge deutlich, wie es in der Primär-und Sekundärliteratur nicht möglich ist. Das macht die Texte zu unentbehrlichen und für die Untersuchung zentrale Quellen. Es werden ausschließlich englischsprachige lyrische Texte behandelt, weil das Ursprungsland der Wicca-Religion Großbritannien ist, Wicca von dort aus in die USA gelangte und sich in Nordamerika im Dialog mit der feministischen Bewegung weiter verbreitet hat. Von England, Irland und den Vereinigten Staaten gehen auch die aktuellen Impulse aus, die zur Entwicklung von Wicca beitragen, so dass gerade bei diesen Autoren Hinweise zur wiccanischen Spiritualität zu finden sein sollten. 3 Im deutschsprachigen Raum hat man bisher undifferenziert von den ‘Neuen Hexen’ gesprochen und vor allem den Aspekt der Frauenbewegung betrachtet. Gleichzeitig ist durch die Kirchen vor den so genannten Jugendreligionen gewarnt und angesichts des zeitweise steigenden Interesses an esoterischen Aktivitäten Besorgnis angemeldet worden. Dabei wurde bis auf einige Ausnahmen (Wichmann) übersehen, dass sich im Fall von Wicca hinter vielen unscharfen Formulierungen eine Religion verbirgt, die sich ihren Weg aus Großbritannien über die Vereinigten Staaten auch nach Deutschland gebahnt hat. Da in Deutschland bislang keine umfassende religionswissenschaftliche Betrachtung von Wicca vorliegt, will diese Arbeit die neuheidnische Religion ins Blickfeld rücken. Wicca schreibt keinen Glauben vor, sondern bietet sich als ein variables Gerüst von Spiritualität an. Religiöse Praxis und Glaube der Wicca variieren häufig und diese religionsinterne Heterogenität fordert auf, sich neben dem zugrunde liegenden Basisrahmen auch mit individuellen Äußerungen auseinanderzusetzen. 2. Der Name Wicca In The Meaning of Witchcraft nennt Gardner erstmals den Namen der Religion, die er zuvor als die Religion der Hexen bezeichnete. Zunächst buchstabiert er ‘Wica’, etwas später setzt sich die Schreibweise ‘Wicca’ durch (Gardner, Meaning 3, 77ff). Der Name meint sowohl die Religion, das Wicca (neutrum), als auch deren Anhänger, also den/die Praktizierenden, die Wicca (weiblich bzw. männlich, Singular bzw. Plural). Diese sprachliche Verwendung im Deutschen wirkt, da es sich bei Wicca um einen künstlich geschaffenen Namen handelt, philologisch konstruiert, hat sich jedoch für die Wicca-Religion durchgesetzt und findet sich z. B. bereits bei Wichmann und kürzlich wieder bei Ohanecian. Wicca selber geben an, der Name sei vom altenglischen wik (to bend, to shape; dt. biegen, formen) abgeleitet. Besonders häufig wird auch eine Beziehung zu dem Wort ‘weise’ hergestellt, das auf das altenglische wis zurückgeht und mit ‘Wicca’ nicht verwandt ist. Die Beliebtheit dieser Erklärung steht mit dem Mythos der ‘Alten Religion’ und dem Selbstverständnis der Wicca in Zusammenhang. Tatsächlich basiert ‘Wicca’ auf dem altenglischen wiccian (to conjure; dt. hexen, zaubern). Dabei meinte wicca ursprünglich die männliche und wicce die weibliche Hexe (Oxford English Dictionary). Seit der 4. Auflage von 1998 ist Wicca mit dem Eintrag „the cult or practice of witchcraft“ im Collins English Dictionary vertreten. Das Oxford English 4 Dictionary Online beschreibt Wicca als „practices and religious cult of modern witchcraft“ und nennt fünf Belegstellen, als erste Gardners The Meaning of Witchcraft. In der Anfangsphase des modernen Wicca war die Religion ausschließlich in Coven (Gruppen von in der Regel bis zu 13 Personen, die unter Geheimhaltung Treffen abhalten und Rituale vollziehen) organisiert und ‘Wicca’ bezeichnete zunächst Gruppen der Gardnerischen oder Alexandrinischen Traditionslinie. Im Laufe der Zeit nahm die Zahl der Gruppen zu, andere religiöse Traditionen wurden integriert und immer mehr Anhänger praktizierten ihre Religion auch allein. Im englischsprachigen Raum werden auch die Namen ‘The Craft’ und ‘Witchcraft’ verwendet. Sehr häufig trifft man auf die Bezeichnung ‘Pagans’ oder ‘Neo- Pagans’. Dabei ist die Abgrenzung zwischen den Anhängern der ‘Witchcraft’ und anders orientierten ‘Neo-Pagans’ nicht immer eindeutig, „distinction between the two is hard to define, but on the whole Witches are the more committed members of the religion“ (Berger, Community 10). Manche Forscher beziehen unter dem Begriff ‘Neo-Pagans’ auch Anhänger der Druiden-Religion, Neugermanische Religionen (Heathens) und in der Regel nur für Frauen zugängliche Hexengruppen, so genannte Dianics, ein (Berger/Leach/Shaffer 3ff, 15; Harvey 53ff). In einer weit gespannten Bezeichnung wie dieser wird die Grenzlinie zum Satanismus und zu New Age gezogen (Berger/Leach/Shaffer 15). Andere Autoren benutzen die Begriffe ‘Wicca’ und ‘Neo-Pagan’ als Synonyme: „Neo-Paganism -also referred to as Witchcraft, the Craft, Wicca, or the Old Religion -is a syncretistic re-creation of pre-Christian European nature religions and the medieval Western magical tradition“ (Manning 302). Für diese Arbeit soll folgende Arbeitsbezeichnung gelten: Unter ‘Wicca’ fallen alle Traditionen der Anfangszeit und alle Traditionen, die sich seitdem gebildet haben und in deren Vorstellung sowohl die Göttin als auch der Gott eine Rolle spielen. Dazu gehören auch eklektisch arbeitende Gruppen, die unterschiedliche Vorstellungen integrieren und die sowohl für Frauen als auch für Männer zugänglich sind. Besonders sind damit sowohl in Gruppen organisierte als auch allein praktizierende Anhänger (Solitaries) gemeint. Als ‘Neuheiden’ gelten Praktizierende, die sich zwar aus unterschiedlichen Gründen nicht Wicca nennen wollen, aber nichtsdestotrotz ein zweigeschlechtliches Götterkonzept vertreten, die acht Jahreskreisfeste feiern und die Natur als göttlich verehren. Dazu gehören im Rahmen der Arbeitsbezeichnung keine Neugermanen, wie etwa der Armanenorden oder Mitglieder der Germanischen Glaubensgemeinschaft. Informationen zum Neugermanentum finden sich z.B. 5 in Das neue Heidentum und bei Sylvia Siewert. Das schließt jedoch nicht aus, dass neben anderen Göttern auch germanische Götter unter Neuheiden eine Rolle spielen. Thematisiert diese Arbeit zunächst die Wicca-Religion, so ist es wichtig, an verschiedenen Stellen zu betonen, dass bestimmte Merkmale nicht nur auf Wicca in der angegebenen Arbeitsbezeichnung zutreffen, sondern auch für Neuheiden insgesamt gelten. An diesen Stellen sind dann Wicca und Neuheiden genannt. Dass die Vorstellungen der Neuheiden trotz bestimmter Gemeinsamkeiten auch sehr verschieden sein können und es zu jeder Regel zahlreiche Ausnahmen gibt, sei zu Beginn ausdrücklich betont: „It is possible for each individual to have her or his own brand of Neo-Paganism. In practice, however, there is a good deal of similarity“ (Berger/Leach/Shaffer 3). 3. Aufbau der Arbeit Die Arbeit geht in einem ersten Teil auf die Forschungsliteratur zur Wicca-Religion und zum Neuheidentum ein und verweist auf den derzeitigen Stand zum Thema, besonders was die Forschung im englischsprachigen Raum angeht. Es folgt eine Darstellung der besonderen Verwendung von Gedichten von Wicca-Anhängern zur Erarbeitung verschiedener Aspekte der Religion. Daraufhin werden in einem nächsten Schritt Gemeinsamkeiten der lyrischen Texte, wie häufig verwendete Stilmittel und charakteristische Sprecherpersonen beschrieben, um einen ersten literaturwissenschaftlichen Eindruck von den wiccanischen Gedichten zu gewinnen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Geschichte und Gegenwart von Wicca. Dabei wird zunächst auf das Leben des Gründers Gerald Gardner eingegangen. Es folgt eine Zusammenstellung der diversen Quellen und Einflüsse, welche die Wicca-Religion maßgeblich geformt haben und die die Entwicklung noch heute beeinflussen. In einem nächsten Schritt wird auf das Selbstverständnis der Wicca und ihre gegenwärtige Situation mit Blick auf die nächste Generation eingegangen. In einem dritten Teil wird das strukturelle Grundgerüst der Wicca-Religion erarbeitet. Dabei wird zu klären sein, inwiefern Wicca als Naturreligion zu verstehen ist und worauf sich die Selbstbezeichnung als Mysterienreligion gründet. Dabei werden die Begriffe der 6 ‘Kongruenzreligion’ bzw. des ‘Kongruenzprinzips’ entwickelt, um die Grundstruktur des wiccanisch-neuheidnischen Weltbildes zu beschreiben. Der vierte Teil geht auf der Basis des zuvor erörterten Begriffes der Kongruenz auf die einzelnen Bausteine ein, die für die Wicca-Religion im Zentrum des religiös-spirituellen Erlebens stehen. Dazu gehören die Götter, der Jahreskreislauf mit den acht saisonalen Hauptfesten, die Gestaltung von Ritualen, ethisches Denken, die Einschätzung menschlicher Sexualität und die Anwendung von Magie. Zur Erarbeitung verschiedener Teilbereiche wird auf diverse Gedichte zurückgegriffen, die zum Teil ausführlich im Hinblick auf ihren religionswissenschaftlichen Informationsgehalt interpretiert werden. Abschließend soll die netzartige Struktur der Teilbereiche von Wicca anhand eines Diagramms verdeutlicht und die Betrachtung von Gedichten im Rahmen der Erforschung der Religion gewürdigt werden. 7 A. Alte und neue Themen und Quellen 1. Forschungsüberblick Der folgende Abschnitt stellt erstens überblicksartig die zahlreichen Versuche wissenschaftlicher Herangehensweise an Wicca seit den 70er Jahren bis in die frühen 90er Jahre dar, geht zweitens einzeln auf wichtige Arbeiten und deren Themenschwerpunkte seit den späten 90er Jahren ein und weist drittens auf weitere interessante Veröffentlichungen zur Wicca-Religion hin, die zwar selber kein neues Forschungsmaterial liefern, aber einen Eindruck a) von dem Stellenwert vermitteln, den das Neuheidentum insgesamt in den letzten Jahren auf akademischer Ebene erhalten hat und b) von dem Interesse, das dem Neuheidentum seit einiger Zeit entgegengebracht wird. Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, das große Maß an Literatur zur neuzeitlichen Hexenverfolgung zu reflektieren. An dieser Stelle sei nur auf die Arbeiten von Wolfgang Behringer, Bengt Ankarloo, P. G. Maxwell-Stuart und William E. Burns als Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dem Thema verwiesen. Wo Theorien zur Deutung der Hexenverfolgung für die Arbeit relevant sind, werden sie im Text genannt. Ebenso ist es nicht die Aufgabe, hier die ungezählten wiccanischen Veröffentlichungen zu Festen, Ritualen und zur Spiritualität der Wicca darzustellen. Bei Interesse sei der Leser auf die Webseite mit der Option ‘Englische Bücher’ (oder direkt auf ) verwiesen. Derzeit ergeben die Suchbegriffe ‘Wicca’ 720, ‘Witchcraft’ 1533, ‘Paganism’ 240, ‘Neopaganism’ 81 und ‘Goddess Religion’ 285 Treffer (Zugriff am 09. Januar 2006). Die Stichwortsuche für ‘Wicca’ ergab für die deutschsprachige Buchsuche 26 Treffer. Für diese Arbeit wurden einige der Primärwerke herangezogen, die wichtige Informationen und Aussagen zu Glaube und Praxis der Wicca vermitteln. 1.1 Bemerkungen zur Gender-Forschung Die Gender-Forschung (engl. Gender Studies) ist ein Forschungsgebiet, das in sämtliche soziokulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftlich-politische Gebiete hineinreicht. Die Gender-Forschung geht davon aus, dass Eigenschaften und Funktionen von Menschen als weiblich und männlich nicht auf dem biologisch-geschlechtlichen Unterschied basieren, 8 sondern veränderbare sozial-gesellschaftliche Konstruktionen sind. Das bedeutet, dass zwischen dem biologischen Geschlecht (sex) und den „kulturellen geschlechtsspezifischen Zuweisungen“, d.h. soziokulturellen Interpretationen von weiblich und männlich, (gender) unterschieden wird (Würzbach 140). Weiblich bzw. Männlich ist demnach jeweils das, was man sich darunter vorstellt bzw. worüber gesellschaftliche Übereinstimmung besteht: „Die soziale Geschlechtsidentität [...] bezeichnet also vielschichtige und veränderliche Auffassungen davon, was es heißt, in einem bestimmten sozialen Umfeld ein Mann oder eine Frau zu sein. Die soziale Geschlechtsidentität ist historisch kontingent und wird im Hinblick auf kulturelle Einteilungen wie Status, Klasse und Ethnizität ständig neu verhandelt“ (Schiebinger 31). Die Religionswissenschaft beschäftigt sich dementsprechend mit den Funktionen, die Frauen und Männern innerhalb von Religionen zugeordnet werden. Darunter fallen z.B. die Zuordnung von Macht oder rituelle Funktionen. Dabei ist von Bedeutung, wie stark religiös motivierte Zuordnungen das alltägliche Rollenverständnis beeinflussen bzw. verfestigen. Im Falle von Wicca ist zu beobachten, wie eine Religion durch eine mythisch begründete Matriarchie der Vorzeit Stellung gegen die kulturell verankerte Patriarchie der monotheistischen Religionen, besonders das Christentum als ständiger Konfrontationspunkt, Stellung bezieht. Das Christentum wird für die Dominanz des Männlichen und vor allem für die Abwertung des Weiblichen im Zuge der Missbilligung der materiellen Welt verantwortlich gemacht. Der Rückbezug der Wicca auf die Natur und die Erde als weibliche Gottheit ist mit dem Bestreben nach der Veränderung der gegenwärtigen Gender- Zuordnungen verknüpft: „The chthonic imperative [...] requires that the focus of human identity and ultimacy be shifted away from the received and dominated mediations and identifications associated with the long-unfolding, male-specific compact of western thought as a whole“ (Roberts 57). Wicca geht von einem harmonischen Verhältnis von weiblich und männlich aus. Solange dieses Verhältnis von außen nicht in Form der Bevorzugung einer Seite beeinflusst wird, kommt es in jedem Menschen, egal welchem sex er angehört, zu einem individuellen Ausdruck sowohl der Jungianischen anima als auch des animus. Heterosexualität wird im Wicca unter anderem deshalb so betont, weil ihr komplementäres Prinzip den ursprünglichen seelisch-geistigen Zustand jedes Menschen unabhängig vom biologischen Geschlecht reflektiert (Greenwood, „Nature“ 105). Die Ablehnung der westlichen Gender-Akzentuierung hat im Wicca und im Neuheidentum auch besondere Auswirkung auf die Ethik. Während nach christlicher Lehre die Frau die Sünde in die Welt gebracht hat, verneint Wicca das Konzept von Sünde generell und setzt an seine Stelle die 9 individuelle, ‘geschlechtslose’ Wahl zwischen abzuwägenden Möglichkeiten. Auch in ritueller Hinsicht, d.h. in der partnerschaftlichen Arbeit von Hohepriesterin und Hohepriester, wird die Motivation deutlich, aus einem überkommenen System männlicher Dominanz ausbrechen zu wollen. Anhand der Wicca-Religion wird einerseits die Verknüpfung und andererseits die Spannung zwischen gesellschaftlich ausagierten Rollen, psychologischer Identität und religiösem Rahmen sichtbar. Diese Verknüpfungen und Spannungen gilt es bei der Erforschung von Religion stets zu bedenken. Was die Wicca-Religion angeht, bleibt festzuhalten, dass es nicht um den Aufbau einer neuen Geschlechter-Zuordnung geht, sondern vielmehr um ein religiös motiviertes geschlechtsunabhängiges Bild vom Menschen. 1.2 Beschäftigung mit Wicca in Deutschland In Deutschland sind sein Beginn der 80er Jahre die Bezeichnungen ‘Hexen’ bzw. ‘Neue Hexen’ Sammelbegriffe für unterschiedliche Bewegungen, die den Begriff der Hexe mit unterschiedlichen Bedeutungsschwerpunkten verwenden. Daher ist Hexe hier nicht einfach mit Wicca gleichzusetzen. Hinter dem Hexenbegriff stehen verschiedene Ausprägungen von Spiritualität in Deutschland, z.B. Anhänger neugermanischer Gruppen, vor allem jedoch Praktizierende der weiblichen/feministischen Spiritualität (auch Göttinnen-Spiritualität) und Anhänger der Wicca-Religion. Dabei findet in der Literatur häufig eine Vermischung und Verwechslung von feministischer Spiritualität und Wicca statt. Ein Grund dafür ist die Veröffentlichung von Starhawks The Spiral Dance (1979), das seit seiner deutschen Übersetzung 1983 unter dem Titel Der Hexenkult als Ur-Religion der Großen Göttin zur Standardlektüre beider Bewegungen wurde. Vor der Darstellung von Unterschieden zwischen Feministischer Spiritualität und Wicca sei darauf hingewiesen, dass der Begriff Hexe in den 80er und 90er Jahren in Deutschland auch von Personen verwendet wird, die sich die Suche vieler Menschen nach Alternativen zur Lebensdeutung zunutze machen, um davon finanziell zu profitieren. In diesem Sinne sind Hexen auch solche, die weder der politisch-spirituellen noch der religiösen Konzeption von Hexe nahe stehen, sondern sich alleine des ‘Hexenhandwerks’ bedienen. Joseph Röll und Dieter Harmening beschreiben die Vielfalt von Angeboten und Strategien, mit denen solche Magier, Hellseher und Wahrsager um Kunden werben (Joseph Röll. „Zaubereiannoncen“. 8795 und Dieter Harmening. „Okkultkommerz -Vermarktete Reste magischer Traditionen“. 10 103-114. beide in Harmening). Als prominentes Beispiel kann die Hamburgerin Silke Beyn angeführt werden, die unter dem Namen Attis ihre Dienste als Kartenlegerin, Horoskoperstellerin und Ausführerin von bestellten Ritualen kommerziell anbietet. Ob sich hinter dem Geschäft von Attis eine ernsthafte religiöse Grundauffassung verbirgt, ist zu bezweifeln. Jedenfalls wird eine außerordentliche kommerzielle Vermarktung weder von Frauen der Feministischen Spiritualität, noch von Anhängern der Wicca-Religion befürwortet. Die Grenzen zwischen Feministischer Spiritualität und Wicca sind zum Teil fließend. Dennoch lassen sich einige wichtige Unterschiede feststellen: Die Feministische Spiritualität richtet sich nahezu ausschließlich an Frauen. Diesen geht es primär um die Erfahrung und Demonstration von Selbstwertgefühl und die umfassende Ermächtigung als Frau in einer (noch immer) patriarchalisch strukturierten Gesellschaft (siehe hierzu Pahnke/Sommer und Francia). Spiritualität zeigt sich hier besonders in den Facetten weiblicher Macht und Stärke und in Prozessen innerer und äußerer Selbsterfahrung. Daher sind in diesem Zusammenhang auch nur Göttinnen, nicht jedoch Götter, aus verschiedenen Kulturkreisen, Ahninnen und die dreifache Große Göttin für das Ausleben und Erarbeiten von Spiritualität relevant. Dabei sind die Frauen zum Teil durchaus weiterhin in ihr christliches bzw. jüdisches Umfeld eingebunden und wollen sich auch prinzipiell nicht unbedingt davon lösen: Sie praktizieren „innerhalb oder am Rande ihrer Konfessionen bzw. Kirchen Formen Feministischer Spiritualität“ (Franke 1). Wicca andererseits spricht sowohl Frauen als auch Männer an. Frauen sind mit 65 %, Männer mit 34 % im Wicca bzw. Neuheidentum vertreten (Berger/Leach/Shaffer 27f; 1% der Befragten beantwortete die Frage nach dem biologischen Geschlecht nicht). Zwar liegt das besondere Augenmerk auf der Göttin bzw. Göttinnen, die partnerschaftliche Einbeziehung des Gottes bzw. von Göttern schafft jedoch einen Ausgleich. Im allgemeinen ist Wicca in dieser Hinsicht an Ausgewogenheit interessiert, denn auch männliche Spiritualität hat hier ihren festen Platz (siehe z.B. Drew). Vor allem geht es vielen Männern um die (Wieder-)Entdeckung einer durch gesellschaftliche Entwicklungen verloren gegangenen Fähigkeit zur Selbsterfahrung. Der Ausgleich von weiblich und männlich ist im Wicca Bestandteil eines heidnisch-orientierten religiösen Konzeptes, das sich nicht mit dem christlichen bzw. allgemein monotheistischen vereinbaren lässt. Ein Versuch stellt die Richtung der ‘Christian Witchcraft’ dar, die den Glauben an Jesus Christus mit der Praxis magischer Rituale verbindet. Die Göttin wird in dem entsprechenden Artikel „Christian Witchcraft“ von Jesus Gypsy allerdings mit keinem Wort erwähnt, ausschließlich der „Holy 11 Father“ und Jesus werden verehrt und angerufen. Es ist offensichtlich, dass zwar neuheidnische Techniken angewandt werden, aber ansonsten kein Bezug zur heidnischen Religiosität besteht, so dass davon auszugehen ist, dass es sich um eine grundsätzlich christliche Gruppe handelt (Gypsy 95). Spiritualität ist im Wicca vor allem mit einem starken religiösen Bewusstsein verbunden. Wicca-Anhänger lösen sich in der Regel von ihrem bisherigen religiösen Hintergrund. Die meisten dokumentieren dies offiziell z.B. durch ihren Kirchenaustritt. Wenn manche Wicca diesen Schritt nicht gehen, liegt es oft an familiären Umständen oder an der Umgebung. Jörg Wichmann (Studium der Vergleichenden Religionswissenschaft, Psychologie und Philosophie in Bonn, als Heilpraktiker, Homöopath und Schriftsteller tätig) macht bereits 1984 mit Wicca -Die magische Kunst der Hexen deutlich, dass sich hinter der gängigen Bezeichnung ‘Wicca-Kult’ eine Religion verbirgt. Seine Arbeit ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: Erstens liefert sie die erste große Darstellung von Wicca als religiös-spirituelles System und beschreibt Götter und Rituale, wenn auch einige Themen, wie etwa die Ethik, sehr verkürzt dargestellt werden. Zweitens betrachtet sie tatsächlich Wicca, wenn auch damals nur im Rahmen von Coven, ohne dass eine Vermischung mit der Bewegung der feministischen Spiritualität stattfindet. Drittens stützt sich Wichmann zusätzlich zu den englischsprachigen Primärtexten auch auf verschiedene Arbeiten der englischsprachigen Forschung. Wenn man bedenkt, dass Wichmann bereits vor über zwanzig Jahren mit seiner gut recherchierten Arbeit einen möglichen Anfangspunkt für die religionswissenschaftliche Beschäftigung mit Wicca gesetzt hat, ist es verwunderlich, dass dieser Impuls bisher kaum aufgenommen wurde. Schließlich sei aber noch auf den Umstand verwiesen, dass der Autor ans Ende seiner Arbeit ein auf Primärtexten basierendes Buch der Schatten stellt. Er will dieses Buch der Schatten als Textbasis verstanden wissen. Für den Forscher ist es aber nicht als eine solche Basis hilfreich, weil die einzelnen Passagen nicht aus den Quellen nachgewiesen werden. Das Buch der Schatten im Anschluss an den wissenschaftlichen Text ist durchaus auch als Textgrundlage und Anleitungsbuch für Praktizierende zu deuten. Die Arbeit überschreitet dadurch die Schwelle zwischen Religionswissenschaft und Religion und ist trotz der ansonsten wissenschaftlichen Arbeitsweise des Autors nicht als einheitlicher und nur bedingt religionswissenschaftlicher Text zu betrachten. 12 1986 erscheint erstmals Gisela Graichens Die neuen Hexen (Graichen ist Publizistin, Rechtsund Staatswissenschaftlerin, Diplom-Volkswirtin und war für das ZDF als Fernsehautorin tätig). Darin beschreibt sie die Beweggründe von Frauen, sich als Hexe zu verstehen bzw. sehen zu wollen. Mit dem Begriff Hexe verbinden Frauen Wissen, Stärke und Macht, vor allem in der Beziehung der Frauen zu einer Gesellschaft, in der sie sich nicht ernsthaft wahrgenommen fühlen. In zahlreichen Interviews liefert Graichen Beispiele von den verschiedenen Ausprägungen eines Lebens als Hexe. Dabei sind sowohl Aussagen von Mitgliedern der politischen Frauenbewegung als auch Interviews mit Anhängern, die den Hexenkult als Religion betrachten, zu finden. Die Aussagen der verschiedenen Befragten liefern einen sehr guten Einblick in die Art und Weise, wie das Selbstverständnis als Hexe das Leben prägen und verändern kann. Eine aktualisierte Neuauflage mit einem neuen Vorwort erscheint 1999. 1987 erscheinen Thomas Hauschilds Die alten und die neuen Hexen: Die Geschichte der Frauen auf der Grenze und Hans Sebalds Hexen: damals -und heute? Die erste Veröffentlichung betrachtet das Phänomen der Hexerei im Rahmen eines historischen Abrisses, die zweite bespricht verschiedene Deutungen des Phänomens, Ursachen und psychologische Hintergründe. Beiden Untersuchungen ist gemeinsam, dass sie Wicca als aktuelle religiöse Bewegung verstehen und als eine Art vorläufig letztes Kapitel in der historischen Entwicklung der Hexenthematik ansehen. Wicca als eine moderne Fortführung und Neudeutung des Hexenbegriffs wird als wachsender gesellschaftlicher Faktor wahrgenommen. Die Schweizer Veröffentlichung Das neue Heidentum: Rückkehr zu den alten Göttern oder neue Heilsbotschaft? (1996) von Otto Bischofberger, Peter Hölzle und Stefanie von Schnurbein befasst sich mit der Untersuchung des Neugermanentums. In ihren Beiträgen „Weiblichkeitskonzeptionen im neugermanischen Heidentum und in der feministischen Spiritualität“ und „Neuheidnische Religionsentwürfe von Frauen“ erörtert von Schnurbein auch die Bedeutung der Frau und des Weiblichen im Neuheidentum. Dabei fokussiert sie auf die Rolle der Frau bei den Neugermanen, stellt dabei jedoch auch die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in einem vergleichenden Blick auf Wicca heraus. Die Bezeichnung Neuheidentum ist mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum zum Sammelbegriff für die neue wachsende heidnische Religiosität geworden. Hölzles Beitrag setzt sich mit 13 rechtsextremistischen Tendenzen, z.B. im Rahmen des Armanen-Ordens, auseinander, die bei einigen neugermanischen Gruppen zu beobachten sind, im Wicca jedoch grundsätzlich abgelehnt werden. In seiner Göttinger Magisterarbeit im Fach Ethnologie mit dem Titel Das Fremde im Eigenen: Zur Wirklichkeitskonstruktion im Wicca-Kult von 2002, die kürzlich unter dem Titel Wer Hexe ist, bestimme ich veröffentlicht wurde, untersucht Oliver Ohanecian das wiccanische Weltbild als Gegenentwurf zu einer westlichen Kultur, die zunehmend „disharmonisch“ wird und aus dem Gleichgewicht gerät (12). Dabei blickt er kritisch auf die Vorstellung von Macht und vermutet dahinter das Individualitätsideal der Postmoderne. Ohanecian bezeichnet Wicca allerdings als Kult und nicht, wie dies in der vorliegenden religionswissenschaftlichen Arbeit geschieht, als Religion. Interessanterweise legt die Arbeit Ohanecians nahe, dass Wicca langsam auch in Deutschland im akademischen Bereich wahrgenommen wird. 1.3 Christlich orientierte Stellungnahmen Im Rahmen dieses Überblicks über die Beschäftigung mit Wicca in Deutschland folgen nun noch einige Darstellungen im Auftrag der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW). Die EZW „ist die zentrale wissenschaftliche Studien-, Dokumentations-, Auskunfts-und Beratungsstelle der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für die religiösen und weltanschaulichen Strömungen der Gegenwart. Sie hat den Auftrag, diese Zeitströmungen zu beobachten und zu beurteilen“ (). Dabei ist ‘wissenschaftlich’ jedoch nicht mit ‘religionswissenschaftlich’ zu verwechseln. Vielmehr verbirgt sich dahinter eine christliche Apologetik als Teildisziplin von Theologie: „Die EZW will zur christlichen Orientierung im religiösen und weltanschaulichen Pluralismus beitragen, einen sachgemäßen Dialog mit Anders-und Nichtgläubigen fördern, über Entwicklungen und Tendenzen der religiösen Landschaft in Deutschland informieren“ (). Ob dieser Dialog immer sachgemäß geführt wird, sei dahingestellt, die christliche Orientierung ist in jedem Fall das erklärte Ziel der EZW. Hans-Jürgen Ruppert, ehemaliger Redakteur bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, veröffentlicht 1987 ein 85seitiges Büchlein mit dem Titel Die Hexen kommen: Magie und Hexenglaube heute. Seine Darstellung der Wicca-Religion ist insofern 14 symptomatisch für die meisten christlich geprägten Veröffentlichungen zum Thema, als dass Wicca in einem Atemzug mit dem Satanismus genannt und häufig zu ihm in Beziehung gesetzt wird. Außerdem ist die Beschreibung der Inhalte von Wicca in der Regel ungenau und zuweilen falsch. So bedient sich Ruppert stellenweise einer unzutreffenden Terminologie, wenn er z.B. Wicca als einen „Mondkult“ bezeichnet (45) und suggeriert, dass es den Anhängern letztlich nur um die „Verbreitung phallischer Sexualität“ gehe (46; die Charakterisierung als „Mondkult“ findet sich auch in der Neuausgabe 2005 des Handbuchs Panorama der neuen Religiosität der EZW, 279). Außerdem wird auf den angeblich großen Einfluss Aleister Crowleys verwiesen, wobei sich hartnäckig das Gerücht hält, Crowley habe Rituale für Gardner verfasst (46; so auch Wenisch 33). Wicca erfährt dabei nahezu durchweg eine entweder warnend-abwertende oder die Bewegung ins Lächerliche ziehende Beurteilung. Der Status einer Religion wird Wicca dabei generell abgesprochen. Gleiches gilt für Rupperts Veröffentlichung aus dem selben Jahr Hexen heute: Darstellung und Kritik, die ebenfalls im Auftrag der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen erscheint und in der er Hexen als Schwarzmagier bezeichnet (36). Dagegen geht Friedrich-Wilhelm Haack in seiner Schrift Bestrafte Neugierde: Okkultismus von 1989 betont nüchtern mit dem Thema um und nennt das moderne Hexentum eine „moderne Kunstreligion“ (21). Er erkennt es als „neuheidnische Religiösität“ (20) an. Zusammen mit Annette Haack ist er 1990 in der Schrift Jugendspiritismus und -satanismus der Arbeitsgemeinschaft für Religions-und Weltanschauungsfragen München um eine neutrale Bewertung von Wicca bemüht (24-27). Antje Schrupp geht 1997 in dem Heft Die Neuheiden (herausgegeben von Kurt-Helmuth Eimuth von der Evangelischen Arbeitsstelle für Religions-und Weltanschauungsfragen, Frankfurt und von Lutz Lemhöfer vom Referat Weltanschauungsfragen der katholischen Diözese Limburg) ebenfalls durchaus kritisch an das Thema Neuheidentum und Wicca heran. Sie warnt im Zusammenhang mit dem Neugermanentum vor Rechtsradikalismus, zeigt aber auch, dass neuheidnischer Glaube allgemein eine derartige Einstellung ablehnt und verurteilt. Außerdem lässt Schrupp eine Wicca in einem Interview zu Wort kommen, die sich ihrerseits von einer rechtsorientierten Einstellung distanziert, unter anderem weil eine solche Einstellung dem wiccanisch-neuheidnischen Weltbild von der Göttlichkeit der Natur und der daraus resultierenden „freiheitlichen“ Sicht auf das Leben widerspricht (39). 15 In Horst Rellers, Hans Krechs und Matthias Kleimingers Handbuch religiöser Gemeinschaften und Weltanschauungen wird Wicca in dem Artikel „Die ‘Neuen Hexen’“ besprochen (588-605). Wicca wird als abergläubisch-okkultes System dargestellt, dessen Kernpunkt es sei „sich selbst zu vergötzen und als Individuum absolut zu setzen. [...] An die Stelle Gottes ist eine unpersönliche Kraft getreten [...].“ Formulierungen dieser Art basieren auf der Unkenntnis des wiccanischen Weltbildes und lassen eine stimmungsgeladene und wertende Wortwahl erkennen. Abschließend lässt sich sagen, dass die christlich orientierten Stellungnahmen in der Regel nicht dazu beitragen, dass die Wicca-Religion in Deutschland eine neutrale wissenschaftliche Beurteilung erfährt, zumal die Autoren darin auch nicht ihren Auftrag sehen. 1.4 Forschung und Literatur im englischsprachigen Raum Die erste wissenschaftliche Beschäftigung mit Wicca und Neuheidentum beginnt bereits in den 70er Jahren. Von Anfang an liegt der Fokus auf zwei verschiedenen Funktionen, wie sie ähnlich in der Rezeption in Deutschland zu finden sind: zum einen auf der Rechtfertigung der neuen religiösen Bewegung vonseiten der Forscher, die dem Neuheidentum durchaus offen gegenüberstehen, und zum anderen auf der Warnung vor dem Einfluss neuer Gruppen im Bereich des ‘Okkulten’. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Unterscheidung zwischen ‘weißer’ und ‘schwarzer’ Magie und Ritualen, die als harmlos eingestuft werden, und solchen mit zerstörerischer Intention. Dabei werden die ‘witches’ oft eher positiv, die Satanisten demgegenüber als bösartig eingestuft (siehe Truzzi). Ziel derartiger Unterscheidungen und Kategorisierungen ist, zwischen den vielen neuen Gruppen zu unterscheiden und sie in ein System einordnen zu können, um zunächst eine Basis für eine genauere Einschätzung zu erhalten und „to map and describe general trends“ (Pike, „Rationalizing“ 355). Dass dies zu Verkürzungen führt, die später aufgearbeitet werden müssen, ist offensichtlich. In dieser frühen Phase der Forschung wird das soziologische Verhältnis neuer esoterisch-okkulter Gruppen zur ‘mainstream’-Gesellschaft untersucht, das sich zunächst als gegensätzlich darstellt (siehe Tiryakian). Es bleibt bei der Beschreibung von unterschiedlichen Ausprägungen und Phänotypen der neuheidnischen Bewegung und deren genereller Bewertung. 16 1.4.1 Verschiedene Forschungsprojekte In den nächsten Jahren folgen erste Untersuchungen mit ethnographischer Prägung: Forscher untersuchen einzelne Gruppen und beobachten ihre wiccanisch-neuheidnische Praxis. Dabei stellt Scott zwei verschiedene Gruppen, die spirituelle ‘Inner Peace Movement’ und eine anonym verbleibende ‘Witchcraft Order’, vor, geht aber im wesentlichen nicht über die schlichte Kontrastierung von Struktur und Praxis der beiden Gruppen hinaus (Grundlage für die Veröffentlichung ist Scotts Dissertation von 1976). In den 70er Jahren untersucht Lynch anhand des Beispiels einer kabbalistisch-ägyptisch orientierten Gruppe die Gründe und den Prozess des ‘Übertretens’ im Rahmen der neuheidnischen Bewegung. Dabei führen Ritualteilnahme, themenbezogene Lektüre und mystische Erfahrungen jeweils dazu, dass das eine die verstärkte Aktivität der beiden anderen zur Folge hat. Dabei fokussiert er auf die gruppendynamische Grundlage dieser miteinander verwobenen Aspekte. Einen Überblick über die Ergebnisse der Forschung der 70er Jahre bietet Ben-Yehudas Deviance and Moral Boundaries. Dabei liegt der Schwerpunkt in der Betrachtung des Neuheidentums auf der Unterscheidung von der ‘mainstream’ Gesellschaft. Noch einmal tritt die dualistische Betrachtung zwischen der Durchschnittskultur und dem abweichenden Verhalten und Prinzipien der neuheidnischen Gruppen hervor. Mit Adlers Drawing Down the Moon (1979) beginnt eine neue Phase der Erforschung von Wicca und Neuheidentum. Adler rechtfertigt und rationalisiert nicht, sie beschreibt auf der Basis ihrer langjährigen Erfahrungen mit dem Neuheidentum die Vielfalt innerhalb der Bewegung. Sie unterscheidet verschiedene Gruppen und stellt den neuheidnischen Glauben und die Praxis als ganzes dar, unterstützt ihre Ausführungen mit vielen Beispielen und Aussagen von zahlreichen Anhängern. Vor allem zeigt sie, dass sich Neuheiden selbst trotz ihrer unterschiedlichen Schwerpunkte zunehmend als Anhänger einer gemeinsamen Religion begreifen, und kennzeichnet die Erfahrung der Involvierten als ein ‘coming home’ und die Bedeutung dieser Erfahrung für die folgende Lebensgeschichten von Anhängern. Im folgenden sind drei Projekte zu nennen, welche die Erforschung von Wicca schließlich auf universitärer Ebene, zumindest im englischsprachigen Raum, verankert haben. 1989 erscheint Ludekes Dissertation Wicca as a Revitalization Movement Among Post-Industrial, Urban, American Women. Die Arbeit basiert auf im Laufe von zehn Jahren gesammeltem Material 17 von Interviews, teilnehmender Beobachtung von Ritualen und diversen Veranstaltungen. Dabei wurde die Autorin selbst Schülerin einer Wicca und knüpfte so Kontakte, auf deren Basis sie auch einzelne Lebensgeschichten von Wicca dokumentierte (siehe Carpenter, Dennis D. 382). Im selben Jahr veröffentlicht Luhrmann Persuasions of the Witches Craft, eine Studie über Magier im Londoner Gebiet, die zeigt, wie aufgrund einer Verschiebung der Interpretation von Erfahrungen, magisches Denken für Beteiligte plausibel wird und entsprechende Rituale Wirksamkeit zeigen. Auf amerikanischer Seite beschäftigt sich Orion in Never Again the Burning Times mit dem Konzept von Magie unter Wicca als Energieübertragung durch das Bewusstsein. Darüber hinaus beschreibt sie die Bedeutung von Heilung durch Rituale als bedeutsame Ergänzung zur ‘Schulmedizin’ und stellt auf der Basis von 189 Fragebögen gesammeltes demographisches Material dar. Mit Modern Witchcraft and Psychoanalysis veröffentlicht Mel D. Faber 1993 eine Darstellung der Wicca-Religion, ihrer Glaubensgrundlage und ihrer Praxis auf dem Hintergrund psychoanalytischer Theoriebildung. Er will zeigen, dass besonders im Wicca und in der Ausübung dieser Religion die frühkindliche problematische Spannung zwischen dem Wunsch, sich von der Mutter als wichtigste Bezugsperson abzugrenzen („separation“), und dem Anspruch, das Einssein mit der Mutter aufrechtzuerhalten („union“), besonders deutlich zum Tragen kommt. Er führt aus, dass es sich bei dieser Spannung um einen grundlegenden menschlichen Konflikt handelt, der in der Kindheit nicht gelöst wird und den Mensch durch sein ganzes Leben in seiner Beziehung zu anderen Menschen und der Gesellschaft als ganze beschäftigt und ständig begleitet. Im Falle von Wicca werde dieser Konflikt in der Beziehung zur Göttin und in dem Wunsch und Anspruch nach Allmächtigkeit in aller Schärfe ausagiert. Dabei gibt er einen hilfreichen Einblick in die psychologisch bedeutsamen Komponenten z.B. bei der Feier eines Rituals. Fabers Analyse ist jedoch in mehrfacher Hinsicht ungenau und wirkt zum Teil konstruiert: Er stützt sich als Grundlagenmaterial für die Strukturen im Wicca fast ausschließlich auf die frühen Werke der Farrars und auf Starhawks The Spiral Dance. Wenn man bedenkt, dass die Farrars in dieser Zeit nur von Wicca im Coven ausgegangen sind und Alleinpraktizierende nicht als relevant empfunden wurden, stellt die alleinige Konzentration auf Covenarbeit und -struktur in der psychologischen Erarbeitung eine große Verkürzung dar. Die starke Bezugnahme auf Starhawk ohne die zusätzliche Einsicht in diverse andere Primärdarstellungen führt dazu, dass Aussagen nicht durch andere Autoren geschärft und konkretisiert werden. Besonders problematisch ist, dass er durch seinen 18 Verzicht auf vielfältige Referenzen manche Aspekte des Wicca falsch darstellt: „the cult strives to maintain strict boundaries between itself and the outside, ‘fallen’ world. It requires not simply commitment but conformity“ (65). Hier zeigt sich, dass eine einseitige Herangehensweise an Wicca zu einer fehlerhaften Grundlage für die weitere Arbeit führen kann. Fabers Bild von Wicca als Religion ist fragmentarisch. Michael Yorks (Director of the Academy for Cultural and Educational Studies, London and Varanasi, Indien) Arbeit The Emerging Network: A Sociology of the New Age and Neo-pagan Movements (1995) geht neben der Charakterisierung von New Age und Neuheidentum auch auf die soziologische Einordnung dieser Bewegungen ein. Dabei stellt er fest, dass die verschiedenen Typologien zur Erklärung von Kirche, Sekte und Kult, die seit Troeltschs Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen (1931) formuliert worden sind, erstens aufgrund ihrer Orientierung an hierarchischer Strukturierung und zweitens aufgrund der abwertenden Konnotation der beiden letzten Begriffe für die soziologische Beschreibung neuer religiöser Bewegungen wie dem Neuheidentum nicht hilfreich sind. In einer kombinierten Betrachtung des Erklärungsmodells von Stark und Bainbridge (‘audience cult’, ‘client cult’ und ‘cult movement’) und Hines Konzept eines ‘Segmented Polycentric Integrated Network’ (SPIN) erklärt York, wie sich das Neuheidentum stark individualisiert und gruppiert, und doch gleichzeitig untereinander weltweit vernetzt darstellt. Schließlich geht York noch einen Schritt weiter und beschreibt einen „SPIN of SPINs that includes New Age, Neo-paganism, the ecology movement, feminism, the Goddess movement“ und weitere Bewegungen, die an dem ‘Netzwerk der Netzwerke’ neuer, holistisch ausgerichteter Religionen partizipieren (330). Das erklärte Ziel der Darstellung Wouter Hanegraaffs (Department for the Study of Religions, Utrecht University, NL) New Age Religion and Western Culture: Esotericism in the Mirror of Secular Thought (1996) ist das Liefern einer Arbeitsgrundlage zur weiteren Erforschung der New Age-Bewegung. Angesichts der bisherigen unscharfen Erfassung des New Age umreißt er, was überhaupt unter der Bezeichnung New Age zu verstehen ist. Darauf aufbauend, zeigt er die Verwurzelung der Bewegung in der Tradition der westlichen Esoterik der letzten Jahrhunderte. Bei der Eingrenzung und Darstellung der New Age-Bewegung im ersten Teil seiner Arbeit reiht Hanegraaff das Neuheidentum, ähnlich wie York (1995), der jedoch die Beziehung der beiden „movements“ ausführlicher erläutert, in den gesamten Kontext des New 19 Age ein und betrachtet es als einen Teilbereich der Bewegung. Zweifellos sind die Gemeinsamkeiten zahlreich und nicht von der Hand zu weisen. Allerdings bespricht er das Neuheidentum fast ausschließlich durch die Fokussierung auf Magie und bezeichnet die Magie als den Kernpunkt neuheidnischer Praxis und Weltsicht. Dabei stützt er seine Aussagen vor allem auf Luhrmanns (1989) Arbeit. Da Luhrmann sich jedoch auf Gruppen bezieht, die mit ihrer Konzentration auf magische Praktiken nur einen kleinen Teilbereich neuheidnischen Denkens darstellen, fällt Hanegraaffs Einordnung sehr verkürzt aus. Margot Adler hatte bereits gezeigt, dass Ritual und Magie im neuheidnischen Verständnis nicht gleichgesetzt werden können und dass im Allgemeinen eben nicht die Magie im Zentrum neuheidnischen Glaubens steht, sondern die Beziehung zu den Göttern in der Natur. Erst kürzlich hat Pike (New Age) gezeigt, dass Neopaganismus nicht als Teilbereich des New Age zu werten ist, sondern dass die vielen Gemeinsamkeiten aufgrund einer parallelen historischen Entwicklung, besonders in den USA, zustande gekommen sind. Daher erscheint es nach Pike angemessener, die beiden Bewegungen aufgrund ihrer unterschiedlichen Schwerpunktsetzung in verschiedenen Bereichen, wie etwa der unterschiedlichen Sicht vom Göttlichen, als eigenständig, wenn auch in kommunikativer Verwobenheit miteinander, zu betrachten. Die erste von drei wichtigen Aufsatzsammlungen zum Neuheidentum in der zweiten Hälfte der 90er Jahre wird unter dem Titel Magical Religion and Modern Witchcraft (1996) von James R. Lewis (Department of Religious Studies an der World University of America) herausgegeben. Diese Sammlung enthält Aufsätze von Forschern, die sich seit einiger Zeit intensiv mit dem Neuheidentum beschäftigt haben, darunter auch einige Wissenschaftler, die selber neuheidnischen Bewegungen angehören, wie etwa der in Wicca involvierte Dennis D. Carpenter oder die Hohepriesterin Morning Glory Zell-Ravenheart und ihr Ehemann Oberon Zell. Außer von Sarah Pike sind in dieser Sammlung auch Beiträge von Sabina Magliocco und Susan Greenwood vertreten. Magliocco geht in ihrem Aufsatz auf die Bedeutung des kreativen Prozesses für Neuheiden bei der Komposition von Ritualen ein. Sie zeigt, dass sowohl folkloristische Elemente und Bestandteile lokaler Traditionen, als auch durch akademische Veröffentlichungen bereitgestelltes anthropologisches Material, das von Neuheiden gerne gelesen wird, als auch Elemente psychologischer Forschung, wie etwa Komponenten aus der Archetypenpsychologie C. G. Jungs, in den Ritualen verarbeitet werden. Gemäß der kreativen Komposition von Ritualen aus den unterschiedlichsten Quellen und dem ästhetischen und emotionalen Anspruch beschreibt Magliocco das wiccanisch 20 neuheidnische Ritual als Kunstform. Andere Artikel der Sammlung beschäftigen sich mit den Grundlagen des neuheidnischen Magieverständnisses (Sian Reid) und mit den ethischen Vorstellungen von Wicca (Chas S. Clifton). Etwa zur selben Zeit erscheint die Aufsatzsammlung von Graham Harvey (Dozent für Religious Studies an der Open University Milton Keynes, GB) und Charlotte Hardman (Dozentin an der University of Newcastle Upon Tyne, GB), 1995 unter dem Titel Paganism Today und 1996 unter dem Titel Pagan Pathways. Diese Sammlung vereint Aufsätze von Forschern und Praktizierenden und gibt dadurch eine Einsicht in die Praxis von unterschiedlichen Richtungen im Neuheidentum, wie etwa Druidentum, Schamanismus und Neugermanentum. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Bedeutung von Ritualen für die persönliche Entwicklung und die Einbindung in den Kreislauf der Natur. Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist Susan Greenwoods Artikel „The Magical Will, Gender and Power in Magical Practices“, in dem sie die an Aleister Crowley orientierte ‘männliche’ Ritualpraxis der von feministisch agierenden Gruppen gegenüberstellt. Während der Ritualmagier sich auf sein „true self“ konzentriert, indem er sein männliches ‘Ego’ verneint, streifen feministische Neuheiden ihre „patriarchal conditioning“ ab, um ihr wahres Selbst von Negativität zu befreien und untereinander eine netzartige Verbindung von Gleichberechtigten aufzubauen. Greenwood zeigt, dass diese partnerschaftliche Verbindung von Praktizierenden in traditionellen Wicca-Coven manchmal nicht zustande kommt, weil die Hohepriesterin durch ihre charismatische Präsenz und ihre besondere Rolle im Ritual eine hierarchische Struktur aufrechterhält, die ein demokratische Zusammenarbeit erschwert. Die von Joanne Pearson, Richard H. Roberts und Geoffrey Samuel herausgegebene Aufsatzsammlung Nature Religion Today (1998) entstand auf der Basis der 1996 an der Universität Lancaster abgehaltenen Konferenz zum Thema „Nature Religion Today: Western Paganism, Shamanism and Esotericism in the 1990s“ und fokussiert auf die Bedeutung der Natur und der Umwelt im Neuheidentum. Sie enthält unter anderem Beiträge zur Affinität der Neuheiden zu den alten europäischen Religionen und deren Göttern (Prudence Jones), zur Funktion der Göttin als Ermächtigung des Weiblichen (Susan Greenwood) und zu ökologischen Implikationen im Wicca (Vivanne Crowley). Die Sammlung stellt die Beziehung zwischen Mensch, Natur und Religion in den Vordergrund und diskutiert einerseits die psychisch-seelische Entwicklung des Menschen im Zusammenhang mit der religiösen 21 Deutung der Natur im Sinne einer Selbstverwirklichung und andererseits das Leben des neuheidnischen Menschen in seiner körperlich-materiellen Beschaffenheit besonders mit Blick auf die Deutung von Sexualität. Die Aufsatzsammlungen sind in zweifacher Weise interessant: Sie stellen den Diskussionsstand der 90er Jahre dar, indem sie die Themen ansprechen, die zu dieser Zeit die Forschung beschäftigen, wie etwa die Bedeutung der zwei Geschlechter im Neuheidentum und die daraus folgenden psychologischen und sozialen Implikationen, die Herkunft und Ausformung der Sicht des Magischen und die Motivation und der Prozess des Planens und Feierns von Ritualen. Darüber hinaus weisen sie auf Untersuchungen hin, die in den folgenden Jahren bearbeitet werden und weiteren Aufschluss über die neuheidnische Gemeinschaft, ihre innere Dynamik und ihr Verhältnis zur ‘mainstream culture’ geben sollen. 1.4.2 Soziologische Darstellungen Pike, Sarah M. (Associate Professor an der California State University, Chico, USA) Ihre Anmerkung zu der Notwendigkeit weiterer Forschungen aus „Rationalizing the Margins“ nimmt Sarah Pike selber ernst, indem sie 2001 ihre Studie Earthly Bodies, Magical Selves: Contemporary Pagans and the Search for Community veröffentlicht. Sie untersucht die Teilnahme von Neuheiden an gemeinsamen Festivals, den Einfluss von anderen Religionen und Kulturen auf das eigene neuheidnische Erleben, die von Imagination und Neugierde geprägte Kindheit, die mit ihrem Umgang mit „Ghosts and Spirits“ (163) auf ein Leben als Neuheide vorbereitet hat, und die schwierigen Umstände, mit denen Neuheiden in ihrem alltäglichen Umfeld in Nachbarschaft und Umgebung als (günstigenfalls) ‘Exoten’ oder (schlimmstenfalls) ‘Teufelsanbeter’ umgehen. Dabei beschreibt Pike die „tension between the pursuit of self-realization and the desire for a place in community“ (225). Die Schwierigkeit der Vermittlung zwischen dem Ausleben der eigenen religiösen Persönlichkeit („personal autonomy“, 223) und dem Wunsch nach vorurteilsfreier Eingebundenheit in die Gesellschaft („commitment to community“, 223) stellt für die meisten Wicca und Neuheiden in der westlichen Gesellschaft eine Gradwanderung dar. In ihrer Veröffentlichung New Age and Neopagan Religions in America (2004) geht Pike auf die Spiritualität von Neuheiden und New Age-Anhängern ein. Sie stellt Unterschiede und 22 Gemeinsamkeiten heraus und beschreibt die von Anhängern angewendeten Techniken zur Entwicklung des spirituellen Selbst. Techniken, wie Channeling, Trance und Atemkontrolle, dienen unter anderem der Ausformung der Persönlichkeit und der Heilung des gesamten Menschen. Mit ihrer Arbeit zeigt Pike die wachsende Personalisierung von Religion und stellt dar, dass besonders Neuheiden in ihrem Glauben und ihrer Lebensführung die adäquate Religion für eine Zukunft sehen, in der Individualität und Gemeinsamkeit in einem umfassenden System harmonisiert werden müssen. Susan Greenwood (Dozentin an der University of Sussex, UK) In ihrer sozialanthropologischen Dissertation Magic, Witchcraft and the Otherworld: An Anthropology (2000) beschreibt Susan Greenwood die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Magieverständnisses von Ritualmagiern (‘High Magic’) und Wicca (‘Witchcraft’) in und um London und deren Verständnis einer magischen Anderswelt als zusätzlicher Dimension der sichtbaren Welt. Diese ‘Otherworld’ ist dem Menschen sowohl innerlich als auch äußerlich, betrifft seine geistige Beschaffenheit wie auch seine soziale Eingebundenheit und stellt sich für jeden Einzelnen anders dar. Die Grundlage für die Erfassung der Anderswelt ist ein „shift in consciousness“ (27). Greenwood führt die Unterschiede im Magieverständnis zwischen Ritualmagiern und Wicca auf ein unterschiedliches Weltbild zurück: Während Ritualmagier in der Regel ein dualistisches Bild von der Welt haben, in der ihrer Ansicht nach Gut und Böse in ständigem Kampf miteinander stehen, nach spiritueller Weiterentwicklung streben und den einzelnen Menschen in Anlehnung an Aleister Crowley als ‘Stern’ in einer Art rotierenden Gesamtgefüge sehen, betrachten Wicca die Welt als einheitlich gegeben und grundlegend harmonisch, verfolgen mit ihrer Magie verstärkt praktische Ziele und betrachten sich stets in ihrer Beziehung zu anderen Menschen und zur Natur bzw. zur Umwelt. Beide Gruppen jedoch rekurrieren im Rahmen ihrer religiösen Einstellung auf die Anderswelt als „true source of being and empowerment“ (211). Als solche hat sie Einfluss auf die Erfahrungen und Handlungen des täglichen Lebens, sowohl für Magier als auch für Wicca ist sie ständig präsent und steht fortwährend mit der sichtbaren Welt in Kontakt. Sabina Magliocco (Associate Professor für Anthropologie an der California State University, Northridge, USA) Maglioccos Witching Culture: Folklore and Neo-Paganism in America (2004) ist eine Arbeit zu den verschiedenen Strategien und Bereichen im Wicca und im Neuheidentum, die für die 23 Formung der neuheidnischen Identität von Bedeutung sind. Dazu gehört die Einbeziehung folkloristischen und regionalspezifischen Materials im Rahmen der Ausformung einer Tradition und der Komposition von Ritualen in einem kreativen Prozess: „like tofu, Paganism tends to absorb the flavor of the surrounding ingredients, or regional cultures“ (76). Im Rahmen ihrer Monographie erörtert sie hierzu die schon in ihrem Artikel „Ritual is My Chosen Art Form“ von 1996 in der Aufsatzsammlung von Lewis angesprochenen Punkte. Darüber hinaus deckt sie identitätsbildende Handlungen und Prozesse auf, wie etwa die Auseinandersetzung mit Magie, ekstatische Erfahrungen im Ritual und die kritische Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen westlichen Kultur, die primär eine rationale, analytische, lineare moderne Kultur darstellt und der im Neuheidentum unter der Bezeichnung ‘witch’ ein religiöses, holistisches und ritualisiertes, eher postmodernes Empfinden und Erfahren gegenübergestellt wird (203). Schließlich geht Magliocco auf die Spannung zwischen gegenseitiger Unterscheidung und Zusammengehörigkeit innerhalb des Neuheidentums ein. Die Unterschiede zwischen Traditionen und Gruppen sind vielfältig und zum Teil sehr groß. Magliocco zeigt anhand von unter Neuheiden kursierenden Witzen und Scherzfragen, die mit den Unterschieden und Eigenarten der unterschiedlichen Traditionen spielen, dass diese Unterschiede bewusst erkannt und mit viel Humor genommen werden. An dieser Stelle nur ein Beispiel: „How many Gardnerians does it take to change a lightbulb? Sorry, that’s a Third Degree secret.“ (87). Helen A. Berger (Professorin für Soziologie an der West Chester Universität, Pennsylvania, USA) Bergers Veröffentlichungen A Community of Witches: Contemporary Neo-Paganism and Witchcraft in the United States (1999) und Voices from the Pagan Census: A National Survey of Witches and Neo-Pagans in the United States (2003) stellen ein Doppelwerk dar, das die wiccanische und neuheidnische Landschaft in Nordamerika beschreibt. In A Community of Witches liefert Berger eine aktuelle Momentaufnahme der neuheidnischen Religion in den Bereichen Magie, Ritual, Covenarbeit, Alleinpraktizierende, Geschlechterverteilung, Homosexualität, Nachwuchs und erste Tendenzen zur Routinisierung. Sie stützt ihre Ausführungen auf über 40 formale Interviews mit Wicca, ihre vielfache Teilnahme an neuheidnischen Veranstaltungen und Festivals, die intensive Lektüre wiccanischer Primärliteratur und schließlich auf erste Daten aus der Erhebung ‘The Pagan Census’ (s.u.). Berger geht auf wissenschaftlicher Ebene als erste auf die nächste Generation von Wicca ein, 24 nämlich auf die Kinder, die nun in wiccanischen und neuheidnischen Familien aufwachsen, auf Überlegungen der Eltern zur heidnischen Erziehung der Kinder und auf die möglichen Schwierigkeiten für Kinder bei der Spannung zwischen der häuslichen neuheidnischen, spirituell-magisch geprägten Welt und der säkularisierten modernen Gesellschaft. Eine leicht überarbeitete Version des fünften Kapitels „The Next Generation“ erscheint auch in der von Susan J. Palmer und Charlotte E. Hardman herausgegebenen Zusammenstellung von Aufsätzen Children in New Religions (1999), in der auch Beiträge zur Erziehung von Kindern z. B. in der ISCON-Bewegung oder im Rahmen der Osho Ko Hsuan Schule zu finden sind. Voices from the Pagan Census stellt das zwischen 1993 und 1995 gesammelte Datenmaterial dar. Ausgewertet wurden 2.089 ausgefüllte Fragebögen, die durch verschiedene neuheidnische Organisationen verteilt worden waren. Mitgliederlisten wollten die Organisationen der Forscherin aufgrund der Wahrung der Privatsphäre nicht übergeben. Außerdem zeigte sich, dass besonders interessierte Befragungsteilnehmer ihren Fragebogen kopierten und an andere Neuheiden weiterreichten. Der Anspruch einer Befragung nach dem Zufallsprinzip konnte also nicht erfüllt werden. Dennoch handelt es sich durch die große Zahl an Rückmeldungen und die vier angefragten Themenbereiche Demographie, Politische Angaben, Religiös- Spirituelle Angaben und Angaben zur Neuheidnischen Praxis mit insgesamt 39 Hauptfragen und der abschließenden Bitte um genauere Ausführungen bei Bedarf um die bislang umfassendste Erhebung zum Thema Wicca und Neuheidentum in Nordamerika. Berger stellt die Zahlen anhand von Tabellen dar, wobei sie verschiedene neuheidnische Gruppen nebeneinander stellt und zum Teil Daten der nordamerikanischen Gesamtbevölkerung gegenüberstellt. Die Ergebnisse der Befragung werden von ihr kommentiert und in Beziehung gesetzt. Insgesamt stellt der ‘Pagan Census’ eine Fundgrube an Informationen dar, die dem Forscher helfen, die Wicca-Religion adäquat einzuschätzen. 25 1.4.3 Historische Darstellungen Hutton, Ronald (Professor für Geschichte an der University of Bristol, GB) Mit seiner Arbeit Triumph of the Moon (1999) veröffentlichte Ronald Hutton die erste umfassende wissenschaftlich recherchierte historische Arbeit zur Wicca-Religion. Schon in The Pagan Religions of the Ancient British Isles hatte Hutton 1991 im Zuge seiner geschichtlichen Darstellung der Entwicklung des Heidentums in Großbritannien auf historische Aspekte der Wicca-Religion verwiesen. Bezeichnenderweise erschien parallel dazu im gleichen Jahr Aidan Kellys Crafting the Art of Magic, das anhand des gardnerischen Schattenbuches die Verwurzelung von Wicca in der westlich-magischen Tradition erörtert. In The Triumph of the Moon stellt Hutton detailliert die historische Entwicklung der Wicca- Religion dar. Zunächst erörtert er das gesellschaftliche und kulturelle Klima, besonders der letzten zwei Jahrhunderte, das in vielerlei Hinsicht den Nährboden für die Entstehung einer neuen heidnisch orientierten Religion darstellt. Dabei zeigt er die Quellen und Wurzeln, auf die das neue Götterbild, das Wiederaufleben von Magie und die Sakralisierung der Natur zurückzuführen sind, und beschreibt die Verknüpfung dieser Teilbereiche zu einem religiösen Ganzen. Weiterhin diskutiert er die Umstände und Ereignisse, die im Leben von Gerald Gardner zur Ausformung der Wicca-Religion beigetragen haben, und die weitere Entwicklung der Bewegung in England und die Anfänge und den weiteren Gang der Dinge in den USA. Ungeklärte Fragen, wie die Identität der Personen ‘Old Dorothy’ und ‘Dafo’ aus dem ‘Ur- Coven’ oder die Involvierung Aleister Crowleys, erörtert Hutton ausführlich unter Berücksichtigung des historischen Materials. Er klärt auf, wo es möglich ist, und stellt Bereiche dar, für die eindeutige historische Belege fehlen. Heselton, Philip Eine weitere Fundgrube von historischen Informationen zur Geschichte des modernen Wicca sind Philip Heseltons (UK) Veröffentlichungen Wiccan Roots: Gerald Gardner and the Modern Witchcraft Revival (2000) und Gerald Gardner and the Cauldron of Inspiration: An Investigation into the Sources of Gardnerian Witchcraft (2003). Heselton geht in Südengland auf Spuren-und Dokumentensuche und weist akribisch Umstände und belegbare Tatsachen aus dem Leben Gardners nach, die zweifellos die Entstehungsgeschichte der Wicca-Religion geprägt haben. In seinen Arbeiten zeigt er die Kontakte Gardners zu verschiedenen Gruppen in der Gegend um Christchurch auf, wie etwa zu den Co-Masons, einem Flügel der 26 Freimaurer, der auch Frauen zur Loge zulässt, und geht ausführlich auf die Zusammensetzung des gardnerischen Schattenbuches und dessen ‘Quellenbücher’ ein. Heselton ist zwar selbst aktiv in Wicca involviert, seine durch pure Neugier motivierte unvoreingenommene Materialsuche und Darstellungsweise machen seine Ausführungen für die wissenschaftliche Forschung jedoch grundlegend und unverzichtbar. 1.4.4 Darstellungen der Religious Studies Graham Harvey (Dozent für Religious Studies an der Open University Milton Keynes, GB) Mit Listening People, Speaking Earth: Contemporary Paganism (1997) gibt Harvey einen Überblick über Glaube und Religion verschiedener heidnischer Untergruppen. Dabei stellt er die besonders stark vertretenen Richtungen Wicca, Göttinnenspiritualität, Nordischgermanisches Heidentum und Schamanismus in den neuheidnischen Kontext. Er grenzt die einzelnen Gruppen nicht rigoros voneinander ab, wie dies in den 70er und 80er Jahren oft der Fall war, sondern betont gemeinsame Elemente und Verbindungen untereinander. Er zeigt wie Neuheiden im Rahmen ihrer Sicht der Welt argumentieren und welche Punkte ihnen in ihrer Spiritualität wichtig sind. Die Veröffentlichung liefert zwar keine konkreten neuen Forschungsergebnisse, formuliert aber auf besonders eingängige Weise das neuheidnische Weltbild und gibt im letzten Kapitel einen kurzen Einblick in die unterschiedlichen Sichtweisen von Neuheiden in Bezug auf andere Religionen. Joanne Pearson (Department of Religious Studies an der Open University, Milton Keynes, GB) Die Veröffentlichung Belief Beyond Boundaries (2002) stellt das erste wissenschaftliche Lehrbuch für Studierende dar, die sich im Rahmen der Religious Studies mit dem Themenbereich Wicca beschäftigen. Das Buch ist als eine Art Kurs-Fahrplan konzipiert und darüber hinaus als Materialsammlung gedacht. Es enthält einerseits bereits an anderer Stelle veröffentlichte Artikel von Wissenschaftlern zum Thema, wie Ronald Hutton und Wouter J. Hanegraaff, und liefert andererseits eigens für die Veröffentlichung verfasste Artikel, die verschiedene Theorien und Ergebnisse der Forschung der 90er Jahre darstellen. Neben Wicca beschäftigt sich das Kursbuch mit der Bedeutung der Theosophischen Gesellschaft als Impulsgeber für die New Age Bewegung, mit dem wachsenden Interesse an keltischer Spiritualität und dem Einfluss der Religion eingeborener nordamerikanischer Stämme auf das 27 Neuheidentum in verschiedenen Gebieten der USA. Pearsons Kursbuch dokumentiert nach dem ersten Schritt der Erforschung von Wicca und Neuheidentum auf wissenschaftlicher Ebene nun einen zweiten Schritt: das Einzughalten von Wicca in die universitäre Lehre. 1.4.5 Quellensammlungen Chas S. Clifton (Dozent an der Colorado State University Pueblo, USA) und Graham Harvey The Paganism Reader (2004) ist eine Sammlung von Quellentexten mit Relevanz für die Wicca-Religion und das Neuheidentum. Sie enthält historisch-klassische Texte, wie etwa einen Auszug aus Apuleius’ Geschichte Der goldene Esel oder ein Zitat aus der Natural History (Naturgeschichte) von Plinius dem Älteren über die druidische Ritualpraxis, die Äußerungen beinhalten, auf die sich heutige Neuheiden häufig beziehen, wenn sie auf die Wurzeln paganer Religion zu sprechen kommen. Der zweite Teil der Anthologie präsentiert Texte aus dem 19. und 20. Jahrhundert, die einen starken Einfluss besonders auf die Entstehung des modernen Wicca ausgeübt haben, wie z.B. Aleister Crowleys The Book of the Law, die für den „Charge of the Goddess“ zentrale Stelle aus Charles Lelands Aradia und Rudyard Kiplings Gedicht „A Tree Song“ aus Puck of Pook’s Hill, dessen fünfte Strophe in leicht modifizierter Form im Eintrag zu Beltane im gardnerischen Buch der Schatten begegnet. Der dritte Teil schließlich enthält Texte von Wicca-Autoren der ‘ersten Generation’, z.B. Gerald Gardner, Doreen Valiente und Raymond Buckland, und Artikel von Neuheiden und Forschern, die die Entwicklung des Neuheidentums anhand einiger unter Anhängern diskutierter Themen, wie etwa der Status der Alleinpraktizierenden (‘Solitaries’), darstellt. Die Texte sind jeweils mit einem einleitenden Kommentar der Herausgeber versehen, der den Text in den Gesamtkontext einordnet. Der Paganism Reader richtet sich an wissenschaftlich arbeitende Leser, aber auch an Neuheiden und andere Interessenten. Als ‘Mini-Bibliothek’ gibt er einen groben Überblick über die Vielzahl der für das Neuheidentum relevanten Bezugstexte und innerreligiösen Themenbereiche, und bildet einen ersten Ausgangspunkt für die Recherche weiterführender Literatur. Er verdeutlicht die Notwendigkeit, angesichts der wachsenden Zahl von Veröffentlichungen zum Neuheidentum einen Grundstock an Texten zur adäquaten Einordnung des Neuheidentums und seiner Entwicklung zur Verfügung zu haben. 28 2. Dichtung im Wicca „Poetry is a form of spiritual communication“ Gavin Bone, Interview „Witchcraft, and paganism generally, is a religion where experience is primary -the written word, whilst useful, is very much secondary“ (Heselton, Cauldron 273). Die Wicca-Religion hat keine Heilige Schrift im Sinne einer Tora, der Evangelien oder des Korans und auch nicht im Sinne der buddhistischen Pali-Texte. Der einzige schriftlich fixierte Richtungsweiser im Wicca ist das von jeder Wicca individuell erarbeitete Buch der Schatten. Es kann je nach Tradition, Coven und Einzelperson sowohl Ritualabläufe, Situationsbeschreibungen und analysen als auch Monddaten, Zaubersprüche und andere Informationen enthalten. Manche Einträge finden sich bei mehreren Wicca, weil es für den Coven bedeutende Texte sind, viele Eintragungen sind aber so persönlich und einmalig wie der Einzelne selber. Sicherlich spielen im Wicca Handbücher eine große Rolle, wie etwa die Veröffentlichungen von Gardner, Valiente, Buckland, Cunningham, Starhawk und vielen anderen. Sie liefern Hinweise, Ritualvorschläge und Arbeitsanleitungen, die sicherlich auch in das ein oder anderen Buch der Schatten Aufnahme finden. Generell jedoch haben sie keinen kanonischen Charakter: „Such a book contains theology, philosophy, seasonal and other rituals, spells, ways of raising power, and numerous other matters. [...] A modern Book of Shadows, consisting of both rituals and details of magical technique, has evolved over time. Each one is likely to be unique [...]. There is therefore no such thing a the Gardnerian Book of Shadows. [...] Each Book of Shadows is very much a personal statement as well as the transmitter of a tradition. And, as a result, no two books were ever the same.“ (Heselton, Cauldron 274f) Die einzigen Texte, die man vielleicht als ansatzweise kanonisch bezeichnen kann, sind klassische lyrische Wicca-Texte, wie etwa der „Charge of the Goddess“. Diese klassischwiccanischen Texte gehen hauptsächlich auf Doreen Valiente zurück, haben jedoch als ausdrücklich menschlich formulierte Texte nicht den Anspruch einer Heiligen Schrift (zu Heiligen Schriften in verschiedenen Religionen siehe Tworuschka, Heilige Schriften: Eine Einführung). Umso wichtiger ist neben der Befragung und der Beobachtung hier die Suche nach anderen schriftlich fixierten Aussagen und Quellen. Für die Erforschung von Wicca 29 bieten sich Gedichte der Anhänger an, weil sie durch ihre religiösen Inhalte einen möglichen Zugang zu der Religion darstellen. 2.1 Schattenbücher Gardners Notizbücher ‘Ye Bok of Ye Art Magical’ und der so genannte ‘Text A’, der später von Doreen Valiente überarbeitet wurde und als das erste und eigentliche Gardnerische Buch der Schatten bezeichnet wird, bestanden zu einem großen Teil aus kopiertem Material, z.B. von S. L. MacGregor Mathers und Aleister Crowley. Der Text A enthält außerdem eine Reihe von Gedichten, die Heselton als Lyrik von unter anderem Kipling, Tennyson und Yeats identifiziert (Heselton, Cauldron 284). Ferner sind Verse enthalten, die auf ein mögliches drittes früheres Buch eines Mitglieds des Ursprungscovens zurückgeführt werden (Heselton, Cauldron 304). Es ist wahrscheinlich, dass einige der Gedichte in Ritualen rezitiert wurden, wenn man bedenkt, dass Teile davon noch heute in Gardnerischen Coven verwendet werden und Einzug in die klassisch-wiccanischen Texte von Doreen Valiente genommen haben. Manche Verse wurden notiert, einfach um sie festzuhalten und nicht zu vergessen, heute würde man sich solche Stellen, die von Interesse sind, fotokopieren. Die Aufzeichnungen Gardners belegen, dass Lyrik seit den Anfängen des modernen Wicca in der neuen Religion eine nicht geringe Rolle spielte. Die heutigen dichterisch tätigen Wicca-Anhänger stehen in diesem Punkt also durchaus in der Tradition der wiccanischen Anfänge. 2.2 Die Quellen Bei der Suche nach Literatur von und über Wicca begegnet dem Interessierten eine Fülle von Gedichten von Wicca-Anhängern. Besonders die Zahl der Texte, die über das Worldwideweb zugänglich sind, ist kaum mehr überschaubar. Was die Dichtung von Anhängern angeht, hat das Web die Printmedien mittlerweile weit überholt. Allerdings sind in den vergangenen Jahren auch einige Gedichtsammlungen in Buchform erschienen. Im Folgenden sollen die verschiedenen Quellen von Lyrik kurz dargestellt werden. 30 2.2.1 Das Worldwideweb Das Worldwideweb stellt einen wichtigen Lieferanten für die für diese Arbeit relevanten Gedichte dar. Viele der behandelten Texte entstammen Seiten von Wicca aus dem Internet. Dabei entstehen täglich neue Seiten und bestehende Seiten werden überarbeitet. Deshalb handelt es sich auch bei den zu einem Zeitpunkt im Internet veröffentlichten Gedichte um eine Momentaufnahme, die sich sukzessive weiterentwickelt. Die Suchmaschinen finden für Begriffe wie z.B. ‘wiccan poetry’ oder ‘Wicca Poetry’ mehrere hundert Seiten. Für die Bearbeitung des Themas wurden zunächst verschiedene Webseiten gesichtet und etwa 300 Gedichte gesammelt und nach Themenbereichen sortiert. Einerseits wurden repräsentative Gedichte zur Erarbeitung herangezogen, um allgemeine Schwerpunkte aus den Texten ersehen zu können, andererseits stellt jeder Text eine individuelle Äußerung dar und ist Teil des weiten Spektrums von wiccanischen Vorstellungen. Die Vielfalt an Autoren und Themen ist dabei sehr groß. Zum Teil handelt es sich dabei um Texte aus der Literatur bekannter Autoren, wie z.B. Scott Cunningham, Raymond Buckland und Margot Adler. Die Mehrzahl der Texte stammt allerdings von unbekannten Autoren, von konkreten zeitgenössischen Wicca- Anhängern. Die generelle Vielfalt des Worldwideweb und die Bandbreite der wiccanischen Gedichte spiegeln sich gegenseitig wider. 2.2.2 Klassische-wiccanische Texte und Gedichte von Doreen Valiente Die meisten klassischen Wicca-Texte stammen von Doreen Valiente. Sie formulierte unter anderem die heute geläufige Fassung des „Charge of the Goddess“, ließ dabei auch Formulierungen anderer Autoren einfließen, und hat durch ihre kooperative Arbeit mit Gerald Gardner einen kleinen ‘Kanon’ typisch wiccanischer Anrufungstexte geschaffen. Sie stellen weniger ein Glaubens-als vielmehr ein Handlungs-und darauf aufbauend ein Lebensbekenntnis dar. Daneben hat Doreen Valiente eine Vielzahl von Gedichten geschrieben, die sie vereinzelt in ihren Arbeiten über die Wicca-Religion veröffentlichte. Nach ihrem Tod wurden ihre restlichen Gedichte in einer kleinen Sammlung veröffentlicht (Valiente, Charge). Dabei handelt es sich um Texte, die zumeist die Besonderheit und Individualität des Daseins als Wicca thematisieren. Valiente wird aufgrund ihrer Lyrik als die erste Dichterin der Wicca bezeichnet, und sicherlich hat sie in dieser Hinsicht auch eine gewisse Vorbildfunktion für jüngere wiccanische Dichter. 31 2.2.3 Printmedien Schließlich stößt man auf diverse andere Veröffentlichungen, wie z.B. die heidnischwiccanische Lyrikanthologie The Pagan Muse, herausgegeben von Jane Raeburn, den Tarot- Gedichtszyklus von Debbie Henderson, den Gedichtband von Kerry Meireis und Turtleheart und die Wicca-Lyrik von Bobby Sinah-Morey. Aidan Kellys Zusammenstellung von kleinen Privatveröffentlichungen in Neo-Pagan Witchcraft II ist eine Sammlung von unterschiedlichen Autoren, von denen mittlerweile auch einzelne Texte im Web zu finden sind. 2.3 Gedichte als Informations-und Datenlieferanten Zunächst handelt es sich bei Gedichten um ganz individuelle Texte einzelner Autoren. Als solche stellen sie immer eine bestimmte Sichtweise dar. Doch gerade die Summe dieser einzelnen Sichtweisen macht den Grundstock einer Religion aus. Der Anhänger und sein Text machen einen wichtigen Teil der Religion als Ganzes (wenn man vor diesem Hintergrund überhaupt von einem Ganzen sprechen kann) aus. Gleichzeitig zur autorenspezifischen Schwerpunktsetzung drücken sie Gedanken und Einsichten aus, die von anderen Anhängern geteilt werden. Insofern liefern sie Informationen und Eindrücke von der ‘Basis’. Im Rahmen dieser Arbeit sollen Gedichte demnach in gewissem Sinne als im Feld vorhandene Daten betrachtet werden. Als solche beinhalten sie religiöse Zeichen, die es zu entschlüsseln gilt, seien es bestimmte Worte und Begriffe wie „skyclad“ oder „deosil“ oder Symbole, die ganze Bedeutungskonzepte beinhalten wie etwa der Mond, ein Kreis oder ein achtspeichiges Rad. Aus den Gedichten der Wicca-Anhänger kann der Religionswissenschaftler wichtige Hinweise über die religiösen Handlungs-und Sprachformen innerhalb der Religion gewinnen. Vor allem zur Bedeutung des rituellen Kreises, zur Theologie und zum Verhältnis zur Natur lassen sich Informationen herausarbeiten. Dabei wird der Forscher immer auf zwei Ebenen stoßen: erstens auf die Ebene der Praktiken, Handlungen und Rituale, also auf das Tun, und zweitens auf die Ebene der spirituellen Ansichten und der Theologie. Für beide Ebenen sollen Gedichte als mögliche Quellen von Information zur Religion genutzt werden. 2.4 Ordnung der Gedichte nach Themenbereichen 32 Bei der Sichtung der Texte fällt auf, dass einige Themen sehr häufig vertreten sind. Sie scheinen Wicca-Anhänger besonders zu beschäftigen und für die wiccanische Religiosität wichtig zu sein. a) Naturgedichte, Vegetation (besonders Bäume; Früchte) und Tiere (z.B. Wolf, Eichhörnchen) Beispiele: „We are like the trees“(Kerry Meireis), „Peaceful Giants“ (Aurora Dragonlim), „Old Tree in Shrubland Park“ (SnowFaery), „The tree’s sight“ (Zelda of Arel), „Blackberries“ (Susan Kennedy), „Song of the Wolf“ (Arianna), „Squirrels“ (Kerry Meireis). b) Gedichte von Göttin und Gott, einzelnen Gottheiten, besonders Göttinnen Beispiele: Book of the Goddess (zahlreiche Gedichte zu verschiedenen Göttinnen; Anna Livia Plurabelle), verschiedene Gedichte zu Göttinnen von Lady Gueneva, „Invocation to the Three- Fold One“ (Seleneicthon), „The Maiden, The Mother, The Crone“ (unbekannter Autor). c) Gedichte zu den Mysterien und spirituellen Einsichten Beispiele: „The Mysteries“ (Doreen Valiente), „All Knowledge: The „Secret“ of the Universe Revealed“ (Lionrhod), „On Religion“ (Lionrhod). d) Gedichte zum Jahreskreis und den Jahresfesten, besonders Samhain Beispiele: Gedichte zu den acht Jahreskreisfesten in Spokes of the Wheel (Seleneicthon), „Samhain“ (Louis Elvira), „Samhain“ (Turtleheart), „Seasons“ (K. Shaw). e) Gedichte zum wiccanischen Selbstbewusstsein Beispiele: „We are What we are...“ (Iolair), „Witch Alone“ (Scott Cunningham), „Untitled“ (Margot Adler). f) Gedichte mit Ritualbeschreibungen Beispiele: „Wiccan Night“ (Zelda of Arel), „A Devotional“ (Arawen), „The Witch’s Ballad“ (Doreen Valiente). g) Gedichte mit ethischen Hinweisen Beispiel: „Witches Magic Rede“ (Dea Miller) h) Gedichte vom Tod Beispiele: „Memories: Remembering those passed but not forgotten...“ (Starr54), „Another Life Goes On: I AM HERE“ (Shona). 33 Die Liste stellt Hauptbereiche dar, die in einzelnen Gedichten thematisiert werden, die aber auch vermischt in Texten begegnen können. Manche Gedichte lassen sich nicht einer der Gruppen a) bis h) zuordnen, wie etwa Liebesgedichte. Der Großteil der religiösen Texte beschäftigt sich jedoch in irgendeiner Weise mit einem der oben genannten Bereiche. 2.5 Religions-und Literaturwissenschaft Der Blick wird zur Erarbeitung von Gedichten stets in zwei Richtungen gehen, in Richtung der Religionswissenschaft, wobei hier Dichtung als religionsphänomenologischer Befund in einer jungen Religion begegnet, die keine Heiligen Schrift kennt, und in Richtung der Literaturwissenschaft, im besonderen der Lyrikanalyse. Zur Erarbeitung im Rahmen der Literaturwissenschaft geht es zunächst darum, metrische und lautliche Eigenschaften, Reimschemata sowie die Wortwahl, kurz die Beschaffenheit der Gedichte in ihrer jeweiligen Form, zu betrachten. Dabei ist besonders zu beachten, ob die formellen Punkte den Inhalt und eine mögliche Aussage eines Gedichtes unterstreichen. Diese Arbeit wird sich was die literaturwissenschaftliche Erarbeitung der Texte angeht auf die Erkenntnisse verschiedener Literaturwissenschaftler stützen, z.B. auf Eva Müller-Zettelmann und Peter Hühn und ihre Betrachtung von Lyrik unter narratologischen Gesichtspunkten, und Wolfgang G. Müller, dessen Untersuchungen zur Subjektivität von Lyrik für diese Arbeit auch im Sinne religiöser Spiritualität gedeutet werden (s.u.). 2.6 Erfahrung und Entwicklung „Gegenstand der Religionswissenschaft sind [...] Menschen aller Zeiten, Räume und Religionen, die in Bildern, Tänzen, Tönen, Architektur, Gerüchen, Farben, in Riten und Gesprächen, und selbstverständlich auch in Texten, Auskünfte über die von ihnen für wirklich gehaltenen transzendenten [...] Objekte geben [...].“ (Tworuschka, „Selbstverständnis“ 23f) Gedichte sind Ausdruck solcher konkreter Menschen. In den lyrischen Texten geben Wicca- Anhänger über ihre religiöse Einstellung, Erfahrung und Praxis Auskunft. Sicherlich können diese Gedichte im Rahmen einer umfassenden Betrachtung nur als eine mögliche Zugangsart 34 zur Religion angesehen werden und müssen durch geeignetes zusätzliches Material, wie etwa aus Befragungen gewonnenen Daten und entsprechenden Darstellungen aus der Literatur, von denen von Seiten der Wicca glücklicherweise zahlreiche vorliegen, ergänzt werden. In Gedichten zeigt sich Religion immer im Kleinen und im Einzelnen und gleichzeitig vermitteln sie ein Bild von der Summe bzw. der Gemeinsamkeit der unterschiedlichen Anhänger. Dieses Bild stellt immer einen bestimmten Ausschnitt dar, vor allem einen bestimmten zeitlichen Ausschnitt. Sprache beschreibt nicht nur, sondern sie schafft und definiert, was für den Gläubigen religiöse Wirklichkeit ist. So sind Gedichte auch als Texte zu betrachten, die alleine durch ihre Formulierung die betreffende Religion zwar darstellen, aber im gleichen Zuge auch formen und weiterentwickeln. Das entspricht dem besonderen Stadium, in dem sich Wicca derzeit befindet. Die Lyrik spiegelt die Selbstsuche und Selbstpositionierung der Wicca in der Gesellschaft wider und kann Impulsgeber für die weitere Entwicklung der Religion sein. Die Gedichte der Wicca haben eine gewisse Vermittlungsfunktion inne, weil sie zwischen den Anhängern und Inhalten der Religion und den Personen, die der Religion von außen begegnen, eine Verbindung herstellen. Wichtige Punkte hierbei sind die Verteidigung der eigenen Religion gegen Angriffe von außen, die Darstellung der eigenen Sicht von der Religion und die Diskussion im Hinblick auf eine gegenseitige Verständigung. Stärker noch ist die Funktion der Vermittlung innerhalb der eigenen Religion. Bei den diversen Unterschieden in der Vorstellung von den Göttern und den Ritualpraktiken bieten Gedichte für Wicca und Neuheiden einen starken emotionalen Wiedererkennungseffekt: „when one person starts to express that and put that down other people will [...] read it and go ‘Yes, that’s what I feel’“ (Bone in Farrar/Bone, Interview). Die Hauptfunktion von Dichtung im Wicca ist jedoch eine andere. Vorwiegend geht es darum, die eigene Spiritualität für sich selbst zu erarbeiten und zu pflegen und Worte zu finden, die den Kontakt mit den Göttern aufbauen bzw. stabilisieren. Auch der Einsatz von Versen in Ritualen zeigt, dass Dichtung für Wicca diese stark religiöse Komponente enthält. Dichtung ist Ausdruck der wiccanisch-neuheidnischen Spiritualität: 35 „Who needs poetry? Pagans do. [...] For today’s Wiccans and Pagans, poetry is essential. We have many books of ritual, but no standard liturgy. Instead, we have the freedom -and the responsibility -to craft our own rituals. We must choose words that connect us with the Divine, nurture our spirits, and challenge us to become more aware. Good poems do all this and more.“ (Raeburn, Muse ix) Dabei ist es die Aufgabe jedes einzelnen, die für ihn adäquaten Worte zu finden, um mit den Göttern in Kontakt zu treten. Dichtung ist für Neuheiden Kommunikation mit dem Göttlichen und gleichzeitig spirituelles Erlebnis: „Unlike members of more conventional faiths, Pagans need not -often cannot -follow along in the book, sticking comfortably to another’s words. We must choose the words we use to express our spiritual truths, must consider and study those truths, then search for ways to bring them to life. It is work, no more and no less, though it is often work that feeds our souls, hearts, and minds.“ (Raeburn, Muse ix) Für Wicca und Neuheiden ist Dichtung -ob für sich selbst oder auch für andere geschrieben, ob im Rahmen eines Rituals oder einfach laut oder leise in einer ruhigen Minute gelesen -eine wichtige Technik zum Erleben von Spiritualität. Ähnlich wie Visualisierung und Meditation fokussiert Dichtung die Gedanken auf das spirituelle Empfinden und schafft eine Möglichkeit „to connect to the Pagan spirit“ (Raeburn, Muse x). Durch die Spiritualität erklärt Gavin Bone auch die hohe Emotionalität vieler Texte: „It comes out wanting to be expressed. That spirituality in form which can’t be expressed intellectually. It has to be expressed emotionally, which is what poetry does“ (Farrar/Bone, Interview). Dadurch erklärt sich auch die Tatsache, dass Wicca, die sich verschiedener Zauberpraktiken bedienen, ihre magischen Texte lyrisch gestalten, also z.B. in Versform verfassen. Die lyrische Form stellt dabei die Verbindung zwischen Zaubertätigkeit und Religiosität her. Abschließend zum Punkt der Funktion von Lyrik lässt sich festhalten, dass Wicca im Falle ihrer Gedichte nicht prinzipiell zwischen Gebrauchstexten und literarischen Texten unterscheiden, sondern je nach Situation lyrische Texte unterschiedlich einordnen und unterschiedlich mit ihnen umgehen (Sexl 9, 11f). 36 2.7 Subjektivität Mit Hilfe der Literaturwissenschaft sollen die Gedichte der Wicca als neue Quellen für die Erforschung der Religion erschlossen werden. Dabei muss eine Erarbeitung die Erkenntnisse und Methoden der Lyrikanalyse in den religionswissenschaftlichen Bereich überführen und für das neuen Umfeld überarbeiten. Besonders der Charakterzug der Subjektivität von Lyrik ist ein bedeutendes Merkmal, das die Gedicht von Wicca-Anhängern zu ihrer Religion und religiösen Erfahrungswelt bestimmt. Bei den unterschiedlichen wiccanisch-neuheidnischen Gedichten lässt sich sowohl Subjektivität im Sinne eines ‘Ichs’, also eines persönlichen Subjektes, als auch eines unpersönlichen, außerhalb des Text stehenden Bewusstseins finden (Bernhart 366f). Müller nennt diese beiden Arten von Subjektivität in Anlehnung an Bernhart explizite und implizite Subjektivität, also die Subjektivität eines innertextlichen Ich und die einer außertextlichen Instanz (Müller 95). Im Fall der religiösen Wicca-Gedichte ist eine wie auch immer angelegte Subjektivität immer auch Ausdruck von Spiritualität und religiösem Erleben. Das betrifft sowohl das äußere Erleben mit seinen Handlungs-, Sprach-und Sozialformen, als auch das innere Erleben in Form der Vorstellungen vom und der Erfahrungen mit dem Göttlichen. In diesem Sinne präsentieren wiccanische Gedichte individuelle Spiritualität und dienen damit dem Erfahrungsaustausch bzw. der Erfahrungsanregung und der Gedankenstimulierung im Sinne Ritschls und Jones (Ritsch/Jones 9). Neben der subjektiven Einzelaussage eines Gedichtes soll konstitutives Material der Religion herausgearbeitet werden. Das Gedicht soll als genereller Informationslieferant eröffnet werden. Einerseits lässt sich ein Bild von der betreffenden Religion als ganzes erstellen, andererseits sollen die unterschiedlichen Feinheiten der Anhänger zu einer Vielschichtigkeit der Darstellung beitragen. Da es sich in erster Linie um eine Lyrikerarbeitung für die religionswissenschaftliche Forschung handelt, muss es bei der Bearbeitung von Gedichten in diesem Zusammenhang vorwiegend um Inhalte gehen. Inwieweit hierbei auch rhythmischmetrische und reimisch-strophische Aspekte (als strukturierende und argumentative Merkmale) eine Rolle spielen, wird sich aus der Arbeit am Material selbst ergeben. Dass der literaturwissenschaftliche Kenner ästhetisch gesehen möglicherweise nicht voll auf seine Kosten kommt, weil ein wiccanisch-religiöses Gedicht, was seine Komplexität und Kunstfertigkeit angeht, vielleicht nicht mit dem ‘conceit’ eines John Donne zu vergleichen ist, 37 sei an dieser Stelle nur angemerkt. Dies ist aber nicht weiter tragisch, da das Ziel keine Lyrikanalyse im herkömmlichen Sinne sein soll, sondern die Impulse, die von der Literaturwissenschaft ausgehen, zu einer Bereicherung der Religionswissenschaft beitragen sollen. Ziel der Unternehmung ist, das einfühlende Miterleben und besonders das religionswissenschaftlich bedeutsame Verstehen fremder Religionen zu fördern (Baumann 7; Tworuschka, Zugänge 90-96; siehe auch Knoblauch 30-37). 38 3. Beobachtungen zur Lyrik von Wicca-Anhängern Bei der großen Anzahl wiccanischer Dichter wird deutlich, wie unterschiedlich die einzelnen Themenbereiche in Sprache umgesetzt werden. Manche Gedichte bestehen aus vielen Strophen, andere aus wenigen Versen. Diese können aus langen beschreibenden oder argumentativen Sätzen oder aus kurzen Phrasen bestehen. Je nach Autor fokussieren sie auf einzelne Götter oder das Leben des Menschen, sei es in Form der Beschreibung einer tatsächlich erlebten oder imaginativen Episode oder als allgemeine Reflektion. Manchmal folgen die Zeilen einem bestimmten metrischen Muster, oft sind sie in der Länge unterschiedlich und richten sich nach keinem besonderen Versmaß. Themenbearbeitung und Formulierungen sind so vielfältig und individuell wie die Autoren. Dennoch fallen in vielen Texten einige Gemeinsamkeiten auf, was dichterische Mittel und rhetorische Figuren angeht. Diese Mittel, die unter den Texten häufig zu finden sind, werden im folgenden exemplarisch dargestellt und auf ihre mögliche Aussage und Bedeutung für die wiccanisch-lyrischen Texte untersucht. 3.1 Apostrophen Viele Gedichte, besonders solche, die das Verhältnis zu den Göttern thematisieren oder von unterschiedlichen Funktionen und Aspekten der Götter handeln, weisen Apostrophen auf. Sie reichen von einer einfachen Anrede in Form des Namens bis zur umfassenden Invokationsformel. Die Apostrophen richten sich entsprechend der thematischen Häufigkeit überwiegend an Göttinnen. Oft findet sich die Anrede der Göttin als Mutter Erde. In „A Devotional“ ist sie mit der Anrede des Gottes als Vater kombiniert: „Dear Mother of the Earth and Seas,/ Dear father at Her side“ (5f), in „We are like the trees“ wird sie zusammen mit den ihr zugeordneten Geistern angerufen: „Earth Mother and spirits that/ dance with her, hear us...“ (45f). Der Sprecher in „Evening Messange“ spricht sie einfach mit „Mother“ (1, 8, 15) an und in „The Goddess is Alive“ lauten die Anrufungen „Divine Mother, Goddess of Light“ (21), „Holy Mother, Queen of Heaven and Earth“ (25) und „Heavenly Goddess“ (27). Neben der Anrede als Mutter Erde finden sich Invokationen einzelner Göttinnen. Die Anrede erfolgt entweder relativ kurz durch Nennung des Namens, wie etwa „Demeter“, „Demeter, Mother“ („Honor to 39 the Goddess, Lady of Many Names“, 13, 24) oder „Hecate“ („Hecate Chant Invocation“, 5), oder sie ist als längere Anredeformel konzipiert, wie etwa „Homage to thee, Oh Sun Goddess./ O you glorious Being“ (1f) für die shintoistische Sonnengöttin Amaterasu („Amaterasu II“), „Shimmering-thronèd immortal Aphrodite,/ Daughter of the Creatrix, Enchantress“ („Aphrodite II“,1f) oder „Dark Mistress of Magick/ Maiden Mother and Crone“ („Hecate Chant Invocation“ 7f). Chtonisch inspiriert ist die Anrede „Goddess of the Harvest“ (1) in „Honor to the Goddess, Lady of Many Names“, wo die Anrede in den letzten zwei Zeilen zum Schluß des Textes ausgeweitet wird: „Lady of Many Names/ Maiden & Immeasurable One“ (57f). Es werden einzelne Aspekte betont: „Honored Crone of change/ Ancient One of transition“ (12f) oder mehrere Namen in der Anrede zusammengefasst: „Venus, Hecate, Persephone, Aphrodite“ („Four Invocations: iv“, 4). Im Falle von „Gaia IV“ steht eine Invokation am Ende des Gedichtes: „O holy goddess, bountiful spirit!“ (22). Hier, wie auch in einigen anderen Fällen, ist die Apostrophe durch ein emotionales „O“ erweitert. Diese Emotionsausdrücke sind stellenweise, wenn auch nicht allzu häufig, zu finden. Seltener finden sich Anreden an den Gott „Powerful Lord“ („Prayers to a God and Goddess“, 1), mal als „Lyre-gifted Apollo“, „O far-sighted father of prophecy“ und „Sun-glorious Apollo“ („Praisesong to Apollo“, 1, 9, 13), mal als „Dionysus“, der „old voyeur“ und „Old deviant father, incestuous friend and jealous rival“ („Dionysus in the Curtains“, 1f, 19) und auch als „O Mighty Pan“ („We, The Enchanted“, 1). In den vielfältigen Anreden an die Götter zeigt sich die jeweilige Kontaktaufnahme. Die Gottheiten werden als Ansprechpartner angesehen, als kommunikatives Gegenüber, sowohl in Texten, die durch den Titel als Gebete oder Invokationen qualifiziert sind, als auch in Gedichten zu diversen Themen. Durch die direkte Anrede der Gottheit wird auch deutlich, in welcher Funktion sie gerade für den Sprecher wichtig ist bzw. als wie vielfältig die Götter betrachtet werden. Es fällt auf, dass in verschiedenen Gedichten in den Apostrophen manchmal die Aspekte-Sichtweise und manchmal die polytheistische Personalitäten- Sichtweise (siehe Kapitel zu den Göttern) deutlich wird, was für die theologische Betrachtung von Bedeutung ist. Die Vielfältigkeit der Anrede-Objekte, besonders innerhalb eines Gedichtes, ist zusätzlich ein Zeichen für den eklektischen Charakter (Auswahl verschiedener Götter und deren Verbindung und mögliche Zusammenstellung) wiccanischer Spiritualität. Die diversen Anredearten spiegeln auch die Stimmung des Sprechers wider: kurze Anreden 40 verweisen häufig auf eine reflektierende, nachdenkliche Stimmung, lange Anreden auf eine überschwängliche, aufgeregte Stimmung. In jedem Fall geht der Sprecher von einer Nähe zu einem zuhörenden Gegenüber aus, das jederzeit antworten kann, wie dies in manchen Gedichten, wie z.B. „Moon Song“ und „My Meeting with the Lady“, der Fall ist. In einigen Gedichten, vorwiegend in solchen, die als Invokationstexte und Hymnen an die Götter konzipiert sind, lassen sich statt des Pronomens ‘you’ die veralteten Formen ‘thee’ und ‘thy’ finden, Archaismen wie etwa in der englischsprachigen Bibel, z.B. in „A Hymn to Hermes“ (3, 12, 17), „King of the Wood“ (1, 3, 19, 31), „Invocation to the Three-Fold One“ (3, 5, „doth“, 6, 9, 16, 17). Dabei wird die Form in einem Text nicht immer durchgehend verwendet, z.B. in „Amaterasu II“ („you who art“, 2, aber „thee“, 17) oder „Hecate Chant Invocation“ („you“, 4, „your“, 9, aber „thee“, 16). Diese Archaismen drücken einerseits die Ehrerbietung gegenüber den angerufenen Göttern aus. Andererseits stehen sie in der Tradition des „Charge of the Goddess“ und der Historisierungsstrategie von Wicca als der Alten Religion. In Gedichten zu anderen Themenbereichen findet man diese Archaismen allerdings in der Regel nicht. 3.2 Sprecherperspektiven und Personalpronomen Die Sprecherperspektiven der Gedichte sind vielseitig. Je nachdem aus welcher Sicht der Text präsentiert ist, fokussiert er oft auf einen bestimmten Inhalt. Die im Text verwendeten Personalpronomen entsprechen häufig dem jeweiligen Themenschwerpunkt. Neben dem Sprecher der ersten Person Singular, dem ‘Ich’, begegnet häufig die Anrede an ein ‘Du’, eine ‘Sie’ als Akteur oder Mittelpunkt des Textes und schließlich der Sprecher als plurales ‘Wir’. Gerade in der religiösen Lyrik findet man meistens eine der drei Kommunikationssituationen: die Subjektivität und persönliche Erfahrung eines ‘Ich’, die Äußerung eines kollektiven ‘Wir’ oder die Ansprache an ein ‘Du’. Die hier untersuchten Gedichte von Wicca-Anhängern bilden da keine Ausnahme. Besonders viele Gedichte berichten aus der Perspektive des ‘I’, das heißt aus der Subjektivität der persönlichen Erfahrung. Bei diesen Texten handelt es sich in der Regel um die Beschreibung einer Begegnung des ‘I’ mit den Göttern, meistens mit der Göttin. So etwa in Ravenwitchs „Moon Song“, das mit einer begrüßenden Geste beginnt und über ein in den 41 Sprecher verlagertes Gespräch in ein wiccanisches Lebensbekenntnis mündet. Wie in diesem Gedicht geht es dabei häufig um die Schilderung einer besonderen Begegnung verbunden mit einer außergewöhnlichen Erfahrung, die die Begegnung zu einem einzigartigen Erlebnis macht. In „Moon Song“ betrifft dies die Erkenntnis über das Mysterium des inneren Wissens, „she holds me“ thematisiert die Erfahrung des Gefühls intensiver Geborgenheit und „Drawing Down the Moon“ beschreibt die besondere Erfahrung während des gleichnamigen Rituals, bei dem die Göttin bzw. eine bestimmte Göttin in den Körper der Priesterin eingeladen wird. Entsprechend der aufgewühlten Stimmung im Rahmen dieser Erfahrungen wird das Ereignis oft im Präsens beschrieben, was die Unmittelbarkeit zur Geltung bringt und das entsprechende Gefühl dem Leser zu vermitteln versucht. Durch die präsentische Zeitform wird der Leser bzw. der Rezipient in die Situation einbezogen und ermutigt, das Ereignis mitzuerleben. Die Kombination von ‘I’ und Präsenz zeugt in den wiccanischen Gedichten meistens für eine emotionsgeladene, aufgeregte, Unmittelbarkeit erzeugende Stimmung. Vermutlich scheint dies für die Dichter die angemessene Struktur zu sein, von Erfahrungen mit dem Göttlichen zu berichten. In „Lady of Love and Light“ -ein durch Konsonanz geprägter Titel -wird das erlebte Stadium der Angst, Verlorenheit und Verwirrung im Präsens beschrieben. Sobald jedoch auf dem Höhepunkt der Verzweiflung die Aufmerksamkeit auf die Göttin gelenkt wird (19), schwenkt der Text ins Imperfekt um und die als „madness“ (11) charakterisierte Innensicht des Sprechers wird durch die Ruhe und Klarheit stiftende Anwesenheit der Göttin abgelöst. Der Wechsel zur Ruhe vollzieht sich demnach auch in der Zeitform. In diesem Fall handelt es sich durchaus um eine „gezielt verwendete Opposition“ von Präsens und Präteritum (Müller, „Gegenwart“ 54f). Verwirrung und Verzweiflung schwenken mit dem Tempuswechsel in beruhigende Klarheit um, und vermitteln die Botschaft, dass die Göttin dem Sprecher Ruhe und erleichternde Geborgenheit bringt. Das Gedicht liefert ein gutes Beispiel, „dass der Tempuswechsel vom Lyriker [...] zur Darstellung wechselnder Bewusstseinszustände verwendet werden kann“ (Müller, „Gegenwart“ 56). Viele Gedichte berichten aus der Perspektive des ‘We’, das immer auch ein ‘I’ beinhaltet, das sich allerdings als Mitglied einer Gruppe versteht. Wir-Gedichte sind daher Ausdruck einer kollektiven bzw. gemeinschaftlichen Sprecheridentität. In seinem Handbuch zur Lyrikinterpretation unterscheidet Burdorf drei Typen von ‘We’: „ein nur das Gegenüber einschließendes Wir (>ich und du/ihr<), ein alle anderen ausschließendes Wir (>wir und nicht 42 du/ihr/sie<) und ein für alle offenes Wir (>ich und du/ihr/sie)“ (Burdorf 199). In wiccanischen Gedichten begegnen häufig der zweite und der dritte Typ. Das andere ausschließende ‘We’ bezieht sich häufig auf die Gemeinschaft der Wicca bzw. der Neuheiden. Dabei finden sich oft verteidigende und abgrenzende Elemente, Vorwürfe werden zurückgewiesen und die eigene Religion verdeutlicht. „We are what we are...“ beklagt, dass Wicca oft als „satanic“ oder als „freaks“ (7) bezeichnet und missverstanden werden. Der Text verweist auf soziale Probleme im zwischenmenschlichen Bereich („and tear our lives apart“, 11) und der Vers „We watch them destroy our mother“ (12) deutet einerseits auf die ökologische Komponente der Göttin als Mutter Erde und andererseits auf eine mögliche Defamierung der Göttin. Der unbetitelte Text von Margot Adler stellt in seinen Aussagen dar, wie Wicca sind. Dabei wird deutlich, dass diese Aussagen als Antworten auf bestimmte Behauptungen konzipiert sind. Es scheint, als sei der Sprecher müde, immer wieder gegen bestimmte Behauptungen angehen zu müssen, so dass er hier noch einmal energisch in kurzen Aussagen verschiedene Vorwürfe von sich und den seinen weist. In diesem Text wird der Kontrast zwischen dem ausschließenden ‘We’ und den ‘Anderen’ besonders deutlich: „“We are not what you think we are from looking at T.V.“ (8). Die letzten Zeilen gehen im besonderen auf die gewünschte Beziehung zwischen dem ‘We’ und den ‘Anderen’ ein und schließt mit der versöhnlichen Annäherung, dass man so unterschiedlich ja gar nicht sei: „You don’t have to be afraid of us. We don’t want to convert you. And please don’t try to convert us. Just give us the same right we give you – to live in peace. We are much more similar to you than you think.“ (13-17) Dabei lenkt das „peace“ der vorletzten Zeile zur Versöhnung in der letzten Zeile ein. Das ‘We’, die Wicca und Neuheiden, sind an einer friedlichen Atmosphäre im Umgang mit den ‘Anderen’ interessiert. Der zweite Typ des ‘We’ in wiccanischen Gedichten ist das ‘We’, das alle anderen einschließt. Dieser Typ basiert auf dem Gedanken, dass sich alle im ‘We’ Inbegriffenen die gleiche Erde teilen. Die Gedichte fokussieren häufig auf allgemeinmenschliche Züge. „We are 43 like the trees“ thematisiert die Abhängigkeit menschlichen Lebens von der Natur: „Would we survive without the trees [...] Would the trees survive without us?“ (39-42). Das universalmenschliche ‘We’ wird im Text als naturverbundenes und der Natur verpflichtetes ‘We’ dargestellt. Ein weiterer Reflektionspunkt für das alle einschließende ‘We’ ist die menschliche Sterblichkeit. Der Tod als Gleichmacher der Menschen betrifft ausnahmslos jeden und macht die Menschheit zu einer einzigen großen Familie: „As we are but travelers here, beneath this canopy of sky [...] the sight that links us all as kin“ („As We Are but Travelers Here“, 1-3). Auch die Tatsache, dass jeder seinen Weg gehen muss, ohne zu wissen, was ihn erwartet, verbindet die Menschen: „for each step shows a different path where wondrous journeys lay“ (18). Auch neuheidnische Dinggedichte, die auf den ersten Blick eigentlich auf Abwesenheit eines expliziten pronominalen Sprecher angelegt sind, kommen häufig nicht ohne das ‘We’ aus, an dem sich dann eine menschliche Grundeinsicht kristallisiert. Dies ist z.B. der Fall in „Blackberries“, wo die bittersüße Frucht mit dem Leben in seiner Sterblichkeit verglichen wird: „bittersweet bite and barb/ of our own mortality“ (5f). Ähnlich unverzichtbar begegnet das ‘We’ in „The Candle“, das zunächst die Kerze in ihrer Funktion und Brennweise beschreibt, um schließlich einen Generationenbezug herzustellen: „Pulls our history into our hearts/ We are with those who lighted/ Candles before us, and those before them/ And to timeless before“ (16-19). In diesen Texten fungieren die Objekte als Reflektionspunkte für spirituelle Einsichten, die auf das alle anderen einschließende ‘We’ ausweitet werden. Wenn das ‘We’ auch nicht die am häufigsten vertretene Sprecherperson in den Gedichten darstellt, so kann sie bei den wiccanischen Texten dennoch als besonders energische, emotionsgeladene und besonders stark reflektierende und nachdenkliche Person bezeichnet werden. Eine Fülle von Gedichten adressieren ein Gegenüber als ‘You’. Burdorf spricht in diesem Zusammenhang von einem ‘angeredeten Du’ (Burdorf 201ff). In der Regel richtet sich der Sprecher der wiccanischen Gedichte mit einer Botschaft oder Aufforderung an den Rezipienten. Im Fall von „All Knowledge: The ‘Secret’ of the Universe Revealed“ handelt es sich um eine Art Lehre, um eine Unterweisung, um eine Lektion. Meist geht es um die Aufforderung, etwas zu sehen, etwas zu erkennen oder wahrzunehmen. Dementsprechend sind diese Aufforderungen oft imperativisch formuliert. Beispiele hierfür sind „So open your eyes and enjoy the sight!“ („Seasons“, 16) und „Give your attention to all that you do/ And 44 you’ll find the light of your soul shining through“ (19f). Im Fall von „A child’s Eyes...“ entspricht das ‘You’ dem verallgemeinernden deutschen ‘man’. Es enthält eine Botschaft, die der implizite Leser an sich selbst verifizieren soll, nämlich dass es die Erwachsenen sind, die Kindern negative Eigenschaften vermitteln. Dass sich hierbei auch der reale Leser angesprochen fühlen soll, zeigt die letzte Zeile mit „When they look into our eyes...“ (13). Wenn in der Lyrik der Adressat des Textes oder ein fiktiv angenommener Zuhörer auch nicht mit einem intendierten Leser oder gar mit dem realen Leser verwechselt werden darf, so wird aus den einerseits eindringlichen Forderungen und den andererseits lehrhaft formulierten Formeln in den wiccanischen Texten doch deutlich, dass die entsprechenden Aussagen sehr wohl auch -und im Falle von „All Knowledge“ besonders -für den realen Leser gedacht sind (Burdorf 203). Die Texte wollen häufig im Leser eine bestimmte Wirkung erzielen und neue Gedankengänge anregen. Gedichte lesen heißt für Wicca vielfach über sich selber und die Religion lernen. Eine häufig in den wiccanischen Gedichten auftretende Figur, die als ‘She’ begegnet, ist die Hexe. Die Texte erzählen von ihr als naturverbundener, individualistischer Person, die anders als andere Menschen ihr Leben im Einklang mit den Göttern gestaltet. Dabei fungiert die „Witch“ als Kristallisationspunkt des wiccanischen Selbstbewusstseins. Die Hexe im Zentrum von „The Sussex Witch“ tanzt an einem besonderen Ritualplatz nachts zu Ehren der Götter. Mit der Feststellung, dass sie zwar körperlich dort alleine tanzt, im Geist aber mit ihr die vielen anderen Hexen der Vergangenheit, verweist das Gedicht auf die geschichtliche Dimension, auf den Rückbezug auf frühere heidnische Generationen, was für den Mythos der Wicca eine große Rolle spielt. In Scott Cunninghams „Witch Alone“ wird eine Hexe beschrieben, die mit den Rhythmen der Natur lebt, mit der natürlichen Vegetation und mit den Jahreszeiten. Ihr Leben ist durch unverschnörkelte Schlichtheit geprägt, ihre „tools are fashioned from the earth“ (17), sie ist die typische Kräuterhexe, die mit altem Wissen ihre Magie betreibt. Auch hier verweisen die letzten Zeilen wieder auf einen charakteristischen Bestandteil des wiccanisch-neuheidnischen Selbstbewusstseins, in diesem Fall auf die Gewissheit eines nachfolgenden Lebens. In „The Crone“ begegnet die Hexe zwar nicht explizit als ‘witch’, sondern als „old woman“ (1), aber die Beschreibung dieser alten Frau macht deutlich, dass mit der „Crone“ eine Hexe gemeint ist: „She takes in stray animals. She talks to them“ (8), „She is cobwebs and hot tea. She is dried herbs and/ small grey mice“ (21f) und „She has forgotten more than you can remember. She remembers more than she can 45 forget“ (13f). Diese Hexe ist sehr alt, und in dem Gedicht steht sie stellvertretend für die Vorfahren der Wicca („she is your ancestress, and her blood runs in your veins“, 32f) und für das Gefühl der Wicca, in ihrer Lebensweise nicht allein zu sein. Der Text „Witch“ beschreibt einerseits die Verwunderung Außenstehender angesichts der ungewöhnlichen Lebensführung der „witch“, und andererseits die Gleichgültigkeit anderer in Bezug auf die alternde Hexe. Das Gedicht äußert schließlich den Eindruck vieler Wicca, dass sie von der Außenwelt nicht wirklich verstanden werden („And no one understands...“, 29), was häufig dazu führt, dass das Leben als Hexe geheim gehalten wird. Der Tod der alten Hexe im Gedicht jedenfalls hinterlässt nur Unverständnis über das, was sie zurücklässt: vertrocknete Kräuter, nieder gebogene Äste einer Eiche und eine einzelne brennende Kerze. Die trübselige und einsame Stimmung des Gedichtes verweist dabei auf das Gefühl von Traurigkeit unter manchen Wicca angesichts der von außen entgegengebrachten Verständnislosigkeit. In anderen Gedichten ist die Hexe die magisch begabte Frau, die Hass und Abneigung in Liebe und Freundschaftlichkeit verwandeln kann („Conversion“, 20), die sich des Zusammenspiels von handfester materieller Arbeit und Magie bewusst ist („Wise Woman“, 8) und manchmal einfach auf ihr Glück vertraut („Spells“, 9). Betrachtet man die verschiedenen Gedichte, die von einer Hexe erzählen, als einzelne Bausteine, so fügen sie sich zu einem Bild der typischen ‘witch’ zusammen, wie sie im Wicca vielfach gesehen wird: magisch begabt, weise im Alter und als Hexe unsterblich. Häufiger als die Hexe tritt aber in den Gedichten noch eine andere Person als ‘She’ auf, nämlich die Göttin. Sie begegnet als „Mother Nature“ („Seasons“, 35), als „Moon of Mystery“ („Moon Song“, 3) und als ehrwürdige Göttin („Untitled“, Dr. Walter Mills). Stellenweise wird sie mit großem Anfangsbuchstaben (She, Her) geschrieben („A Devotional“, „Moon Song“, „The Haunted Lake“), in „In loving Memory of Jack Bridges“ in der letzten Zeile sogar ganz in Großbuchstaben (12). Sie begegnet in Gedichten zum Thema Tod (z.B. „The Maiden, The Mother, The Crone“, „Memories: Remembering those passed but not forgotten...“), viele Gedichte berichten von der Begegnung und Zwiesprache mit ihr (z.B. „Lady of Love and Light“, „My Meeting with the Lady“), sie ist die Mutter (z.B. „Her Face“, „Evening Message“, „On Religion“) und sie ist überall („Finding God“). Manchmal ist sie die „Lady“, manchmal „Demeter“ („Honor to the Goddess, Lady of Many Names“), „Inanna“ („Consorting with Ereshkigal“), Brigid („An Invocation to Brigid“) oder Vesta („Vesta“) und manchmal spricht sie in den Texten persönlich: „Seek not without, but deep within“ („Moon 46 Song“, 20f) und „Come sit with me“ („My Meeting with the Lady“, 23), auch ohne die Anführungszeichen der wörtlichen Rede: „As her voice whispered to me a most melodious tune,/ Your torment is over“ („Lady of Love and Light“, 26f). Bei der Sichtung des Materials wird deutlich, dass die Göttin für die Wicca immer gegenwärtig und immer für sie ansprechbar ist, mal steht sie als leise Gestalt im Hintergrund, mal ist sie direkter Ansprechpartner, in jedem Fall aber wird auf der Seite des Sprechers eine Kombination von Geborgenheitsgefühl und Respekt deutlich. 3.3 Ausrufe und Fragen In zahlreichen Gedichten finden sich Ausrufungssätze und Fragen. Sie sind in der Lyrik Zeichen für Subjektivität und Emotionalität. Ausrufe vermitteln einerseits eine hohe emotionale Betroffenheit und eine starke Eindringlichkeit, wenn es sich dabei um Aufforderungen handelt. Solche Aufforderungen richten sich an ein angenommenes Gegenüber und sind häufig im Imperativ formuliert: „So open your eyes and enjoy the sight!“ („Seasons“, 16) und „Cast the Circle,/ Call the corners,/ Dance ‘round the Sacred Tree“ („Cast The Circle“, 6-8). Darüber hinaus beinhalten viele Gedichte als Ausrufe konzipierte Aussagen, die durch das Ausrufungszeichen inhaltlich verstärkt werden. In „Seasons“ wird der Ausruf am Ende des Gedichtes sogar mit drei Ausrufungszeichen betont, „For Mother Nature is fair and wise/ And she always creates a new surprise!!!“ (35f), und das Augenmerk auf das letzte Wort „surprise“ gelenkt. In „The Law of Life“ ist eine formelhafte Lehre als Ausruf formuliert, was ihr ein großes Gewicht angesichts der angelegten Allgemeingültigkeit verleiht: „The only things we ever keep/ are the things we give away!“ (31f). Hier scheint das Ausrufungszeichen im Sinne eines ‘Erkenne das’ bzw. ‘Merk Dir das’ zu fungieren. Ähnlich verhält es sich bei „The answers are there all of the time,/ the answers are within you!“ („Nothing happens“, 5f). Mal zeigt sich in den Ausrufen das ‘I’ als Sprecher des Textes: „I will always be there, close by your side,/ ‘Til when we meet again on our spiritual cycle ride!“ („Another Life Goes on: I AM HERE“, 19f), mal spricht eine im Gedicht agierende Figur, wie z.B. die Hohepriesterin in „The Dedicant“: „And finally, the butterfly you shooed was the touch of the Gods!“ (38). In diesem Fall ist der Ausruf eine fast als Rüge formulierte Aufklärung für den Neophyten, der in seiner ersten Kontaktaufnahme mit dem Göttlichen im Kreis nicht erfolgreich war, weil er die Stimme der Götter nicht erkennen konnte. 47 An dieser Stelle sei noch ein Mittel erwähnt, das eine ähnliche Funktion hat wie der Ausruf: die durchgängige Großschreibung von Worten. Hierdurch werden bestimmte Worte hervorgehoben und betont. Die Großschreibung ganzer Worte ist stellenweise in Gedichten im Worldwideweb zu finden. In Korrespondenzen über das Internet, wie z.B. E-mail oder Postings, d.h. Meinungsäußerungen auf Webseiten, bedeutet Großschreibung eine höhere Lautstärke. Dementsprechend verleiht sie den betreffenden Gedichten eine gesteigerte emotionale Komponente und kann als Variation des Ausrufs gesehen werden. Beispiele hierfür sind „A LIGHT shone from the SHADOW of the MOON“ (25; als akustischer Kontrast dazu folgt in der nächsten Zeile „As her voice whispered to me a most melodious tune“) und „As I say „THANK YOU“ to her all over again“ (32) in „Lady of Love and Light“, „Please open them...and SEE!“ (35) in „Cast the Circle“, „SHE only takes the best“ (12) in „In loving memory of Jack Bridges“ oder „DO NOT FORGET, I am there when you need me [...] REMEMBER, ILL ANSWER, my soul does live“ (13-16) in „Another Life Goes On: I AM HERE“. Wenigstens ebenso häufig wie Ausrufe sind Fragen in den wiccanischen Gedichten vertreten. Sie verweisen auf eine starke Innerlichkeit, eine intensive Beschäftigung des Sprechers mit dem jeweiligen Thema und eine besondere Einbeziehung des Lesers bzw. des angenommenen Rezipienten. In „Samhain“ (Louis Elvira) wird das Fest zum Anlass für den Sprecher, verschiedene Fragen über sich selbst, das Summerland und die Zukunft zu stellen: „Will you see yourself?/ How deep is your faith?“ (4f), „Are the summer lands/ rich in color and life?/ Or are they but half forgotten shades/and dreams?“ (12-15) und „Will it bring a better year?/ Or shall we face the obsidian mirror/ once more?“ (25-27). Das Gedicht enthält viele Fragen, was dem Samhain-Fest als Neujahrsfest der Neuheiden und außerdem seiner Funktion als Reflektionszeit über den Tod entspricht. Ein weiteres Beispiel für mehrere Fragen ist der Text „He Sets Up His Feet“, wo sich die Fragen auf die Begegnung mit einem Fremden beziehen: „What darkness is there in a stranger leaning on the garden gate?/ Would you ask him to come in? [...] Would you be afraid if the stranger came in, laid down his cloak,/ told you his real name?“ (5-15) Andere Gedichte weisen nur wenige oder auch nur eine Frage auf, wie z.B. „The Bird Oracles“, in dem die Frage der letzten Zeile wie ein Rätsel anmutet: „What is the only direction a song can move?“ (24). Der Text „Witches Magic Rede“ hält einen angenommenen wiccanischen Rezipienten an, seine Intention für eine magische Arbeit zu überprüfen: „Are we casting for selfish reasons,/ Or, just because it is the season?/ Are we 48 helping one to terms,/ Or do we just want someone to squirm?“ (5-8). Die Frage „Yet we still love them for who they are,/ why can’t they?“ in „We are What we are...“ drückt das Unverständnis und die Enttäuschung des Sprechers angesichts der ablehnenden Haltung anderer Wicca gegenüber aus. Manche Fragen sind als rhetorische Fragen formuliert, die vom Rezipienten eine direkte, selbstverständliche Antwort erwarten, um ihn so in die Argumentation des Textes einzubeziehen. Ein Beispiel sind die drei Fragen gegen Ende des Gedichtes „We are Like the Trees“: „Would we survive without the trees, that guard our soil, the soil for our food..., the soil for the grass that feeds our cattle? [Nein] Would the trees survive without us? [Ja] Would we do damage to that which we rely so much upon? [Nein]“ (39-44) Ähnlich verhält es sich mit der folgenden Frage aus „Witch Alone“: „What need has she of flashing swords/ Of crystals glowing bright/ Of censors and of coloured cards/ That grace the Wicca rite?“ (13-16). Die erwartete Antwort ist, dass diese Hexe keine Verwendung für das ausschmückende Beiwerk hat, sie braucht es nicht und eigentlich, so impliziert die Frage, braucht es auch keine heute lebende Wicca. Und die Frage „How can caging passion and dreams be good?“ aus „On Religion“ erwartet die Antwort: ‘Das kann überhaupt nicht gut sein’. Andererseits begegnen auch Frage, die niemand außer dem Sprecher selber beantworten kann, weil sie sich auf die innere Befindlichkeit des Sprechers, ein individuelles Erlebnis oder auf eine psychologische Ausnahmesituation beziehen: „Was she a dream? I wondered aloud/ Maybe the shadow of a passing cloud?/ Or just atrick of my sleepy eyes?/ Or maybe the truth in what I’d thought were lies!“ („My Meeting With The Lady“, 29-32). 3.4 Metaphern, Vergleiche und häufige Motive 49 Eine der wichtigsten Metaphern in wiccanischen Gedichten ist der Kreis bzw. das Rund des Kreises auf verschiedene Art und Weise. Im Ritual ist der Kreis der Begegnungsraum mit den Göttern, in der Dichtung ist der das Symbol für das Wortfeld ‘rund’, dem zahlreiche Metaphern angehören. Besonders häufig begegnet das Bild des ‘wheel’. Es ist das Rad des Jahres und der Jahreszeiten. Ein „wheel turn“ („Tree Song“, 9) steht für ein Jahr und die Stationen auf dem „Wheel of the year“ („Yule-Wheel“, 1) sind die Jahreskreisfeste. Das Rad als Bild für ein Jahr mit seinen acht Speichen stellvertretend für die Jahreskreisfeste, „the Eight-spoked Wheel“ („A Hymn to Hermes“, 9), ist im Wicca ein fester Begriff im religiösen Vokabular (zum symbolischen Zusammenhang zwischen dem wiccanischen Jahreskreis und dem buddhistischen Rad siehe die Abschnitte zur Religions-und Kulturintegration und den Jahreskreisfesten). Weiter findet sich der Begriff ‘cycle’. Als „spiritual cycle ride“ („Another Life Goes On: I AM HERE“, 20) wird das Bild einer Fahrt auf einem Fahrrad für den sich nach neuheidnischem Glauben wiederholenden Kreislauf der Wiedergeburt evoziert. In „Moon Song“ beziehen sich die „cycles“ (25) auf die sich abwechselnden und wiederholenden Mondphasen. Ein Bild für das generelle Kommen, Gehen und Wiederkehren der Dinge ist der Uroboros, „the worm that bends/ To tongue its tail“ („Redbeard“, 17f). Es ist die Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt und dadurch keinen Anfang und kein Ende hat. Dementsprechend ist die Zeitauffassung der Wicca zyklisch gedacht, was durch das Paradoxon im Text unterstrichen wird: „End are in beginnings. [...] Beginnings are in Ends“ (9-18). Als dreidimensionales Bild begegnet auch der ‘womb’ als Bild der Geborgenheit. In „she holds me“ ist es der „fruitious womb“ (2) und in „Untitled“ (Glorianna) der „Fertile womb of Mother Earth“ (11). Der ‘womb’ steht für die Fruchtbarkeit der Erde und als weibliches Attribut für die Liebe und Geborgenheit der wiccanischen Göttin. In diesen Zusammenhang gehört auch das beliebte Bild der Spirale und deren gleichlaufende, kreisartige Bewegung. Die Spirale ist mal Bild für den Weltraum, mal die DNS-Spirale der menschlichen Existenz, mal die sich spiralförmig bewegenden Regungen des Geistes oder schlicht der Gang der Dinge im Lauf der Zeit. Beispiele sind „the spiral arms of our galaxy“ („Waning Moon Invocation“, 2), „the spiral within us“ („Waning Moon Invocation“, 5) oder „And through us/ the wheel turns again, and the spiral spins“ („Triple Goddess: III: The Crone“, 29f). Wie unterschiedlich Metaphern zu einem Gegenstand oder Sachverhalt sein können, zeigt sich am Beispiel des Mondes. Der Mond wird oft in einem Zusammenspiel von Licht und Form 50 präsentiert. Das Bild der zweidimensionalen „silver disk of light“ („Moon Song“, 4) erscheint in „Hekate Chant Invocation“ als „torch“ (9). Der Mond wird als Taschenlampe der Göttin dargestellt und entspricht damit dem auf der Erde sichtbaren runden Licht des Vollmondes. An dieser Metapher fällt auf, dass der Mond selbst als Lichtquelle qualifiziert wird, obwohl es eigentlich das Sonnenlicht ist, das auf der Erde zu sehen ist. In „Vigil“ begegnet der Mond in seiner Halbmondphase in einer Metapher-Vergleich-Kombination als angebissener, gelber Apfel: „The moon’s half-eaten tonight/ like the yellow apple“ (1f). In diesem Fall wird er in einem dreidimensionalem Vergleich erfasst, vor allem aber handelt es dabei um ein Bild aus der Natur. Und auch das wichtige Bild vom Rad wird mit dem Mond in Verbindung gebracht: „we lift our faces to that eternally turning silver wheel“ („Samhain“, Turtleheart, 2). Die Natur mit ihrer Vegetation und ihren Lebewesen ist der Bereich, dem die meisten Vergleiche und Metaphern in der wiccanischen Dichtung entstammen. Besonders die Komplexe Pflanzenwelt, Tiere, Licht, Schatten und Farben liefern vermehrt dichterische Bilder. Auch die Sinne werden je nach Text gezielt angesprochen. Im folgenden sollen für die einzelnen Teilbereiche einige Beispiele gegeben werde. Der angebissene Apfel als Bild für den Mond wurde oben bereits erwähnt. In „As We Are but Travelers Here“ werden unkontrollierte Gedanken von Macht und Überheblichkeit mit einem Feuer verglichen, das verschlingt und zerstören kann: „the thoughtless flame knows not between the rose and the briar“ (8). Das Feuer kann nicht zwischen den Rosen und dem Dornenstrauch unterscheiden und wie das menschliche Machtstreben wirkt es oft kontraproduktiv. Ein weiteres Beispiel für ein Bild aus der Vegetation ist die Weinranke, die in „The Green Man Is Watching Us“ die schicksalhafte Verbindung der Menschen verdeutlichet: „Our fates are as one,/ Entwined as the vines/ That climb to the sun“ (18-20). Auch „On Religion“ zeigt mit „Your life with all Life entwined“ (32) das Leben der Menschen als miteinander verwachsen und erinnert an das in der Primärliteratur häufig verwendete Bild vom Netz des Schicksals und der systematischen Verwobenheit in der Welt. Auch Tiere haben ihren festen Platz in der wiccanischen Lyrik, sei es als tatsächlich gemeinte Tiere, wie etwa die Katzen in „Witch“ (28), oder als Bildlieferant, wie z.B. in „In Broad Daylight“. Hier wird die Nacht mit einer herumschleichenden, bettelnden Katze verglichen. Dieser Vergleich passt auch zum Gesamtrahmen der Personifikation der Nacht im gesamten 51 Text. Wie die Katze ein Attribut der typischen Hexe ist, scheint sie auch in der Dichtung beliebt zu sein. Allerdings finden sich auch andere Tiere, so z.B. der Hund, der in „After the Harvest Moon: A Wish“ sein Fell verliert und damit als Bild für die Bäume fungiert, die im Herbst ihr Laub fallen lassen. Nicht unbedingt als Bildlieferant, sondern oft als tatsächliche Tiere begegnen auch Vögel, wie z.B. in „The Bird Oracles“. Ein wichtiges Element wiccanischer Dichtung ist das Spiel mit Licht, Schatten und Dunkelheit. In zahlreichen Gedichten trägt es wesentlich zur Atmosphäre bei, wie etwa im ausführlich besprochenen „The Maiden, The Mother, The Crone“ oder in „Lady of Love and Light“ (siehe Abschnitt zur dreifachen Göttin), wo immer wieder Hinweise zu den Lichtverhältnissen gegeben werden: „Nor light nor dark“ (16), „darkness descends“ (18), „darkness continued to fall“ (20), „A ring of light appeared“ (21) und „A LIGHT shone down from the SHADOW of the MOON“ (25). Andere Gedichte stellen Licht und Schatten in das Zentrum der Reflektion, wie etwa „The Candle“. Hier wird die Funktionsweise der Kerze in antithetischen, fast paradox anmutenden Formulierungen beschrieben: „Only has value when it is consumed“ (1), „Is a meaningless thing/ Until married to flame“ (3f), „Depends on another light for its own light“ (5), „Throws light, throws shadow“ (6) und „Echoes the past as it glows ahead“ (15). In der Nacht erscheinen Licht und Dunkel oft widersprüchlich: „Walking in darkness, under the moonlight“ (1, By the light of the moon...“. Im Text „In Broad Daylight“ wird die Nacht als Lebewesen dargestellt, ein Lebewesen, das sich tagsüber im Schatten versteckt, und das Gedicht mündet in der paradoxen Feststellung „night lingers/ all day“ (6f). Zum Bereich der Lichteffekte gehören im weiteren Sinne auch die Farben. So begegnen z.B. typische Farben der Jahreszeiten, besonders Herbstfarben („The Lady’s Autumn Robe“, „Tree Song“). Die Farben werden oft mit Edelsteinen in Verbindung gebracht, bei denen es sich ebenfalls um Naturprodukte handelt, z.B. „emerald eyes“ („The Maiden, The Mother, The Crone“, 15) für grün, der Opal als schillerndes Attribut des „opalescent moon“ („Mermaid“, 9) oder „obsidian mirror“ („Samhain“, Louis Elvira, 26) für schwarz und als Gesamtkomposition eines schwarzen Spiegels ein Bild für die ungewisse Zukunft. An anderer Stelle erscheint der Spiegel als Bild der reziproken Wirkungsweise der Handlungen eines Menschen („Giving works as surely as/ reflections in a mirror“ („The Law of Life“, 21f). Auch Edelsteine begegnen weiter vereinzelt, wie etwa in Form von „tiny gems of life“ (3) in „The Magick of Life“ als Bild für Samen, Zwiebeln oder Knollen, die im Boden 52 überwintern, um im Frühjahr aufzublühen oder als schmückende „man-made jewels“ (15) in „Mermaid“. Außer dem Sehsinn werden auch andere Sinne angesprochen. In „Drawing Down The Moon“ etwa der Tastsinn und das Fühlen: „It tingles on my skin“ (1), „Surging through my body“ (9) und „A warm and wonderful gift“ (12). In „Lady of Love and Light“ der Hörsinn: „I wrestle with signs, struggle with the sounds“ (7) und „a most melodious tune“ (26). Besonders eindrucksvoll geht „Blackberries“ auf den Geschmackssinn ein. Die Beschreibung des saftigen Zerkauens der Beeren kann dem Leser das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen und ist außerdem gespickt mit Metaphern: „filled with the sweet thick black-red blood [Saft] of the dying sun-god [Sonne], [...] those who do not ripen fully remain too red, too hard, too sour, on the vine, never entering the sharp-gated [Zähne], pink-tongued mouth, to be squeezed and shredded by desire, to enter the hot blood of the devouring creature [Mensch] whose opening and closing black center [Mund, Magen] is ever-scanning for the next mouthful of perfect purple plumpness [...]“ (1-15) Die wichtigste rhetorische Figur in den Texten, die auch die große Bedeutung der Natur für wiccanische Dichter verdeutlicht, ist die Vermenschlichung von Elementen aus der Natur, besonders von Bäumen. Sie reflektiert die grundlegende theologische Sicht der Wicca von der Identität von Mensch und Natur und der Belebtheit natürlicher Objekte. Auf die Personifikation der Nacht als streunende Katze in „In Broad Daylight“ wurde bereits eingegangen. Ein weiteres Beispiel für die Vermenschlichung der Erde, besonders als Mutter, liefert „On Religion“. Hier wird die Erde als Mutter dargestellt, die die Saat im Boden wie ein Kind umhegt und hätschelt: „The Mother coddles each seed you sow“ (23). In Valientes „Elegy for a Dead Witch“ ist es der Regen, der als Person gesehen wird: „Let the rain weep“ 53 (11), in „Earth Sign“ ist es der Wind: „Dancing barefoot/ As the northwinds play“ (15f) und „Untitled“ (Silver Willow) verleiht Wolf und Wiese menschliche Züge: „Off in the distance a wolf still sings his lonesome serenade/ And the meadow waits in silence“ (6f). Besonders menschlich aber erscheinen für wiccanische Dichter die Bäume. Sie flüstern: „Trees surrounding a meadow whisper secrets to the wind“ („Untitled“, Silver Willow, 3), „A soft creak is whispering“ („Peaceful Giants“, 3), sie singen: „the pine sings its song“ („Peaceful Giants“, 4), sie sind weise: „forever will they remain wise and beautiful“ („Peaceful Giants“, 12) und sie jubeln den Götter zu: „Hailing to the god and goddess above“ („Peaceful Giants“, 9). Sie haben Finger: „Your pointing fingers“ (2), trinken Tau: „Supping a fresh dew bath each morning“ (9) und tragen ihr Laub wie ein Kleid: „A new dress from spring each year“ („Old Tree in Shrubland Park“, 10). Sie sind lebende Personen: „spirits of standing people“ (4), „Host of [...] little apple spirits“ (5), „water’s friend“ (12), ihre Eigenschaften sind „Loveliness“ (11) und „Grace“ (12) und sie sind lebende Zeichen für die Wiedergeburt: „Old, yet young, re-birthed each wheel turn“ („Tree Song“, 9). Eine Weiterführung der Personifikation stellt der Text „The tree’s sight“ dar, der aus der Innensicht eines Baumes dessen Gedanken und Erlebnisvermögen zeigt (siehe Abschnitt zu Wicca als Naturreligion). In diesem Zusammenhang sticht der Text „We are Like the Trees“ hervor, weil er die Vermenschlichung der Bäume umkehrt in die ‘Verbaumlichung’ des Menschen. Das Verhältnis von Bäumen und Menschen und deren Ähnlichkeit wird im Gedicht detailliert durchkonjugiert und zu einem conceit aufgebaut: „Their inner rings, are like our memories. Their knotholes like our scars. Their branches, that sway with the wind, are like our arms, ...that reach for hugs. Their leaves, wiggle, giggle and sing... like the stories we tell, and we laugh.“ (2-9) 54 Der besondere Gedanke des conceit ergibt sich aus dem Rahmen, den die erste und die letzten Zeilen um den mittleren Korpus setzen: „We need the Trees [...] Earth Mother and spirits that dance with her, hear us... we have not forgotten you. May we learn to give you breath...“ (1-48) So wie die Bäume den Sauerstoff für den Menschen produzieren, ohne den dieser nicht leben kann, so hofft der Sprecher, der Erde, die er so sträflich vernachlässigt und zerstört, frischen Atem geben zu können. Der Mensch ähnelt den Bäumen nicht nur, er muß aktiv werden wie die Bäume, zum Sauerstoff spendenden Baum für die Erde werden, damit sie wieder atmen kann. In den Bereich der Natur gehört auch der Bezug zur Anderswelt in Form von manchmal auftretenden Fabelfiguren. Häufig begegnen in den Texten ‘Fairies’. Wie genau der Leser sie sich vorzustellen hat, sagen die Texte nicht, aber sie gehen von ihrer Existenz aus. So etwa das Gedicht „Untitled“ (Glorianna, 1f), wo die Bemerkung über die andersweltlichen Wesen, hier „pixies“ und „fairies“, den Text in die freie Natur verlegt: „On gossamer wings do fairies fly/ as pixies in their rosebuds lie“. In „Seasons“ wird der Frühling als die Jahreszeit qualifiziert, in der „fairies begin their work“ (13), um die Natur wieder aufleben zu lassen. Das eher melancholisch anmutende Gedicht „Witch“ beginnt mit der Aussage „She sees fairies“ (1) und beschreibt, bevor es auf andere Eigenschaften eingeht, als erstes diese Fähigkeit der Hexe. In „My Meeting With The Lady“ erscheint das Einhorn als Attribut der Göttin (7), die im Text auf den Sprecher zukommt, um sich mit ihm zu unterhalten. In „The Unicorn and the Satyr“ bezeichnet sich der Sprecher selbst als Einhorn und spricht ein Gegenüber als Satyr an. Der Satyr begegnet auch im Titel von „Sky Clad (The Satyrs’ Song)“. Schließlich ist auch die Meerjungfrau vertreten, deren verträumtes Dasein in „Mermaid“ geschildert wird. Die Fabelfiguren verdeutlichen den engen Bezug der Neuheiden zur Anderswelt, wie sie im Weltbild der alten Kelten gedacht wurde. Viele Neuheiden betrachten die Anderswelt als einen Bereich, der parallel zur menschlichen Welt existiert und der mit der 55 menschlichen Welt durch Übergänge verbunden ist und unter anderem durch spirituelle Techniken wahrgenommen werden kann. Aufgrund der Unmittelbarkeit der Wahrnehmung dieser Wesen in den Texten scheint die Grenze zwischen den beiden Welten eine sehr dünne und durchlässige zu sein. Im wesentlichen äußert sich hier die Überzeugung vieler Neuheiden, dass der Mensch nicht alleine ist auf der Welt und sein Leben mit anderen, nicht unbedingt sichtbaren Entitäten teilt. Der Übergang zum folgenden Merkmal mag etwas abrupt erscheinen, für Wicca scheint er allerdings nicht außergewöhnlich zu sein. Denn auch der Bereich von Wissenschaft und Technik begegnet, wenn auch nicht so häufig, in stellenweise verwendeten Begriffen, Metaphern oder auch als Hauptthema eines Textes. In „Prayers to a God and Goddess“ wird der Blitz als von dem Gott hervorgerufenes Licht beschrieben („your light“, 4) und gleichzeitig der Weg des Blitzes „electric“ (5) genannt. In „Samhain“ (Louis Elvira) öffnet sich der Vorhang („veil“, 3) zwischen den Welten mit einem „whine of electric air“ (2). Besonders in der Kombination von neuheidnisch-religiösem Inhalt und naturwissenschaftlichem Vokabular wird ein Weltbild deutlich, dass auf der Synthese von spirituellem Erleben und wissenschaftlicher Fundierung aufbaut. Auch die Metapher aus der Nachrichtentechnik in „The Law of Life“ weist auf eine enge angenommene Verbindung der beiden Bereiche im Leben von Wicca und Neuheiden: „Our thoughts are broadcasts of the soul“ (17). Positive Gedanken bringen Freude und traurige Gedanken lassen Schmerz auf den Menschen zurückkommen. Diese Gedanken werden mit Sendungen bzw. Übertragungen verglichen, die ausgestrahlt werden, was bedeutet, dass Gedanken nicht als „secrets of the brain“ (18) gesehen werden, sondern als Energien, die den Menschen verlassen und auch irgendwo ankommen und eine Wirkung hervorrufen, nicht zuletzt bei dem Sender selber. Die Gesetze des Lebens stehen für Neuheiden demnach in Zusammenhang mit wissenschaftlich darstellbaren Vorgängen. Dass sich Götterglaube und Computerwelt keinesfalls gegenseitig ausschließen, zeigt das humorvoll formulierte „Computer Blessing“, in dem der Sprecher die Göttin Eris um Schutz für seinen Computer bittet. Eris, die griechische Göttin der Streithaftigkeit und der Zwietracht und Schwester des Kriegsgottes Ares, möge Probleme technischer Art von der Maschine fernhalten und das Gerät in funktionierendem Zustand erhalten: „From the modem shall come wonders,/ Without line noise making blunders./ May it never catch a virus,/ And all its software stay desirous“ (11-14). Wenn man bedenkt, dass 56 viele Wicca in der Computer-Branche beschäftigt sind, überrascht der Text nicht (Berger/Leach/Shaffer 31ff). Schließlich stößt der Leser auf typische wiccanisch-neuheidnische Begriffe oder Formeln, wie ‘skyclad’, ‘deosil’, ‘So mote it be’ und ‘Blessed Be’. Häufig sind sie in die Texte wie unscheinbar eingeflochten. Dies ist etwa der Fall in „Hecate Chant Invocation“, „A Devotional“, „Aradia“ und dem ausführlicher besprochenen „Wiccan Night“. Die Gedichte verraten dem Leser etwas über ihre Bedeutung im Zusammenhang, besonders wenn ihnen ein ganzes Gedicht gewidmet ist, wie im Fall von „Sky Clad“: „Strip away the layers that block out sun and moon. [...] I know this skin must breathe. These pores naked be. Dancing free, these feet need the earth“ (7-19) 3.5 Verwendung der Zeiten Texte, die von einer besonderen Glaubenserfahrung berichten, wie etwa einer Begegnungserfahrung mit dem Göttlichen, werden zuweilen im Imperfekt (simple past) beschrieben. Dadurch wird z.B. in „My Meeting With The Lady“ und in „Lady of Love and Light“ (18-27) die Einmaligkeit dieser außergewöhnlichen Situation betont. Diese Einmaligkeit geht durch die Verwendung des Präteritum häufig mit dem Eindruck von „Verzauberung“ und „Entrücktheit“ einher (Müller, „Gegenwart“ 49). Die Beschreibung der Situation aus der Retrospektive legt außerdem den Eindruck nah, dass eine Transformation stattgefunden hat und dass das geschilderte Ereignis Auslöser einer Entwicklung oder Veränderung, oder sogar eine „Epiphanie“ war (Müller, „Gegenwart“ 54; Bone in Farrar/Bone Interview). Der Gebrauch des Präsens (simple present) ist allerdings sehr viel häufiger. Es wird verwendet, um die „Unmittelbarkeit“ einer Situation hervorzuheben und damit Spannung zu 57 erzeugen (Müller, „Gegenwart“ 46). Das Präsens vermag es, „den Gefühls-oder Bewusstseinszustand des sprechenden Ich intensiv zu artikulieren“ und den „akuten Seelenzustand“ wiederzugeben, was es zum „natürlichen Tempus“ der „poetischen Existenzaussage“ macht (Müller, „Gegenwart“ 45, 49). Eine starke Spannung wird in dem Text „How My Hair Caught Fire in My First-Ever Ritual and Ignited the Spark of My Mother’s Never-Yet-Relieved Doubts About My Spiritual Path“ deutlich. Die Episode, in der sich der Sprecher in seinem ersten Ritual die Haare mit geneigtem Kopf an einer Kerze verbrennt und die Mutter des Sprechers die Gefahr noch rechtzeitig mit Hilfe eines Feuerlöschers zu bannen vermag, ist im Präsens erzählt, so dass der Rezipient sich die Situation lebhaft vorstellen kann. Die Aufregung und der Humor der Situation werden außerdem dadurch verstärkt, dass das zentrale Verb (16) der Löschaktion bis auf die vorletzte Zeile auf sich warten lässt. Zusätzlich verleiht der elliptische Satzbau (1-4) dem Gedicht zusätzliches Tempo. Starke Subjektivität wird in „Drawing Down The Moon“ vermittelt, wo das intensive Erleben bei dem Ritual der Aufnahme der Göttin in den eigenen Körper aus der Sicht der Priesterin beschrieben wird. Schließlich wird das Präsens dort verwendet, wo Regelmäßigkeiten und Zyklen dargestellt werden, wie etwa die Laubfärbung der Bäume im Herbst in „Tree Song“ (17-20), der Lauf des Mondes in „Moon Song“ oder der Wechsel von Tag und Nacht in „In Broad Daylight“. Vielfach hängt es von der Vorliebe des einzelnen Dichters ab, ob er „in seinen Erlebnisgedichten zur Verwendung des Präteritum neigt“ (wie z. B. William Wordsworth oder in der religiösen Lyrik George Herbert) oder „zum Gebrauch des Präsens tendiert“ (z. B. John Keats oder John Donne; Müller, „Gegenwart“ 53f). 3.6 Verwendung von Partizipien In den wiccanischen Gedichten begegnen auch häufig Partizipien. Besonders das Partizip Präsens (present participle) ersetzt in einigen Texten die eigentliche Erzählstruktur. Ein Beispiel ist die Beschreibung der Bäume in „Tree Song“: „Earth rooted, twisting, warm in earth./ Growing straight and tall and twisting,/ [...] Tiny new leaf filling the Spring./ Green ones, cascading waterfalls of green“ (1-8). Weitere Beispiele für die Verwendung von Partizipien sind „Swaying gently to the rythm of the breeze,/ Mist illumination the air/ [...] Standing mighty and tall“ (Peaceful Giants, 1-5), „Nurturing../ [...] Prosperity ever seeking/ 58 [...] Ever reaching.. ever showing“ („Earth Sign“, 4-19) und „Passing time, into the dark of night,/ Standing hand in hand in the moonlight“ („Circle: Friends for life...always together“, 9f). Hier findet sich auch ein Beispiel für das Partizip Perfekt (past participle): „Words spoken in perfect love,/ carried higher than the flights of doves“ (5f). „The Storm“ beschreibt das Heraufziehen eines Sturms durchgängig in zügig aufeinander folgenden Partizipien: „Surging, flashing feel the energy of the storm mounting in the bloated clouds. Crashing, booming breaking at least over the waiting earth water pounding to the ground.“ (7-12) Erst gegen Ende des Gedichtes kehrt nach dem Sturm wieder Ruhe ein: „the dust of the masses washed away“ (18), wieder in Form eines Partizips. Das Partizip scheint in der wiccanischen Dichtung deshalb so beliebt zu sein, weil es erstens eine besondere Direktheit der evozierten Stimmung vermittelt und zweitens die Einfühlung und Teilnahme des Rezipienten bzw. Lesers durch die aktivische, prozesshafte Natur des Partizip Präsens fördert. Das Partizip Perfekt dient in seiner adjektivischen Funktion der bildlichen Ausgestaltung der im Gedicht dargestellten Szene. So wird durch das Partizip versucht, möglichst viel Stimmung, Situation oder Aussage in wenigen Worten zu vermitteln. 59 B. In-und Umwelt 1. Gerald B. Gardner „Oh, I have been beyond the town, Where nightshade black and mandrake grow, And I have heard and I have seen What righteous folk would fear to know!“ („The Witch’s Ballad“, Doreen Valiente) In der Literatur wird der Beginn der modernen Wicca-Bewegung mit dem Erscheinen des Buches High Magic's Aid im Jahre 1949 in Verbindung gebracht, das Gerald Gardner unter seinem Pseudonym und Ordo Templi Orientis-Namen ‘Scire’ (lat. wissen) veröffentlichte (Buckland, Inside 100). In dieser in Romanform geschriebenen Geschichte um magische Utensilien und Hexenrituale im 12. Jahrhundert erzählt Gardner in versteckter Form von seinen Erfahrungen und Eindrücken in der Hexengruppe, in deren Kreis er nach eigenen Angaben 1939 initiiert worden war. Gerald Brosseau Gardner wurde am 13. Juni 1884 in dem kleinen Ort Blundellsands, Lancashire in der Nähe von Liverpool geboren. Sein Vater William war im Rahmen seines Familienunternehmens für Bauholz häufig auf Reisen. Als Kind litt Gardner an Asthma, weswegen er auch mit vier Jahren in der Hoffnung, dass ihm das Klima dort helfen würde, mit einem Kindermädchen nach Europa geschickt wurde (Buckland, Inside 97; Asthma wird in England die Okkultistenkrankheit genannt, auch Aleister Crowley litt daran; Heselton, Cauldron 205). Als sein Kindermädchen heiratete, nahm sie ihn mit zu ihrem Ehemann nach Ceylon, wo Gardner später auf Tee-und Gummibaumplantagen arbeitete (Buckland, Inside 97). Während dieser Zeit begann er, die dort lebenden Ureinwohner und deren Glauben und Gebräuche zu studieren und aufzuzeichnen. Später zog er nach Borneo und ließ sich schließlich in Malaysia nieder. Hier studierte er die Lebensart der Saki und veröffentlichte 1936 sein erstes Buch über deren Geschichte und Folklore, besonders über die persönliche Waffe der Malaysier, einen Dolch, genannt „keris“ (Buckland, Inside 98; ; Gardner, Keris and other Malay Weapons). Seine Tätigkeit als Gummibaumplantageninspektor, -händler und Zollinspektor der britischen Regierung ermöglichte es ihm, auch seinem Interesse an 60 Archäologie weiter nachzugehen (). Nachdem Gardner sich 1936 aus dem Geschäft zurückgezogen hatte, ging er mit seiner Frau Dorothea, die er 1927 geheiratet hatte, nach England zurück. Dort lebte der zunächst in London, setzte seine archäologischen Studien auf Reisen nach Europa und Asien fort und zog 1938 nach Highcliffe bei Christchurch, Hampshire. Nach einem Aufenthalt in Zypern veröffentlichte er 1939 sein zweites Buch A Goddess Arrives, in dem er über die Verehrung der Göttin Aphrodite in Zypern um das Jahr 1450 v. Chr. schreibt. Während seiner Forschungen zur lokalen Geschichte der New Forest-Region bei Highcliffe in Hampshire kam er mit den Mitgliedern der esoterischen Bewegung „Rosicrucian Order Crotona Fellowship“ in Kontakt, die sich regelmäßig in einem kleinen Theater trafen und dort Stücke von Shakespeare und Stücke mit okkultem und spirituellem Inhalt von George Alexander „Mathew“ Sullivan, dem Gründer des Christchurch Garden Theatre, aufführten (z.B. Pythagoras, The Master Beyond, The Demon Monk, entstanden in den 20er und 30er Jahren; Heselton, Roots 60ff; Heselton, Cauldron 20). Durch diese Gruppe lernte er Mitglieder eines praktizierenden Hexenzirkels kennen. Aus Heseltons Veröffentlichungen ist bekannt, dass nicht die vielgenannte Dorothy Clutterbuck, sondern Edith Woodford-Grimes vermutlich die Leiterin eben dieses Zirkels gewesen sein muss, in den Gardner im September 1939 initiiert wurde (Heselton, Roots 264; Heselton, Cauldron 26ff, 217, 259ff, 394). Bis dahin waren sowohl Wicca-Anhänger als auch andere Autoren davon ausgegangen, dass „Old Dorothy“ Dorothy Clutterbuck die zentrale Figur des Coven gewesen war (Hutton, Triumph 205f). In diese Zeit fällt auch das Ereignis „Operation Cone of Power“ von 1940, bei dem der Hexen- Coven einschließlich Gardner und einige Mitglieder benachbarter Hexengruppen einen magischen Kreis gebildet, Energie aufgebaut und diese gegen Hitler und eine Invasion der Nationalsozialisten in England eingesetzt haben sollen (Hutton, Triumph 208). Dieses Ereignis ist eines der zahlreichen Beispiele dafür, dass man, was die tatsächlichen Fakten der Geschichte des modernen Wicca angeht, nicht immer sicher sein kann, dass selbst die Berichte so genannter Augenzeugen den Tatsachen entsprechen, denn nicht nur Gardner, sondern auch Aleister Crowley wird eine magische Anti-Hitler-Aktion zugeschrieben. Ein gewisser Amado Crowley, der sich selbst für einen Sohn Aleister Crowleys ausgab, berichtete, sein Vater habe zusammen mit einem Freund, Cecil Williamson, an einem Ritual mit Namen „Operation Mistletoe“ teilgenommen. Hutton erklärt allerdings, dass er in Crowleys 61 Tagebüchern weder einen Anhaltspunkt für die Ausführung einer solchen Operation noch irgendeinen Hinweis auf seinen angeblichen Sohn Amado fand (Hutton, Triumph 209). Auch eine Bekanntschaft mit Cecil Williamson, dem Leiter der damaligen britischen Hexenorganisation, ist zwar möglich, wird aber durch die Tagebücher Crowleys nicht bestätigt (Heselton, Cauldron 319, 372f; Hutton, Triumph 209). Deshalb vermutet Hutton auch, dass eine Anti-Hitler-Aktion tatsächlich eher Gardner zugeschrieben werden kann, was auch Heselton aufgrund seiner Nachforschungen bestätigt (Hutton, Triumph 209; Heselton, Roots 226ff). Obwohl die Mitglieder seines Covens zunächst nicht damit einverstanden waren, dass Gardner über sie zu schreiben gedachte, konnte er sie schließlich überreden, zumindest in fiktiver Form über die noch existierende ‘Alte Religion’ zu berichten (Hutton, Triumph 206; Buckland, Inside 100; Heselton, Cauldron 98, 215ff). Es war Gardner ein Bedürfnis, über die Rituale und den Glauben der Hexen zu schreiben: „Da es sich aber um einen aussterbenden Kult handelt, bedauerte ich sehr, daß all diese Kenntnisse verloren gingen. So bekam ich schließlich die Erlaubnis, einiges von dem, was eine Hexe glaubt, als Dichtung zu veröffentlichen. Dies tat ich in der Erzählung: ‘High Magic's Aid’.“(Gardner, Ursprung 12) „Der Kult ist im Untergehen, wie ich fürchte. Grund hierfür sind zum Teil die neuzeitlichen Bedingungen, die engen Häuser, die Kleinheit der modernen Familie, vor allem aber die Erziehung.“ (Gardner, Ursprung 125) Und im Vorwort zu High Magic's Aid erklärt Patricia Crowther: „Gradually, in the manner that water will wear away a stone, Gardner kept puttin forward his plans to ‘Old Dorothy’. He explained his fears that without new blood the Craft was doomed to extinction. And what about the Old Gods? How could They return without recognition? And so it went on.“ (Gardner, High 7) Doreen Valiente schließlich berichtet, dass kurz nach der oben genannten „Operation Cone of Power“ im Jahr 1940 mit der Energiearbeit gegen Hitler fünf Teilnehmer der Operation starben (Valiente, ABC 155). Außerdem waren auch die übrigen Mitglieder schon älter, so 62 dass Gardner unbedingt etwas tun wollte, um den Glauben an die ‘Alten Götter’ („Old Gods“) zu bewahren und vor dem Vergessenwerden und Aussterben zu retten (Valiente, ABC 155). Deshalb war es Gardner wichtig, besonders auch jüngere Menschen zu gewinnen, die sich im Herzen als Hexen fühlten (Valiente, ABC 155; Heselton, Cauldron 215). Nachdem 1951 der letzte Witchcraft Act in Großbritannien aufgehoben worden war, wonach nun Hexen ihren Glauben offen leben durften, ohne dafür bestraft zu werden (Hutton, Triumph 206), war es Cecil Williamson möglich, sein „Museum of Magic and Witchcraft“ auf der Isle of Man zu eröffnen, das zunächst unter der Bezeichnung „Folklore Centre“ geführt wurde und ursprünglich als Kommunikationszentrum für praktizierende Hexen aus aller Welt gedacht war (Valiente, Witchcraft 13). Gardner erwarb 1952 das Museum von Cecil Williamson. In der alten Mühle stellte er fortan seine Sammlung magischer Gerätschaften und Leihgaben seiner befreundeten Hexen aus (). Ein Jahr später lernte Gardner Doreen Valiente kennen, die seine engste Vertraute, Hohepriesterin und Co-Autorin des Gardnerischen Book of Shadows wurde. Ihre Ritualtexte und Beschreibungen der Rituale und des Glaubens wurden Grundlage für die Gardnerische Tradition (). 1954 veröffentlichte Gardner sein nicht-fiktionales Buch Witchcraft Today, was dazu führte, dass sich in England einige Coven bildeten, um die Alte/Neue Religion zu praktizieren. Da jedoch einige Hexen seines Covens, besonders Edith, nach wie vor mit Gardners „blatant publicity tendencies“ nicht einverstanden waren, trennten sie sich von Gardner (Bourne, Dancing 58; ). Dieser jedoch fuhr unbeirrt fort und veröffentlichte 1959 The Meaning of Witchcraft. In den folgenden Jahren initiierte Gardner weitere Coven-Mitglieder, z.B. Patricia Dawson, ihren späteren Ehemann Arnold Crowther und Raymond Buckland, einen in den USA lebenden Briten, der schließlich Wicca in die Vereinigten Staaten brachte. 1960 starb Gardners Frau, die nie seiner Hexengruppe angehört hatte, ihm aber stets eine loyale Partnerin gewesen war (Heselton, Roots 267f). Gardner selbst starb am 12. Feb. 1964 an den Folgen eines Herzinfaktes auf der Heimfahrt von einem Urlaubsaufenthalt im Libanon (). 63 Zweifelhaft bleibt, auf welche Gruppe Gardner im New Forrest-Gebiet nun tatsächlich gestoßen war und ob es sich dabei tatsächlich um einen Zirkel praktizierender Hexen mit ungebrochener Abstammungslinie handelte. Auch die Frage nach der ursprünglichen Hohepriesterin einer angenommenen Gruppe ist weiterhin ungeklärt. Heselton stieß bei seinen Nachforschungen auf eine Person namens Rosamund Sabine, die möglicherweise die Leiterin des Hexenzirkels gewesen war (Heselton, Cauldron 64). Als „Dafo“ identifiziert Heselton Edith Woodford-Grimes, die für Gardner eine wichtige Freundin und jahrelang engagierte Lehrerin in Sachen Hexenkunst war und die der Grund dafür gewesen sein kann, dass er sich in der New Forest-Region niederließ (Heselton, Cauldron 25ff, 125, 388). Ferner ist es laut Heselton möglich, dass die Einführung der rituellen Nacktheit im Wicca auf Edith Woodford- Grimes zurückgeht, oder einfach auf die Tatsache, dass Gardner selber eifriger Naturist und Nudist war (Heselton, Cauldron 115ff, 123f, 389). Diese und andere Fragen, die im Laufe dieser Arbeit noch begegnen werden, tragen zu einer gewissen Mystifizierung bei. Manche Ungenauigkeiten sind auf die lückenhafte Quellenlage oder auf das schwache Gedächtnis so manches Zeugen zurückzuführen. Teilweise ist sicherlich auch gezielte ungenaue Berichterstattung zu unterstellen, wie Heselton anklingen lässt, wenn er über Gardner bemerkt: „perhaps [...] he enjoyed people getting the wrong idea about things without actually having to tell untruths“ (Heselton, Cauldron 24; So ließ sich Gardner z. B. mit seiner Frau 1952 in London unter den Namen „John and Mary Gardner“ in der Wählermeldeliste registrieren. Heselton, Cauldron 346, 392). Man kann feststellen, dass Gerald Gardner über ein großes archäologisches, völkerkundliches und magisch-esoterisches Wissen verfügte. Die Beschäftigung mit der Archäologie und den Gebräuchen der malaysischen Ureinwohner führt Hutton auf einen „active antiquarianism“ zurück (Hutton, Triumph 205). Außerdem war sein großes Interesse am Übernatürlichen die Triebfeder für seine intensive Beschäftigung mit religiöser und okkulter Literatur (). Persönliche Erfahrungen sammelte er im Rahmen der magischen Stammeshandlungen, denen er in Malaysia beiwohnte, und seiner Aktivitäten in zahlreichen esoterischen Gemeinschaften, z.B. der Rosicrucian Order of Crotona Fellowship, sowie im Kontakt mit Mitgliedern des Ordo Templi Orientis, in den Gardner 1947 durch Aleister Crowley -nur durch Unterschrift und pro forma, nicht aber durch entsprechende Rituale -initiiert wurde (Heselton, Roots 19; Heselton, 64 Cauldron Kapitel 5, 8 und 9; Hutton, Triumph 205f). Gardners Beschäftigung mit magischen und okkulten Themen gepaart mit einem starken Selbstbewusstsein und einem gewissen Drang nach öffentlicher Anerkennung führte schließlich dazu, dass Wicca bei seinen Zeitgenossen bekannt und attraktiv wurde. 65 2. Religions-und Kulturintegration im Wicca „We drank the wine, and broke the bread, And ate it in the Old One’s name.“ („The Witch’s Ballad“, Doreen Valiente) „If Gardner can create stuff, why can’t we?“ (Gavin Bone, Interview) Bei der Betrachtung der Bausteine der Wicca-Religion bilden zwei Dinge die Grundlage aller Beobachtungen: Wie jede Religion hat Wicca irgendwo ihren Anfang und alles im Wicca kommt irgendwo her. Die erste Feststellung beschreibt Kelly so: „In emphasizing that the Craft is a new religion, and not the survival of an old religion, I am not ‘debunking’ it. Rather, I am insisting on its ontological equality with every other religion, because [...] all religions begin as new religions, which then survive only because they continue to evolve and adapt themselves to changing circumstances. [...] the creating of new religions is a normal, healthy, and universal activity by which creative people [...] in all societies attempt to meet their own religious needs [...].“ (Kelly, Crafting 2f) Der Hinweis auf den Anfang der Wicca-Religion ist deshalb wichtig, weil der wiccanische Mythos der Alten Religion und der ‘Burning Times’ postuliert, dass die Wurzeln von Wicca bis in die paläolithische Zeit zurückreichen, während man es aus historischer und religionswissenschaftlicher Sicht mit einer „neuen Religion“ zu tun hat. Was die zweite Feststellung angeht, so formuliert Lanczkowski, was nicht zuletzt auch auf Wicca zutrifft: „Keine Religion entsteht aus dem Nichts, keine Stiftung erfolgt in einem religiösen Vakuum.“ (Lanczkowski 93). Auch Kelly bemerkt, dass es unter anderem die Aufgabe jeder Religionsforschung ist, den Entstehungszeitraum einer neuen Religion genauer zu betrachten. Er weist darauf hin, dass Forscher sich im Falle der Wicca-Religion angesichts der zeitlichen Nähe zu den Anfängen in der glücklichen Lage befinden, Dokumente, wie z.B. Korrespondenzen, Tagebucheinträge und Textsammlungen, zu begutachten und die Entstehungsgeschichte relativ verlässlich zurückzuverfolgen zu können. Sein Verdienst ist die kritische Betrachtung des ersten Schattenbuches, dem Book of Shadows, von Gerald Gardner 66 und die Identifizierung von Textpassagen aus unterschiedlichen Quellen. Dazu gehört etwa die Herleitung der Ausführungen zu den wiccanischen Ritualutensilien aus dem Key of Solomon von Mathers. Diesem Text und dem Neophyten-Ritual des Golden Dawn entstammen auch die Grundzüge des Kreisaufbaus und die Weihung des Pentakels (Kelly, Crafting 47ff). Zusätzlich beschreibt Kelly den Einfluss von Murrays The Witch-Cult in Western Europe und The God of the Witches auf Gardners Ausführungen in Witchcraft Today bezüglich der Feier der Sabbate und deren Präsentation im Schattenbuch. Mit Crafting the Art of Magic zeigt Kelly die verschiedenen Stadien der Entwicklung des gardnerischen Schattenbuches und erörtert wie das entsprechende Material zur Formung des wiccanischen Arbeitstextes kombiniert wurde. Ronald Hutton erörtert in The Triumph of the Moon (1999) die gesellschaftlichen und kulturellen Umstände, die auf die Wicca-Religion vorbereiteten. Das Klima des 19. und frühen 20. Jahrhunderts lieferte den Nährboden und die kreativen Ideen für die neue polytheistische Religion. Besonders die Romantik und die ethnologischen Forschungen von Sir Edward Tylor und Sir James Frazer brachten grundlegende Impulse. An dieser Stelle kann und soll weder die engagierte Quellenarbeit von Kelly noch die umfassende geschichtliche Aufarbeitung von Hutton wiederholt werden. Die entsprechenden Arbeiten liefern detailliertes Material und Erklärungen für die verschiedenen Komponenten in der Entwicklung des modernen Wicca. Im Rahmen dieser religionswissenschaftlichen Arbeit soll jedoch ein kurzer Überblick vermittelt und auf einige wichtige Beispiele eingegangen werden. Zahlreiche Elemente im Wicca gehen auf die ersten Logen der Bauhütten und den daraus entstehenden Freimaurern zurück, die sich im 17. und 18. Jahrhundert bildeten. Die Freimaurer nannten ihre Verbindung „the Craft“ (Wilmshurst). Dieser Name wird auch unter Wicca häufig verwendet, hier allerdings mit Blick auf das Hexenhandwerk und in Anspielung auf magische Tätigkeiten. Auch das System der drei Grade ist durch die Freimaurer inspiriert: „Three degrees or stages of such opening are postulated. First, one appropriate to the apprentice stage of development; a simple [...] call to ‘lift up your hearts!’ above the everyday level of external things. Second, a more advanced opening [...] is one specially involving the use of the psychic and higher intellectual nature [...]. Third, a still more advanced opening, 67 declared to be ‘upon the centre,’ for those of Master Mason’s rank, and pointing to an opening up of consciousness to the very centre and depths of one’s being.“ (Wilmshurst 112) Bei der Adaption der drei Grade im Wicca geht es allerdings alleine um die Struktur und die äußere Form des Grade-Systems, nicht um die Übernahme von inhaltlichen Vorstellungen, wie etwa die freimaurische Orientierung am biblischen Schöpfergott. Auch die Charakterisierung des jeweiligen Grades ist im Wicca eine andere. Darüber hinaus arbeiteten auch schon die Freimaurer mit den vier Himmelsrichtungen und bestanden, wie besonders die ersten Wicca-Coven, auf die uneingeschränkte Verschwiegenheit ihrer Mitglieder. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gründete eine Gruppe britischer Freimaurer die Gesellschaft der Rosenkreuzer und aus deren Reihen wiederum wurde schließlich unter William Wynn Westcott und Samuel Liddell Mathers der Hermetic Order of the Golden Dawn gegründet, dessen „main purpose was to study and to work ritual magic“ (Hutton, „Modern“ 11). Hier wurden Ritualutensilien, wie z.B. das Messer und der Kelch, verwendet und das Zeichen des Pentagramms rückte in den Vordergrund (Das Pentagrammritual, das noch heute von Magiern praktiziert wird, verdeutlicht den großen Einfluss der Kabbala auf Ritualpraxis und Lehre des Golden Dawn. Selbst in manchen wiccanischen Werken wird die Kabbala erklärt und auf eine für Wicca relevante Weise umgedeutet; siehe z.B. Farrar/Bone, Progressive). Auch verschiedene literarische und pseudo-wissenschaftliche Werke haben einen grundlegenden Einfluss auf die Entstehung des modernen Wicca gehabt. Dabei lieferte Murrays Witch-Cult das -damals bereits umstrittene -historische Gerüst von der alten Hexenreligion, deren Anhänger sich zu Sabbaten zusammenfinden, um einen gehörnten Gott der Fruchtbarkeit zu verehren. 1954 schrieb Murray auch die Einleitung zu Gardners Witchcraft Today, lieferte dieser doch offensichtlich Beweise für die tatsächliche Existenz des von ihr postulierten alten überlebenden Hexenkultes. Die Vorstellung der einen Göttin, die sämtliche anderen Gottheiten in sich vereint und integriert entstammt dem Werk Der goldene Esel von Apuleius aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus: „Also geschmückt und des seligen Arabiens Wohlgeruch um sich verbreitend, würdigte die hohe Göttin [Isis] mich folgender Anrede: ‘[...] Ich, Allmutter Natur, Höchste der Gottheiten, [...] ich, die ich in mir allein die Gestalt aller Götter und Göttinnen vereine, [...] die alleinige 68 Gottheit, welche unter so mancherlei Gestalt, so verschiedenen Bräuchen und vielerlei Namen der ganze Erdkreis verehret: [...].“ (Apuleius 247f) Es folgt eine Liste von Göttinnen verschiedener Kulturkreise und die Enthüllung von Isis als dem wahren Namen der Göttermutter. Neben dem Goldenen Esel ist der Einfluss von Lelands Aradia unverkennbar. Die Tochter der Göttin Diana wird hier als Befreierin aller Unterdrückten und als Lehrerein aller Hexen dargestellt und der Vollmond gilt als die richtige Zeit für Versammlungen in ihrem Namen (Leland, Aradia: Lehren 13-18). Die Verwendung des Namens Aradia für die Göttin in einigen gardnerischen und alexandrinischen Coven geht ebenfalls auf Lelands Text zurück und es finden sich Formulierungen aus Aradia im „Charge of the Goddess“ wieder. Die Basis für das Konzept der dreifachen Göttin und damit den Kern der wiccanischen Göttinnenvorstellung lieferte Robert von Ranke-Graves mit Die Weiße Göttin. Zwar wurde seine poetisch-mythische Arbeit oft als wissenschaftliche Abhandlung missverstanden, nichtsdestotrotz inspiriert sie nach wie vor Wicca der unterschiedlichsten Traditionen und Ranke-Graves’ Beschreibung der dreifachen Göttin könnte auch ein wiccanisches Lehrbuch nicht besser formulieren: „Ich erzähle von ihr als der Weißen Göttin, denn weiß ist ihre Hauptfarbe, die Farbe des ersten Gliedes ihrer Mond-Trinität, [...] der Neumond [d.h. zunehmende Mond] [ist] die Weiße Göttin von Geburt und Wachstum [...]; der Vollmond die rote Göttin von Liebe und Kampf; der Neumond [d.h. der abnehmende Mond bzw. Dunkelmond] die Schwarze Göttin von Tod und Wahrsagerei.“ (Von Ranke-Graves 79). In Bezug auf die Herkunft der wiccanischen Bausteine aus anderen religiösen Systemen sei ein weiteres Beispiel für den religions-und kulturintegrativen Charakter von Wicca genannt: die von vielen Anhängern geteilte Vorstellung von der Weiterverkörperung, der Reinkarnation. Die Theosophische Gesellschaft, die 1875 in New York gegründet wurde, machte die Religionen Indiens in der westlichen Welt bekannt. Zwar band sie die östlichen Gedanken in ihr neues Konzept einer spirituellen Entwicklung des Menschen zu einem höheren Dasein im Laufe mehrerer Leben ein, weckte parallel dazu jedoch auch Interesse für die Grundlagen des Hinduismus, Buddhismus und Jainismus. Besonders das in der Bhagavadgita vermittelte hinduistische Bild des unzerstörbaren atman, der sich von einem 69 Leben zum nächsten weiterbewegt, besaß für viele christlich geprägte, westliche Menschen eine große Anziehungskraft: „Wie ein Mensch ein abgetragenes Gewand ablegt, wirft der dem Körper Innewohnende seine von der Zeit verschlissene menschliche Hülle beiseite und zieht sich eine neue an. Der Innewohnende -das Selbst, der Atman -bleibt unbeeinflusst von allen weltlichen Veränderungen. Er wird nicht von Waffen verwundet, von Feuer verbrannt, von Wind ausgedörrt oder von Wasser durchnässt.“ (Bhagavad Gita Teil 1, Kapitel 2, Vers 22-23) Im Laufe dieser Wiedergeburten modifiziert sich je nach Lebensführung die Bilanz des individuellen Karmas, welches zu einer nachfolgenden günstigen oder eher ungünstigen Wiedergeburt führt. Der Buddhismus geht demgegenüber davon aus, dass ein Selbst im Sinne des atman im Menschen und seiner geistig-körperlichen Beschaffenheit nicht zu finden ist. Auf die Frage nach der Existenz bzw. Nichtexistenz des atman schweigt Buddha. Mensching formuliert den Kern der an-atta-Lehre so: Mit der Lehre des Nicht-Ich „will der Buddha das eigentliche Selbst [...] der Welt der Erscheinungen, also dem konkret Daseienden und damit jeder Erkenntnis und Benennbarkeit entziehen“, denn „keines der endlichen und vergänglichen Daseinselemente [ist] ‘mein Ich’ [...]. Die Verweigerung einer Aussage über die Existenz bzw. Nichtexistenz eines eigentlichen Ich [...] hat den Sinn, daß die aus der endlichen Welt stammenden und nur auf sie bezüglichen Kategorien des ‘Seins’ bzw. ‘Nichtseins’ auf das Absolute keine Anwendung haben“; Mensching, Buddhistische Geisteswelt 51f; siehe auch Schumann 181ff). Wiedergeburten und Karma bewegen sich im Buddhismus vielmehr in einer Art Energieübertragungssystem (Schumann 141). Nichtsdestotrotz ist der Mensch auch nach dieser Vorstellung eingebunden in den Kreislauf des Samsara, aus dem er nur durch die wahre Erkenntnis heraustreten kann. Die für die Religionen Indiens zentral gewordene Idee von der Weiterverkörperung wird im Wicca mit der Vorstellung der Wiedergeburt bei den alten Kelten verknüpft. Das romantische Aufblühen des Interesses an der keltischen Kultur und an entsprechenden -zum Teil gefälschten -Schriften (z.B. durch J. Macpherson) seit dem 18. Jahrhundert als Kultur des alten Britannien machte die Konzeption der Anderswelt und des Summerland bekannt. Die Aussagen aus den verschiedenen Quellen zum Leben der Kelten und ihrer Religion sind im Hinblick auf das Thema Wiedergeburt allerdings eher ungenau. Bekannt war jedoch das 70 Summerland als der menschlichen Welt ähnlicher und ihr parallel zugeordneter Rekreationsort für Verstorbene. Auf dieser Grundlage verschmolz nun die Idee der Wiedergeburt der unsterblichen Seele mit der Vorstellung einer Zwischenstation, wo sich die Seele ausruhen und auf ihr neues Leben vorbereiten kann. Ein weiteres Beispiel zeigt, dass nicht nur heute Wicca je nach Erfahrung und Interesse des Einzelnen neue Züge erhalten kann, sondern dass schon in der Anfangszeit des modernen Wicca stetig neue Ideen eingebracht wurden und an der neuen Religion ‘gebastelt’ wurde. Unter den Einträgen im Gardnerischen Book of Shadows finden sich für das Jahr 1949 lediglich Rituale für die Feste „November Eve“, „February Eve“, „May Eve“ und „August Eve“, also Samhain, Imbolc, Beltane und Lughnasadh. Erst 1957 wurden weitere Einträge für „Spring Equinox“, „Summer Solstice“, „Autumn Equinox“ und „Winter Solstice“ verfasst. Es waren die Mitglieder seines Hauptcovens, die Gardner 1958 darum baten, alle acht Feste zu dem wiccanischen Ritualjahr zusammenzusetzen und als festes System zu integrieren (Hutton, „Modern“ 53). Gardner stimmte zu und der Jahreskreis der acht Feste war geboren. Inwiefern die Zahl acht, die außer in den Jahreskreisfesten auch in der Liste der Techniken zu Magie und spiritueller Arbeit im Schattenbuch begegnet, letztlich auf eine Inspiration durch den achtfachen Pfad des Buddhismus zurückgeht, ist nicht sicher. Ganz abwegig scheint der Gedanke aber nicht zu sein, denn die Liste der Meditations-und Trance-Techniken trägt bereits 1953 den Titel „The Eightfold Way. Eightfold Path or Ways to the Centre“. Die angeführten Beispiele zeigen, dass Wicca nicht nur im weiteren Verlauf der Entwicklung bis heute eine eklektische Religion ist, sondern dass sie es von Anfang an war. Im Hinblick auf die Einbeziehung wiccanischer Lyrik im Rahmen dieser Arbeit, ist außerdem von Bedeutung, dass auch die englische romantische Lyrik ihren Beitrag zur Formung einer ‘heidenfreundlichen’ Stimmung im England des 19. und frühen 20. Jahrhunderts geleistet hat. Für die Schaffung des Klimas, das die Entstehung der neuheidnischen Wicca-Religion begünstigte, waren nach Hutton drei Kräfte verantwortlich: Bewunderung für das alte Griechenland, die nostalgische Betrachtung der Vergangenheit und die Sehnsucht nach der Verbindung von Mensch, Kultur und Natur (Hutton, Triumph 21ff). Diese drei Faktoren vereinte die deutsche Romantik in ihren Vertretern Goethe, Schiller und Hölderlin. Schließlich erreichte diese mit Natursehnsucht gepaarte Verehrung der alten heidnischen Kulturen auch England. Besonders für Keats und Shelley, die den Glauben an das traditionelle 71 Christentum verloren hatten, stellte die Natur die Verbindung zwischen Mensch und der alten heidnischen Religiosität dar (Hutton, Triumph 24). Während Keats den Verlust des alten Heidentums in „In Disgust for Vulgar Superstition“ betrauert „Glory and loveliness have past away; For if we wander out in early morn, No wreathed incense do we see upborne Into the east, to meet the smiling day:“ (Zeilen 7-10), formuliert Shelley energischer, wenn er in „Ode to Liberty“ (1820) schreibt, dass die Priester des Menschen Weg zur unbekannten Macht nicht fördern, sondern vielmehr versperren (Göller, 177). Schließlich war es Swinburne, der in „Hertha“ die Gottheit, die dem Menschen in der Natur begegnet, als Göttin beschreibt. Das 19. Jahrhundert war geprägt von dem Bewusstsein der „life-affirming qualities of the old religions“ und dieser Charakterzug blieb bis ins frühe 20. Jahrhundert bezeichnend für die britische Kultur (Hutton, „Modern“ 20). 2.1 Bemerkungen zum Begriff ‘Synkretismus’ Angesichts der vielfältigen Einflüsse, die im Wicca ihre Spuren hinterlassen haben und bis heute eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Religion spielen, sollen an dieser Stelle ein paar Bemerkungen über der Begriff ‘Synkretismus’ folgen. In der Religionswissenschaft wird der Begriff heute mit der Zielsetzung eines praktikablen Bedeutungs-und Verwendungssystems häufig diskutiert, aber nur zögerlich verwendet. Das liegt erstens an der Schwierigkeit, ein terminologisches System zu erarbeiten, das Phänomene und Prozesse der Interaktion zwischen Religionen möglichst umfassend abdecken soll, und zweitens an der negativen Bedeutungsimplikation, die der Begriff im Laufe der Religionsgeschichte überwiegend erhalten hat. Besonders aus christlicher Sicht bedeutete Synkretismus Schwäche, Abfall, Gefahr und Niedergang (Berner, Untersuchungen 6). Ulrich Berner hat mit Untersuchungen zur Verwendung des Synkretismus-Begriffes den Vorschlag für ein terminologisches Modell vorgelegt, das sich in der Praxis bereits als durchaus hilfreich erwiesen hat (Hutter 1961f). Besonders die Differenzierung zwischen einem Synkretismus auf System-Ebene, also die Veränderung von Religionen als 72 Gesamtsystemen, und einem Synkretismus auf Element-Ebene, der Modifikation von einzelnen Elementen innerhalb einer Religion, wie z.B. Eigenschaften bestimmter Götter, trägt zur klareren Einordnung von Prozessen bei. Was Berner als Systematisierung bezeichnet, nämlich die gegenseitige Einflussnahme zweier Religionen, grenzt jedoch die problemlose Übertragbarkeit seines Modell auf die Entwicklungen im Wicca stark ein. Wicca bedient sich nämlich nicht nur Elemente anderer Religionen, wie z.B. des Buddhismus, sondern wie oben gezeigt auch eines breiten Spektrums von Elementen aus ganz unterschiedlichen Gebieten, wie z. B. der Literatur oder aus Ereignissen der Geschichte (Hexenverfolgung). Dieses Phänomen nennt Berner vertikale Systematisierung, räumt aber ein, dass es hier einer weiteren Differenzierung für den Fall bedarf, dass sich Prozesse dieser Art überhaupt noch unter den Begriff Synkretismus einordnen lassen (Berner, „Synkretismus“ 151). Will man jedoch die Entwicklungen im Wicca mit Berners Terminologie erfassen, so lässt sich erstens für die Anfangszeit eine Art Synthese auf System-Ebene feststellen, was bedeutet, dass durch eine Neukombination und vor allem durch die schöpferische Neuformung von Elementen, wie z.B. ‘die Göttin’ und ‘der Gott’ oder die genuin wiccanische Göttin als dreifache Göttin, ein neues System entsteht, das ursprüngliche Element-Bedeutungen transzendiert und im Sinne der neuen Religion neu deutet und umdeutet; das neue System bedeutet mehr und etwas anderes als die Summe seiner Teile (Berner, Untersuchungen 97). Zweitens findet in der Folgezeit und bis heute vertikale Systematisierung auf Element-Ebene statt, wobei Impulse aus anderen Religionen, Kulturen, aus Kunst, Literatur und Wissenschaft aufgenommen und eingearbeitet werden. Schließlich bleibt zu erwähnen, dass auch der Prozess der Distanzierung von anderen Systemen, den Berner als Gegenpol zum Synkretismus Relationierung (hier besonders harmonisierende Relationierung) nennt, für Wicca besonders in der Abgrenzung vom Christentum eine große Rolle spielt (Berner, Untersuchungen 98). Die vielfältigen Prozesse im Wicca gehen jedoch über ein Zwei-Religionen-Mischungsmodell hinaus, so dass abgesehen von der obigen Darstellung nicht zuletzt auch wegen der negativen Konnotation im folgenden auf den Begriff Synkretismus verzichtet werden soll. Fritz Stolz schlägt für die Religionswissenschaft vor, alternativ mit dem Begriff ‘Austauschprozess’ zu arbeiten (Stolz, „Synkretismus“ 528). Im Rahmen dieser Arbeit allerdings ist es von größerer Bedeutung, diese Prozesse wie oben an entsprechenden Beispielen zunächst zu beschreiben. 73 2.2 Gardner -der Stifter Die Feststellung von Lanczkowski, dass Religionsstiftung nicht in einem „religiösen Vakuum“ erfolgt, führt mit Blick auf die Gründung von Wicca zum Ausgangspunkt dieser neuen Religion: Gerald Gardner (Lanczkowski 93). Auch wenn Gardner nicht die reine Form eines Religionsstifters darstellt, die nach Parusel in der geschichtlichen Wirklichkeit ohnehin meist nicht vorkommt, so kann man ihn durchaus als Stifter bzw. Gründer sehen (Parusel, Einleitung in Mensching, Religionsstifter 21f). Er ist kein Prophet, Mystiker oder Lehrer, kein Verkünder einer neuen Offenbarung, sondern nach eigener Aussage Entdecker einer alten überlebenden Religion, die im Verborgenen die Jahrtausende überdauert hat. Seine persönliche Initiationserfahrung bildet das außergewöhnliche Ereignis, auf dem die meisten Religionsstiftungen basieren, und vereint den Moment der Entdeckung mit dem der Neustiftung bzw. Wiederbelebung: „I realised that I had stumbled on something interesting; but I was half-initiated before the word ‘Wica’ which they used hit me like a thunderbolt, and I knew where I was, and that the Old Religion still existed. [...] In this way I made the discovery that the witch cult, that people thought to have been persecuted out of existence, still lived. I found, too, what it was that made so many of our ancestors dare imprisonment, torture and death rather than give up the worship of the Old Gods and the love of the old ways.“ (Gardner, Meaning 3) Gardners Biograph (Jack Bracelin, ein Covenpartner Gardners, stellte lediglich seinen Namen als Autor zur Verfügung. Der tatsächliche Autor der Biographie ist Gardners Bekannter Idries Shah [1924-1996], ein Sufi-Meister aus der männlichen Abstammungslinie Mohammeds, der in den 60er Jahren zahlreiche Bücher über den Sufismus veröffentlichte, z. B. The Sufis und Tales of the Dervishes, um die Spiritualität und Tradition der islamischen Mystik im Westen bekannt zu machen; ; Heselton, Witchcraft Revival 20) beschreibt die Situation so: „It was in this house that he was initiated into witchcraft. He was very amused at first, when he was stripped naked and brought into a place ‘properly prepared’ to undergo his initiation. It was halfway through when the word Wica was first mentioned: ‘and I knew that that which I had thought burned out hundreds of years ago still survived’. His first feeling about this was: 74 ‘How wonderful; to think that these things still survive’, his interest as a folklorist stirred. [...] He felt that all this should be generally known [...]. But his request to be allowed to write about it all was turned down. No one was ever to know anything.“ (Bracelin 151) Dies lenkt den Blick auf Gardners Intention. Religionsstiftern wie Buddha, Jesus oder Mohammed ging es nicht darum, eine neue Religion ins Leben zu rufen. Vielmehr wollten sie die religiöse Tradition, in der sie lebten, erneuern (z.B. durch den wahren Weg zur Erlösung durch den achtfachen Pfad im Buddhismus) bzw. grundlegende aber vergessene Wahrheit wieder aufleben lassen (siehe die Vorstellung der din al-fitrah im Islam). Gardner ging es darum, die von ihm entdeckte Religion der Alten Götter nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und wenigstens Aufzeichnungen zu machen für den Fall, dass diese Religion aussterben sollte: „I soon found myself in the circle and took the usual oaths of secrecy which bound me not to reveal any secrets of the cult. But, as it is a dying cult, I thought it was a pitty that all the knowledge should be lost, so in the end I was permitted to write, as fiction, something of what a witch believes in the novel High Magic’s Aid. This present volume has the same purpose, but deals with the subject in a factual way.“ (Gardner, Witchcraft 18f) Im Vorwort zur Neuauflage von High Magic’s Aid von 1999 wiederholt Patricia Crowther Gardners Zielsetzung: „He often mentioned the affair, and said he had not wanted to see the Craft die out. And how were people to become interested in it, if they did not know it still existed?“ (Gardner, High 7). Doreen Valiente beschreibt Gardners Wunsch, die jüngere Generation zu erreichen: „He was desperately anxious that the Old Religion should not die and he realized that the only way it was going to survive would be if enough younger people were willing to carry it on. So he took the attitude that it was absolutely necessary to publicize it in order to attract people [...]“ (Valiente, Rebirth 65). Diese Sorge basierte auf der Tatsache, dass die Mitglieder des Ursprungscovens bereits relativ alt waren. Junge Leute zu begeistern „was the purpose behind his publicity seeking“ (). Selbst wenn angesichts der zeitlichen Nähe die Beschreibung ‘Legende des Religionsstifters’ seltsam anmuten mag, handelt es sich bei Gardners Initiation um den kritischen 75 Erkenntnisaugenblick, den jede Stifterlegende auszeichnet. Im Falle von Wicca liegt aufgrund der historischen Forschung von Hutton und Heselton zwar nahe, dass die tatsächlichen Ereignisse um den Beginn des modernen Wicca vermutlich anders gestaltet waren, nichtsdestotrotz etabliert das von Gardner beschriebene Erlebnis die Annahme einer alten vorchristlichen europäischen Religion als Mythos der neuen Wicca-Religion. Die Legende wird noch durch ein zusätzliches Element erweitert, indem Gardner sich als wiedergeborene Hexe präsentiert, die bereit in einem früheren Leben zur wiccanischen Gemeinschaft dazugehörte: „The day came when one said: ‘I have seen you before’. Gardner, interested, asked where. ‘In a former life.’Then all gathered around and agreed that this was so. [...] Then someone said, ‘You belonged to us in the past -why don’t you come back to us?’ ‘Now I was really very fond of them, and I knew that they had all sorts of magical beliefs’ continues Gardner. ‘They had been very interested when I told them that an ancestress of mine had been buried alive as a witch at Newborough in Scotland about 1640 [...].“ (Bracelin 150) Gardner ist weder zu seinen Lebzeiten noch nach seinem Tod kultisch verehrt worden. Allerdings wird er heute für seine Hartnäckigkeit im Bezug auf die Belebung der Wicca- Religion gewürdigt (Buckland, Complete 7). Das von ihm vermittelte religiöse System wurde durch Doreen Valiente weiter ausgebaut und wird bis heute stellenweise modifiziert bzw. ergänzt. Dadurch, dass Gardner die alte/neue Religion an die Öffentlichkeit brachte, jedoch nie als außergewöhnlich charismatischer Lehrer auftrat, von dem die Zukunft der Religion wesentlich abhing, war es möglich, dass auch nach seinem Tod die Wicca-Religion unbeirrt wirksam blieb. Besonders Janet Farrar und Gavin Bone arbeiten heute an neuen Impulsen und in den USA entwickeln sich Wicca und Neuheidentum stetig weiter. Obwohl das Leben Gerald Gardners relativ verlässlich nachgezeichnet werden kann, ist es allerdings, wie bei anderen Religionsstiftern ebenfalls, in seinem Fall schwierig, ein eindeutiges Bild von seinem Charakter und seiner Person zu entwerfen (Risse 888). Letztlich hat Gardner durch stellenweise Ungenauigkeiten, Irreführungen und bewusste Verschleierungen im Sinne einer ‘Mystifizierungsstrategie’ selber beabsichtigt dazu beigetragen, dass manche Fragen in Bezug auf bestimmte Abläufe und Ereignisse abschließend nicht geklärt werden können. 2.3 Die Alte Religion und die Kritik an Aidan Kelly 76 Viele wiccanische Stimmen kritisieren Kellys Darstellung in Crafting the Art of Magic, Gardner habe die Wicca-Religion ins Leben gerufen und gewissermaßen ‘erfunden’. Diese Stimmen beschimpfen Kelly geradezu für seine Theorie der Kreation der Wicca-Religion durch Gardner und antworten darauf, er könne seine Auffassung nicht beweisen und er solle die ‘Alte Religion’ besser nicht als Lüge darstellen. Was diese Stimmen jedoch nicht zu reflektieren scheinen ist, dass Kelly gerade durch seine kritische Unterscheidung zwischen der „foundational myth“ und den historischen Umständen Wicca als typische Religion charakterisiert (Kelly, Crafting 2, 7). In seinen Ausführungen ordnet Kelly Wicca, was die strukturellen Züge der Anfangsphase angeht, mit den etablierten Religionen in eine Reihe ein. Religionen nehmen irgendwo ihren Anfang. Sie greifen auf alte und bekannte Elemente zurück, kombinieren sie neu, fügen neue Elemente hinzu und statten das neue Konzept mit einer einzigartigen Sinngebung aus, die durch die „foundational myth“ ausgedrückt wird. Das ist das historische Gerüst aller Religionen, und im Falle von Wicca ist es nicht anders. Was bisher vielen Wicca nicht klar zu sein scheint ist, dass Kelly Wicca mit seinen Ausführungen nicht abwerten, sondern im Gegenteil aufwerten und legitimieren will. Hinter der Kritik an Kelly steht die verbreitete Meinung, dass nur gut sein kann, was alt ist, und gegen diese Meinung denken Wicca sich rechtfertigen zu müssen. Das macht ein unabhängiges Selbstbewusstsein und ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein für viele Wicca schwierig. Janet Farrar, die an einem aufgeklärten Wicca interessiert ist, um den Blickpunkt von dem Festhalten an Abstammungslinien auf die Spiritualität zu lenken, formuliert in ihren Workshops mit Gavin Bone pointiert: „There was no New Forest-Coven. Gardner saw all those magical traditions and was looking for witches, but there weren’t any. So he created them“ und antwortet den ihrer Meinung nach zahlreichen übertrieben traditionsbewußten Wicca: „Later he was thrown out of his own group, he is already a renegade being kicked off by his own group“ (Workshop „Progressive Witchcraft“, 1. Konferenz der Pagan Federation International Deutschland, 9.10.04). 77 3. Zum Selbstverständnis als Wicca ‘Wicca’, ‘witch’ und ‘Hexe’ sind selbst gegebene Namen, die an die Geschichte anknüpfen und ein bestimmtes Identitätsgefühl und Selbstverständnis ausdrücken. Um eine Grundlage für den Einblick in Wicca als Religion zu erhalten, soll dieses Selbstverständnis zunächst an dem Begriff ‘witch’ dargestellt und anhand eines Gedichtes genauer betrachtet werden. Im Zuge der Hexenverfolgung in Europa wurden verfolgte Männer und Frauen angeklagt, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Der Hexenhammer von 1487, verfasst von den dominikanischen Inquisitoren Jacob Sprenger und Heinrich Kramer, wurde zum Handbuch der zuständigen Richter und gab detailliert darüber Auskunft, welche gotteslästerliche Handlungen die so genannten Hexen angeblich ausführten, durch welche Arten der Folter man sie zu Geständnissen bewegen konnte und wie weiterhin mit ihnen zu verfahren sei. Dabei betätigten sich nur sehr wenige der angeklagten Personen im naturheilkundlichen Bereich und eine noch geringere Anzahl war naturreligiös eingestellt oder verehrte heidnische Götter. Die Farrars jedenfalls räumen ein, dass „as the hysteria grew, mere accusation by a hostile neighbour was enough to ensure arrest, torture, condemnation, and execution.“ (Farrar/Farrar, Times 51). Der Rückbezug auf den Mythos der ‘Burning Times’, also die Zeit der großen Hexenverfolgungen, bleibt davon aber unberührt. Was den Vorwurf des Satanismus angeht, so ist dieser im Falle von Wicca auf die zwar selbstbewusste, was aber die Öffentlichkeit angeht, nicht unproblematische, Bezeichnung der Wicca als ‘witch’ im Englischen und als ‘Hexe’ im Deutschen zurückzuführen. Wicca ist zwar in erster Linie eine Religion, allerdings bedienen sich viele Anhänger magischer Praktiken (siehe Kapitel zu Magie und zu Ritualen), die der westlich-christlich orientierte Mensch nicht unbedingt einzuschätzen weiß und die oft unwillkürlich mit dem Teufel bzw. dem Satan in Verbindung gebracht werden. Auch kann es auf Menschen, die unvorbereitet mit dem Glauben eines Wicca-Anhängers konfrontiert werden, befremdlich wirken, dass der göttliche Partner einer weiblichen Gottheit, die schon an sich für viele Zeitgenossen neu ist und verdächtig erscheinen mag, ein Gott ist, der als Cernunnos oder Pan mit Hörnern dargestellt wird. Außerdem ist dieser Gott ein Gott der Fruchtbarkeit, des Lebens, der Freude und als solcher auch der Sexualität, was zusätzlich den Eindruck des Satanischen erwecken kann (Hörner galten zu verschiedenen Zeiten als ein Zeichen göttlicher Macht, so ist selbst der Moses des Michelangelo im Vatikan mit Hörnern 78 dargestellt). Wie zur Zeit der Hexenverfolgung, so besteht auch heute noch die Assoziation der Hexe mit dem Teufel und trägt zur Fehleinschätzung des Wicca-Glaubens bei: „[...] the feeling persists that those who practice Witchcraft or occultism are engaged in something fearful, pernicious, illegal, and immoral. [...] These negative feelings are widely shared, even by well-educated people. I have told many hundreds, perhaps thousands, of people about my travels around the United States to various Witchcraft covens and Neo-Pagan groups, and the response was usually ‘Weren’t you afraid? Wasn’t it dangerous?’“ (Adler 352). Die Folgen sind bisweilen für Wicca-Gruppen ernst. So schildert Adler, dass 1985 eine Fernsehsendung über Satanismus und Ritualmorde im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Zwar wurde in dieser Sendung das Wort „witchcraft“ nicht genannt, dennoch nahmen einige Kongress-Abgeordnete diese Sendung zum Anlass, sowohl gegen den Satanismus als auch gegen Wicca vorzugehen. Senator Jesse Helms brachte 1986 einen Gesetzeszusatz gegen Satanismus und Wicca in den Senat ein, der tatsächlich zunächst vom Senat verabschiedet wurde. Erst nach einer Flut von Protestbriefen seitens der neuheidnischen Bewegung, wurde dieser Zusatz wieder gestrichen. Auch ein Versuch des Kongress-Abgeordneten Robert Walker (Pennsylvania), der Wicca-Religion das Recht zur Steuerbefreiung zu nehmen, wie es in den USA angemeldeten religiösen Gruppen zusteht, schlug schließlich fehl (Adler 416). Cunningham bemerkt wenige Jahre später, dass sich die Situation leicht verbessert hat, dass mittlerweite auch in angesehenen Zeitungen und Zeitschriften seriöse Artikel über Wicca veröffentlicht werden (Das Oxford English Dictionary Online nennt beispielsweise Einträge der Zeitschriften Insight und Sky Magazine). Dennoch räumt er ein, dass das weit verbreitete Gefühl von Verwirrung, Verunsicherung und Angst weiterhin besteht (Cunningham, Living 16). In der Bundesrepublik wird Wicca langsam in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Bis vor einiger Zeit brachte die Tagespresse vorwiegend Artikel zur Zeit der Hexenverfolgung, zur Feier der Walpurgisnacht auf dem Brocken oder Berichte über nicht religiös, sondern psychologisch, sozialpädagogisch oder einfach finanziell motiviert agierende Hexen (z.B. Rauch und Pelny). Mittlerweile wird Wicca aber auch stellenweise in seiner religiösen Dimension dargestellt. So informierte ARTE im Rahmen des Themenabends „Hexen -Magie, 79 Mythen und die Wirklichkeit“ am 26.10.2003 in der Reportage „Wir erobern uns die Nacht zurück“ über ‘Neue Hexen’ und der NDR berichtete im Rahmen der „Nacht der Hexen“ am 29.10.2005 in der Reportage „Die Hexen von Udenheim“ über den spirituell ausgerichteten Lebensweg einer Hexe und das neuheidnische Festival ‘Camp Arcanum’ in Wiesbaden. Dass in Reportagen, wie z.B. in der Sendung „Hexen -Mythos, Kult, Aberglaube“, ebenfalls gesendet im Rahmen der „Nacht der Hexen“, jedoch vorwiegend Historiker und Theologen, aber selten Religionswissenschaftler als Spezialisten zu Wort kommen, zeigt allerdings den zögerlichen Umgang mit dem Neuheidentum als Religion (in der Reportage „Wir erobern uns die Nacht zurück“ war Donate Pahnke als Spezialistin vertreten). Im Wicca existiert kein teuflisches Wesen, das die Menschen verführt, zu bestimmten Taten anstiftet und das Böse in die Welt bringt. „Für Heiden ist das Böse menschengemacht“ (Crowley, Phoenix 189). Was die häufige Verknüpfung des Satans mit der Wicca-Religion angeht, so stellt Hanegraaff fest, dass im späten 14. Jahrhundert die Verbindung zweier Felder von Assoziationen mit dem Wort ‘witch’ in den Traditionen westlicher Religion und Kultur stattgefunden hatte: das eine Assoziationsfeld bezog sich auf den alten Volksglauben der Hexen als der Zauberei mächtigen, nächtlich fliegenden „ladies of the night“, das andere Assoziationsfeld betraf den Glauben an geheime, den Satan anbetende Gruppen, die angeblich in böse und unnatürliche Aktivitäten wie z.B. Kannibalismus und inzestuöse Orgien verwickelt waren (Hanegraaff, „Devil’s“ 295f). Die Verknüpfung dieser beiden Motive führte zu einer Sicht der Hexe als einer häretischen und im satanischen Kult aktiven Person mit den folgenden Merkmalen: 1. Im Untergrund agierend und dem Christentum feindlich gegenüberstehend, 2. geheime Treffen (Sabbate) abhaltend, 3. sich auf dem Weg zu diesen Treffen fliegend fortbewegend, 4. mit dem Satan als Oberhaupt dieser Treffen einen Pakt schließen, 5. sexuelle Handlungen mit dem Satan begehend und Orgien feiernd, 6. rituelle Ermordung von Kindern und Kannibalismus, 7. blasphemisch gegen den christlichen Gott, Christus und christliche Symbole redend und agierend, 8. bösartige ‘schwarze’ Magie betreibend und 9. vorwiegend aus weiblichen Personen bestehend (Hanegraaff, „Devil’s“ 297ff). Dieses stereotypische Bild der Hexe ist auch heute in der aufgeklärten Gesellschaft noch vielen Menschen geläufig. Der Begriff ‘witch’, und damit das oben beschriebene Bild der Hexe, wird im neuheidnischen Wicca bewusst und mit Stolz benutzt und für sich eingenommen. Dabei werden einige Merkmale umgedeutet, während bei anderen Punkten eine eindeutige Distanzierung stattfindet. 1. Rituelle und andere Treffen finden, wenn auch 80 nicht unbedingt in geheimem, so doch in privatem Rahmen, statt, um übler Nachrede vorzubeugen. Außerdem sind die religiösen Rituale, besonders Initiationsrituale, sehr persönlicher Natur und werden nur unter Wicca abgehalten. 2. Obwohl Wicca ihre acht Jahresfeste Sabbate nennen, haben diese Festivitäten nichts mit dem alten Bild des Hexensabbats zu tun. Bei diesen Festen werden die Götter, die Natur und der Kreislauf des Lebens gefeiert. 3. Wicca nehmen keine Drogen oder bewusstseinsverändernde Substanzen zu sich. Statt dessen werden Techniken wie Visualisierung oder Meditation eingesetzt, weil es nicht darum geht, das Selbst zu täuschen, sondern bewusst und erfahrbar zu machen, um daraus zu lernen und sich weiterzuentwickeln. 4. Der Satan ist eine Erfindung des Christentums und ungerechtfertigterweise mit dem Gehörnten Gott der Wicca in Verbindung gebracht worden. 5. Zwar spielt die Sexualität im Wicca eine wichtige Rolle, weil der Mensch durch sie seine unterdrückte Leiblichkeit wieder findet und sie zur Ehre der Götter praktiziert wird. Die sexuellen Handlungen, die z.B. während des Großen Ritus stattfinden können, werden jedoch -wenn sie überhaupt körperlich vollzogen werden -freiwillig und meist von den anderen Ritualteilnehmern unbeobachtet abgehalten. Von wilden Orgien und perversen Praktiken kann keine Rede sein. 6. Kindesschändung, Mord und Kannibalismus werden kategorisch abgelehnt und haben keinen Platz im Wicca. 7. Gleiches gilt auch für Blasphemie und Lästerung gegen den christlichen Gott, weil Wicca eine Religion ist, die andere Religionen und andere Götter grundsätzlich als spirituelle Wege anderer Menschen toleriert. 8. Die Ausübung von Magie dient moralisch akzeptablen Zielen. Magische Handlungen sollen immer helfend oder heilend wirken. 9. Im Wicca sind beide Geschlechter vertreten und gelten als gleichberechtigt. Allerdings werden im feministischen Wicca, wie es Z. Budapest beschreibt, nur Frauen zugelassen (Hanegraaff, „Devil’s“ 307ff). So behalten die neuheidnischen Wicca die Rolle der verfolgten Hexe bei, indem sie teilweise geradezu mit dem dadurch evozierten Bild kokettieren. Sie stehen der Gesellschaft durchaus kritisch-anregend, keinesfalls jedoch unterminierend gegenüber und fordern in ihrer religiösen Besonderheit zu Veränderungen im Umgang mit Mensch und Natur auf und betonen in diesem Zusammenhang die grundsätzlich positiven, lebensfördernden Ziele der eigenen Religion. Sie mahnen schließlich, die irrationale, ‘dunkle’ Seite des eigenen Selbst wahrzunehmen, zu integrieren und zur Verbesserung der Umwelt, der Gesellschaft und vor allem des eigenen Selbst zu mobilisieren. Wenn es auch zunächst verwundern mag, dass „intelligent people with high ethical ideals“ den Begriff der Hexe für sich in Anspruch 81 nehmen, so wird doch bei näherer Betrachtung deutlich, dass dieser Begriff durch die Umdeutung und neuheidnische Belegung mit positiven Werten und Einstellungen genau das schafft, was er schaffen soll: eine Aura des Geheimnisvollen, Unzugänglichen und des Reizvollen (Hanegraaff, „Devil’s“ 296). 3.1 Gedichtanalyse „A Pagans ‘Halloween’ Poem“, Cather Steincamp Um nun mehr über das Selbstverständnis der Wicca aus der Sicht konkreter Anhänger zu erfahren und einen Ausgangspunkt dafür zu finden, was Wicca unter der Bezeichnung ‘witch’ verstehen und damit assoziieren, soll nun ein erstes Gedicht ausführlich untersucht werden. A Pagans “Halloween” Poem Cather Steinkamp 'Twas the evening of Samhain, and all through the place Were pagans preparing the ritual space. The candles were set in the corners with care, In hopes that the Watchtowers soon would be there. 5 We all had our robes on (as is habitual) And had just settled down and were starting our ritual When out on the porch there arose such a chorus That we went to the door, and waiting there for us Were children in costumes of various kinds 10 With visions of chocolate bright in their minds. In all of our workings, we'd almost forgot, But we had purchased candy (we'd purchased a LOT), And so, as they flocked from all over the street, They all got some chocolate or something else sweet. 15 We didn't think twice of delaying our rite, Kids just don't have this much fun every night. For hours they came, with the time-honored schtick Of giving a choice: a treat or a trick. As is proper, the parents were there for the games, 20 Watching the children and calling their names. "On Vader, On Leia, On Dexter and DeeDee, On Xena, on Buffy, Casper and Tweety! To the block of apartments on the neighboring road; You'll get so much candy, you'll have to be TOWED!" 25 The volume of children eventually dropped, 82 And as it grew darker, it finally stopped. But as we prepared to return to our rite, One child more stepped out of the night. She couldn't have been more than twelve or thirteen. 30 Her hair was deep red, and her robe, forest green With a simple gold cord tying off at the waist. She'd a staff in her hand and a smile on her face. No make-up, nor mask, or accompanying kitsch, So we asked who she was; she replied "I'm a witch. 35 And no, I don't fly through the sky on my broom; I only use that thing for cleaning my room. My magical powers aren't really that neat, But I won't threaten tricks; I'll just ask for a treat." We found it refreshing, so we gave incense cones, 40 A candle, a crystal, a few other stones, And the rest of the candy (which might fill a van). She turned to her father (a man dressed as Pan) And laughed, "Yes, I know, Dad, it's past time for bed," And started to leave, but she first turned and said 45 "I'm sorry for further delaying your rite. Blessed Samhain to all, and a magical night." Der Text „A Pagans ‘Halloween’ Poem“ von Cather Steinkamp eignet sich sehr gut, um das Selbstverständnis als Wicca exemplarisch und detailliert darzustellen und einen Eindruck von der Mentalität der Wicca zu gewinnen, weil es die Auseinandersetzung der Wicca mit sich selbst und ihrer Umgebung im Rahmen religiöser Eingebundenheit und Aktivität verdeutlicht. Im Hinblick auf die weitere Darstellung und Untersuchung der Religion eröffnet das Gedicht einen ersten Blick auf die eigene Sicht der Menschen, die im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen. Das Gedicht „A Pagans ‘Halloween’ Poem“ ist aufgrund seines Handlungsstranges relativ leicht für die narratologische Analyse zugänglich. Es beginnt mit einer expositorischen ersten Strophe, in der der Leser zwar nicht erfährt, wo sich die Ereignisse abspielen, aber doch wann, nämlich am Abend des 31. Oktober, an dem von Wicca jährlich das Fest Samhain gefeiert wird, ein Fest, das sich seit einigen Jahren als Halloween auch in Deutschland besonders unter Kindern großer Beliebtheit erfreut. 83 Bei der Erzählinstanz als gemeinschaftlichem Subjekt handelt es sich um eine zahlenmäßig nicht näher bestimmte Gruppe in der ersten Person Plural, dem „We“ (5). Es ist also davon auszugehen, dass es sich dabei wenigstens um zwei oder mehr Personen handelt. Diese Gruppe als „we“ bereitet ein geplantes Ritual vor, über das der Leser zunächst nicht viel erfährt, außer dass die Teilnehmer in „robes“ (5) gekleidet sind und „candles“ (3) vorbereitet haben, wobei mit „in the corners“ (3) die vier Himmelsrichtungen gemeint sind, wovon man aufgrund der Angabe „pagans preparing the ritual space“ (2) ausgehen kann. Die Gruppe wird nun aber als sie im Begriff ist, mit dem Ritual zu beginnen, durch laute Geräusche („arose such a chorus“, 7) gestört. Man erinnert sich an die zuvor gekauften Süßigkeiten und die Kinder werden reichlich beschenkt, schließlich hat man „a LOT“ (12) auf Vorrat besorgt. Um den Kindern mit Geschenken eine Freude zu machen, wird also das Ritual aufgeschoben. Der Lärm und die Rufe erreichen in der fünften Strophe ihren Höhepunkt, als selbst die beaufsichtigenden Eltern, die mit von der Partie sind, lautstark ihre Kinder aufmuntern. Schließlich jedoch lässt die Zahl der Kinder nach und es wird langsam etwas ruhiger in der Nachbarschaft. Außerdem wird es auch immer dunkler. Als die Gruppe sich jedoch wieder ihrem Ritual widmen will, erscheint ein weiteres Kind an der Tür. In der folgenden Block-Charakterisierung der siebten Strophe wird deutlich, was an dem Kind anders ist im Vergleich zu den Kindern vorher: ihre Haare sind „deep red“ (30), auch sie trägt eine „robe“ (30) und zwar in „forest green“ (30). Das „simple“ aus Zeile 31, das sich zunächst nur auf ihre Gürtelkordel bezieht, beschreibt gewissermaßen ihre gesamte Erscheinung und wird in „No make-up, nor mask, or accompanying kitsch“ (33) weitergeführt. Sie scheint nicht älter zu sein als zwölf oder dreizehn und lächelt. Auf die Frage, wer sie denn sei, antwortet sie „I’m a witch“ (34), und erklärt der Gruppe dass sie mit ihrem Besen nur der Fußboden reinigt, nicht besonders gut zaubern kann, und dass sie nicht hier ist, um einen Schabernack zu spielen, sondern einfach nur, um ein paar Süßigkeiten abzubekommen. Die Gruppe ist amüsiert („we found it refreshing“, 39) und schenkt ihr außerdem noch Räucherwerk, eine Kerze, einen Kristall und weitere Steine. Das Mädchen freut sich und sagt zu ihrem Vater („a man dressed as Pan“, 42), dass man nun gehen kann. Noch einmal dreht sie sich um, entschuldigt sich für die erneute Störung des Rituals und wünscht der Gruppe eine gesegnete und magische Samhain-Nacht. 84 Soweit die Handlung des Gedichtes. Formal lässt sich sagen, dass die in lyrischer Form und in neun Strophen und einem abschließenden couplet vermittelte Geschichte im Präteritum (narrative past) erzählt wird, das bei Erzähltexten das übliche Erzähltempus darstellt (Jahn). Die Strophen bestehen, bis auf das abschließende Verspaar, entweder aus vier oder sechs Zeilen, die in Paarreime eingeteilt sind, die sich bis auf wenige Ausnahmen („chorus“-„for us“ (8f), „DeeDee“-„Tweety“ (21f), „road“-„TOWED“ (23f), „waist“-„face“ (31f)) perfekt reimen. Was das Metrum angeht, so baut das Gedicht grundlegend auf einem vierfüßigen Anapäst auf. Allerdings wird dieses metrische Grundmuster vielfach aufgebrochen und variiert. Zeile 28 nimmt dabei eine Sonderstellung ein, weil sie mit drei aufeinander folgenden betonten Silben beginnt, auf welche zusätzlich eine Zäsur in Form einer rhythmischen Pause folgt: ´|´|´| Z| ´| ´| „Óne chíld móre [Z] stepped óut of the níght“ (28). Es ist die Zeile -fast könnte man sagen ‘die Szene’ -, in welcher das Mädchen, das sich selbst als „witch“ vorstellt, auftritt. Das ohnehin schon starken Variationen unterworfene Metrum wird hier nahezu zu einem dramatischen Auftritt umgebaut. Hierbei handelt es sich um eine im Rhythmus angelegte ikonische Präsentationsform, der Auftritt des Mädchens wird energisch durch die Art der Betonung begleitet (Max Nänny beschreibt die ikonische Bedeutung von Rhythmus und Metrum im Rahmen seiner Darstellung der verschiedenen Möglichkeiten einer Diagrammatic Iconicity; 231f). Im folgenden soll gezeigt werden, dass dieses Mädchen die zentrale Figur des Gedichtes ist und auch den strukturellen Mittelpunkt des Gedichtes bildet. Bis in die fünfte Strophe hinein wird sowohl Unruhe im Metrum erweckt als auch die Lautstärke im Rahmen der erzählten Handlung gesteigert. Die Szene erscheint schließlich regelrecht geschäftig und voll, wobei sich die große Anzahl der Kinder („flocked“, 13) formell auf der Ebene des Metrums widerspiegelt (das gewählte Verb wirkt außerdem als Metapher insofern als es durch seinen semantischen Bezug zu ‘flock of sheep’ die Kinder als kleine und ‘weiche’, also sympatische Gestalten darstellt), vor allem bei nahezu holprigen Zeilen wie etwa Zeile 16, in der zweimal auf eine durchaus leicht betonte Silbe eine stark betonte Silbe folgt („don’t have“, „much fun“). Das „don’t“ erinnert im übrigen durch seine 85 zusammengezogene Form daran, dass der implizite Leser es hier mit einer Geschichte zu tun hat, die sich selbst als im alltäglichen Leben angesiedelt versteht (so auch z.B. „didn’t“ (15), „You’ll“ (24)). Durch die Begriffe „bright“ (10), „fun“ (16) und „games“ (19) sowie das bereits oben erwähnte „flocked“ erhält die lautstarke und lang anhaltende Störung („chorus“ (7), „For hours“ (17)) allerdings eine positive Konnotation; die Gruppe nimmt es gelassen und wendet sich den Kindern zu. Was die vermittelte Lautstärke angeht, so erreicht sie ihren Höhepunkt in den zwei je zweizeiligen Ausrufungssätzen in Strophe fünf. Auch die mehrfache Wiederholung des Partikels „on“ (21f), der das Antreiben durch die Eltern vermittelt und in seiner Wiederholung einen fast hektischen Eindruck hinterlässt, spiegelt in der Satzstruktur den inhaltlichen Aufruhr auf den Straßen wider. Schließlich endet Zeile 24 mit dem in Großbuchstaben gedruckten „TOWED“ (24) und stellt damit den Höhepunkt des bunten Treibens dar, welches im „LOT“ aus Zeile 12 bereits vorbereitet wurde. Der Höhepunkt des Treibens stellt allerdings noch nicht den Höhepunkt der Handlung dar. Die Begriffe „dropped“ (25), „grew darker“ (26) und „stopped“ (26) beschreiben zwar einerseits das Abebben der Kinder und das Eintreten von Ruhe, dennoch erwecken die Zeilen 25 und 26 den Eindruck, dass „eventually“ und „finally“ nicht ganz halten, was sie suggerieren. Und tatsächlich leitet „But as“ (27) den Hauptteil der Handlung ein, und „out of the night“ (28) erscheint das Mädchen. Die Charakterisierung der Strophen sieben und acht ist für das Gedicht besonders wichtig, weil der implizite Leser hier erfährt, was er sich unter einer „witch“ vorzustellen hat. Das dem Gedicht zugrunde liegende Konzept von „witch“ entspricht nicht dem Bild, das man im allgemeinen davon haben mag. Vielmehr stellt sich hier eine Einfachheit, Ehrlichkeit und Gutmütigkeit dar, die ohne den spitzen Hexenhut, den Flug auf den Besen und die allgemein angenommene Boshaftigkeit („threaten, 38) auskommt. Das Mädchen weist eben diese fehlerhaften Beschreibungen von sich und macht durch ihre Worte deutlich, was sie unter „witch“ versteht. Ihre Worte sind als direkte Art der Charakterisierung und in ihrer Verknüpfung mit der Aussage „I’m a witch“ (34) auf zwei Ebenen zu werten: Erstens auf der Ebene des Kostüms, das sie als Kind am Halloween-Abend trägt. Es entspricht nicht dem typischen Hexenkostüm, stellt aber dar, was für das Mädchen selber eine Hexe ausmacht. Zweitens betreffen die Worte ihre eigene Person, das als was sie sich versteht, denn offensichtlich kennt sie den Unterschied zwischen dem Klischee der Hexe und der Lebensart der ‘wirklichen Hexen’, der Wicca. Mit ihrer Verkleidung stellt sie gewissermaßen die 86 wirklichen Wicca dar und suggeriert durch ihre Bekundung in Zeile 34, selbst eine Wicca zu sein, was wiederum durch die Kleidung ihres sie begleitenden Vaters („dressed as Pan“, 42) unterstrichen wird. Durch diese zwei Ebenen wird das Kostüm des Mädchens geradezu zum Nicht-Kostüm. Die Doppelschichtigkeit der Aussage „I’m a witch“ wird bereits in der vierten und fünften Strophe vorbereitet, wenn die Eltern laut Zeile 20 die Namen ihrer Kinder rufen, während in der wörtlichen Rede jedoch die Namen der Figuren der Kostüme genannt werden. Den letzten Hinweis auf ihre wahre Identität erhält der Leser in Form einer direkten Charakterisierung in wörtlicher Rede in den Zeilen 45 und 46. Sie weiß um den geplanten Ritus (nicht zuletzt auch deshalb, weil die Gruppe selbst in „robes“ gekleidet ist, 5), sie weiß, dass sie gleich den anderen Kindern, die sich dessen jedoch nicht bewusst waren, die Gruppe bisher am Ritual gehindert hat und entschuldigt sich dafür und sie formuliert ihren Abschiedsgruß nach Art der Wicca („Blessed Samhain“, 46). Bei Betrachtung der ersten und der letzten Strophe fällt auf, dass die recht präzise Zeitangabe „Twas the evening of Samhain“ (1) zu einer eher unbestimmten „magical night“ (46) hinführt. Um zu sehen, was zwischen diesen beiden Zeitangaben -und auf der Handlungsebene zwischen den beiden Zeitpunkten -geschieht und welche Bedeutung dies für die Aussage des Gedichtes hat, lohnt es sich, die Veränderungen in der Atmosphäre des Gedichtes (bei Erzähltexten Bestandteil gängiger Analysepraxis) noch einmal zu sammeln. Die Angabe „evening“ (1) zu Beginn des Gedichtes gibt an, dass der Nachmittag des Tages zwar schon vorbei ist und die Abenddämmerung langsam hereinbricht, trotzdem scheint es noch nicht allzu spät und dunkel zu sein, so dass sich eine Szenerie darbietet, wo verkleidete Kinder unter Aufsicht ihrer Eltern von einer Haustür zur nächsten ziehen. Auch wenn explizit keine Farbbeschreibung gegeben wird, so suggerieren „costumes of various kinds“ (9) und die aus den Rufen der Eltern ersichtlichen Verkleidungen, wie etwa aus Krieg der Sterne, den Fernsehserien Xena und Buffy sowie die Figuren Caspar das Gespenst und Tweety, eine Farbenvielfalt, die sich zunächst durchaus gegen die einsetzende Dunkelheit durchsetzen kann. Erst in der sechsten Strophe nimmt die Zahl der Kinder ab und die Dunkelheit zu, und Zeile 28 vermittelt schließlich den Eindruck der nächtlichen tiefen Dunkelheit, aus welcher ein weiteres letztes Kind gewissermaßen heraustritt („stepped out of the night“). So ist mit Eintreffen des Mädchens auch die Nacht hereingebrochen. Diese atmosphärische Veränderung wird in der Beschreibung des Mädchens und in seinen Worten weiter getragen, bis dann auch 87 in Zeile 43 thematisiert wird, dass es schon längst Schlafenszeit ist. Am Ende dieser Bewegung von der letzten Phase des Tageslichtes über die einsetzende Dunkelheit bis zur Nacht steht dann der Wunsch für eine „magical night“ (46). Ähnlich wie mit der Verschiebung von Tageslicht und Helligkeit zu Nacht und Dunkelheit verhält es sich im Gedicht auch auf akustischer Ebene. Der Leser kann ob der im Gedicht vermittelten Lautstärke gar nicht anders, als den „chorus“ (7) der Kinder, deren Rufe („treat or a trick“, 18) und die Rufe der Eltern (21-24) als lautes und lebendiges Stimmengewirr wahrnehmen, welches im Gedicht durch Ausrufungssätze und Großschreibung verstärkt wird. Ab Strophe sechs ist die Atmosphäre dann eher durch Ruhe und Stille gekennzeichnet, kein Durcheinanderreden, keine lauten Hintergrundgeräusche sind mehr zu hören. Von der Vielzahl der Stimmen konzentriert sich das Gedicht nun auf die Worte des Mädchens, die das Gedicht schließlich auch beenden. Eine dritte Veränderung betrifft die Planung und Vollführung des Samhain-Rituals. In den ersten beiden Strophen werden die Vorbereitungen beschrieben und schließlich die Störung durch die Kinder, die jedoch nicht keineswegs übel genommen wird. Die Formulierung „preparing the ritual space“ (2) und die Reimwörter „habitual“ (5) und „ritual“ (6) legen die Betonung auf das Vorgeschriebene, sich nahezu auf stereotype Weise Wiederholende und erwecken den Eindruck einer sich beständig wiederholenden gleichen, nahezu sinnentleerten Handlungsform Jahr für Jahr. Auch wenn die Begriffe „ritual“ und „rite“ beide dem lateinischen ‘ritus’ entstammen, so trägt „ritual“ doch eher die Konnotation von Starrheit, Unflexibilität, bis zur psychologischen Zwanghaftigkeit, während „rite“ eine formelle, vorgeschriebene Zeremonie, diese jedoch im Hinblick auf ihre religiöse Motivation, meint und eine bedeutungstragende Komponente beinhaltet. Erst in den letzten beiden Zeilen wird die Hinwendung zu einem bedeutsamen „rite“ im Gegensatz zu dem routinierten bedeutungsunbewussten „ritual“ möglich. Versuche einer derartigen Bedeutungsbewusstmachung finden sich zwar bereits in den Zeilen 15f und 27f, doch durch Störungen kommt es zu keiner Vollendung. Erst durch die Worte des Mädchens und seine Aussagen zum Kern des Wicca-Seins findet die Bewusstmachung in der Gruppe statt: Die Gruppe wird mit dem wirklichen Wicca-Dasein konfrontiert, das seine Personifikation in dem Mädchen findet, und die Gruppe wird darauf vorbereitet, das geplante Ritual aus vollem Herzen und mit eben diesem inneren Bewusstsein zu vollziehen. Das Gedicht zeigt durch die 88 Kombination der Elemente Ritual und Mädchen, dass im Wicca ein Ritual seine Bedeutung dadurch entfaltet, dass sich der Teilnehmende selbst erkennt. Das Gedicht greift C. G. Jungs Prinzip der Individuation auf und macht durch die oben dargestellten Stimmungsveränderungen die Bedeutung eines bewusst ausgeführten Rituals für die Selbstfindung deutlich. Dabei handelt es sich hier nicht um ein Initiationsritual, dem Crowley eine besondere Bedeutung beimisst, sondern um ein Ritual zu dem Jahreskreisfest Samhain (Crowley, „Mystery“). Die Selbstfindung und ‘Individuation’ ist, was die Aussage des Gedichtes betrifft, also nicht ausschließlich an Initiationsrituale gebunden, sondern der entsprechende lebenslange Prozess verläuft auf der Basis der Feier des Kreislaufs von Göttern, Mensch und Natur, komprimiert in der Wicca-Formel „Erkenne Dich selbst“. Diese Bewusstmachung kulminiert im Begriff der „magical night“. Da dieser Begriff, der am Ende jeder der oben aufgezeigten Stränge steht, nicht näher spezifiziert wird, können nur die Veränderungen und Bewegungen im Gedicht und zusätzliche Informationen zur Wicca- Religion erklären, was eine derartige Nacht bedeutet. Sie ist laut Gedichtanalyse verbunden mit Dunkelheit, mit Ruhe und mit bewusster Ritualausführung. Dabei meint Dunkelheit das Abschalten störender äußerer Einflüsse und die Besinnung auf das innere Selbst, Ruhe meint Gelassenheit und unverkrampftes Agieren und die bewusste Ritualausführung verweist auf das Wissen um die Bedeutung der religiösen Handlung. Das Gedicht baut auf der Basis der Doppeldeutigkeit der verwendeten Begriffe und Aussagen auf, die dem Leser helfen sollen, zwischen dem Schein und dem Sein zu unterscheiden und zu erkennen, was „magical“ in diesem Sinne bedeutet, nämlich nicht mysteriös, ungenau und unklar, mit Zauberei behaftet und fern der Welt des Lebens, wenn man so möchte ‘unnatürlich’, sondern im Gegenteil bewusst, konkret, wissend, aktiv und in der Religion eingebunden mitten im Leben stehend, kurzum „Blessed“ (46). Auch wenn der Leser am Ende nicht erfährt, ob und wie das Ritual der Gruppe schließlich noch stattfindet, so hat das Gedicht dennoch letztendlich den Bogen gespannt zwischen der zunächst eher oberflächlichen Beschreibung der Ritualvorbereitungen hin zu der Bedeutung eines solchen Rituals, die der Gruppe durch das Erscheinen des Mädchens vor Augen geführt wird. Das Mädchen fungiert demnach als Spiegel der echten Wicca für die Gruppe selbst. 89 Was das Sichwiederfinden der Gruppenmitglieder in dem Mädchen angeht, so fallen die Worte des Mädchens auf fruchtbaren Boden. Fast scheint die Gruppe ‘Wir haben Dich verstanden’ zu erwidern, denn außer den obligatorischen Süßigkeiten erhält das Mädchen weitere Geschenke, die Wicca in ihrer religiösen Praxis z.B. im Rahmen von Jahreskreisfesten oder anderen Ritualen verwenden. Die Geschenke können demnach durchaus als eine wortlose Antwort gewertet werden und darüber hinaus als Zeichen der Wertschätzung und als Zeichen dafür, dass die Bewusstmachung des wahren Wicca-Seins gelungen ist. Im Gedicht fällt schließlich noch auf, dass in Handlung und Wortwahl besonderes Gewicht auf Humor, Spaß und Freude gelegt wird. Durch „bright“ (10), „fun“ (16), „games“ (19), „smile“ (32), „refreshing“ (39) und „laughed“ (43) wird durchweg eine positive Grundstimmung vermittelt, die von Fröhlichkeit und spielerischer Leichtigkeit geprägt ist. Dies entspricht durchaus der allgemeinen Haltung, dass es sich bei Wicca um eine Religion des Lebens und der Freude handelt. Zwar ist was Rituale angeht durchaus Ernsthaftigkeit angebracht, übertriebene Verbissenheit liegt allerdings niemals im Interesse der Teilnehmer. So wird z.B. laut und befreiend gelacht, wenn ein Teilnehmer sich verspricht oder ein anderes Malheur passiert. Neben tiefen religiösen Gefühlen, einer realistischen Sicht des Lebens und der Welt gehört auch die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, durchaus zur Wicca- Religion. Das Gedicht eröffnet in mehrfacher Hinsicht Einblicke in das Selbstbild, die religiöse Praxis und die Mentalität der Wicca. Am Text wird deutlich, wie ergiebig eine Analyse sein kann, die gedichtanalytische und narratologische Verfahren verbindet. Die klassischen erzähltheoretischen Komponenten wie Erzählinstanz, ‘setting’ und ‘atmosphere’, Charakterisierung usw. lassen sich hier nicht nur anwenden, sondern unterstützen, ergänzen und verdeutlichen wichtige Aspekte des Gedichtes. Peter Hühn hat kürzlich in The Narratological Analysis of Lyric Poetry die Komponenten einer narratologisch orientierten Lyrikanalyse ausführlich erarbeitet: Die Umsetzung einer Reihe von Ereignissen in die textuelle Präsentation (mediacy) und die damit verbundene Funktion des Sprechers bzw. Protagonisten als unmittelbarer Präsentator (performativity), die thematische Verknüpfung (sequentiality) von Handlungsbausteinen (events), die zu einer „special semantic complexity and a notable variety of layers of meaning“ führt, und die Thematisierung von Spannungszuständen im Sinne eines Stabilität-Instabilität-Bezuges (crisis und resolution) in 90 der Auseinandersetzung mit einem Gegenüber (reference to the other) oder mit dem eigenen Seelenzustand bzw. der eigenen Identität (self-reference; Hühn 242, 1-13, 233-259). Unter Berücksichtigung der Forschungsergebnisse Hühns werden in dieser Arbeit auch im folgenden narratologische Erschließung und die Methoden der klassischen Lyrikanalyse miteinander kombiniert. „A Pagans ‘Halloween’ Poem“ vermittelt die der Lyrik typischerweise innewohnende Subjektivität (Müller, „Subjektivität“ 93ff), einmal was die Leichtigkeit und Unbeschwertheit der Gemütsverfassung der Erzähler angeht, dann die Besonderheit, die die Erzähler der fast geheimnisvollen Begegnung mit dem Mädchen beimessen und schließlich die Erneuerung bzw. Belebung bzw. Bekräftigung des Wicca-Bewusstseins innerhalb der Gruppe, die diese Samhain-Nacht zu einer besonderen Nacht macht. Dabei zeigt das Gedicht, dass Subjektivität keineswegs Selbstzweifel, grüblerisches Hadern, Traurigkeit oder schwierige innere Reflexion bedeuten muß, sondern dass auch Freude, Überraschung, Verblüffung und Staunen als subjektive Komponenten vermittelt werden können. Nachdem anhand des Gedichtes exemplarisch ein Einblick in das Selbstverständnis der Wicca gewonnen werden konnte, sollen nun einige statistische Angaben und demographische Hinweise folgen, um einen Überblick über die Verbreitung der Religion zu bekommen, und im folgenden die Chancen und Schwierigkeiten bezüglich des sozialen Umfeldes und der Kommunikation via Worldwideweb darzustellen. 91 4. Demographische Aspekte Die Zahl der Wicca und Neuheiden kann zur Zeit nur geschätzt werden. Abgesehen von einer Volksbefragung in England aus dem Jahr 2001 () und der Auswertung einiger Fragebogenaktionen (z.B. Berger/Leach/Shaffer) gibt es keine gesicherten Daten. Die neuheidnische Bewegung zeigt sich als eine dezentralistische, es existiert keine entsprechende Meldestelle. Berger geht von 150.000 bis 200.000 Wicca und Neuheiden in den Vereinigten Staaten aus (Berger, Community 9). Die oben erwähnte Erhebung in Großbritannien ergab eine Zahl von etwa 7.000 Wicca und 31.000 Heiden (Pagans). Für Deutschland sind keine genauen Zahlen verfügbar. Es ist aber von einer geschätzten Zahl von über 2.000 Wicca auszugehen, die Zahl der Neuheiden ist sicherlich größer. Mittlerweile sind Wicca und Neuheidentum weltweit vertreten. Besonders in den Niederlanden nimmt die Zahl der Neuheiden stetig zu, und in Kanada und Australien haben sich neue Traditionen gebildet (Berger, „Witchcraft“ 36; Griffin 68ff; ; ). Selbst in Japan finden sich mittlerweile Anhänger (Bone in Farrar/Bone, Interview; ). 50 % der Wicca praktizieren allein und werden als ‘Solitaries’ bezeichnet. Teilweise handelt es sich dabei um Anhänger, die vorher innerhalb einer Gruppe bzw. eines Covens aktiv waren, teilweise um solche, die es generell bevorzugen, alleine zu arbeiten. Manche Anhänger arbeiten zeitweise mit einem Partner. Man kann davon ausgehen, dass besonders die Zahl der Alleinpraktizierenden künftig weiter zunehmen wird. 64 % der Wicca und Neuheiden sind Frauen, was auf die Betonung der Weiblichkeit und die theologisch begründete Partnerschaft der Geschlechter zurückzuführen ist. Eine überwiegende Zahl der Wicca und Neuheiden von 87 % ist im Alter zwischen 20 und 49 Jahre. Die übrigen 13 % setzen sich zum Teil aus älteren Anhängern und Jugendlichen zusammen. Eine Bedingung für die Aufnahme oder Initiation in eine Gruppe bzw. einen Coven ist in der Regel die Volljährigkeit des neuen Mitgliedes. Für die für die Vereinigten Staaten gefundene Verteilung häufiger Berufe unter Wicca und Neuheiden, IT-Berufe (10 %), Beschäftigte im Sozial-und Gesundheitswesen (12 %), Studierende (16 %), journalistische Berufe (8 %) und Lehrberufe (7 %), existieren für europäische Länder bisher keine Vergleichsdaten (Berger/Leach/Shaffer 25ff). 92 4.1 Religiöse Herkunft Verschiedene Befragungen haben ergeben, dass sowohl in den USA als auch in Großbritannien die Mehrzahl der Wicca einem protestantischen Glaubensumfeld entstammt. Pearson zeigt, dass in Bezug auf Großbritannien etwa 62% der britischen Wicca zunächst als Protestanten erzogen wurden und aufgewachsen sind. 14% entstammen einem katholischen Hintergrund (Pearson, „Witches“ 143). In den USA ergab die Untersuchung von Orion, dass hier ebenfalls der protestantische Hintergrund mit 59% am häufigsten zu finden war, gefolgt von 26% ursprünglich katholisch oder griechisch orthodox erzogener Wicca (Orion 63f). Ein ähnliches Verhältnis hatte bereits Margot Adler in den 80er Jahren beobachtet, die 39,2% protestantischer und 23,5% katholischer Herkunft fand (Adler 444; Unglücklicherweise veröffentlichen Berger, Leach und Shaffer in ihrem Bericht Voices from the Pagan Census nicht die Antwortenverteilung zu der im Fragebogen gestellten Frage zu Punkt I. „General Demographic Information“, Unterpunkt F. „What religion(s)/religions denomination(s) were you raised in?“, weil die Angaben zu dieser Frage nicht kodiert wurden und das prozentuale Verhältnis daher nicht vorliegt; e-mail Korrespondenz mit Helen A. Berger vom 25.11.2005; Berger/Leach/Shaffer 243). Als wichtigsten Grund für den Religionswechsel findet Lynch eine Kombination aus ritueller Arbeit in der neuen Gruppe, intensives Lesen entsprechender Literatur und persönliche religiöse Erfahrung. Dabei verstärken sich die einzelnen Komponenten gegenseitig (Lynch, „Theory“ 898). Carpenter nennt die folgende Liste häufig genannter Gründe für eine Umorientierung zum Neuheidentum: „(a) recognition of the divine as female as well as male; (b) the need for creative approaches to spirituality which value individual freedom of belief and expression; (c) reverence for nature and living in harmony with nature; and (d) quest for personal enrichment and spiritual growth“ (Carpenter, Dennis D. 403). Andere Faktoren, wie z.B. Freundes-und Bekanntenkreis (peer group), Ausbildung und außerreligiöses Engagement, spielen außerdem eine Rolle, dass ein Mensch die ihm bekannte Religion verläßt, um sich einer anderen Religion, in diesem Fall einer heidnischen Religion wie Wicca, anzuschließen (Pearson, „Witches“ 144). 93 Die inneren Prozesse, die einer Zuwendung zu Wicca vorausgehen, legen einen schrittweisen Ablauf nahe. Die eigentliche Distanzierung von der bekannten Religion und die Hinwendung zu Wicca als dem für den Einzelnen adäquate Weg sind als zwei verschiedene Phasen zu betrachten, die, wenn auch in einer bestimmten spirituellen Grundhaltung verbunden, zeitlich und strukturell als getrennt einzuschätzen sind. Manning resümiert die Ergebnisse der Untersuchungen von Adler, Luhrmann, Lynch und Scott: „most people are not converted out of mainstream religion into Neo-Paganism, but are already religious dropouts“ (Manning 304f). Dabei beruht der Übertritt zum Neuheidentum bzw. zu Wicca primär nicht auf einer rebellischen Einstellung gegenüber bestehenden Werten und Ordnungen und ebenso wenig sind sozial-ökonomische Randgruppen dafür besonders prädestiniert. Vielmehr besteht der Hauptgrund für einen Übertritt im Zusammenspiel von emotionaler Unterstützung in der neuen wiccanischen Gemeinschaft und der Bestätigung von eigenen Erfahrungen durch die wiccanische Weltsicht (Manning 305). Schließlich kommt es nach Luhrmann zur „powerful emotional and imaginative religious experience“ auf deren Basis magische und religiöse Ideen überzeugend wirken und schrittweise ein neues Denkmuster entsteht (Manning 308f; Luhrmann 312, 337) bzw. nach Adler ein bereits angedachtes Denkmuster bestätigt wird. Die Konversionsforschung zeigt, dass es sich beim Religionswechsel in der Regel um einen komplexen Prozess handelt, der über eine längere Zeit verläuft (Popp-Baier 109). Der Prozess der Konversion ist zwangsläufig in das „dynamische Kraftfeld von sozialen Beziehungen, Ereignissen, Ideologien, Institutionen, Erfahrungen und Erwartungen“ eingebettet (Popp-Baier 109). Der Einstieg in eine neue Religion ist eine „langsame Annäherung“, bei der die „Lektüre von Büchern“ oder „begonnene Freundschaften“ dazu führen, dass Interesse in „Faszination“ umschlägt und schließlich die „Übernahme des Sinnkosmos der neuen Religion“ stattfindet (Süss/Pitzer-Reyl 151). Auch eine oft beschriebene „blitzartige Erleuchtung [...] setzt [...] eine allmähliche Annäherung an die ergriffene Religion voraus“ (Süss/Pitzer-Reyl 152). Die intensive Erfahrung von Spiritualität innerhalb der neuen Religion kennzeichnet den Wechsel als ein „Suchen und Gefundenwerden“, das Neuheiden ‘Nach Hause Kommen’ nennen (Süss/Pitzer-Reyl 136, 153; siehe auch den Abschnitt zur Erfahrung des Einzelnen). Die wenigen vorliegenden oben genannten Untersuchungen zum Thema Konversion zum Neuheidentum bestätigen den Übertritt zu einer anderen Religion als prozesshaften Verlauf (einen historischen Überblick zur Konversion als Thema der Religionspsychologie liefern Hennings Aufsatz „Von den Höhen des Geistes“ und Wulff; zur 94 Konversion als Thema der Soziologie siehe Wohlrab-Sahr; zu aktuellen Projekten in der Konversionsforschung siehe Henning/Nestler). 95 5. Religiöse Sozialisation in neuheidnischen Familien „When you look into a child’s eyes you don’t see fear, hatred or prejudice. These are things that they learn When they look into our eyes.....“ („A child’s Eyes“, Katie Moore & Rosalie Martin) In den letzten Jahren ist besonders in den USA das Thema der Kindererziehung unter Wicca und Neuheiden in den Vordergrund gerückt. Berger schätzt auf der Basis ihrer Erhebung aus den Jahren 1993 bis 1995 die Zahl der in den USA in heidnischen Familien aufwachsenden Kinder auf etwa 82.600 (Berger, Community 83). Angesichts dieser Zahl verwundert es nicht, dass „children are beginning to have a prominent place in Paganism“ (Adler 434). Junge wiccanische Familien sehen sich mit diversen Aufgaben und Problemen konfrontiert. Zum einen ergeben sich organisatorische Probleme, was etwa die Betreuung von Kindern angeht, wenn Eltern an abendlichen Ritualen teilnehmen wollen. Darüber hinaus stellen sich in der täglichen Erziehungsarbeit in wiccanisch-heidnischen Familien grundlegende Fragen. Zunächst ist es in Bezug auf nicht-heidnische Wohngebiete für heidnische Familien nicht leicht zu entscheiden, ob ein offenes heidnisch-religiöses Leben gelebt werden soll. Oftmals sind die Reaktionen feindselig, und heidnische Familien „are careful not to mention the Neo- Pagan rituals that are practiced in their home or the festival the family attends each year“ (Berger, Community 83). Vielfach sind Eltern sehr zurückhaltend, weil sie eine Benachteiligung und schlechte Behandlung ihrer Kinder in Schule und Nachbarschaft fürchten. Häufig haben diese Eltern selber derartige Erfahrungen in ihrem Umfeld gemacht und wollen ihre Kinder schützen. Heidnischen Eltern stellt sich die Frage: „How can we explain to our children that they shouldn’t talk about Wicca, about our beautiful rituals, without giving them the impression that there’s something wrong about it?“ (O’Gaea, Family 15). Es sind hauptsächlich konservative Christen, die neuheidnische Religion mit Satanismus in Verbindung bringen und ihr eine schädliche Beeinflussung, besonders von Kindern, bis hin zu Kindesmisshandlung vorwerfen (Crowley, Phoenix 274; Pike, New Age 162f). Pike beschreibt ausführlich die misstrauische Atmosphäre und die Anschuldigungen, mit denen sich Neuheiden in unterschiedlichen Gegenden konfrontiert sehen (Pike, Earthly 87ff). In einem feindlich gesinnten und zum Teil religiös aggressiven Umfeld sind heidnische Eltern 96 zur Sicherheit ihrer Kinder besonders zurückhaltend und um Geheimhaltung bemüht. Grundsätzlich haben Kinder das Bedürfnis und das Recht, auch in der Schule über ihre Religion zu sprechen, ohne nachteilige Folgen fürchten zu müssen: „Our children deserve the same kind of opportunities and resources children of other traditions have“ (Starhawk/Baker/Hill 399). Zu diesem Zweck liefert Starhawk Vorschläge für Antworten, auf die Kinder zurückgreifen können, wenn sie von Außenstehenden zu ihrer Religion gefragt werden. Aus der Überschrift für diese Vorschläge, „Educating the Public“, geht hervor, dass es sich vor allem auch um Antworten handelt, die durchaus für die breite Öffentlichkeit gedacht sind. Durch ihre eingängige und pointierte Wortwahl sind sie eine wertvolle Informationsquelle. An dieser Stelle sei nur ein Beispiel genannt: „Q: Do Witches and Pagans believe in the Bible? A: We believe the Bible is full of wisdom and many important teachings, but it is not our holy book. Q: What is your holy book? A: We believe in learning from nature. Books can help us, but our sacred teachings come from what we observe in the natural world.“ (Starhawk/Baker/Hill 402) Religiöse Sozialisation von Kindern innerhalb des Heidentums wird von jeder Familie individuell gehandhabt, weil bislang keine Einigkeit darüber herrscht, ob Kinder überhaupt im Sinne einer bestimmten Religion erzogen werden sollen. Da Wicca und Neuheiden nicht missionarisch vorgehen, will man auch den eigenen Kindern keinen allzu engen religiösen Rahmen vorgeben. Manche Eltern ziehen es vor, die eigene Ritualpraxis und Andachten gänzlich vor ihren Kindern fernzuhalten, weil es ihnen falsch erscheint, Kinder bewusst heidnisch zu erziehen, während es eigentlich als genuin heidnisch erachtet wird, den spirituellen Weg eigenständig zu entdecken. Vielen Neuheiden erscheint es daher wichtiger, neue Erwachsene, die den heidnischen Weg wählen, in ihren Kreis aufzunehmen und entsprechend ihrer Spiritualität zu schulen (Berger, Community 84). Andere Eltern befürworten demgegenüber eine regelmäßige Teilnahme ihrer Kinder an gemeinsamen religiösen Aktivitäten, weil sie ihre heidnische Religion mit dem starken Bezug zur Natur gerade auch für Kinder und die kindliche Entdeckung der Welt als angemessen erachten. Besonders das Fest Samhain (siehe Kapitel zum Jahreskreis) bietet sich an, Kindern 97 spielerisch die Ernsthaftigkeit eines Jahreskreisfestes zu vermitteln. Darüber hinaus tragen Kinder bei Ritualen besonders zur Erdung der Teilnehmer bei: „Indeed, without children’s participation celebrations can lose the spontaneity and ‘down to earth’ character that many Pagans associate with their festivals. Conversely, children’s participation does not make the celebration less meaningful. [...] Samhain, however, can often be celebrated in several stages. Early on, the children can be includes in or actually lead games. In a transitional phase a story might give the children an idea of the serious side of the celebration [...]. There are some Pagans who dislike all involvement of children and others who dislike occasions which are not suitable for children.“ (Harvey 5f) Bei überregionalen Veranstaltungen wird in der Regel großer Wert auf die Teilnahme und allgemeine Einbeziehung von Kindern gelegt. Das hat mit der steigenden Zahl heidnischer Kinder zu tun und erleichtert den Eltern die Teilnahme auch an mehrtägigen Festivals, weil es die Suche nach einer geeigneten Betreuungsmöglichkeit unnötig macht. Immer häufiger werden bei Veranstaltungen auch zahlreiche Aktivitäten speziell für Kinder angeboten und Rituale werden unter Einbeziehung der Kinder gefeiert: „At one Rites of Spring festival, children participated in the main ritual by blessing the sacred circle with their singing and bell-ringing; one young girl even played the part of the maiden goddess. Festival organizers developed children’s workshops on ancient myths and maskmaking and created rites of passage for adolescents.“ (Pike, New Age 156). Doch auch in Bezug auf die Teilnahme an großen Zusammenkünften und heidnischen Festivals müssen Eltern entscheiden, ob sie ihre Kinder mitnehmen, wenn sie nicht wollen, dass diese in der Schule erzählen, sie hätten das Wochenende mit einem „bunch of naked people“ verbracht: „Parents told me that they did not feel free to bring their children with them because of custody issues with their ex-husbands or ex-wifes. In one case after a divorce, a parent was striktly forbidden from exposing her child to Neopagan practices -festivals were entirely out of the question.“ (Pike, Earthly 180) 98 Allgemein wird innerhalb wiccanischer und neuheidnischer Familien ein Klima der religiösen Offenheit gepflegt. Die Entscheidung für eine Religion soll nach heidnischer Auffassung erst im Laufe der Jugend oder im Erwachsenenalter getroffen werden, wenn sich ein „bewusstes Verständnis“ für Religion gebildet hat (Crowley, Phoenix 154). Kinder sollen die Chance erhalten, mehr über verschiedene Religionen zu erfahren, um schließlich ihren eigenen Weg zu finden. Diese Haltung entspricht auch der des savoyischen Vikars in Rousseaus Emil, der sein „Glaubensbekenntnis“ mit folgenden Worten beginnt: „Mein Kind, [...] Ich will nicht mit dir streiten und nicht einmal den Versuch machen, dich zu überzeugen. Es genügt mir, dir darzulegen, was ich in der Einfalt meines Herzens denke. Befrage deines, während ich rede. Das ist alles, was ich von dir verlange“, und mit diesen Worten schließt: „Du bist in dem kritischen Alter, wo sich der Geist der Gewißheit öffnet [...]. Junger Mann, laß deiner noch biegsamen Seele das Siegel der Wahrheit aufprägen. Wäre ich meiner selbst sicherer, hätte ich dogmatischer und entschiedener mit dir geredet. [...] Nun mußt du urteilen. [...] Sei ehrlich gegen dich selbst! Eigne dir von meinen Einsichten an, was dich überzeugt hat, und verwirf den Rest“ (Rousseau 275, 330f). Religiöse Erziehung im Heidentum beinhaltet deshalb zunächst ein liebevolles Umfeld, das Kindern erlaubt, die eigenen Fähigkeiten zu entfalten, egal in welche religiöse Richtung sie sich entwickeln. Obwohl auch heidnische Eltern es gerne sehen würden, dass die Kinder in ihre religiösen Fußstapfen treten, bemüht man sich um eine realistische Sicht der „possibility of our children embracing a different religion when they are grown“ (O’Gaea, Family 24). Crowley warnt davor, Kindern die eigene Sicht der Wirklichkeit und die eigenen Glaubensvorstellungen aufzuzwingen, und fordert Eltern dazu auf, Kindern zu helfen, „ihre eigenen inneren Wahrheiten zu suchen“ (Crowley, Phoenix 155). Sie unterscheidet dabei zwischen der gezielten Erziehung hin zu einer Religion einerseits und der Vermittlung des heidnischen Ethos, der entsprechenden Verhaltensregeln und der Mythen der heidnischen Götter andererseits. Dass das eine vom anderen nicht strikt zu trennen ist und die Übergänge dabei fließend sind, ist offensichtlich (Crowley, Phoenix 154). Aufgabe heidnischer Eltern ist nach Crowley letzteres, die Wahl in Bezug auf eine eigene Religion werden Kinder dann später treffen. Dementgegen ist es die Ansicht vieler heidnischer Eltern, dass die Erziehung von Kindern in einem geschlossenen religiösen Familiensystem erfolgen sollte, weil ihnen nur durch die konsequente Vermittlung einer religiösen Lehre ein fester Halt in der heutigen Zeit gegeben werden kann. Nach dieser Auffassung gehört es zur elterlichen Verantwortung, die Glaubensvorstellungen zu vermitteln, die für die besten gehalten werden. 99 Diese Sicht entspricht im allgemeinen der anderer Glaubensrichtungen und dabei besonders monotheistischer, missionierender und universaler Religionen (Crowley, Phoenix 155). Selbst wenn die religiöse Atmosphäre innerhalb einer heidnischen Familie sehr offen sein mag, so werden Kinder zweifellos vom Glauben und der religiösen Praxis ihrer Eltern geprägt. Heidnische Kinder kennen bald den Unterschied zwischen Yule und Weihnachten, merken, dass die Eltern an die Existenz mehrerer Götter glauben, und wachsen mit verschiedenen heidnischen Symbolen, wie etwa dem Pentagramm, auf. Kinder können gar nicht anders, als die Religion der Eltern zur Kenntnis zu nehmen und Züge im Rahmen ihrer eigenen religiösen Entwicklung, sei es zustimmend oder kritisch, zu übernehmen: „Unless you never speak to your kids [...], unless Wicca has not changed your life at all, you are raising children to the Craft.“ (O’Gaea, Family 39). 5.1 Literatur zur neuheidnischen Erziehung Für Eltern, die ihre Kinder auf welche Art auch immer an ihrem heidnischen Glauben teilnehmen lassen und sie an Wicca und Neuheidentum heranführen wollen, sind in den letzten Jahren besonders auf dem US-amerikanische Literaturmarkt vermehrt Bücher mit Hilfestellungen und Anregungen für die heidnisch-wiccanische Erziehung erschienen. Diese Literatur ist für heidnische Eltern in praktischer Hinsicht wichtig, weil bisher kaum großflächig angelegte organisierte Formen religiöser Erziehung von Kindern wiccanischer Familien bestehen, wie man sie z.B. von den Kinderbibelstunden oder Kindergottesdiensten aus christlichen Gemeinden kennt. Wenn sich kleine Gruppen zum Kinderunterricht bilden, dann geht dies auf die private Initiative einer kleinen Anzahl von Eltern zurück. Bislang konzentrierte man sich in der heidnischen Literatur auf die praktisch-rituellen Formen der Religion, auf theologische Darstellungen und persönliche Glaubensmitteilungen und auf die Diskussion um die ‘Abstammungslinie(n)’ des modernen Wicca. Elternschaft wurde auch in entsprechenden Veröffentlichungen erst in den letzten Jahren zum Thema, als Wicca der jüngeren Generation Familien gründeten und einerseits zwar im täglichen Leben ihre Werte an die Kinder weitervermittelten, andererseits aber offensichtlich ein Bedürfnis nach Hinweisen, Ratschlägen und Vorschlägen im Hinblick auf die heidnische Kindererziehung verspürten. Diese Ratschläge reichen von der spielerischen Gestaltung von Kinderpartys zu den acht Jahreskreisfesten über kindgerecht erzählte Geschichten zur eingängigen Vermittlung von 100 Mythen zu Hilfestellungen bei der adäquaten Formulierung von Antworten bei den typischen Kinderfragen zu verschiedensten Teilbereichen des Lebens und zum Tod. Ashleen O’Gaea schreibt in The Family Wicca Book (1993) von ihren Erfahrungen in der Erziehung ihres Sohnes und den Aktivitäten in der Gemeinschaft befreundeter heidnischer Familien in Tucson, Arizona. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem alltäglichen Tagesablauf zwischen den acht großen Jahreskreisfesten: „There are far more ‘everydays’ on the Wheel than ‘holidays’“(O’Gaea, Family 7). Im täglichen Leben liegt dabei der Schwerpunkt der Erziehung auf der Vermittlung der grundlegenden wiccanischen Lebenseinstellung. Diese äußert sich in einer liebevollen Beziehung zur Natur, einer freundschaftlichen Grundhaltung anderen Menschen gegenüber und der Entwicklung von Selbstvertrauen und positivem Selbstwertgefühl beim Kind. Eine besonders wichtige Komponente ist dabei die Orientierung an der Wiccan Rede (siehe Kapitel zur Ethik): Dem Kind wird vermittelt, dass seine Wünsche und Bedürfnisse wichtig sind, dass es einen Anspruch auf Liebe, Sicherheit und Freude hat. Auf der Basis der Sicht des Kindes als eigenständige Persönlichkeit wird ihm in einem bestimmten Rahmen auch das Treffen von Entscheidungen zugestanden. Diese Entscheidungen sind dabei immer verknüpft mit dem Anspruch, anderen nicht zu schaden und die Verantwortung für die Folgen zu übernehmen (O’Gaea, Family 9f). Selbstverständlich stehen die Eltern dabei immer beobachtend und schützend im Hintergrund, vermitteln dem Kind aber das Gefühl von eigenständigem unabhängigen Handeln. Sowohl in The Family Wicca Book als auch in Raising Witches (2002) bespricht O’Gaea typische Kinderfragen und Gedanken, mit denen sich Kinder beschäftigen. Im Falle von Fragen zu anderer Religionen bemerkt sie, dass es durchaus angebracht ist, zuzugeben, wenn die Fragen der Kinder nicht beantwortet werden können, falls sich Eltern damit nicht ausreichend auskennen. Sie können dann aber die entsprechende Antwort im Hinblick auf die wiccanische Sicht anbieten. Kinder stellen Fragen wie „Why do bad things happen?“, „What about this sex business, anyway?“ oder „What happens when I die?“, die schon mit den Worten eines Erwachsenen im Sinne der eigenen Religion nicht leicht zu beantworten sind (O’Gaea, Family 93ff; O’Gaea, Raising 177ff). Die Aufgabe gegenüber Kindern besteht darin, die Antworten kindgerecht, angstfrei und vertrauensvoll zu formulieren. Im Wicca kommt dazu noch die Schwierigkeit einer möglichst neutralen Wortwahl angesichts der Tatsache, 101 dass wiccanische Kinder mit ihren z.B. christlichen Schulkameraden über diese Dinge sprechen und unter Umständen Vorsicht geboten ist, was die Mitschüler oder Freunde ihren Eltern erzählen. Das macht es für wiccanisch-heidnische Eltern komplizierter, ihren Glauben in Worte zu fassen. O’Gaea verweist auch auf die Bedeutung von „Sun Day School“-oder „Moon School“Kursen für Kinder (Raising 167f, 171). Sie ähneln den Kinderbibelstunden bzw. dem Konfirmationsunterricht. Bei regelmäßigen Treffen basteln und malen Kinder gemeinsam, hören kindgerecht erzählte Mythen verschiedenster Götter und werden spielerisch in den Kreis der acht heidnischen Jahresfeste eingebunden. Ältere Kinder erlernen die eigenständige Gestaltung von Ritualen und die Grundlagen anderer Religionen. Kinderkurse sind vor allem in Gebieten möglich, wo mehrere heidnische Familien relativ nah beieinander wohnen, wie etwa in Tucson, Arizona. Dabei sehen die Kinder, dass es sich bei ihrer Religion nicht nur um eine Familientradition handelt, sondern dass auch andere Menschen und Familien in der wiccanisch-heidnischen Religion leben. Das schafft Selbstvertrauen und bietet Hilfe und neue Ideen auch bei Gesprächen unter Kindern. Möglicherweise bieten sich auch Kurse an, die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern besuchen können. Zwar ist die Präsentation des Materials dann eine andere als bei reinen Kinderkursen, aber Kindern wird das Gefühl der Vollwertigkeit in der religiösen Gemeinschaft vermittelt (O’Gaea, Family 40). Der wichtigste Aspekt einer wiccanisch-heidnischen Kindererziehung ist die Vermittlung von Selbstwertgefühl und die Stärkung der kindlichen Gemütsverfassung für den eigenen spirituellen Weg. Zu diesem Zweck betont O’Gaea die grundlegende Bedeutung von Meditationen und Ritualen auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Dazu zählen „Passage rituals“, die bestimmte Stationen im Leben des heranwachsenden Kindes markieren. Beispielsweise feiern viele Wicca nach der Geburt eines Kindes das Ritual der Namensgebung, das Wiccaning. Dieses Ritual ist in dreifacher Hinsicht bedeutsam: es gliedert das Kind in die wiccanische Gemeinschaft der befreundeten heidnischen Familien und Bekannten ein, segnet es in einem heiligen Kreis und durch die Anrufung der vier Himmelsrichtungen und stellt es offiziell -offiziell deshalb, weil nach wiccanischer Auffassung die Götter das Kind bereits kennen -den Göttern vor (O’Gaea, Rising 26f). Das Wiccaning macht das Kind nicht zur Wicca und gliedert es nicht in die Religion ein. Dies würde der heidnischen Überzeugung von der Richtigkeit einer Religionswahl auf der Basis 102 komplexer Lebenserfahrung widersprechen. Es ist auch kein unauflösbares Sakrament im Sinne der christlichen Taufe, denn so wie der Mensch sich in jeder Sekunde seines Lebens verändert und entwickelt und auf seinem Lebensweg ständig in Bewegung ist, so können sich auch religiöse Überzeugungen ändern. Ein Wiccaning ist vielmehr ein Versprechen aller Anwesenden, sowohl Menschen als auch Götter, das Kind liebevoll auf seinem Lebensweg zu begleiten, „but children are permitted to find their own relationships with the deities as they grow“ (Harvey 199). Die Zeremonie variiert je nach Familie, in der Regel wird ein Kind jedoch im Kreis herum getragen, wird willkommen geheißen und in allen vier Himmelsrichtungen gesegnet. Eine eventuelle zeremonielle Waschung, Besprühung oder Bestreichung mit Wasser sollte nicht mit dem christlichen Taufritual verwechselt werden und besonders nicht mit der Reinwaschung von Sünde. Die heidnische Sicht von Leben beinhaltet nichts der Erbsünde vergleichbares und Kinder werden zunächst grundsätzlich frei von Sünde und jedweder Schuld geboren: „Kinder werden mit dem selber Gleichgewicht aus positiven und negativen Eigenschaften geboren, die uns allen anhaften. Sie besitzen Impulse zur Fürsorge, zum Teilen und zum Altruismus, und Impulse zur Selbstsucht, zu Grausamkeit, Ärger und Haß.“ (Crowley, Phoenix 152f) Wenn Wasser bei einem Wiccaning eingesetzt wird, wirkt es als eines der vier Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft. In vielen Wiccaning-Zeremonien werden alle vier Elemente eingesetzt, um die Zugehörigkeit des Kindes zur Welt zu symbolisieren. Besonders das Element Erde kann durch vielfältige Handlungen vertreten sein: „participants may wish to plant a tree or a flowering shrub to be the child’s special connection to nature; they may bury the placenta, the caul, or the umbilical cord stump“ (Rabinovitch/Lewis 288). Die Pflicht der Eltern ist es, das Kind bestmöglich auf seinen eigenen Weg zu führen und die guten Impulse in ihm zu wecken und ihnen zur Entfaltung zu verhelfen. Im Laufe der Jahre feiern Heiden verschiedene weitere Rituale. Diese bieten sich beim Eintritt in eine neue Lebensphase an. Besonders wichtig sind dabei die Übergänge zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter. Diese Feste werden weniger an einem bestimmten Alter als vielmehr an der persönlichen Entwicklung des Kindes festgemacht. Starhawk berichtet von einem Ritual für ein Mädchen, das seit kurzem seine monatlichen Blutungen hatte. Die teilnehmenden Frauen 103 bastelten Ketten für das Mädchen und bemalten seine Haut mit Spiralen aus Hennafarbe. Das Mädchen badete in einem kleinen Bergsee und man schritt gemeinsam ein Spiralmuster ab (Starhawk/Baker/Hill 11). Starhawk beschreibt Rituale dieser Art als alt und gleichzeitig neu; alt deshalb, weil sie an eine uralte Tradition von Initiationsritualen auf der ganzen Welt anknüpfen, und neu, weil sie im Neuheidentum wieder bewusster Bestandteil des Lebens werden. Zusätzlich werden wiccanisch-heidnische Kinder besonders durch Visualisierung und Meditation geschult. Die Praxis der Visualisierung lehrt Kinder, sich zu konzentrieren, sich auf Dinge vorzubereiten, gewissermaßen im Geiste den ‘Ernstfall’ zu üben, eigene Ziele zu verfolgen und zu deren Realisation Lösungen zu suchen. Außerdem bereitet die Visualisierung auf die Teilnahme im rituellen Kreis vor. Geleitete Meditationen helfen bei der kindlichen Verarbeitung verschiedener Themen. O’Gaea nennt als Beispiel die „Mirror of the Meadow“-Meditation zur Anerkennung des eigenen Körpers in seiner individuellen Beschaffenheit zum Aufbau eines gesunden Körperbewusstseins (O’Gaea, Raising 121ff). Darüber hinaus entsprechen geleitete Meditationen der kindlichen Vorstellungskraft und der Fähigkeit, sich Umgebungen zu fantasieren, die einen sicheren Raum für neue Erfahrungen bieten. Vorzugsweise sollten Eltern sich viel Zeit nehmen und Meditationen vorlesen. Mit zunehmendem Alter können Meditationstexte auf Kassette aufgenommen werden, so dass sich Kinder die entsprechende Zeit selber einteilen oder auch gemeinsam mit den Eltern meditieren können. Die Bücher von O’Gaea sind in erster Linie Anleitung und Hilfestellung für Erwachsene, die ihre Kinder bewusst neuheidnisch erziehen wollen. Eltern finden dort Antworten auf viele Fragen, Anregungen im Umgang mit Problemen und praktische Tipps für Aktivitäten. Die kindliche Aktivität steht auch im Mittelpunkt des Buches Circle Round (2000 [1998]) von Starhawk, Diana Baker und Anne Hill. Hierbei handelt es sich um eine Ideen-, Material-und Hinweissammlung, die thematisch nach den Jahreskreisfesten und den Elementen aufgebaut ist. Die einzelnen Kapitel beinhalten jeweils Einführungen zur Göttin und zum Gott in Bezug auf das behandelte Thema, Lieder mit Notenangaben und spielerische Rituale für Kinder, wie z.B. ein Energiespendungsritual mit Regenwasser (376). Das Hauptaugenmerk liegt auf der Erzählung von Mythen zu verschiedenen Göttern aus unterschiedlichen Ländern und Traditionen, wie z.B. der Mythos der shintoistischen Sonnengöttin Amaterasu im Kapitel zu 104 Yule, die Geschichte von Demeter und Persephone im Abschnitt zu Ostara und Inannas Abstieg in die Unterwelt im Kapitel zu Lughnasadh. Die Mythen werden in einer kindgerechten einfachen Sprache erzählt, wobei auf die häufige Verwendung von direkter Rede zurückgegriffen wird. Die Geschichten machen Kinder mit verschiedenen Göttern im Sinne eines polytheistischen Glaubens vertraut und helfen ihnen, anhand der unterschiedlichen Zugänge zur heidnischen Spiritualität einen Sinn für Vielfalt und darauf aufbauend einen Sinn für Toleranz zu entwickeln. In erster Linie geht es dabei jedoch zunächst um Götter und ihre Charaktere, ihre Besonderheiten und die Entwicklung der jeweiligen Geschichte. So wie die Mythen für die Wicca Modelle für die Beschaffenheit der Welt liefern, bieten sie auch Kindern religiöse Erklärungsmuster. Anhand der Geschichten erfahren Kinder die im Wicca grundlegende Verschmelzung von Natur und Göttern: Demeter lässt die Natur wieder aufblühen, sobald Persephone aus der Unterwelt heraufsteigt, um ihre Mutter zu treffen, und ohne Amaterasus Strahlen kann auf der Erde nichts existieren. Durch die Fülle von Geschichten wird so für Kinder ein Gesamtnetz gewoben, dass die Welt und ihre Kosmologie vielschichtig macht: das bedeutet, dass Amaterasu keineswegs mit dem zu Yule geborenen Gott konkurriert, sondern dass ihre Geschichten unterschiedliche Darstellungsformen der menschlich-natürlich-göttlichen Verbindung sind. Die kindgerecht erzählten Mythen binden wiccanische Kinder in die Bedeutung des natürlichen Lebenskreislaufs ein und helfen dadurch auch bei der Stärkung des kindlichen Urvertrauens: das Kind erfährt sich als festen Bestandteil eines verlässlichen zyklischen Systems. Als drittes Beispiel sei das Pagan Kids’ Activity Book (1998 [1986]) von Amber K vorgestellt. Amber K ist eine unter Neuheiden bekannte wiccanische Hohepriesterin, die in ihrem Buch True Magick (1990, erweiterte Version eines Pamphlets von 1985) die Grundlagen und regeln des Magieverständnisses, die Komposition wiccanischer Rituale und die ethische Haltung der Wicca in Bezug auf den Einsatz von Magie behandelt. Während die genannten Veröffentlichungen von O’Gaea und Starhawk zunächst für Eltern konzipiert sind und erst in einem zweiten Schritt als praktische Aktionen mit den Kindern in die Tat umgesetzt bzw. die Mythen vorgelesen werden, richtet sich das Pagan Kids’ Activity Book unmittelbar an Kinder. Darin sind zwar auch kleine Texte enthalten, die je nach Alter des Kindes von den Eltern vorgelesen bzw. als Hinweis seitens der Eltern eingebracht werden können, das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf Aktivitäten wie Malen und Rätsel lösen und auf der spielerischen Erarbeitung von Symbolen, Jahresfesten und anderen heidnisch relevanten 105 Themen. So müssen etwa die Phasen des Mondes auf der Basis der eigenen Beobachtung in die richtige Reihenfolge gebracht werden (2), in einem Mobon-Labyrinth soll der Weg zu geernteten Früchten gesucht werden (24) und in einer Bilderreihe gilt es, echte Hexen von falschen, d.h. vorgetäuschten Hexen, zu unterscheiden (13). Interessanterweise verfolgt das Hexenbilderspiel ein ähnliches Ziel wie das im Abschnitt zu Samhain besprochene Gedicht „A Pagans ‚Halloween’ Poem“ von Cather Steinkamp: die Unterscheidung zwischen praktizierenden Wicca und ihrer Lebensart und den Klischees und falschen Vorstellungen, die die Gesellschaft sich häufig von Hexen macht. Einige der Rätsel und Spiele im Activity Book setzen erste Fähigkeiten im Lesen und Schreiben voraus, wenn die Buchstaben der Namen von Bäumen in die richtige Reihenfolge gebracht (12) oder in einem Buchstabengitter in Bezug auf Litha relevante Begriffe gefunden werden sollen (22). Das Buch ist zum Ausmalen, Reinschreiben und Einkleben (z.B. Fotos in einen „magick mirror“ zum Thema Samhain, 25) gedacht. Auffällig sind fast wie beiläufig eingestreute Erziehungsziele wie etwa im Doppelsuchbild auf Seite 27: das Suchbild ist nicht als Fehlersuchbild mit einer richtigen und einer falschen Seite konstruiert sondern als Doppelbild mit insgesamt 21 Unterschieden, die als Variationen vermittelt werden, so wie eine „story [...] told in two different ways“ (27). Besonders amüsant und gelungen ist auch das Suchbild seltsamer Ereignisse beim Abschluss eines Rituals mit „cake ‘n’ wine“, in dem Dinge dargestellt werden, die bei einem Ritual nicht zu erwarten sind (9): In der gezeigten Erdungsphase lugt E.T. hinter einem Gewand hervor, ein Teilnehmer trägt eine Kette mit Supermann-Zeichen und eine Kerze brennt an beiden Enden. Bezeichnend ist dabei auch ein levitierender (schwebender) Teller, der offensichtlich nicht Bestandteil eines echten wiccanischen Rituals zu sein scheint. In seiner Themenzusammenstellung ist das 36-seitige Activity Book mit der Größe 21,5 x 28 cm ein regelrechtes erstes Schattenbuch für Kinder, das religiöse Informationen wie z.B. Götternamen enthält, Grundlagen zu Praxis und Glauben vermittelt und Kinder einlädt, mit dem Buch zu arbeiten. Es erfüllt für den Anfang die Funktionen, die auch ein klassisches Buch der Schatten innehat: es ist Nachschlagewerk, Dokumentations-und Arbeitsbuch und kann Kinder dadurch auf die Kreierung und Gestaltung eines eigenen Schattenbuchs vorbereiten. Abgesehen von einigen ganz persönlichen Einflüssen der Autorin wie etwa auf der Lebensmittelliste für Lughnasadh (23), bei der sie laut der Lösung auf der letzten Seite auf der Basis ihres persönlich praktizierten Vegetarismus das Produkt „pork sausage“ von der Liste gesunder Lebensmittel als zu streichen ansieht, ist das Activity Book ein gelungenes 106 Lese-bzw. Vorlese-, Hand-und Spielbuch für Kinder von etwa vier bis sieben Jahren (Kelly, Neo-Pagan I Introduction; Altersvorschlag Schätzung der Autorin). Neben den hier genannten Büchern existiert eine Fülle von Material in Bezug auf die heidnische Erziehung von Kindern. Besonders die Pagan Federation bietet Veröffentlichungen in diesem Bereich an und auf der Webseite wird zusätzlich zu Materialien für Kinder auch über Veröffentlichungen für Jugendliche informiert (Weitere Buchtipps, Webseiten und Lieferanten für Spiele und Musik bietet Starhawk/Baker/Hill 421ff). Auch dieses Material ist bisher allerdings nur in englischer Sprache lieferbar. Es bleibt abzuwarten, ob deutschsprachige Projekte folgen werden. 5.2 Erziehung zu Naturbewusstsein Bei allen Tipps zur Kindererziehung und bei allen Hilfestellungen und Vorschlägen zur religiösen Förderung besteht das Zentrum des religiösen Erlebens des Kindes im Neuheidentum im Verhältnis zur Natur. Der Kontakt mit der Natur stellt, auch in stark urbanisierten Gegenden, die Basis der wiccanisch-heidnischen Erziehung dar. Das klischeehafte Bild des baumumarmenden Heiden verdeutlicht das kindliche Erleben der heidnischen Religion in der Natur: Der direkte körperliche Kontakt z.B. mit Pflanzen, das Erkennen von Blumen und Bäumen als Lebewesen und der vorsichtige, verantwortungsbewusste, freundschaftliche Umgang mit Pflanzen und Tieren sind die Grundlage für die heidnische Sicht der Heiligkeit der Natur. Besonders Kinder sind für diese Art von religiösem Empfinden sehr empfänglich: „To many children [...] the world is profoundly alive. Trees speak, rocks move, there are giants beneath the hills and the clouds have faces“ (Harvey 133). Damit verweist Harvey auf die psychologische Erkenntnis, dass Kinder ihre Umwelt vielschichtiger und detaillierter wahrnehmen als Erwachsene. Dieses frühkindliche, noch nahezu uneingeschränkte Erleben von Kindern weisen Neuheiden häufig einem sechsten Sinn zu, den Kinder noch haben und mit dem sie um sich herum z.B. Feen und Kobolde entdecken, der aber mit dem Älterwerden und vor allem mit dem Hineinwachsen in die Strukturen der westlichen Gesellschaft verkümmert. Aufgrund dieser Annahme ist es nur folgerichtig, wenn Neuheiden darauf Wert legen, dass ihre Kinder möglichst häufig und regelmäßig die Chance bekommen, sich in der Natur aufzuhalten, um eine enge Verbindung 107 zu ihr aufzubauen. Auch wenn in vielen heidnischen Familie keine gezielte religiöse Erziehung betrieben wird, so ist es doch fester Bestandteil jeder heidnischen Kindererziehung, die Natur zu achten, ihre Rhythmen nachzuvollziehen und ein grundlegendes positives Verhältnis zu allen Lebewesen aufzubauen. 108 6. Die Bedeutung des Internet „Blessings on this fine machine May its data all be clean. Let the files stay where they’re put, Away from disk drives keep all soot. From its screen shall come no whines, Let in no spikes on power lines. As oaks were sacred to the Druids, Let not the keyboard suffer fluids.“ („Computer Blessing“, Zhahai Stewart) Nach Gregor Ahn ist das Internet auch für die Religionswissenschaft eine besondere „kommunikationstechnische Innovation und Herausforderung“ („Religionen im Internet“). Es ist dadurch, dass sich der „religionshistorische Befund an simultanen, aber divergierenden Quellen zu ein und derselben Religion [...] schlagartig potenziert“ hat, zu einer wichtigen „Quelle für die aktuelle Religionsforschung“ geworden („Religionen im Internet“). Einerseits ist das Netz Forum für individuelle Meinungsäußerungen, andererseits führen die „Zusammenschlüsse neuer Verbände auch zu einer neuen „Form von Orthodoxie“ („Religionen im Internet“). Als Beispiel führt Ahn das Netzwerk der zahlreichen Homepages an, die sich zum ‘Witches’ Web’ zusammengeschlossen haben. Das Internet ist auch aus der Kommunikation unter Neuheiden nicht mehr wegzudenken. Man könnte vermuten, dass Anhänger einer Religion, die sich auf den Mythos einer vorzeitlichen Religion beruft und alte heidnische Elemente integriert, sich dem Internet gegenüber distanziert verhalten. Das Gegenteil ist der Fall. Die Tatsache, dass im Verhältnis zu anderen Religionen die Anzahl der Anhänger, wenn auch stetig wachsend, noch relativ gering ist und sich diese Anhänger über den ganzen Globus verteilen, macht das Worldwideweb für Wicca zum internationalen Kommunikationsmedium und zur unverzichtbaren Plattform. Darüber hinaus stellt es für viele in ländlicheren Gegenden lebende Wicca das wichtigste, wenn nicht sogar einzige, Medium im Kontakt mit Gleichgesinnten dar. Berger hat gezeigt, dass ein nicht geringer Prozentsatz (10 %) von Wicca in den Vereinigten Staaten sogar in der Computerbranche arbeiten (Berger/Leach/Shaffer 33). Sie nennen sich selber auch scherzhaft „technopagans“ (NightMare 55). 109 Die Vorstellung von überall auf der Erde lebenden, durch elektronische Datenleitungen verbundenen Wicca und Neuheiden evoziert das Bild eines Netzes mit unzähligen Knotenpunkten. Für Wicca ist das Netz aber nicht nur als Kommunikationsmedium von Bedeutung. Es stellt ein besonderes Symbol dar, das die Verwobenheit der Dinge auf unterschiedlichen Ebenen reflektiert. Beispielsweise spiegelt das Netz des Worldwideweb die Verbindung der Energien dar, wie sie Bestandteil des neuheidnischen Weltbildes sind und in der Vorstellung der Wirkungsweise von Magie ihren Ausdruck finden. Das Netz ist für Wicca und Neuheiden ein Bild des Lebens: „Witches generally see all life as interconnected. What is done in one place travels along the fibers and affects other places“ (NightMare 29). Das äußert sich im Bild des Stoffes: „When a thread is cut, the fabric is weakened. When a new thread is spun, the fabric is strengthened and renewed“ oder im Bild eines Spinnennetzes: „Spiders spin webs of filaments issuing from their own bodies, streching them out to connecting vortices where they join with other filaments“ (NightMare 29, 30). Die bildliche Entsprechung zwischen der elektronischen Vernetzung und einem Spinnennetz zeigt außerdem, dass das Weltbild der Wicca die symbiotische Beziehung zwischen Umwelt und Natur und Technik, Wissenschaft und Forschung beinhaltet. Beide Bereiche stehen sich hier nicht gegenüber, sondern sind Bestandteile des selben Systems. Dass ein stärkerer Bestandteil dabei auf einen schwächeren Teil Rücksicht zu nehmen hat, ist die Grundlage für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Systems. Durch das Worldwideweb fühlen sich Wicca der internationalen neuheidnischen Gemeinschaft zugehörig. Die religiös motivierten „user“ bilden eine „online community“ (Krüger, „Methods“ 1). „The remarkable effect that the Internet has had on Witchcraft and Paganism is that it has become our community. Cynthia, a Virginia Witch, explains: ‘I believe the Internet has given Witches a [...] meeting place and even better an anonymous meeting place’“ (NightMare 57). Die Möglichkeit, sich anonym zu äußern und seine Vorstellungen und Gedanken mit verständnisvollen Gleichgesinnten zu teilen, vermittelt gerade Neuheiden, die sich erst seit kurzer Zeit durch die neue Religion angesprochen fühlen, ein Gefühl des Aufgenommenseins. Gleichzeitig schafft die räumliche Distanz der Kommunikationsteilnehmer und die in Pseudonymen erhaltene Anonymität für das System aber auch Probleme. Dadurch, dass die 110 Gesprächsteilnehmer sich nicht Auge in Auge gegenüber sitzen, fehlt ein nicht zu unterschätzender Teil des Kommunikationskanals, der Teil der Mimik, der Gesten und der Tonlage. Die persönliche Unmittelbarkeit ist durch die Beschränkung auf das (nicht einmal handschriftlich) geschriebene Wort nicht gegeben. Dabei besteht immer auch die Gefahr, und die Erfahrung vieler Internetbenutzer bestätigt dies, dass die Kommunikation nicht immer ehrlich ist und man nicht immer sicher sein kann, mit wem genau man am anderen Ende der elektronischen Leitung verbunden ist. Als Beispiel nennt Krüger einen männlichen „multiple personality user (MPU)“ im Diskussionsforum Hexen-Online.org, der etwa fünfzehn verschiedene „nicknames/characters“ bzw. Avataras innehatte und mittels der verschiedenen „virtual personalities“ mit sich selber Diskussionen führte, um für sich einen hohen Beliebtheitsgrad und Status im Forum zu suggerieren (Krüger, „Discovering 16). Abgesehen von solchen Fällen scheint die Schwierigkeit nicht so sehr bei den einzelnen Neuheiden zu liegen, die das Worldwideweb zur Informationssammlung und Kontaktaufnahme nutzen, sondern vielmehr bei den unterschiedlichen Seiten, die Informationen und Schulung anbieten: „The term for them is armchair occultists. [...] Now the armchair is actually situated in front of a computer, and you have these people grow up claiming to be teachers on internet sites, and are teaching people on witchcraft. People can do it on their site and learn about witchcraft. And they have never actually ever done it. They have just read books. [...] They’ve got no real experience, and we see that happening.“ (Bone in Farrar/Bone, Interview) Diese Art von Schulung Interessierter nützt in erster Linie den Anbietern, bei denen nicht immer gewährleistet ist, dass es sich um seriöse Personen handelt. Zum Teil handelt es sich um „sites which are charging on the internet for training and initiation, [...] we do have a problem with this. It debases spirituality into a case of ‘I’ll do this course over several weeks and then I’ll be a witch’, which it isn’t. It’s Fast Food Wicca“ (Bone in Farrar/Bone, Interview). Das Internet fordert vom interessierten Teilnehmer also auch im Fall von Wicca ein gesundes Urteilsvermögen, um für sich selbst einzuschätzen, welchen Webpartnern vertraut werden kann und auf welchen Kontakt besser zu verzichten ist. So wie sich in Städten Gruppen zusammenfinden oder regionale Coven regelmäßig miteinander arbeiten, treffen sich Gruppen online (McSherry 47f). In so genannten Newsgroups (auf bestimmte angemeldete Personen begrenzte Räume zum Austausch von 111 Informationen und Korrespondenzen) oder Chatrooms (Räume für Kontakte und Gespräche) ist es möglich, Kontakte zu bereits bestehenden Online-Coven zu knüpfen oder an dem Aufbau eines neuen Coven Interessierte kennen zu lernen. Mitglieder solcher Coven halten häufig engen und regelmäßigen Kontakt über e-mail oder virtuelle Räume und halten zu verschiedenen Gelegenheiten, z.B. den Jahreskreisfesten oder zu gemeinsamen Themen, Rituale ab („Religionen im Internet“). Grundlage eines vituellen Rituals ist die Verabredung eines festen Zeitpunktes und vor allem die genaue Vorbereitung des Ritualablaufs mit Texten und Regieanweisungen. Dabei können Rituale nach der gemeinsamen Vorlage vor dem Computer abgehalten werden und die gesammelte Energie zum Schluss durch eine Nachricht an eine bestimmte Person weitergeleitet werden. Manche Rituale feiern die Teilnehme für sich und treffen sich danach in dem dafür vorgesehenen elektronischen Ritual-Raum, der während des Rituals auf jedem teilnehmenden Computer geöffnet ist, zum Gespräch (McSherry 51f). Manchmal beinhalten Online-Rituale in dem eigens dafür vorgesehenen Raum auch das Schreiben des Ritualtextes auf der Tastatur, so dass die gesprochenen Worte ihre elektronische Entsprechung finden (Telesco/Knight 59ff; NightMare 191ff; McSherry 103ff). Die schwierigen Umstände eines online gefeierten Rituals beschreibt ein erfahrener Teilnehmer so: „I can definitely say that it can be really hard to concentrate in a meditative state: while reading from a well-lit screen, while concentrating on typing legibly, if you want to write [...] something and other people are changing the subject, if the chat room you are in is causing problems, if you are communicating through instant messenger, if you are trying to lead the ritual and take part in it as well, and so on. Whenone loses one’s meditative state, IBM and AOL cease to be sacred very quickly!“ (NightMare 205) Um den meditativen Zustand aufrechtzuerhalten, ist auch bei Online-Ritualen die Visualisierung besonders wichtig, besonders was das Aufbauen von Energie angeht (McSherry 115). Auch magische Arbeiten werden im elektronischen Raum praktiziert und viele Wicca führen mittlerweile ein Schattenbuch auf ihrem Computer. Der Vorteil ist, dass Daten und Einträge an andere Wicca per e-mail verschickt werden können und so ein reger Austausch von Material stattfindet (McSherry 87ff, 131ff). 112 Das Verhältnis zwischen dem Worldwideweb und dem religiösen Anhänger zeichnet sich durch eine starke, ernsthaft gelebte Bindung und gegenseitige Wechselbeziehung aus: „For those individuals who participate in online religious activity, there is no seperation between their offline life and experiences and their online life and experiences, and their religious activities and worldview permeate both environments. For those people who practice online religion, the Internet is not some place ‘other’ but recognized as a part of their everyday life and they are merely extending their religious meaning and activity into this environment“ (Helland 12). Das Worldwideweb stellt mittlerweile das wichtigste Kontakt-und Informationsmedium dar, was neuheidnische Vereinigungen, Termine und Schulungsangebote angeht. Seiten wie etwa , und liefern Informationen über Literatur und Neuigkeiten aus der wiccanisch-neuheidnischen Gemeinschaft. Außerdem werden Termine zu regionalen oder überregionalen Treffen von Gruppen oder Organisationen veröffentlicht, die eine wichtige Ergänzung zum Online-Kontakt darstellen und die Möglichkeit geben, persönliche Kontakte zu knüpfen (weitere Seiten bei Telesco/Knight 142ff). Internetkurse werden z.B. auf und angeboten. Ansprechpartner in Deutschland ist die Pagan Federation International Deutschland mit Sitz in Dortmund und der Webseite . Hinweise auf weiter Webseiten finden sich mittlerweile vermehrt in der neueren Literatur zur Wicca-Religion. Telesco und Knight bieten beispielsweise eine kommentierte Liste verschiedener Adressen zu unterschiedlichen Themenbereichen, wie etwa Festivals, Magazine oder Musik, und die Suchmaschinen verweisen auf diverse zusätzliche Seiten (Telesco/Knight 137-152). 113 C. Weltbild der Wicca 1. Wicca als Kongruenzreligion 1.1 Der Begriff ‘Naturreligion’ Der Begriff ‘nature religion’ ist ein alter Begriff, der bereits seit einigen Jahrhunderten in philosophischer Hinsicht bedeutsam ist (s.u.). Kürzlich wurde er allerdings von Catherine Albanese verwendet, um verschiedene religiöse Strömungen in Amerika, u.a. auch die Homöopathie und New Age, als Naturreligionen zu bezeichnen. Nahezu unmittelbar daraufhin wurde er auf das Neuheidentum angewendet und von Anhängern des Neuheidentums selber benutzt. Grund dafür ist die grundlegende Rolle, die Umwelt und Natur, sowie die natürlichen Abläufe in der Natur im Neuheidentum spielen. In seinem Artikel „Naturreligion“ im Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe hält Kohl den Begriff ‘Naturreligion’ für verzichtbar, weil die Natur nicht das Einzige und nicht die Hauptsache in der Religion sein könne (Kohl 232f). Im Fall von Wicca und Neuheidentum als jungen Religionen des 20. und 21. Jahrhunderts ist aber die Natur als Zentrum und Drehpunkt aller anderen Bestandteile von so großer Bedeutung, dass der Begriff nicht übergangen werden darf. Der Begriff ist durchaus angemessen, neuheidnische Religionen zu bezeichnen und zu beschreiben. Er ist angesichts der religiösen Merkmale des Neuheidentums passend und erweist sich als hilfreicher Arbeitsbegriff. Die zentrale Rolle der Natur im Wicca wird im nächsten Abschnitt detailliert beschrieben. Problematisch ist jedoch, dass der Begriff ‘Naturreligion’ ohne jegliche Reflexion seiner Geschichte und der entsprechenden Konnotationen bedenkenlos übernommen wurde. Diese Aspekte müssen zunächst kritisch dargestellt werden. Denn erst wenn man sich bewusst ist, wie philosophisch und theologisch ‘vorbelastet’ der Begriff ‘Naturreligion’ ist, wird es möglich, sich von den Begriffskonzeptionen und Konnotationen der Vergangenheit zu lösen, um ihn für seine neue Funktion frei zu machen. 1.2 Zur Begriffsgeschichte Zunächst steht der Begriff ‘Naturreligion’ in Assoziation mit dem der ‘ethnischen Religion’. Ethnische Religionen sind solche Religionen, bei denen die „kulturelle Zone mit einer 114 einzigen Nationalität zusammenfällt“ (Sabbatucci 57). Dabei ist zu beachten, dass ethnische Religionen keine Einheit bilden, sondern sich in ihren Vorstellungen erheblich voneinander unterscheiden können und der Begriff ‘Ethnie’ keine bestimmte Größe impliziert. Der Kulturanthropologe Wilhelm Emil Mühlmann beschreibt und definiert den Begriff so: „Für die soziologische Beurteilung und Einrangierung der Naturvölker ist entscheidend, daß wir das ‘subjektiv gemeinte’ soziale System dieser Menschen erfassen, die Reichweite einer kollektiv möglichen Willensbildung. [...] Wir selbst sprechen vom ‘Ethnos’ oder der ‘Ethnie’ [...] und verstehen darunter die größte feststellbare souveräne Einheit, die von den betreffenden Menschen selbst gewusst und gewollt wird. Eine Ethnie kann daher auch eine Horde, ein Klan, ein Stamm, sogar eine Kaste sein; was sie de facto ist, kann nur empirisch festgestellt werden, indem man versucht, in die kollektive Intentionalität einzudringen.“ (Mühlmann 56f) ‘Ethnische Religion’ als solcher scheint also ein relativ neutraler Partnerterminus zu ‘Naturreligion’ zu sein, wären da nicht noch andere Begriffe, die das gesamte Wortfeld mit einer abschätzigen Konnotation versehen. So schwingt in ‘Stammesreligion’ eine negative Bedeutung durch das Wort ‘Stamm’ mit und ‘archaische Religion’ verweist abwertend auf einen unausgereiften, möglichst zu überwindenden Urzustand. Selbst in der Bezeichnung ‘schriftlose Religion’, die an sich nicht abwertend gemeint ist, schwingt mitunter ein leicht überheblicher Unterton mit. Besonders der Begriff ‘primitive Religion’ ist aufgrund seiner pejorativen Konnotation nicht mehr zu gebrauchen. In seiner ersten Bedeutung meint er ungebildet, unentwickelt und roh. In seiner zweiten Bedeutung verweist er auf einen als ursprünglich angenommenen Urzustand des Menschen. Hobbes verstand darunter den Mensch mit dem rauen Selbsterhaltungstrieb eines Tieres (Russell 559, 634; Hobbes, Leviathan Teil I, Kap. 13 und 14, S. 89, 91). Bei Rousseau zeigt sich der Gedanke vom menschlichen Urzustand in dem Konstrukt des ‘edlen Wilden’, dessen Moral noch nicht durch Wissenschaft, Literatur und Kunst korrumpiert war (Russell 695). Den Urzustand des Menschen meinte man bereits im 16. und 17. Jahrhundert an den so genannten Naturvölkern ablesen zu können, da diese „auf einer Entwicklungsstufe stehen, die diesem [Naturzustande] ziemlich nahe kommt“ (Theodor Waitz zitiert bei Grotsch 638). Später erkennt die Ethnologie im Zuge der intensiven Beschäftigung mit den Kulturen und Völkern der Erde, dass zunächst als kulturlos bezeichnete Völker durchaus über eigene Kulturen verfügen und ein wie auch 115 immer vormals angenommener ‘Urzustand’ eben nicht lapidar von ihnen abgelesen werden kann, da sie keine Abbilder eines solchen darstellen. Schließlich wird eine Gegenüberstellung von Natur und Kultur immer fraglicher, eine gegenseitige Bedingung von Natur und Kultur und eine wechselseitige Wirkung aufeinander immer plausibler. Gustav Mensching verwirft in seinem religionssystematischen Hauptwerk Die Religion von 1959 die Auffassung der Vertreter der so genannten Evolutionstheorien, man könne „in der Religionsgeschichte von Fortschritt als von einer Vervollkommnung reden“ (Mensching 268). Er sieht die „divergenten Weisen der Gottesschau und Gottesvorstellung“ als „Strukturen religiöser Handlung, die nicht aufeinander folgen, sondern in der Geschichte nebeneinander herlaufen, [...] die nicht als entwickeltere oder weniger entwickelte, als vollkommenere oder unvollkommenere zu unterscheiden sind; denn dafür fehlt uns, sofern wir auf dem Boden exakter Wissenschaft bleiben, der Maßstab“ (Mensching 277). Theoretisch distanziert sich Mensching ausdrücklich von der Vorstellung einer absoluten Religion als Ziel einer religionsgeschichtlichen Entwicklung, wie sie z.B. Hegel im Christentum verwirklicht sah (Mensching 270f). Formulierungen bei der Beschreibung von Naturreligionen, wie z.B. „deren Träger im Naturzustand leben“ (74f), „überwiegend passive Haltung der Natur gegenüber“ (75) und „’vorvölkischer’ Existenz“ (76), zeigen allerdings, dass man sich noch bis vor einiger Zeit der Schwierigkeit von Begriffen mit stimmungsbeladener Bedeutung nicht bewusst und Mensching selber der Terminologie seiner Zeit verhaftet war. Die mit der Evolutionstheorie in Konkurrenz stehende Dekadenztheorie besagt, dass sich die Menschheit im Laufe der Zeit von einem in ihr angelegten monotheistischen Grundglauben entfernt und wegentwickelt habe. Die Deisten, die seit dem 16. Jahrhundert und besonders im 17. und 18. Jahrhundert die Auffassung einer ‘natürlichen Religion’ des Menschen vertraten, argumentierten anders: Sie vereinte der „rational fundierte Glaube an das Dasein Gottes“, wobei entweder auf das „Buch der Natur“ als Schöpfungsdokument des Wissens von Gott, oder auf die Vernunft als grundsätzliches Erkenntnisprinzip zurückgegriffen wurde (Gawlick 45; Schröder 714f). Die Bibel und der Offenbarungsgedanke galten dabei von pädagogisch annehmbar, weil potentiell zur Vernunfterkenntnis führend, über insgesamt unwesentlich bis hin zu für die Vernunft hinderlich. Die so begründete „Verstandeswissenschaft von Gott“ erhielt den Namen ‘natürliche Theologie’ (Schröder 713ff). Die Auffassung von einer dem Menschen offenbarungsunabhängigen, eigenen ‘natürlichen Religion’ fixierte Herbert von 116 Cherbury im Jahr 1645 in fünf grundlegenden Artikeln: 1. Gott als höchstes Wesen existiert, 2. der Mensch ist zu dessen Verehrung verpflichtet, 3. die Führung eines moralischen Lebens ist der wichtigste Bestandteil dieser Verehrung, 4. für moralisch verwerfliche Taten ist Buße zu tun und 5. der Mensch wird nach diesem Leben belohnt oder bestraft. Herbert von Cherbury postuliert die allgemeine Zugänglichkeit dieser Vernunftsätze für jeden Menschen. Im Zuge der Diskussion um natürliche Religion und Offenbarungsglaube postulierte Tindal 1731 in Christianity as old as the Creation, das Christentum sei eine „restauration“ und eine „republication“ der moralisch verpflichtenden natürlichen Religion (Schröder 720). Religionskritiker und Atheisten verneinten demgegenüber die Ableitbarkeit einer Gotteslehre aus der Beobachtung der Natur und eine rationale Begründbarkeit der christlichen Offenbarungsreligion (Schröder 722f). In Système de la nature beschreibt P. H. Thiry Baron d’Holbach 1770 die Natur als die wahre moralische Grundlage des Menschen: „Dare to enfranchise yourself from the trammels of superstition. [...] trace back thy wandering steps to Nature. She will console thee for thine evils; she will drive from thy heart those appalling fears which overwhelm thee. Return to nature, to humanity, to thyself.“ (zitiert nach Albanese, Reconsidering 2). Man könnte meinen, dass es sich bei Theorien wie sie im Rahmen der natürlichen Theologie postuliert wurden, um Systeme der Vergangenheit handelt. Aber die Grundidee dieser und ähnlicher Vorstellungen war in christlichen Denkerkreisen vielen sympathisch und hat bis ins letzte Jahrhundert nachgewirkt. Insbesondere die Theorie eines anfänglichen reinen Urmonotheismus des Missionspaters W. Schmidt zeigt, wie noch bis ins 20. Jh. argumentiert wurde. Mensching verwirft derartige Theorien als „glaubensmäßige Konstruktion“ (Mensching Religion 296). Im Falle von ‘natürliche Religion’ richtete sich der Fokus des Begriffs ‘Natur’ auf eine dem Menschen angenommenen innere Natur und Befindlichkeit im Hinblick auf religiöse Erkenntnisfähigkeit. Da es sich dabei jedoch um die Fähigkeit des Verstandes handelte, lehnte man später den Begriff ‘natürliche Religion’ ab und bevorzugte die Bezeichnung ‘rationale Religion’ (Schröder 726). Die Verwendung des Begriffs Naturreligion in Verbindung mit den ethnischen Religionen verweist dagegen auf Natur und die natürliche Umwelt, die dem Menschen zunächst als ihm äußerlich begegnet, mit der er umgeht und als deren Teil er sich in einem nächsten Schritt versteht. 117 1.3 Die zentrale Stellung der Natur Grundlage für diese Bezeichnung von Wicca als Naturreligion ist zunächst die Vorstellung, dass jedes Wesen, jedes Ding, alles, was auf der Erde existiert, belebt ist. Die gesamte Schöpfung lebt, und jedes Atom hat seinen eigenen Zweck und ebenso seine eigene spirituelle Kraft. Die Erde und die Welt als Ganzes, das Universum, sind ein gewaltiger lebender Organismus (Crowley, Way 21). Deshalb haben Wälder, Seen, Berge, also die Vegetation und Natur auf unserem Planeten, für alle Wicca eine besondere Bedeutung. Jedes Blatt, jeder Grashalm, jeder Tropfen Wasser und jeder Stein haben Leben in sich. Sie sind nicht tot oder einfach nur unbelebte Materie, sondern haben aktiv Teil an der allumfassenden Lebensenergie. Deshalb werden Plätze, an denen Rituale abgehalten werden sollen, auch bewusst und wenn möglich in der freien Natur aufgesucht. 1.4 Gedichtanalyse „The tree’s sight“, Zelda of Arel Besonders eindrucksvoll vermittelt dies der Text „The tree’s sight“ von Zelda of Arel. The tree's sight Zelda of Arel The spirit of Air Kisses the living Monument from Earth. It speaks with 5 The help of Wind Telling a story. The spirit of Water 10 Giving me drink From Air and Earth. The spirit of Fire Destroying me With scolding flames. Human hands 15 Break my arms, Setting on fire. They gather my Fallen dead arms 118 Setting on fire. I gaze on those 20 Not hurting me Wondering a bit. Stars shine around 25 Their moving, Bowing necks. They must be Riting Pagans From the city. In ihm wird der Baum nicht nur vermenschlicht, sondern kommt in der Darstellung seiner Gedanken selber zu Wort, wird also als denkendes Wesen mit Bewusstsein präsentiert. Schon die kurzen, aus höchstens vier Worten bestehenden 27 Verse vermitteln ikonisch das Bild eines hohen Stammes. Säulenartig aufragende ist der Baum ein „living/ Monument from Earth“ (2f). Zunächst weisen die Verse 4 bis 6 nur eine einfache Personifikation auf, indem der Baum als sprechend und Geschichten erzählend dargestellt wird. Dass er ab Zeile 7 selber beginnt zu sprechen oder vielmehr seine Gedanken in der Innensicht mit dem Rezipienten zu teilen, kommt überraschend. Zunächst stellt sich der Baum in seiner Beschaffenheit als ein ‘Wesen’ vor, das sich von Wasser und Luft ernährt und vom Feuer zerstört werden kann. Im folgenden (13-18) beschreibt der Baum, wie sich Menschen oft ihm gegenüber verhalten. Durch die eigene Beschreibung seiner Äste als Arme, wird beim Rezipienten Mitleid angesichts des angenommenen Schmerzes beim Abbrechen dieser Äste (14) erregt. Und die Aussage, dass Menschen schließlich die abgebrochenen Äste zusammen mit abgefallenen verbrennen, betont mit Rückbezug auf das „Fire/ Destroying me/ With scolding flames“ (1012) die Grausamkeit dieser Behandlung aus der Sicht des Baumes. Weiter fällt der Blick des Baumes auf ein paar Menschen, die ihm offensichtlich nicht wehtun, was ihn zunächst verwundert („Wondering a bit“, 21). Der Baum sieht, wie sie sich bewegen und die Köpfe andächtig neigen („Stars shine around/ Their moving,/ Bowing necks“, 22-24) und der Leser erfährt zu dieser Gelegenheit, dass sich um eine Szene bei sternenklarer Nacht handelt. An ihren Bewegungen und an der Tatsache, dass diese Leute ihm nichts tun, erkennt der Baum schließlich, dass es sich um Heiden aus der Stadt handeln muß, die ein Ritual abhalten. 119 Aus der Sicht des Baumes wird zwischen Heiden und Nichtheiden unterschieden. Unterscheidungsmerkmal ist dabei, wie sich die jeweiligen Menschen dem Baum gegenüber verhalten. Der Baum erkennt die Heiden demnach als ihm freundlich gesinnt im Gegensatz zu anderen brutalen Zeitgenossen. Noch wichtiger im Rahmen des Gedichtes ist jedoch, dass der Baum selber sieht, denkt, sich wundert, erkennt und eine Unterscheidung trifft. Die auf die Rezeption des Baumes gerichtete Fokalisation, die ihn selber zum Sprecher des Textes macht, stellt eine besondere Form der Vermenschlichung dar. Das kurze Erlebnis des Baumes wird zu einer Geschichte, die er erzählt: „It speaks with/ The help of Wind/ Telling a story“ (4-6). Die Funktion der Vermenschlichung und Belebung des Baumes sowie der Darstellung seines inneren Erlebens ist die Präsentation und Qualifizierung von Pflanzen als lebende Entitäten. Als solche haben sie nach neuheidnischer Auffassung das Recht, anständig behandelt zu werden. Das Gedicht geht außerdem von der beidseitigen Kommunikation zwischen Mensch und Baum aus der Baum kann die Handlungen der Menschen einordnen und bewerten und der Mensch kann seine Geschichte hören, wenn er sich auf die Stimme des Windes einlässt. Neuheiden glauben an die Möglichkeit der Kommunikation mit der Natur, an die Belebtheit alles Natürlichen und an die enge Verwandtschaft zwischen Mensch und Natur, im Text aufgezeigt im Mittel der Personifikation und in der Darstellung der Gedanken des Baumes. Darüber hinaus ist die Natur den Wicca heilig, weil das Leben der Natur gleichsam das Leben der Götter ist. Die Götter sind die Natur und die Natur ist göttlich, wie es dem Konzept des Pantheismus entspricht: „ [...] god is the world and the world is god“, bzw. die Götter sind überall in der Natur zu finden und durch sie allgegenwärtig gemäß dem Konzept des Panentheismus: „ [...] god is the world and a bit extra“ (MacMorgan Wicca 333 36; Ruttmann 7). Dieser Punkt ist gewissermaßen das Kernstück des Wicca-Glaubens. In ihm fügen sich sämtliche Teilelemente zusammen: die Götter sind die Natur, der Mensch ist Teil der Natur und er trägt das Göttliche in sich. Die Welt mit allen Lebewesen, Seen, Wäldern, Gebirgen ist göttlich, denn die Götter sind die Natur. Die folgenden vier Zitate verdeutlichen die Nähe zwischen Göttern und Menschen, wie sie sich in der Natur manifestiert, und die Sicht der Natur als heiliger Lebensraum: „Wicca doesn’t view Deity as distant. The Goddess and God are both within ourselves and manifest in all nature [...] there is nothing that isn’t of the Gods. [...] The Earth is a manifest of divine energy. Wicca’s temples are flower-splashed meadows, forests, beaches and deserts. 120 When a Wiccan is outdoor she or he is actually surrounded by sanctity, much as is a Christian when entering a church or cathedral. Additionally, all nature is constantly singing to us, revealing Her secrets. Wiccans listen to the Earth. [...] When we lose touch with our blessed planet, we lose touch with Deity.“ (Cunningham, Wicca 4ff). Wicca glauben an die „immanence“, also an die direkte Anwesenheit des Göttlichen in der Natur: „In Wicca, nature is not the creation of a god -it is God, or rather a variety of goddesses and gods. [...] being Wicca means a heightened appreciation for the beauty and power of nature“ (Raeburn, Celtic 22). „Wicca is a religion that recognizes the Divine in nature. [...] Wicca teaches that the Divine is within us and around us and that interaction with our physical world puts us in contact with God and Goddess. We do not see the physical world as something to be endured until we are capable of breaking free of it, ascending to a higher plane of existence. We believe the Earth and everything upon it to be sacred, from the greatest of mountains to the smallest of living organism. We hold these things sacred because the Goddess created them and is part of them.“ (Fisher 89). „We are children of the Goddess. Wicca encourages our relationship with nature to be that of a mother and a child [...] When we stand in our sacred circles amidst the grass and the trees and physically experience nature, we truly see the Goddess.“ (Fisher 97). Die einzelnen Aussagen weichen stellenweise voneinander ab, um so verschiedene Punkte zu betonen. So unterstreicht Raeburn, dass die Natur nicht nur die Schöpfung der Götter ist, sondern vielmehr über den Status eines Geschöpfes dadurch hinausgeht, dass die Götter durch sie präsent sind, weil sie die Natur selbst sind. Außerdem klingt hierbei auch die Aussage an, dass nicht nur ein alleiniger Gott für die Welt und die Natur verantwortlich ist. Fisher hebt die enge Beziehung zwischen Mensch, Natur und der Göttin hervor, die ständige Anwesenheit des Göttlichen, das in allem gegenwärtig ist, und die familiäre und liebevolle Beziehung zwischen Göttin/Natur und Mensch. Die Aussagen spiegeln die verschiedenen Nuancen der einzelnen Autoren wider und lassen sich im wesentlichen mit der beiden Begriffen Pantheismus und Panentheismus beschreiben. 121 Wicca sehen die Identität von Göttlichem und Natur, sie sind beide eins, die Natur ist Gott, und mit ihr „all things, from the drops of water in the ocean to every molecule in our bodies“ (MacMorgan, Wicca 333 36). Nach dieser Sicht ist letztlich auch der Mensch göttlich. Mit dieser Auffassung richten sich Wicca auch gegen das z.B. islamische und jüdische Konzept von der Unterscheidung zwischen Schöpfer und Geschöpf, weil in einem solchen Bewusstsein der Mensch ‘nur’ Geschöpf ist und dem Göttlichen eindeutig rangniedriger gegenübersteht. Im Christentum ist diese Unterscheidung ein einziges Mal durch die Inkarnation (Menschwerdung) Gottes in Jesus Christus durchbrochen worden, was theologische bedeutsam ist, die konzeptionelle Trennung zwischen Gott auf der einen Seite und der Welt des Menschen auf der anderen Seite jedoch nicht aufgehoben hat. Wicca betonen demgegenüber die untrennbare Verbindung alles so genannten Profanen mit dem Göttlichen, die familiäre Beziehung von Menschen und Göttern und betrachten „all aspects of the world as sacred“ (Varner Preface xi). Im Mittelpunkt steht letztlich die Heiligkeit der ganzen Welt. Dieser Welt gilt es eben nicht zu entfliehen, sich nicht zurückzuziehen, die menschlichen und damit auch göttlichen Eigenschaften nicht zu unterdrücken, und nicht zu hoffen, dass der Mensch eines Tages von einer sündenbelastet angenommenen weltlichen Hülle befreit wird. Die Götter des Wicca-Glaubens lassen jede gläubige Wicca die Heiligkeit dieser Welt und damit auch des menschlichen Körpers erfahren. Wicca lieben das Leben und warten nicht auf den Tod, denn das Leben ist die Manifestation des Göttlichen im Menschen, sie lieben die menschliche Körperlichkeit und leben ihre Sexualität mit all ihren Implikationen für die dazugehörigen zwischenmenschlichen, psychischen und sozialen Bereiche (Sexualität 193ff). Der Geschlechtsakt an sich ist eine Feier des Göttlichen. Was die Liebe zur Natur unter Wicca betrifft, ist es unerheblich, nach welchem der beiden theologischen Konzepte -Pantheismus oder Panentheismus -der Glaube ausgerichtet ist. Die meisten Wicca verfügen über ein großes Umweltbewusstsein und viele engagieren sich im Rahmen des Umweltschutzes auf verschiedene Weisen: „it [paganism] has now also become more clearly an activist movement [...], working more on the front line and becoming more coherent about the link between theory and action than it ever has been before. A few Pagans do not want this progression into activist ecology as well as into fights for animal rights, but they remain a minority and many Pagans are involved in 122 such activities as collecting money for buying woods and planting trees.“ (Hardman/Harvey, Paganism Introduction xiv). Auch wenn die Einstellungen zu anderen Themen, wie etwa zur Politik, unter Wicca ganz verschieden sein können, so kommen jedoch fast alle Anhänger mit Blick auf den Glauben an die Göttlichkeit der Natur zur gleichen Erkenntnis: „A basic feature of the Craft is an active respect and love for Mother Earth, her creatures, and her well-being, and therefore a constant attention to the effect on her of human activity. So the strongest common factor in Witches’ political attitude is concern for environmental and ecological issues.“ (Farrar, Times 151). Margot Adler zeigt allerdings, dass es vom Glauben an die Göttlichkeit der Natur und von der Liebe zur Natur hin zum aktiven Eintreten für den Umweltschutz doch noch ein Schritt ist. Während nahezu alle Wicca die Natur als göttlich sehen, lieben und schätzen, ist nur ein Teil von ihnen auch umweltpolitisch aktiv. Außerdem besteht in vielen Fragen des Lebens alles andere als eine einheitliche Meinung: „There are Pagans who go camping in RV’s with bags of Fritos and there are Pagans who seem to eat nothing but nuts and sprouts. Likewise, there are Pagans who voted for Ronald Reagan as well as Pagans who have put their bodies in front of military trucks. While most of the political activities of Pagans have been about peace and ecology issues, it’s absolutely essential to say over and over again that the groups and individuals described below do not reflect the Pagan movement as a whole.“ (Adler 412). Weiter zitiert Adler aus der Wicca-Zeitschrift Red Garter einige der Themen, bezüglich derer unter Wicca nicht unbedingt eine einheitliche Meinung herrscht (Adler 412, Anmerkung 25). Dazu gehören solche Fragenkomplexe wie Abtreibung, Verhütung, Nuklearenergie, Politik und Vegetarismus. Dann aber kommt auch sie zu dem Ergebnis, dass „it is still fair to say there has been an amazing growth of political activity, most [Hervorhebung im Original] of it in support of alternative, feminist, ecological, ‘green,’ or peace objectives.“ (Adler 413). Aber wie sehr sich Wicca und Neuheiden auch öffentlich und politisch für den Erhalt der Natur einsetzen mögen, und auch wenn sie dies lediglich in ihrem privaten Umfeld zu verwirklichen 123 wissen, so scheinen sie doch alle ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Notwendigkeit des Schutzes der Natur zu haben, da diese für alle die Verbindung zu den Göttern herstellt und ihrerseits selber das Göttliche -auf wie auch immer geglaubte Weise -in sich trägt: „Für Paganen ist es wichtig, sich an die Kräfte zu erinnern, die uns erheben und tragen und sie zu verehren. Leben und Bewußtsein sind kostbare Geschenke, ebenso wie die Natur, deren Bestandteil wir sind. Letzteres vergessen wir oft und empfinden uns nicht als ihren Teil, sondern als etwas von ihr Getrenntes. [...] Das Göttliche ist wie der Atem des Universums, der die Kraft des Lebens selbst entstehen läßt. Das Göttliche ist in der Luft, die wir atmen, im Wasser, das wir trinken, im menschlichen, tierischen und pflanzlichen Leben um uns herum. [...] Für unsere Ahnen [...] war die Kraft der Sterne und Planeten über uns ein fester Bestandteil ihres Lebens. Sie ersahen aus der Farbe des Mondes und den Bewegungen der Sterne, was für ein Wetter ihnen bevorstand. Sie wußten, daß gewisse Mondphasen besser für die Anpflanzung waren [...] Deshalb war es für unsere Ahnen selbstverständlich, im Wechsel der Natur eine Bekundung der göttlichen Macht zu sehen. Ihnen war bewußt, daß Ebbe und Flut und die Jahreszeiten durch größere Kräfte als ihre eigenen bewirkt wurden, und sie ehrten sie, indem sie sie >Göttin< oder >Gott< nannten.“ (Crowley, Naturreligion 27f) Durch diese Betrachtung der Göttlichkeit der Natur erklärt sich auch die enge Verflochtenheit von Naturereignissen, Jahreskreislauf, Lebenskreislauf, Göttin und Gott, Verehrung von Mond und Sonne und das Aufsuchen von Plätzen in der freien Natur zum Abhalten von Ritualen. All diese einzelnen Teilthemen bilden gemeinsam das Ganze, was den Wicca- Glauben ausmacht. Im Zuge einer Arbeit lassen sich diese Themen nur auf lineare Art und Weise besprechen, obwohl sie derart miteinander verflochten sind, dass eine stückweise Erarbeitung immer nur stellenweise einzelne Schwerpunkte hervorheben kann. Tatsächlich verweist eine Sache aber immer auch auf eine andere und ist thematisch und vor allem auch theologisch mit ihr verknüpft, so dass schließlich durch alle Folien hindurch und bestehend aus ihnen das Gesamtbild gesehen werden kann. 124 1.5 Kongruenzreligion und Kongruenzprinzip Von den abwertenden Konnotationen befreit zielt der Begriff Naturreligion für das Neuheidentum einerseits auf das Objekt der Verehrung, nämlich die Natur selbst. Sie ist der Sitz der Götter und der Verschmelzungspunkt pantheistischer und personaler Gottesvorstellungen. Andererseits richtet der Begriff auch das Augenmerk auf das Subjekt der Verehrung: den Menschen. Der Begriff impliziert zur Bestimmung von Wicca und Neuheidentum auch den Menschen als Teil der Natur als Ganzem und macht ihn im Rahmen seiner religiösen Empfindungen zum Subjekt und -als fester impliziter Bestandteil der Natur zugleich zum Objekt der religiösen Verehrung. Vielfach ist diese Tatsache falsch dargestellt worden, was vor allem christliche Beobachter dazu führte, hinter der Verehrung der Natur im Menschen eine Vergöttlichung des Menschen zu sehen (siehe Forschungsüberblick). Dabei ist übersehen worden, dass das Missverständnis auf einer unterschiedlichen Bewertung der Beziehung zwischen Gott und Welt beruhte. Während die monotheistischen Religionen zwischen der profanen Welt und dem heiligen Bereich Gottes unterscheiden und die beiden Bereiche vom Prinzip her als getrennt betrachten, gibt es im Neuheidentum eine solche Unterscheidung nicht. Hier werden sowohl Götter als auch Natur und Lebewesen als heilig angesehen. Das Heilige ist ein Konzept, das von Seiten verschiedener Forscher unterschiedliche Darstellungen erfahren hat. Was genau unter dem Heiligen zu verstehen ist, kommt auf die jeweilige Definition und den theoretischen Zusammenhang an. In seiner Reflektion Über das Heilige stellt Colpe die Frage „Ist ‘das Heilige’ immer und zu allen Zeiten dasselbe gewesen?“ (Colpe 10). Die Antwort darauf ist je nach Grundannahme und Ausgangspunkt einer Theorie eine andere. Betrachtet man z.B. Durkheims Aussagen über das, was er heilig nennt, so wird deutlich, dass er von einer ständigen Veränderbarkeit des Heiligen ausgeht. Grund dieser Veränderbarkeit ist das Postulat, dass es die Gesellschaft ist, die ständig heilige Dinge schafft, indem sie sie als besonders markiert: „Das heilige Ding ist eben ein Ding, das das Profane nicht ungestraft berühren darf und kann. [...] Heilige Dinge sind, was die Verbote schützen und isolieren. Profane Dinge sind, worauf sich diese Verbote beziehen und die von den heiligen Dingen Abstand halten müssen. Religiöse Überzeugungen sind Vorstellungen, die die Natur der heiligen Dinge und die Beziehungen ausdrücken, die sie untereinander oder mit den profanen Dingen halten. Riten schließlich sind Verhaltensregeln, die dem Menschen 125 vorschreiben, wie er sich den heiligen Dingen gegenüber zu benehmen hat“ (Durkheim 66f). Die Gesellschaft einigt sich auf diese Vorstellungen und Regeln und trennt dadurch das Heilige vom Profanen. So entsteht nach Durkheim Religion. Das Heilige wird also nach Durkheim von jeder Gesellschaft ‘gemacht’, indem die Dualität zwischen heilig und profan zur Grundlage der Religion innerhalb dieser Gesellschaft wird. Nach Durkheim ist das Heilige also veränderbar und je nach sozialem Umfeld unterschiedlich. Ganz anders beschreibt Rudolf Otto das Heilige in seiner gleichnamigen berühmten Abhandlung. Ihm liegt daran, das Heilige an sich darzustellen, also eine religiöse Tatsache zu finden, die der Welt innewohnt und die für den Menschen unabhängig von einer bestimmten Religion erfahrbar ist. Colpe nennt diese Tatsache durch die gedankliche Verknüpfung mit den transzendentalen Dingen bei Kant „ein religiöses Apriori“ (Colpe 41). Das Heilige ist außerdem ein Ausweichbegriff, um Religion zu definieren versuchen, ohne einen Gottesbegriff benutzen zu müssen. Die Mitte aller Religion stellt für Otto das Numinose dar: Das Numinose ist das Heilige abzüglich des ethischen Gehalts, d.h. des Sittlichen. Sämtliche Erfahrungen des Numinosen lassen sich mit den drei Kategorien mysterium tremendum (die Kategorie des „schauervollen Geheimnisses“, 13), mysterium fascinans („etwas eigentümlich Anziehendes“, 42) und mysterium augustum (das „Kreatur-gefühl“ angesichts des „Klein-und Zunichtewerdens“, 66) beschreiben und ihnen zuordnen (Otto 13ff). Nach Otto erleben so Menschen verschiedenster Religionen das Heilige, von dem er annimmt, dass es an sich existiert. Aus der Schule Ottos hat sich Mircea Eliade intensiv mit dem Heiligen beschäftigt (Die Religionen und das Heilige und Das Heilige und das Profane). Er beschreibt Hierophanien als Manifestationen des Heiligen im Profanen, was bedeutet, dass sich das Heilige im Profanen dem Menschen zeigt: „eine Realität, die nicht von unserer Welt ist, manifestiert sich in Gegenständen, die integrierende Bestandteile unserer »natürlichen«, »profanen« Welt sind“ (Eliade, Heilige 14f). Nach Eliade ist der Mensch bestrebt, sich möglichst nah am Heiligen aufzuhalten. Räumlich tut er dies, indem er die Nähe von Objekten sucht, die Gegenstand einer Hierophanie sind, z.B. Berge, zeitlich, indem er Mythen, d.h. heilige Geschichten, erzählt. In beiden Fällen, also im Heiligen Raum und in der Heiligen Zeit, partizipiert der Mensch an der Ordnung des Kosmos im Gegensatz zu einem ihn sonst umgebenden Chaos (Eliade, Heilige 59). Der chaotische Raum erhält im heiligen Raum einen geordneten 126 Mittelpunkt (zum Konzept der axis mundi siehe das Kapitel zu den Ritualen). Demnach sind das Heilige und das Profane klar voneinander getrennt und nach Eliade als gegenteilig zu betrachten. Die verschiedenen Erklärungsansätze des Heiligen machen eines deutlich: sie gehen von einem Gegenkonzept aus (Colpe 80). Diese Arbeit argumentiert zur Darstellung der Wicca- Religion nicht auf der Basis einer bestimmten Theorie, sondern vielmehr auf der gemeinsamen Annahme von einer Trennung zwischen heiligen und profanen Bereichen, unabhängig davon, ob es sich dabei um soziologische, eher psychologische oder historischphänomenologische Erwägungen handelt. Denn eben diese Trennung vollzieht das Neuheidentum nicht. Die Begriffe heilig und profan werden zur Beschreibung des neuheidnischen Weltbildes zu Begriffen, die nicht zwischen unterschiedlichen Dingen unterscheiden, sondern zu solchen, die dasselbe meinen. Für Wicca und Neuheidentum ergibt sich folgendes Bild: Das Profane an sich gibt es nicht, weil es immer mit dem Heiligen zusammenfällt, bzw. selbst als heilig gilt. Das bedeutet, dass der Mensch sich nicht selbst liebt und achtet, weil er sich über etwas erheben wollte, besser sein wollte oder im traditionell monotheistischen Sinn vergöttlichen wollte, sondern weil er sich selbst als gleichwertigen Bestandteil eines kosmischen, als heilig angenommenen Gesamtsystems versteht. Selbst wenn er wollte, könnte er das Heilige in sich nicht loswerden. Die Beziehung zu und das Gefühl für alle anderen Bestandteile der Natur, also andere Menschen, Tiere, Pflanzen Mineralien usw., kommt der buddhistischen metta als Güte, Wohlwollen und Freundschaft sehr nah: „Glücklich und sicher mögen alle Wesen sein! Mögen sie glücklich sein! [...] Wie eine Mutter mit ihrem Leben ihr eigenes Kind, ihr einziges Kind, beschirmt, so möge man gegen alle Wesen einen unbegrenzten Geist erwecken“ (Metta-Sutta in Khuddakapatha IX, Sutta-Nipata I, 8; Majjhimanikaya 21; Tworuschka, Zugänge 196ff). Um begrifflich nicht auf die negativ-verneinende Formulierung von der ‘Nicht-Trennung’, also der Beschreibung, wie es sich nicht verhält, angewiesen zu sein, soll an dieser Stelle der Begriff der Kongruenz eingeführt werden, um positiv zu formulieren, wie es sich verhält. Der Begriff der Kongruenz stellt die Sicht der gleichen sakralen Beschaffenheit von Göttern, Mensch und Welt dar. In diesem Sinne kann eine Religion wie Wicca oder das Neuheidentum 127 als ‘Kongruenzreligion’ verstanden werden, weil Götterbereich und Menschenwelt in ihrer ‘Heiligkeitsstruktur’ übereinstimmen. Was sonst als profane Welt und heiliger Bereich unterschieden wird, stimmt strukturell überein, so dass kein Unterschied zwischen beidem besteht. Tatsächlich ist es die Übereinstimmung in diesem Merkmal, die die starke Verbindung zwischen allen Teilen und die Verbindung aller Teile zum Göttlichen, also zur Göttin und dem Gott, ausmacht. Noch grundlegender als das Reden von Göttern ist demnach das Erleben der Heiligkeit der Welt, d.h. der materiellen Welt. Sakral und profan fallen im Wicca zusammen. Die Natur und Welt sind nicht nur Spiegelbild des Heiligen, nicht nur Ausdruck von Göttlichkeit, nicht ausschließlich Begegnungsort mit dem Heiligen, sondern außerdem an und für sich heilig. Auch dieser Punkt ist von der Bedeutung her grundlegender als ein angenommenes Götterpaar. Im Grunde ist es im Wicca und im Neuheidentum unerheblich, an welche Götterkombination oder -konstellation die Anhänger glauben, solange die individuelle Vorstellung die partnerschaftliche Zweigeschlechtlichkeit und die Heiligkeit der materiellen Welt zur Basis hat. Das macht die Gottesvorstellung des Einzelnen nicht weniger bedeutsam, aber es zeigt, dass diese Vorstellungen so vielfältig und variabel sind, dass sie nicht, wie für den Monotheismus, als Hauptkristallisationspunkte betrachtet werden können. Ähnliches hat bereits Ahn mit Blick auf alte polytheistische Religionen vermutet: „Eine noch grundsätzlichere Schwierigkeit der Klassifikation von Religionen anhand des Monotheismus-Polytheismus-Schemas besteht darin, daß damit die Gottesfrage auch für nicht-monotheistische Religionen implizite ganz selbstverständlich als Elementarproblem jeglicher theologischer Systematisierung vorausgesetzt wird. Diese für das Sachverständnis monotheistischer Religionen charakteristische theologische Zentrierung auf die Gottesfrage muß für die ‘Innensicht’ der mittels dieser Kategorie ausgegrenzten Religionen aber nicht zwangsläufig eine vergleichbare Bedeutung besessen haben.“ (Ahn 20f). Für Wicca und Neuheidentum trifft diese Erwägung durchaus zu. Letztlich ist dies auch die Hauptaussage des „Charge of the Goddess“. Die vielen Götternamen machen deutlich: Nicht eine bestimmte Vorstellung von einer bestimmten, bis ins letzte durch deklinierten Göttin steht im Zentrum, sondern die beiden Charakteristika Göttlichkeit und Weiblichkeit. Vor diesem Hintergrund verschiebt sich auch die Bedeutung der Rede der Isis in Apuleius Der 128 goldene Esel (247f) und die in der Anfangszeit des modernen Wicca häufig zitierte Aussage aus Dion Fortunes The Sea Priestess „All the gods are one god, and all the goddesses are one goddess“ (169): Für Wicca als Religion kommt es heute nicht darauf an, zu glauben, dass alle Göttinnen letztlich eine Göttin sind. Diese Sicht ist lediglich eine von vielen, die die Kriterien Zweigeschlechtlichkeit und Heiligkeit der Natur und der Welt transportieren. Aufgrund der für das Neuheidentum geltenden Kernformel ‘Heilig = Zweigeschlechtlich = Natur = Profan’ kann Wicca als Kongruenzreligion bezeichnet werden. Im religiösen Entwurf der Wicca bzw. Neuheiden ist das Reden von den Göttern zwar wichtig, das Reden von der Heiligkeit der Natur und der Lebewesen ist jedoch wichtiger. Wicca lieben ihre Göttin und ihren Gott, das steht außer Frage. Sie legen das Augenmerk aber nicht darauf, was sie für die Götter (wie z.B. lieben, verehren, dienen, gehorchen) oder was die Götter für die Menschen tun können, sondern was sie als Neuheiden für die Welt, die Menschen allgemein und für sich selber tun können. Auch anhand der verschiedenen Themen wiccanischer Gedichte wird deutlich, dass Göttinnen-bzw. Göttergedichte zwar stark vertreten sind, andere Gedichte aber wenigstens einen ebenso großen Anteil bilden. Themen wie etwa die Natur, der Jahreskreis und das wiccanische Selbstbewusstsein zeigen durch ihre Vielfalt und Menge, dass sich im Wicca der Glaube eben nicht alleine an den Göttern festmachen lässt. Im übrigen begegnen in den Gedichten zu den Göttern immer auch Motive aus und Bezüge zur Natur. So spiegeln die Gedichte, was die religiöse Schwerpunktsetzung angeht, durchaus die grundlegende Bedeutung anderer Aspekte wiccanischer und neuheidnischer Spiritualität wider. Auch die wiccanische Formel ’As above, so below’ drückt eben diese Kongruenz von Göttlich und Weltlich aus. Die Formel wird dem Okkultisten und Alchemisten Hermes Trismegistos zugeschrieben und bedeutet für Wicca und Neuheiden, dass kein „‘unbridgeable gulf’ between creator and created“ existiert, sondern dass generell Deckungsgleichheit zwischen den Bereichen besteht (Farrar, Times 38). 129 2. Wicca als Mysterienreligion „Now, bound at the Circle’s edge I stand, And the Steele of the Sword is chill on my breast, Behind me, my life -before me the land Where all dreams are real -the worst and the best.“ („Initiation“, Seleneicthon) Wicca betrachtet den Menschen sowohl in seiner makrokosmischen Eingebundenheit in die Gegebenheiten des Universums als auch in seiner mikrokosmischen Beschaffenheit als einzelnen kleinen Teil der Natur, und damit keineswegs als Krone einer christlich angenommenen Schöpfung. Der Mensch ist Teil des Werdens und Vergehens der Natur, wie jedes andere Lebewesen auch. Er wird geboren, lebt, altert, stirbt und wird, nach Ansicht der meisten, wenn auch nicht aller Wicca, wiedergeboren (im Wicca bedeutet das Wiedergeborenwerden ein Wiederzurückkehren in die Gemeinschaft der lebenden Menschen, in der man sich nach einer Regenerationsphase im ‘Summerland’ neuen Zielen und Aufgaben widmet und das gesamtmenschliche Leben voranzutreiben sucht). Da der Mensch jedoch über die Fähigkeit verfügt, über sich selbst zu reflektieren, sich selbst distanziert als Objekt zu betrachten und sich seiner menschlichen Beschaffenheit in Leben und Sterben bewusst ist, muss er mit dieser Gewissheit auch umgehen lernen. Das stellt letztlich einen existentiellen Schritt vom Wissen um die allgemeine Natureingebundenheit des Menschen zur psychologischen Erkenntnis des eigenen Lebens als zeitliches Interim zwischen dem großen Ereignis des Geborenwerdens und dem ebenso bedeutsamen Ereignis des Sterbens dar. In der Verarbeitung des natürlichen und gleichzeitig ungreifbaren Ganges des Lebens versteht sich Wicca als Mysterienreligion. 2.1 Zur Bestimmung von Wicca als Mysterienreligion Wicca begreift sich als moderne Mysterienreligion. Dabei ist zwischen Wicca und den klassischen Mysterienreligionen, wie den Eleusischen Mysterien oder den Mithras-Mysterien, die zum Teil ekstatische Praktiken und asketische Vorschriften beinhalteten, ein wichtiger Unterschied zu beachten. Während im Wicca gemäß dem Kongruenzprinzip die materielle Welt als heilig gilt, wurde in den klassischen Mysterienreligionen immer zwischen der 130 profanen menschlichen Existenz und der Heiligkeit der Götter streng unterschieden: „’Der Mensch ist nur ein Schatten im Traum, in einem Augenblick wandelt sich sein Geschick’, sagte der Dichter Pindar. Die Götter aber waren als die r‹~'·ntes), die leicht eia zwonteV (rheía zound sorglos Lebenden, ‘himmelweit’ geschieden von den brotoi' (brotoí), den Sterblichen“ (Giebel 11f). Die Mythen sind in den Mysterien heilige Geschichten: „Nun sind diese bewegten Schicksale nicht von Beginn an greifbar, sondern sie werden durch Erzählungen, hieroi logoi, gestaltet, ausgeschmückt und erweitert. Dadurch erfährt die göttliche Botschaft in den Mysterienfeiern eine Entwicklung, der Mythos wird geschichtlich“ (Kloft 87). In diesem Punkt sind die klassischen Mysterien der Antike und Wicca gänzlich gegensätzlich aufgebaut. Die Übernahme des Begriffes ‘Mysterienreligion’ von Seiten der Wicca basiert erstens auf der Implikation des Geheimnisvollen in dem griechischen Begriff ‘mystéria’, zweitens auf der starken Bezugnahme auf den Bereich Sterben, Tod und Wiedergeburt, der in den meisten Mysterien vertreten ist, und drittens auf der äußerlich-rituellen Sichtbar-und Bewusstmachung innerer psychologischer Prozesse und der Findung des eigenen inneren Zentrums, des Selbst. Dabei verweist der häufig verwendete Begriff ‘esoterisch’ auf die persönlich-psychologischen Abläufe auf dem Weg zur inneren Transformation (Crowley, „Mystery“ 81). Innere Transformation bedeutet a) die Erkenntnis des eigenen Lebens und Sterbens, b) die Erkenntnis der eigenen dunklen Seite, die von der nach außen gezeigten maskenhaften hellen Seite zu unterscheiden und nicht immer ohne weiteres gesellschaftlich akzeptabel ist, aber wertvolles Potential für die Selbstfindung bietet und c) die Erkenntnis des wirklichen Selbst, welches in der Lage ist, die schattenhafte, dunkle Seite und die angstbesetzte Vorstellung vom eigenen Sterben in das individuelle menschliche Dasein zu integrieren und schließlich den Kreislauf von Leben und Sterben als das eigentliche Mysterium und den Zyklus des Wiedergeborenwerdens des Selbst in einem göttlichen Zeugungsakt zu erkennen. Daraus ergibt sich auch die rituelle Bedeutung von Sexualität im Wicca: Durch den rituellen, selten physischen und meistens symbolischen Vollzug der sexuellen Vereinigung der Göttin und des Gottes findet in der Initiation des dritten Grades gleichsam die Vereinigung des Menschen mit dem Göttlichen statt, um das prinzipielle Einssein mit den Göttern und das Wiedergeborenwerden nach dem göttlichen Zeugungsakt aus der Kraft der Götter zu dramatisieren. 131 Auf dem Weg zur persönlichen Transformation spielen folgende Punkte eine besondere Rolle: 1. die Inszenierung und Auslösung der Transformation in einer rituellen Initiation, 2. Die Sicht des Göttlichen als Dualität von weiblich und männlich und der Mensch als Verkörperung dieser Dualität in Form des Zusammentreffens seiner eigenen Sexualität mit der des anderen Geschlechts als anima bzw. animus (C. G. Jung) und 3. das Zusammengehören von materieller und göttlicher Welt, wobei die Götter in ihrer Schöpferkraft einerseits die Welt transzendieren und gleichzeitig andererseits ihr selbst innewohnen und somit alles Weltliche zu Göttlichem machen. Auf dem Hintergrund dieser Erwägungen ist die Aussage von Wichmann: „So kann die Initiation im sozialen Gebiet das leisten, was der Kreis im psychischen Bereich leistet: die Abgrenzung gegen das Profane“ keineswegs zutreffend und muss korrigiert werden (Wichmann 69). Ob man nun die Initiation primär als soziale Eingliederung in eine bestimmte Gruppe, als psychologische Entdeckung des inneren Selbst, oder lediglich als sichtbares Zeichen einer offiziellen Religionszugehörigkeit sehen möchte, sie bedeutet auf keinen Fall eine Abgrenzung gegen das ‘Profane’. Auch in Bezug auf den magischen Kreis wird die Aussage dem tatsächlichen Konzept nicht gerecht. Zwar lädt das Konzept vom Kreis in mancherlei Hinsicht zu einer Interpretation als Axis mundi im Sinne Mircea Eliades ein (Eliade, Heilige), eine Trennung von Profaner Welt und Heiligem Bereich vernachlässigt jedoch die grundlegende wiccanische Auffassungen von der Welt und mit einer unkritischen Assimilation an das Prinzip Eliades macht man es sich zu einfach. Doch dies soll im Abschnitt zur Ritualstruktur und zum heiligen Kreis näher erläutert werden. Die äußerliche Sichtbarmachung der inneren Transformation in einem Initiationsritual ist in Anlehnung an sie Psychologie nach C. G. Jung deshalb so bedeutend, weil durch die äußere rituelle Handlung die psychischen symbolischen Repräsentationen der bisher unrealisierten Aspekte des eigenen Selbst geweckt werden, was schließlich zur ‘Individuation’ führt, zur Einsicht in den Menschen, der man wirklich ist (Crowley, „Mystery“ 87). Die einzelnen rituellen Abläufe setzen sich gewissermaßen wie Rezeptoren auf diese symbolischen Repräsentationen, auch Archetypen genannt, erwecken diese und setzen somit den Prozess der Findung des eigenen Selbst -im Wicca auch know thyself genannt -in Gang. Ziel des Erkenntnisprozesses ist gewissermaßen das Wiederfinden des allumfassenden göttlichen Dualen in der eigenen menschlichen Person und die Entschleierung, d.h. Bewusstmachung, bislang unterbewusster Inhalte, so dass der Mensch sieht, was er tatsächlich ist: Ein durch die Götter gezeugtes integres Selbst, das den physischen Tod des Körpers und die zyklische Folge 132 der Wiedergeburten überdauert, weil es Teil des Göttlichen ist: „I and the other are One“ (Crowley, „Mystery“ 92). Sexualität hat also im Wicca eine vielfache mystische Bedeutung: Die Götter -also in erster Linie die Göttin als Große Muttergöttin und der Gott als Gehörnter Gott der Natur, des Lebens und der Freude -sind immer beide durch die eigene Geschlechtlichkeit des Menschen und die jeweilige Gegengeschlechtlichkeit der anima bzw. des animus in jedem Menschen vertreten. Sie sind der Kern des wahren Selbst (im Gegensatz zum ego, das der Mensch glaubt zu sein, bevor er das wirkliche Selbst erkennt), welches durch die Initiation erweckt wird. Als Archetypen sind sie symbolische Repräsentationen im Unterbewussten, die, wenn sie durch rituelle Handlungen und Zeichen geweckt ins Bewusstsein gelangen, den Menschen von der Angst des Alleinseins und Verlorenseins befreien, weil dieser erkennt, dass es nicht möglich ist, das menschliche Selbst von den Göttern zu trennen, weil sie beide eins sind. Es wird deutlich, dass Wicca nicht nur eine Naturreligion ist, sondern in dem Anspruch des Suchens und Erkennens des eigenen Selbst in sich selbst und im mystischen Erwachen des integren Mensch, der man ist, Wicca als Mysterienreligion den Menschen zur inneren Zufriedenheit mit der eigenen Existenz in Einklang mit den Göttern führen will: „And thou who thinkest to seek for me, know thy seeking and yearning shall avail thee not unless thou knowest the mystery; that if that which thou seekest thou findest not within thee, thou wilt never find it without thee. For behold, I have been with thee from the beginning; and I am that which is attained at the end of desire.“ (aus dem „Charge of the Goddess“, Farrar 173). In manchen Coven herrscht die Auffassung, dass die Mysterien nur durch Unterweisung weitergegeben werden können und dass sie geheim gehalten werden müssen. Janet Farrar hält diese elitäre Geheimhaltung für unangemessen, weil die Mysterien kein Lehrmaterial sind, die unterrichtet werden können: „You have to experience it. We could give away every single mystery in the Craft. We could have an auditorium full of people and take the mysteries apart one by one. And unless you are ready to understand that mystery, it would be like talking to somebody who is deaf. [...] You 133 have to find out the mysteries for yourself. They cannot be given away. We are often accused of betraying the mysteries, but the people who accuse us of that don’t understand the mysteries. They can’t be given away, because your mystery is different from my mystery, your face of the Goddess is different from my face of the Goddess.“ (Farrar/Bone, Interview) 2.2 Gedichtanalyse „The Mysteries“, Doreen Valiente Wie sich die Mysterien äußern und wie von ihnen gelernt werden kann, erörtert Doreen Valiente in ihrem Gedicht „The Mysteries“ im Vorwort zu Natural Magic (1975). Das Gedicht besteht aus 23 Zeilen, die im ‘free verse’ verfasst sind. Wenn die Verse auch keinem einheitlichen Metrum oder Reimschema folgen, ist der Aufbau doch durch zahlreiche Anaphern und Parallelismen („Out of no stored and storied past“, 2, „Out of no twilight“, 5, „Out of no buried past“, 14; „But...“, 4, 6, 15) strukturiert. Das Gedicht sagt einerseits, wo die Mysterien nicht zu finden sind, nämlich in lang vergangenen Zeiten, wobei die Alliteration von „stored and storied“ (2) auf ikonische Weise ein Veraltetsein ausdrückt, das sich auf 134 etwas aus der Vergangenheit Aufgehobenes bezieht, und die Alliteration von „long lost“ (3) ebenfalls Vergangenheit und ein Uraltsein widerspiegelt. Dazu in Kontrast steht die erste Zeile, die eine Art Überschrift für die folgenden Zeilen bildet, in denen näher erklärt wird, was die Mysterien sind und vor allem wo sie zu suchen und zu finden sind, und zwar „Here and now“ (1). Das „Here“ bildet mit „breathing“ aus Zeile 4 eine Klammer. Die Assonanz der beiden Wörter im [i:]-Laut betont die Eindringlichkeit des präsentierten Postulates und die energische Art und Weise, mit der es vorgetragen wird. Ebenso rüttelt der offene Vokal in „time“ am Ende von Zeile 4 regelrecht auf, um damit den Blick für die Gegenwart zu öffnen. Außerdem stellt die Metapher des „breathing moment of time“ durch die Bezugnahme auf die erste Grundfunktion des Lebens, das Atmen, eine zeitliche Unmittelbarkeit her, wie sie präsentischer nicht sein könnte. Der erste Satz führt den Leser ein in eine radikale Gegenüberstellung von alter, sogar veralteter Vergangenheit und der unmittelbaren Gegenwart und macht damit unmissverständlich deutlich, dass die Mysterien nicht im Gestern zu suchen sind, nicht im ständigen Rückbezug auf die Vergangenheit, sondern in der gegenwärtigen konkreten Lebenssituation und Lebenszeit konkreter Menschen. Der zweite Satz argumentiert neben der Zeitebene aus dem ersten Satz auf der Ebene der Beleuchtung. Damit greift das Gedicht die Auffassung auf, die Mysterien seien unklar, verschwommen, nicht richtig greifbar, zwielichtig. Das Gedicht argumentiert dagegen: Das einzig Zwielichtige, das den Mysterien anhaftet, ist das Dämmerlicht der hereinbrechenden Dunkelheit. Durch die Bezugnahme auf ein rein natürliches Phänomen in den Zeilen 6 bis 11 überführt das Gedicht die ‘mysteriösen’ Mysterien in den täglichen und wirklichen Lebensrhythmus der Natur. Die Szene der Abenddämmerung enthält „hills“ (6), „old trees“ (7), „grass“ (8), „blossomed elders“ (9) und den „rising moon“ (11). Dabei geht der Sprecher durchaus scherzhaft und satirisch mit der allgemeinen Mystifizierung der Mysterien um, wenn er in der Metapher- Oxymoron-Kombination „ghost-white blossomed elders“ (9) den reichlich blühenden Holunder mit der Bleiche eines Geistes in Verbindung bringt. Zusätzlich ist der „glow“ (10) des Mondes „clouded“, was an eine Art Verschleierung erinnert. Damit erinnert die Atmosphäre der dargestellten Szene an Edmund Burkes Erwägungen über das Erhabene und Schöne und an die zwischenweltlich anmutende Nachtlandschaft so mancher Gothic Novel (zum englischen Schauerroman siehe Weber). Schließlich kann auch die [l]-Konsonanz in „blossomed elders“ (9) und „clouded glow“ (10) einerseits den Eindruck von Unwirklichkeit oder aber einfach nur Ruhe widerspiegeln. Nichtsdestotrotz geht es dem Sprecher hier um das Naturschauspiel an sich und um seine konkrete Hörbarkeit und Sichtbarkeit. Die Zeilen 12 135 und 13 weisen durch die Anapher „If we can“ darauf hin, wie wichtig es ist, mit eigenen Ohren hinzuhören und mit eigenen Augen hinzusehen. Die Assonanz in „hear“ und „see“ verschafft dieser Feststellung die bereits aus Zeile 4 bekannte Eindringlichkeit. All dies ist Bestandteil der Mysterien: Die Berge vor dem Menschen, das Grass unter ihm und die Himmelskörper über ihm. Alles aber steht immer im Bezug zu seinem täglichen Leben. Dementsprechend verweisen die Zeilen 15-19 auf die tägliche Arbeit des Menschen und sein eigenes Zuhause. Die Assonanz „own home“ (15) verstärkt dabei den Eindruck von Wohlgefühl und Wohlwollen. Während in Zeile 14 mit „buried past“ auf die unterirdisch vergrabene und beerdigte Vergangenheit verwiesen wird, aus der die Mysterien keine Nahrung erhalten und deshalb nicht entspringen können, erklären die Zeilen 15 bis 19, dass die Mysterien aus dem Leben der Menschen und ihren Tätigkeiten in und mit der Natur hervorgehen. Feldfrüchte und Blumen, die oberirdisch lebendig wachsen und gedeihen werden hier der „buried past“ gegenübergestellt. Erneut wird der [i:]-Laut zur Verkündung der wahren Herkunft der Mysterien herangezogen: „feast“ (17) und „mead“ (19), Festmahl und Met, verweisen auf das aktive Leben des Menschen und auf die Feier eben dieses Lebens. Schließlich endet das Gedicht mit der Zusammenfassung der Botschaft. Der Leser wird nach dem allgemeinen „see“ (13) nun mit „Look“ (20) aufgefordert, genau hinzuschauen: So einfach und unbedeutend der Grasshalm zwischen den Steinen auch anmuten mag, er ist Ursprung und Kern der Mysterien. Der Grasshalm steht im letzten Satz, welcher in seiner zusammenfassenden, aufklärenden und pointierten Art an das abschließende Couplet eines Sonetts erinnert (wenngleich selbstverständlich das Gedicht kein Sonett ist), pars pro toto für die gesamte Natur. Nicht in alten Büchern sondern auf dem Blatt stehen ganz im Sinne einer schriftlichen Fixierung von Wissen und Weisheit die Mysterien und alle Zeichen der Hexenkunst geschrieben. Die Natur als Schriftstück, gewissermaßen als Buch des Lebens, beinhaltet alle Mysterien. Der Sprecher sieht dabei die Runen als adäquates Alphabet an, das dem Sprecher als nordisch-heidnisches Alphabet der Sprache der Natur am ehesten zu entsprechen scheint. Die Metapher vom beschriebenen Halm vereint das Geheimnisvolle mit dem Alltäglichen und transportiert die Mysterien aus ihrem undefinierten Zwischenzustand in die konkrete Lebenswelt. Die schriftliche Fixierung in „Are written upon it“ (23) macht die Mysterien für jeden, der hinschaut, sichtbar und außerdem jederzeit nachlesbar. Bei dieser Fixierung auf dem Halm geht es jedoch nicht um die Archivierung von Wissen, das möglicherweise eines Tages veraltet sein wird, sondern auf das jährlich („every summer“, 18), 136 täglich („rising moon“, 11) bzw. mit jedem Atemzug („breathing“, 4) immer wieder neu zu schreibende und zu lesende gegenwärtige Wissen des Lebens. Anhand der Interpretation wird deutlich, dass die Mysterien der Wicca keine unzugänglichen Geheimnisse sind. Vielmehr sind sie Bestandteil des menschlichen Lebens, begleiten den Menschen und sind erkennbar für den, der weiß, wohin er schauen muss, nämlich auf das Sichtbare und Greifbare in der Natur. Da der Mensch nach wiccanischer Sicht ein Element der Natur ist, soll an einem nächsten Gedicht erläutert werden, wie es sich mit den Mysterien im Menschen selbst verhält. 2.3 Gedichtanalyse „All Knowledge: The „Secret“ of the Universe Revealed“, Lionrhod All Knowledge The "Secret" of the Universe Revealed Lionrhod Remember this. . . You have All Knowledge. Everything you ever need to know Is within you. 5 All Knowledge All Understanding Comes from within. And from knowing that you are One With Earth and Sky 10 With tree and flowing breeze. Your teachers can give you information But not understanding. Respect your teachers And learn from them 15 But do not look to them for answers Everyone's answers are different You must look for the answers That are your own. So root yourself to the ground, 20 Send your branches flowing skyward 137 And your mind into the vast reaches of the cosmos Within And receive All Knowledge. Während also der Schwerpunkt in Valientes Gedicht auf den Abläufen und Gegebenheiten in der Natur als Umgebung des Menschen liegt, fokussiert „All Knowledge: The „Secret“ of the Universe Revealed“ von Lionrhod auf die innere Dimension des Menschen als Mittelpunkt der Mysterien. Das Gedicht beginnt mit der Aufforderung des Sprechers „Remember this...“ und es folgt die Adressierung eines Gegenübers mit „You“. Der Sprecher selber erscheint nicht als ‘I’, verweist aber mit der Bezugnahme auf „your teachers“ (11, 13) auf seine eigene Funktion, denn auch er gibt hier einen Ratschlag bzw. eine Unterweisung. Dabei ist die Figur des Lehrers eingebunden in einem dem Text zugrunde liegenden Argumentationsstrang: Der Sprecher als Lehrer möchte, dass seine Lektion zur Kenntnis genommen und angenommen wird. Gleichzeitig ist die Feststellung, dass die Lehrer des Gegenübers, zu welchen man ihn zählen kann, dem Schüler nicht wirklich etwas beibringen können, denn ihre Tätigkeit geht über die einfache Vermittlung von Informationen und Daten nicht hinaus. Diese Tatsache macht einerseits den Sprecher nur zu einem von möglicherweise vielen Lehrern, stellt ihn andererseits jedoch aus deren Gruppe heraus, weil er dem Schüler im Rahmen dieses Textes die einzig wirklich relevante Information vermittelt, nämlich dass der Schüler nur aus sich selbst lernen kann. Die Thematisierung des Lehrer-Schüler-Verhältnisses im Wicca ist deshalb wichtig, weil in zahlreichen Büchern für Wicca auf die Bedeutung der Suche nach einem Lehrer hingewiesen wird, demgegenüber aber auch durchaus die Position vertreten wird, dass es angesichts der heutigen großen Auswahl an Literatur gar nicht nötig ist, sich von einem Lehrer unterrichten zu lassen. Dieser kann zwar möglicherweise Fakten vermitteln, doch die innere persönliche Aufarbeitung liegt alleine beim einzelnen Schüler (siehe auch Wach 7-15). Im Hinblick auf das Gedicht ist es nun auch die Aufgabe des Schülers/Lesers, die Lektion zu hören/lesen und für sich selbst zu erschließen. Unterstützt wird diese Aufforderung durch die vielfache Wiederholung des „you“ in verschiedenen Varianten: „you“ (2, 3, 4, 8, 11, 17), „your“ (11, 13, 18, 20, 21) und „yourself“ (19), denn der einzige Ort, um Antworten auf die Fragen des Lebens zu finden, ist „within you“ (4) und alles Wissen und alles Verstehen „Comes from within“ (7). Die Zeilen 21f führen diese Kernaussage in einem Oxymoron bzw. Paradoxon aus: „the vast reaches of the cosmos/ Within“. Die ausgedehnten Gebiete des Kosmos befinden sich im Innern des Menschen. Um dies zu betonen, steht das „Within“ in 138 Zeile 22 alleine und das Enjambement der Zeilen 21f produziert eine gewisse Spannung zwischen dem Ansporn, die ‘run-on line’ auch als solche zu lesen und dem kurzen Innehalten ob der widersprüchlichen Aussage. Die Aussage, dass der Mensch die Antworten bei und für sich selber suchen muß, basiert auf der Überzeugung, dass Mensch und Natur eins sind und dass der Mensch das gesamte Universum in sich trägt (ähnlich der Mahayana-Buddhismus: er betrachtet den einzelnen Menschen als Träger der allumfassenden Leerheit. Da diese Leerheit gleichzeitig Merkmal der ‘Buddhaheit’ ist, tragen alle Menschen die ‘Buddhanatur’, die Qualität zur Erlösung, in sich; Prajñaparamita-Sutra; Schumann 187f; Mensching, Religionsstifter 163). Diese Einheit wird durch das groß geschriebene „One“ (8) betont. „Earth and „Sky“ wiederholen sich thematisch in der Erdungsanweisung in den Zeilen 19f „So root yourself to the ground,/ Send your branches flowing skyward“ und verstärken so erneut die Identität von Mensch und Natur. Durch die Erdung sendet der Mensch seine Fragen („Send“, 20) und empfängt die Antworten („receive“, 23). Die komplementäre Beziehung von Senden und Empfangen verdeutlicht die grundlegende Rolle, die die Natur bei dem Eintreten in das eigene Innere spielt. Schließlich endet das Gedicht dort, wo es begonnen hat, indem die letzten Worte „All Knowledge“ (23) wieder zum Titel zurückführen. Durch die innerliche, erkenntnisbezogene Platzierung des „cosmos“ (21) erhält auch „Universe“ eine zusätzliche Bedeutung als Universum im geistigen Innern des Menschen. Und unwillkürlich, nicht zuletzt durch das Arrangement der Zeilen, wird die Aufmerksamkeit des Leser wieder auf das mahnende „Remember this...“ gelenkt, wodurch ein zyklischer Eindruck entsteht, welcher durch den Großbuchstaben ‘O’ in „One“ (8) optisch und durch den [ø:]-Laut in „All“ (2, 5, 6, 23) akustisch bildlich unterstrichen wird. Das wiccanische Prinzip des Wissens und der Erkenntnis „from within“ (7) wurde zuerst von Doreen Valiente in ihrem „Charge of the Goddess“ formuliert. Darin richtet sich die Göttin an ihre Kinder, d.h. ihre Anhänger. Das allem zugrunde liegende Mysterium ist die Suche im Innern, denn nur dort sind die Antworten und nur dort ist die Göttin selbst zu finden: „And thou who thinkest to seek for me, know thy seeking and yearning shall avail thee not unless thou knowest the mystery: that if that which thou seekest thou findest not within thee, thou wilt never find it without thee. For behold, I have been with thee from the beginning; and I am that which is attained at the end of desire.“ (Farrar 173) 139 In diesen Zeilen schließt sich der Kreis der wiccanischen theologischen, kosmologischen und anthropologischen Gesamtkonzeption: Die Göttin findet man nur in sich selbst, denn jeder Mensch ist Kind der Göttin und ausgestattet mit den entsprechenden Fähigkeiten. Darauf basiert auch das Konzept des ‘Will’ (siehe Kapitel zur Ethik). Der Text erklärt, dass die Sehnsucht des Menschen nach der Gemeinschaft mit der Göttin gestillt ist, sobald der Mensch erkennt, dass die Göttin schon immer im Menschen selber anwesend war, dass sie ein Teil des Menschen ist und der Mensch ein Teil von ihr. Grimassi nennt dies die „Divine Nature within ourselves“ (Grimassi, Mysteries 46). In dieser Hinsicht ist das Wort „within“ das Schlüsselwort der wiccanischen Lehre von der Kongruenz und Identität von Göttlichem und Mensch, von Heiligem und Profanem. Dabei deckt der Begriff „within“ den Menschen in seiner komplexen Gesamtheit ab. Er beinhaltet erstens das psychologische Moment, dass das Bewusstsein des Menschen, seine Ideen, seine Schlussfolgerungen im Rahmen seiner kognitiven Fähigkeiten ausmacht, kurz sämtliche geistige Abläufe. Zweitens umfasst er das biologische Moment, das menschliche Leben von der Zeugung über die Geburt durch das Leben bis hin zum Tod, den Körper mit allen seinen Eigenschaften und Funktionen und die Eingebundenheit in seine räumliche und zeitliche Existenz. So fallen alle Aspekte des religiösen Bewusstseins der Wicca in diesem einen Begriff zusammen und lassen sich andersherum alle aus ihm heraus entfalten. Schließlich soll anhand eines weiteren Gedichtes das Zusammenspiel der Mysterien zwischen Natur und Mensch dargestellt werden und gezeigt werden, wie der Mensch zu den Mysterien Kontakt aufnehmen kann, um seine Eingebundenheit in das göttliche Gesamtsystem zu erfahren und zu leben. 2.4 Gedichtanalyse „Moon Song“, Ravenwitch MOON SONG Ravenwitch I raise my arms in greeting As She slips up through the night, The rounded Moon of Mystery, A glowing silver disk of light. My 5 spirit answers to Her call And longs for wings to fly, 140 That I might seek Her secret place Whose symbol is the sky. A place of hidden secrets, 10 Of sacred Mysteries old, A place I knew in other times, In temple wisdom no more told. I struggle to remember All the things I learned before, 15 The forgotten Mysteries of the Moon, The Goddess and Her lore. Although my arms reach skyward, I turn inward toward Her voice, I tread the inner labyrinth, 20 Trusting in my choice. "Seek not without, but deep within." The words are soft and clear, "Keep faith with Me for thirteen months, The Mother's Sacred Year." I 25 watch Her through Her cycles, As I did in lives before, And follow down Her moonbeam path To the secret, inner door. Eine Verknüpfung der beiden Mysterienkernpunkte Mensch und Natur wird in „Moon Song“ von Ravenwitch deutlich. Zusätzlich thematisiert dieses Gedicht die Rückführung beider auf die Göttin, welche sich mit instruktiven Worten, die an die ‘Lehrerfigur’ aus „A Knowledge“ erinnern, an den Sprecher des Gedichtes wenden. Die Zeilen 16 bis 28 erklären, dass Suchen und Finden im Innern und das aufmerksame Mitleben des Jahreszyklus einander entsprechen. Der Weg ins Innere führt über den Kreislauf der Natur. Die Natur präsentiert und dem Menschen sein Innerstes, führt ihm gewissermaßen sich selbst vor Augen. Interessant ist in diesen Zeilen auch die Beschreibung des Weges in das Innere als Bewegung nach unten („down“, 27). Diese verweist einerseits auf Tiefe im psychologischen Sinne, wobei der Mensch sich in sich selbst hineinbegibt, um Erkenntnis zu erlangen, andererseits stellt es die Göttin im Gegensatz zu anderen Göttern, welche als im Himmel, also ‘oben’ wohnend vorgestellt werden, wie etwa Yahwe im Judentum, als Göttin des ‘Unten’, also im Kern als chthonische Gottheit dar. Die Enjambements „The words/ are soft“ (21f), „Keep faith/ with me“ (22f) und „I/ watch her“ (24f) verstärken den Eindruck des Abstiegs und imitieren einen spiralförmigen Sog nach unten. Durch die Parallelsetzung der Vorstellung des Abstiegs und der Bewegung des Mondes werden die Erde als Lehr-und Lebensraum des Menschen und der 141 Himmelskörper Mond als gleichzeitige Manifestation der Göttin miteinander verbunden: Unten ist Oben und Oben ist Unten, „skyward“ (17) ist „inward“ (18), beide sind sie göttlich und natürlich und Kristallisationspunkt beider ist der Mensch. Ferner argumentiert das Gedicht, dass die Mysterien dem Menschen nur deshalb geheimnisvoll erscheinen, weil er sie vergessen hat (Zeilen 8-16). Zu welcher Zeit der Sprecher um die Mysterien wusste und wann er sie vergessen hat, kann er nicht mehr genau sagen. Dies ist allerdings schon so lange her („other times“, 11), oder vielmehr so viele Leben her, dass er darum kämpfen muß, sich wieder zu erinnern („I/ struggle to remember“, 12f). Um sich wieder erinnern zu können, muss der Sprecher „tread the inner labyrinth“ (19), was bedeutet, dass er den gesamten labyrinthartigen Weg noch einmal gehen muß, um die Mysterien neu zu erlernen. Die entsprechende Lehrzeit dauert laut Gedicht „thirteen months“ (23). Dabei sind mit Blick auf den „Moon of Mystery“ (3) dreizehn Mondläufe, also ein (Sonnen-)Jahreszyklus, gemeint. Die bereits oben genannten Enjambements mahnen, diesen Lehrzyklus nicht zu unterbrechen, sondern konzentriert („I/ watch“, 24) und fortlaufend zu verfolgen. Durch den Lauf des Jahres, durch den Rhythmus der Natur lernt der Mensch und erkennt die Mysterien. Aus der Erarbeitung der vorliegenden Gedichte lässt sich also festhalten, die Mysterien sind in der Natur und sie sind im Menschen selber zu finden. Dabei schließen sich Natur und Mensch als Kern der Mysterien keineswegs gegenseitig aus. Im Gegenteil sind sie Facetten des gesamtgöttlichen Prinzips des Lebens. Der Mensch ist mit Körper, Verstand und Bewusstsein Teil der Natur und des Göttlichen und ist deshalb, wie die Natur auch, Träger des ‘Mysterien- Codes’. Die Formulierung „you are One/ With the Earth and Sky/ With tree and flowing breeze“ verdeutlicht diese prinzipielle Einheit und die Kongruenz von Natur, Mensch und göttlichem Prinzip im Mysterium. 2.5 Initiation, Selbst-Initiation und Dedikation Im Rahmen der Sicht von Wicca als Mysterienreligion wird schon seit den 70er Jahren die Diskussion um die Bewertung und Unumgänglichkeit einer Initiation in Wicca geführt. In diesem Abschnitt sollen die Hauptargumente dargestellt und außerdem auf die aktuelle Lage aufmerksam gemacht werden. Dabei sind die Argumente recht unterschiedlich und liefern ein 142 Hin und Her, ein Für und Wider, ein Möglich und Unmöglich, und vermutlich bleibt letztlich abzuwarten, in welche Richtung sich Wicca in diesem Punkt hin entwickeln wird. Die folgende Aufstellung zeichnet die Entwicklung der unterschiedlichen Beurteilungen des Initiationsanspruchs nach. 1954 erklärt Gardner in seinem Buch Witchcraft Today, dass die Wicca-Gruppe, welche er kennen lernte, Initiationsrituale praktizierten. Diese Rituale beschreibt er nicht im einzelnen, da er in dieser Beziehung wie auch in anderen Punkten zur Geheimhaltung verpflichtet sei (42, 73), führt jedoch Parallelen zur Praxis der Freimaurer (73) und der klassischen griechischen und römischen Mysterienkulte, wie dem Dionysos-oder dem Orpheus-Kult, an (82-96). Soviel jedoch durfte er wohl sagen, dass im Rahmen eines Initiationsritus die Rezitation des „Charge of the Goddess“ eine wichtige Rolle spielt (42), und einen für eine Initiation vorbereiteten Altar zeigen (Photographie zwischen den Seiten 96 und 97). 1971 Stewart Farrar geht in What Witches Do davon aus, dass „Only a witch can make a witch“ und begründet dies mit der Überzeugung, dass ein Anwärter nur von einer erfahrenen Wicca sicher lernen kann (9). Der ernsthaft Interessierte möge sich daher auf die Such nach einem Coven begeben. 1974 Raymond Buckland, welcher in England durch Gardner in Wicca initiiert wurde, begibt sich in die USA, wo er den Grundstein für die Wicca Bewegung in Nord-Amerika legt. Er veröffentlicht The Tree, worin er eine von ihm neu geschaffene Tradition (Seax Wicca) inklusive eines Rituals zur Selbst-Initiation vorstellt, welche sowohl zur Gründung neuer Coven als auch zur Ausübung als allein praktizierende Wicca ermutigt und überdies die Praxis der Selbst-Initiation fördert (42ff). 1978 Doreen Valiente äußert sich in Witchcraft for Tomorrow positiv zum Thema Selbst- Initiation und liefert ihrerseits ein eigenes Ritual für die Eigeninitiation von Einzelpersonen (159ff). Sie kritisiert die „exaggerated claims of some self-styled ‘leading witches’“ und will damit gegen die „ego-trips“ so mancher Hohepriester und Hohepriesterinnen angehen (21f). In dem Bewusstsein, dass ihre Ermutigung zur Selbst-Initiation von vielen Seiten kritisiert wird, spricht sie jedem Menschen das Recht zu, die Religion seiner Wahl auszuüben, auch dann wenn es sich bei dieser Religion um Wicca handelt und keine Coven involviert ist. 1984 Janet und Stewart Farrar erkennen in The Witches’ Way (Farrar/Farrar, Bible, Teil 2) das Thema Selbst-Initiation als wichtigen Punkt im Wicca an und sehen eine solche als durchaus positiv, solange die gängige Praxis die der Covenarbeit bleibt und Selbst-Initiationen nur in 143 Ausnahmefällen nötig sind, sollte kein Coven zur Verfügung stehen. Sie widmen diesem Thema dann auch ein ganzes Kapitel (244-250). Nach eingehender Selbstprüfung zur Ernsthaftigkeit und nach intensiven Studien zur Wicca-Religion sollte einem Ritual zur Eigeninitiation nichts im Wege stehen. Ehrlicherweise merken die Autoren an, dass ihr eigener Initiator und Begründer der Alexandrinischen Tradition Alex Sanders selber nicht ordnungsgemäß initiiert worden war. Nachdem ihm die Aufnahme in mehrere Gardnerische Coven verweigert worden war, beschaffte er sich auf nicht ganz geklärte Weise ein Gardnerisches Buch der Schatten, modifizierte das ein oder andere Ritual und erklärte dann, er sei bereits als Kind von seiner Großmutter in Wicca initiiert worden (244f; Johns 11ff). Aufgrund dieser Tatsache allerdings zu behaupten, die gesamte Alexandrinische Bewegung sei keine wahre Wicca-Tradition, weisen die Autoren als absurd zurück. Schließlich räumen sie auch ein, dass es möglich sei, aufgrund einer ersten Selbstinitiation und anderen darauf folgenden ‘Fremdinitiationen’ einen neuen Coven aufzubauen (247). 1986 Margot Adler formuliert Gedanken und Berichte von Gesprächspartnern zur Initiation (Adler 94f). 1986 Raymond Buckland argumentiert in seinem Complete Book of Witchcraft zunächst, dass die ursprünglichen Wicca zu früheren Zeiten aufgrund der großen Distanzen zwischen den verschiedenen Ortschaften ihre religiösen Praktiken und magischen Arbeiten nicht in Coven sondern alleine ausführten, und dennoch vollwertige Wicca waren, die ihren Glauben an die alten Götter lebten (215; siehe auch Varner 124). 1987 Janet und Stewart Farrar lassen in Life and Times of a Modern Witch Margot Adler und Doreen Valiente zu Wort kommen. Adler bemerkt, dass eigene Initiationen durch Trance- Erfahrungen ebenso kraftvoll und wirksam sein können wie typische Gardnerische Initiationen, während Valiente anmerkt, dass die Entwicklung von der traditionellen Coven- Initiation wegzuführen scheint (35). 1988 Scott Cunningham, der mit Wicca als erster ein Buch in erster Linie für die allein praktizierende Wicca schreibt, macht einen Vorschlag für ein Selbst-Dedikationsritual und erklärt die „Solitaries“ für gleich-und vollwertige Wicca, und zwar ohne Initiation (87ff). 1989 Vivianne Crowley postuliert in Wicca, dass ein Mensch initiiert sein muss, um Wicca praktizieren zu können. Außerdem warnt sie eindringlich vor der Selbst-Initiation, die sie mit der Durchführung einer Blinddarmoperation am eigenen Körper vergleicht (53ff). 1991 Doreen Valiente äußert sich in einem Interview kritisch gegenüber sinnentleerten Masseninitiationen. 144 1991 Im Vorwort zur dritte Auflage von What Witches Do bemerkt Stewart Farrar, dass seine Aussage von 1971 (s.o.) „has [...] been made obsolete by developments“. 1992 Heather O’Dell ermutigt allein praktizierende Wicca, ihren Weg auch alleine weiterzugehen, denn „You are better off on your own than in the wrong coven“, und macht einen Ritualvorschlag für eine Selbst-Initiation (O’Dell 275, 278f). 1993 Scott Cunningham befürwortet in Living Wicca erneut die Selbst-Dedikation und lehnt die Initiation als unumgängliche Voraussetzung für das Praktizieren von Wicca ab (33ff). Außerdem postuliert er, dass ein adäquates Selbst-Initiationsritual das Bewusstsein des Involvierten auf die gleiche gewünschte psychologische Weise verändern kann wie eine Coven-Initiation und das letztendlich die Götter diejenigen sind, die initiieren. Möglicherweise hat er dort Crowleys Aussage von 1989 vor Augen. 1994 Vivianne Crowley spricht in Phoenix aus der Flamme vom lebenslangen Prozess der spirituellen Initiation, wobei die Initiationszeremonie den Anfang dieses Prozesses markiert (253). 1995 Loretta Orion beschreibt in Never Again the Burning Times Gardners Sicht der Initiation als Bestandteil eines Lehrprogramms zur Erhaltung und Weitervermittlung der Lehren im Wicca und zur Erweckung eigener Erfahrungen (18f). Sie weist mit einem Zitat von 1954 (38) darauf hin, dass es Gardner zwar durchaus um die psychologisch-mystische Transformation, im Wesentlichen aber um die Erhaltung (‘preservation’) und Stabilisierung der Wicca- Bewegung ging. 1996 Crowley geht in „Wicca as Modern-Day Mystery Religion“ intensiv auf das Ritual der Initiation als transformationsauslösendes aufgeführtes Drama und psychologisches Prinzip ein. 1997 In Way of Wicca erwähnt Crowley die Tatsache, dass es allein praktizierende Wicca gibt, erklärt diesen Weg jedoch als zu einsam (166ff). Zwar räumt sie mittlerweile ein, dass man auch Wicca sein kann, ohne initiiert worden zu sein, betont aber nach wie vor die fundamentale Bedeutung einer Initiation als persönliche Transformation und als Hinzufügung des Einzelnen zum entsprechenden „group mind“ einer initiatorischen Wicca-Tradition (167). 2001 Kaatryn MacMorgan verdeutlicht in All One Wicca ihre Auffassung, dass allein die Dedikation die Mitgliedschaft in der Wicca-Religion festigt und ausmacht, während die Initiation der Aufnahme in eine Gruppe praktizierender Wicca einer bestimmten Tradition entspricht. Zur wiccanisch-gruppengebundenen Mitgliedschaft im Wicca bedarf es daher sowohl einer Initiation als auch einer Dedikation, während für Alleinpraktizierende der Bedarf 145 einer Initiation gar nicht erst besteht. Die Dedikation macht den Menschen zur Wicca, während die Initiation ihn als Mitglied in eine bestimmte Tradition einordnet, wobei sie mit Tradition nicht nur die gardnerische oder alexandrinische Tradition meint, sondern sämtliche existierende Traditionen wie etwa auch ihre eigene (UEW -Universal Eclectic Wicca; 229ff). 2002 Gary R. Varner stellt in seinen Essays dar, dass er aufgrund der großen Intoleranz in vielen Traditionen Männern gegenüber, aufgrund der Profilierungssucht mancher Hohepriester und Hohepriesterinnen und wegen der nach wie vor weit verbreiteten Meinung, eine Wicca müsse einem Coven angehören, um echte Wicca zu sein, den Weg als ‘Solitary’ bevorzugt (119ff). 2003 MacMorgan bekräftigt in Wicca 333 ihre Darstellung von 2001 und betont, dass eine Initiation lediglich eine Einweihung in die Mysterien einer bestimmten Gruppe darstellt (Initiation durch Menschen), die Zugehörigkeit zur gesamtgemeinschaftlichen Wicca-Religion jedoch durch eine Dedikation besiegelt wird (Initiation durch das Göttliche; 130ff). 2003 Helen A. Berger stellt in Voices from the Pagan Census fest, dass über die Hälfte der Befragten allein praktizierende Wicca sind, wobei man davon ausgehen kann, dass viele davon nie in einem Initiationsritual durch die Hohepriester eines Covens initiiert worden sind. 2004 Im Interview beschreiben Janet Farrar und Gavin Bone äußerliche Initiationen als nebensächlich, da sich die einzig wirksame Initiation durch die Götter nur innerlich vollziehen kann und im Workshop „Progressive Witchcraft“ anlässlich der 1. Konferenz der Pagan Federation International Deutschland formuliert Gavin Bone: „There is only one initiator and that is deity“. Prinzipiell zeigen sich drei wichtige Bereiche in der Diskussion um die Initiation. Während niemand wirklich zu verneinen scheint, dass die Mysterien prinzipiell ein essentieller Bestandteil der Wicca-Religion sind und dass die Transformation des Einzelnen im Ablegen des Alten und Annehmen des Neuen (also der Wicca-Religion) analog zum Prozess des Sterbens und Wiedergeborenwerdens in ein neues Leben für den Schritt in diese Religion grundlegend sind, besteht Uneinheitlichkeit darüber 1. ob ein formeller Initiationsritus dazu nötig ist, 2. wer letztendlich der Initiator ist, der die Initiation zu einem wirkungsvollen Ritual macht und 3. ob man bei den vielen autonomen Traditionen und einzelnen unabhängigen Coven überhaupt noch von ‘den Mysterien’ als den einzigen für alle im Wicca geltenden Mysterien sprechen kann. 146 Die Frage nach einem formellen Initiationsritus geht vor allem davon aus, dass manche Initiationen abgehalten werden, weil sie nach Auffassung vieler Wicca immer noch wichtige Formsache sind. In einem Interview von 1991 kritisiert Valiente, dass anscheinend tatsächlich mancherorts große Anzahlen von Wicca initiiert wurden, um die Coven auf dreizehn Mitglieder aufzustocken, während viele dieser Betroffenen sich gar nicht so recht bewusst waren, was da im einzelnen mit ihnen geschah. Manche Wicca hätten den Sinn ihrer Initiation später erkannt, manche aber auch nicht. Andere Wicca gehen davon aus, dass jemand, der sich intensiv und ernsthaft mit Wicca und seiner eigenen spirituellen Entwicklung beschäftigt, eine innere Transformation schon lange durchlebt hat, bevor er formell initiiert wird. Was macht ihn also zur Wicca, seine spirituell-religiöse Reife und Einsicht und das Leben im Glauben an die Göttin und den Gott, oder das Ritual, dem er sich schließlich irgendwann, oder vielleicht auch nicht, unterzieht? Allein die jungianisch-psychologische Aussage Vivianne Crowleys, dass ein Initiationsritual das wahre Selbst des Menschen zu Geltung bringt, bedeutet nicht unbedingt, dass dies in jedem Ritual unweigerlich geschehen muss. Manche Autoren legen deshalb nahe, dass der eigentliche ausschlaggebende Schritt zu Wicca ein Dedikationsritual ist, in welchem der Einzelne sein Versprechen an die Götter leistet und die Verbindung mit ihnen besiegelt, nachdem er in einem persönlichen Entwicklungsprozess eine innere Transformation durchlebt hat und sich daraufhin entschieden hat, Wicca zu sein. Die Frage nach dem wahren Initiator ist deshalb interessant, weil es dafür mehrere Erklärungsansätze gibt. Der erste ist der, dass das eigene wahre Selbst, das im oben beschriebenen psychologischen Prozess gewissermaßen befreit wird, den Menschen letztendlich initiiert, weil es ihn zur eigenen Individuation führt (Crowley, „Mystery“). Der zweite Ansatz besagt, dass die Hohepriesterin bzw. der Hohepriester notwendig ist, weil nur sie bzw. er die Mysterien im Ritual weitervermitteln kann und durch die Abläufe des Rituals durch die verwendeten Symbole und Zeichen die ‘Schlösser’ zur Transformation des Initianten aufschließt und zusätzlich aufgrund ihrer bzw. seiner Erfahrung als kontrollierende Sicherheitsinstanz dafür sorgen kann, dass der psychologische Prozess auch sicher ablaufen kann. Der dritte Ansatz ist der, dass es im Grunde immer nur die Götter selber sind, die einen Menschen initiieren können. Ob sie dann auch bei jedem Einweihungsritual zugegen sind, weil sie nach wiccanischer Auffassung durchaus nicht immer kommen, wenn man sie ruft bzw. bittet, ist eine weitere Frage. Und wenn es die Götter für richtig halten, einen Menschen zu initiieren, der eben gerade nicht an einem entsprechenden Ritual teilnimmt, warum sollten 147 sie das dann nicht auch tun. Vielen Berichten nach zu urteilen hat die eigentliche Initiation bei vielen Wicca bereits lange vor oder auch erst einige Zeit nach der formellen Initiation stattgefunden. Die Frage nach dem echten Initiator ist also verknüpft mit der Frage, wann eine Wicca eine Wicca ist. Schließlich ist es außerdem auch eine Frage der Akzeptanz unter anderen Wicca, wenn eine Wicca in die Tradition bzw. den Coven x initiiert wurde, sie sich nun aber aus bestimmten Gründen dem Coven y anschließen möchte. Da Coven y möglicherweise von einer anderen Interpretation der Mysterien, oder vielleicht von ganz anderen Schwerpunkten in Bezug auf die Mysterien ausgeht, also auch die zugrunde liegenden Mythen andere sein können, wird es unter Umständen nötig sein, die Person erneut zu initiieren. MacMorgan unterscheidet hier zwischen der Initiation in eine soziale Gruppe und der Initiation in die Mysterien dieser Gruppe. Weiterhin unterscheidet sie die Initiation durch die Götter in die Mysterien und der daraus resultierenden eigenen Erkenntnis von der Initiation durch einen Menschen und dessen eigene Erkenntnis der Mysterien. Ersteres ist dann aber vom Prinzip her keine Selbstinitiation, sondern eine Initiation durch die Götter. Valiente merkt in diesem Zusammenhang an, dass schließlich die allererste Wicca auf irgendeine Art und Weise initiiert worden sein muß, und legt nahe, dass dies letztendlich durch die Götter geschehen ist: „who initiated the first witch?“ (Valiente, Witchcraft 22). Warum aber sollten die Götter nicht auch weiterhin Menschen initiieren, ohne dass parallel ein offizieller Initiationsritual stattfindet? Offensichtlich ist jedoch, dass in vielen Coven die Behauptung, man sei durch die Göttin bzw. Götter selber initiiert worden, zur vollständigen Akzeptanz als Mitglied der Religion nicht ausreicht, ebenso wie die meisten allein praktizierenden Wicca beklagen, dass sie von den in Coven organisierten Wicca nicht unbedingt als vollwertig akzeptiert werden (Berger/Leach/Shaffer). Was die Sicht von Anhängern der Wicca-Religion als Gemeinschaft angeht, liegt der große demographische Nachteil der autonomen Struktur wiccanischer Gruppen in dem Mangel an Registrierbarkeit ihrer Mitglieder. Letztlich kann jeder behaupten, er sei entweder von den Göttern direkt oder durch Hohepriesterin und Hohepriester in Tradition x oder y initiiert worden. Ohne ein anerkanntes Registrierungssystem kann das kaum nachgeprüft werden, und ein solches institutionalisiertes System wird im allgemeinen eher nicht befürwortet. Offensichtlich machen allein praktizierende Wicca, und darunter auch nicht rituell initiierte Wicca, aber mittlerweile mehr als die Hälfte der gesamten Wicca- Gemeinschaft aus, so dass man sich früher oder später um eine Lösung bemühen muss. Vom 148 Recht zur Religionsfreiheit, ausgedrückt von Valiente in dem Satz: „You have the right to be a pagan if you want to be“, und der Akzeptanz durch andere Wicca scheint es doch noch ein Schritt zu sein (Valiente, Witchcraft 22). In diesem Punkt besteht innerhalb der Wicca- Religion angesichts der sonst so deutlich propagierten Toleranz und Akzeptanz gegenüber jedem Lebewesen durchaus Klärungsbedarf. Abschließend zu diesem Thema und zur Betrachtung allein praktizierender Wicca sollen an dieser Stellen noch einmal Janet Farrar und Gavin Bone zu Wort kommen: J: „If you believe that witches were around in, say, the 13th and 14th century, some poor old lady in the backwoods practicing her own form of magic may have no family and just her cat or chickens for company, does it not make her a witch? ‘Oh no, she hasn’t been properly initiated!’ She was probably more initiated than there is any witch in the world today. In other words, yes, you can be a witch alone. This concept ‘you can’t be a witch alone’ is a very modern concept. The moment you dedicate yourself to the Craft and study it and learn -and that is your everyday learning experiences -you’re working with the divine. That makes you a witch. If you decide you are a witch then a witch you are indeed.“ G: „Everything you need to be a witch is inside you.“ [...] G: So sometimes a solitary witch can be a better witch, because they had to find it for themselves. They had to pull it out. [...]. They had to pull out for themselves. So, for people who work in covens turning around saying ‘Well, that person is self-initiated and not a real witch’ is really to put somebody down for no reason. What if that person may in fact be more accomplished with the divine.“ J: „ [...] Every single of my witches is a solitary witch in her own right. And if some of them got shipwrecked on a desert island, they would still be apt to practice their witchcraft, because they were initiated by the divine. [...] And that’s why being a solo witch does work. [...] Step back from your covens and try it on your own. You will learn more during that experience than you ever will running your coven.“ (Farrar/Bone, Interview) Besonders die Funktion und Notwendigkeit von Initiationen, die Gleichbewertung Alleinpraktizierender und das Festhalten an Abstammungslinien sind Themen, die in den USA seit vielen Jahren diskutiert werden. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass 149 sich das Bild von Wicca in den Vereinigten Staaten seit den Anfängen sehr verändert hat. Das Klima dort ist unter Neuheiden ein sehr offenes, was einerseits an der wachsenden Kenntnisnahme der Religion in den USA liegen mag und andererseits auf das dortige akademische Interesse zurückzuführen ist. In Deutschland steht eine systematische Diskussion bislang aus. Es scheint, dass aktuelle Literatur zu den Themen, die bislang vorwiegend in englischer Sprache erhältlich ist, nur sehr zögerlich rezipiert wird. Möglicherweise ist die langsamere Entwicklungsgeschwindigkeit auch auf das zurückzuführen, was Janet Farrar als die Gefahr des Ego beschreibt: „And you’ve got people even today who set themselves up as leaders of the personality cult. And people look up to them, and all these people are doing is feeding their own egos. They are not serving the divine“ (Farrar/Bone, Interview). Auch wenn man dies wiccanischen Gruppenleitern, Hohepriesterinnen und Hohepriestern generell nicht unterstellen darf, so basiert die Beobachtung „Europe at the moment is behind the United States, but Europe always has been“ von Janet Farrar auf in den unterschiedlichsten Ländern der Welt gesammelten Erfahrungen. Sicherlich verhält es, sich was die Entwicklung von Wicca angeht, wie Gavin Bone es versöhnlich ausdrückt: „in each country it will develop its own pace“ (Farrar/Bone, Interview). 150 D. Bausteine 1. Götterwelten „...You see my son, you must seek the Divine in all things great and small, and you must expect the unexpected, to discover Divinity at all.“ („The Dedicant“, The Mystic Fool) 1.1 Spannungsfeld von Monotheismus und Polytheismus -Die geschichtliche Entwicklung der Begriffe Vor der Darstellung des Götterkonzeptes der Wicca sollen zwei Begriffe erläutert werden, die häufig in der wiccanischen Literatur benutzt werden. In der Religionswissenschaft sind sie in den letzten Jahren ins Blickfeld der Debatte gerückt. Es handelt sich dabei um die Termini ‘Polytheismus’ und ‘Monotheismus’. Während die Religionswissenschaft mittlerweile kritisch mit den Begriffen umgeht, sind sie außerhalb der wissenschaftlichen Forschung zu gängigen, populären Begriffen geworden, die unreflektiert in unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt werden. Da wiccanische Autoren, auf die diese Arbeit zur Entschlüsselung der Gottesvorstellungen zurückgreift, in der Regel keine Religionswissenschaftler sind, werden die beiden Begriffe auch hier nahezu flächendeckend verwendet, um die Eigenheiten des eigenen Glaubens darzustellen. Um jedoch den Zusammenhang der Verwendung dieser Begriffe zu erkennen, soll zunächst auf die Konnotationen eingegangen werden, die diese Begriffe im Laufe der letzten 200 Jahre erhalten haben und mit denen sie nun belegt sind. Während der Begriff ‘Monotheismus’ im christlich-theologischen Rahmen stets als Selbstbezeichnung galt, wurde ‘Polytheismus’ auf andere Religionen erstmals von dem jüdischen Denker Philon im ersten Jahrhundert n. Chr. angewendet, um sich von diesen abzugrenzen (Rüpke 18). Diese Abgrenzung des christlichen Glaubens an den einen Gott von anderen Religionen zur Zeit des Römischen Reiches setzte sich fort und hat bis heute Auswirkungen auf die westliche, christlich geprägte Kultur. Dabei ist festzuhalten, dass die anderen Religionen, die als ‘polytheistisch’ bezeichnet wurden, sich selber nicht so genannt haben. Weiterhin ist von Bedeutung, dass ‘Monotheismus’ von Anfang an positiv besetzt war, während ‘Polytheismus’ stets eine negative Wertung beinhaltete. Auf diesem Fundament fußen auch Konzepte aus dem 17. und 18. Jahrhundert. So etwa grenzt Henry More unter 151 Verwendung des Begriffes ‘Monotheismus’ die christliche Gottesvorstellung von anderen Religionen der Antike ab und Henry Bolingbroke vertritt die Annahme einer menschlichen monotheistischen Grunderfahrung und legt damit den Grundstein für die Theorie eines Urmonotheismus im christlichen Sinn (Stolz, Einführung 4f). Darwin sieht im Monotheismus die Überwindung eines vorgestuften Polytheismus, der sich seinerseits aus Geisterglauben und Fetischismus entwickelt habe (MacMorgan, Wicca 333 17). Seit dem 19. Jahrhundert und bis ins 20. Jahrhundert hinein haben besonders zwei Konzepte erstens die positive Bewertung des ‘Monotheismus’ aufgegriffen und zweitens zur weiteren Stärkung dieser positiven Bewertung im Gegensatz zur negativen Bewertung des als minderwertig erachteten ‘Polytheismus’ beigetragen. Die Dekadenztheorie geht mit Wilhelm Schmidt und Andrew Lang davon aus, dass der als ursprünglich angenommene Monotheismus im Laufe der Menschheitsgeschichte verwässert wurde und sich durch diverse Einflüsse zurückgebildet bzw. deformiert hat (Ahn 7). Dabei sind polytheistischer Glaube und Praxis Ausdruck einer Entwicklung weg von den Ursprüngen und -christlich argumentiert -weg von der Wahrheit. Die Evolutionstheorie andererseits postuliert eine Entwicklung der Menschheit von niedrigeren zu höheren Stufen, wobei die höchste und beste Stufe durch den monotheistischen Glauben charakterisiert ist. In der Vorstellung von David Hume entwickelte sich der menschliche Geist von „inferior to superior“, und Menschen, die polytheistisch glauben, galten als der Erkenntnis eines höheren Schöpfers nicht mächtig, weil diese Idee für ihren eingeschränkten Geist zu groß sei (Adler 26, zitiert David Hume, siehe Anmerkung 6). Nach Hume haben auch August Comte und Edward Burnett Tylor diese Theorie vertreten und ausgearbeitet, wobei ersterer im Anschluss an die Phase des Monotheismus noch von weiteren Phasen bis hin zum Zeitalter der Wissenschaft und Technik ausgeht und letzterer die Reduzierung auf einen Gott als höchste kognitive Leistung im Rahmen religiöser Entwicklung ansieht (Stolz, Einführung 9ff; Ahn 6f). In dieser Tradition steht auch das Modell der religiösen Stufen des Theologen James W. Fowler, der den Polytheismus heranzieht, „um ein Glaubens-und Identitätsmuster zu charakterisieren, dem jegliches Wert-und Machtzentrum fehlt, das genügend Transzendenz besäße, um dem Leben eines Menschen eine Richtung und eine Ordnung zu geben“ (Fowler 40). Sowohl im Modell der Dekadenztheorie als auch in dem der Evolutionstheorie stellt der Monotheismus das echte, wertvollere, bessere Konzept dar. Andere Glaubensformen, wie z.B. animistische Religiosität, fetischistische Vorstellungen und polytheistische Religionen gelten als primitiv bzw. als Vorstellungen des Übergangs. Bis heute prägt diese Einschätzung das 152 religiöse Klima in der westlichen Welt. Die Religionswissenschaft hat sich mittlerweile von beiden Modellen verabschiedet. Seit den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts zeichnete sich eine Gegenbewegung zur Absolutsetzung des Monotheismus ab, die im wesentlichen auf The Varieties of Religious Experience (1901/2) von William James zurückzuführen ist. James’ Aufwertung des Polytheismus kommt dadurch zustande, dass die unzähligen religiösen Erfahrungen und Ausrichtungen in einer pluralistischen Welt seiner Aussage nach in polytheistischen Systemen besser aufgefangen werden und zur Geltung kommen. Dementsprechend resümiert James, dass „eine zukünftige Religionsphilosophie die pluralistische Hypothese ernsthafter in Betracht ziehen muß, als sie bisher bereit war“ (James 503). Ein herausragendes und energisches Beispiel für die jüngste Zeit ist Odo Marquards „Lob des Polytheismus“ (erstmals in Poser, Hans. Philosophie und Mythos. Berlin, 1979, 40-58). Marquard argumentiert für eine „entzauberte Wiederkehr der Polymythie“ und stellt seine These anhand des Beispiels des Polytheismus dar: „Gefährlich ist immer und mindestens Monomythie; ungefährlich hingegen sind die Polymythen. Man muß viele Mythen -viele Geschichten -haben dürfen, darauf kommt es an; [...] Wer polymythisch -durch Leben und Erzählen -an vielen Geschichten teilnimmt, hat durch die jeweils eine Geschichte Freiheit von der jeweils anderen et vice versa und durch weitere Interferenzen vielfach überkreuz; wer monomythisch -durch Leben und Erzählen nur an einer einzigen Geschichte teilnehmen darf und muß, hat diese Freiheit nicht: er ist ganz und gar -sozusagen durch eine monomythische Verstricktseinsgleichschaltung -mit Haut und Haaren von ihr besessen. [...] Das [erste Ende der Polymythie] war das Ende des Polytheismus. [...] So gab es im Polytheismus deswegen viele Mythen, weil es dort viele Götter gab, die in vielen Geschichten vorkommen und von denen viele Geschichten erzählt werden konnten und mußten. [...] Das Ende des Polytheismus ist der Monotheismus; [...] Im Monotheismus negiert der eine Gott -eben durch seine Einzigkeit -die vielen Götter. Damit liquidiert er zugleich die vielen Geschichten dieser vielen Götter zugunsten der einzigen Geschichte [...] Das geschieht epochal im Monotheismus der Bibel und des Christentums.“ (Marquard, „Lob“ 53-55). 153 Die weiteren Ausführungen Marquards präsentieren die Polymythie als Chance zum Schutz der Freiheit durch die Gewaltenteilung in Form einer Vielzahl von Geschichten (64f). Damit wird der Polytheismus zur Grundlage der Argumentation für die „Freiheitlichkeit des modernen Wertepluralismus“ (Ahn 14). Dieser Gedanke ist es auch, der die heutigen Neuheiden dabei unterstützt, auf religiösem Terrain selbstbewusst mit dem eigenen Polytheismus umzugehen und ihren Glauben auch stolz selber Polytheismus zu nennen. Die energische, selbstsichere und fast kämpferische Konnotation des Begriffs ‘Polytheismus’ im Neuheidentum greift neben dem Verfolgungsmythos der ‘Burning Times’ also auch auf die nun mit dem Polytheismus assoziierten Konzepte von Gleichwertigkeit und Freiheit, und besonders Religionsfreiheit, zurück. Dieser Umstand ist zu berücksichtigen, wenn im folgenden von Monotheismus und Polytheismus die Rede ist, und es wird verständlich, dass viele Äußerungen der Wicca zum Monotheismus und besonders zum Christentum sehr kritisch, zuweilen selbstverteidigend und manchmal mitleidig, ausfallen. Dabei ist es nicht die Absicht der Wicca, Christen anzugreifen. Vielmehr wollen sie sich vom monotheistischen Glauben und Denken distanzieren, nicht mehr den Angriffen christlicher Gläubiger ausgesetzt sein und als ‘Andersgläubige’ schlicht akzeptiert werden. Die Erläuterung der Begriffe führt nun zur Erarbeitung ihrer Inhalte: den Göttern. Auch wenn der Abschnitt über wiccanische Gottesvorstellungen sehr ausführlich sein wird, sei betont, dass es im Wicca bei weitem nicht nur um Götter geht, sondern das religiöse Netz sehr viel weiter gespannt ist. 1.2 Weiblich und Männlich Die Gottesvorstellung der Wicca ist charakterisiert durch den Glauben an ein Götterpaar, an die Göttin und den Gott (dies gilt so nicht für den feministischen Zweig innerhalb des Wicca und nur in eingeschränktem Maß für das Dianische Wicca, aber für fast alle anderen Wicca- Traditionen und -Formen). Diese göttliche Zweiheit gründet sich auf die natürliche Grundlage von den zwei Geschlechtern weiblich und männlich (bei den meisten Tieren und Menschen) bzw. auf das Prinzip des Befruchteten und Befruchtenden (bei den meisten Pflanzenarten). Die Wicca-Regel ‘As above, so below’ (aus der Esoterik bekannte Formel, die den 154 Zusammenhang zwischen Mikro-und Makrokosmos ausdrückt) führt im Wicca dazu, das Göttliche analog zum Menschen und seiner natürlichen Umgebung als weiblich und männlich zu sehen: „In accordance with the principles of nature the supreme power was personified into two basic beings: the Goddess and the God.“ (Cunningham, Wicca 9; Grimassi, Mysteries 33, 69; MacMorgan, All 11, 71f). Als klassisch männliche Attribute gelten etwa Rationalität, Energie, Tatendrang, Aktivität, Unbesorgtheit und Freude. Sie müssen stets in Verbindung gelebt werden mit den weiblichen Attributen, also den Emotionen, der Kreativität, der inneren Stimme, der vorsichtigen Erwägung und der behutsamen Einfühlung, bis hin zum Rückzug in die Stille. Die Unterscheidung von weiblichen und männlichen Eigenschaften war auch in der Religionswissenschaft durchaus üblich. Friedrich Heiler beschreibt z.B. in seiner Untersuchung Das Gebet den Unterschied zwischen Mystik und Prophetie unter anderem so: „Die Mystik ist die Religion der weiblichen Naturen; schwärmerische Hingabe, differenzierte Fühlfähigkeit, weiche Passivität sind für sie charakteristisch. Im weiblichen Geschlecht hat die Mystik unzählige hervorragende Vertreter [...]. Die mystische Seele spielt im Gottesumgang die Rolle des Weibes. [...] Die prophetische Religion hingegen trägt unverkennbar männlichen Charakter: ethische Herbheit und Härte, kühne Entschlossenheit und Rücksichtslosigkeit, kraftvolle Aktivität“ (Heiler, Gebet 258f). Im Wicca wird der Mensch nur durch die Interaktion beider Seiten als ein ausgeglichenes Ganzes betrachtet. In jedem Mann stecken auch eben diese so genannten weiblichen Züge, die nicht unterdrückt werden dürfen, weil dies sonst dem Menschen in seiner Ganzheit schadet und seine Komponenten beschneidet, ganz wie die Frau, die entsprechend männliche Eigenschaften für ihr erfülltes ganzheitliches Dasein leben muss. Die Ko-abhängigkeit, Ko-operation und Ko-effizienz emotionaler und kalkulativer Eigenschaften erinnert an die Zusammenarbeit der zwei Hemisphären des menschlichen Gehirns. In der kognitiven Psychologie und der Medizin stehen die Funktionen des Gehirns mit seiner Physiologie in Zusammenhang (Anderson, John R. 15): „Der Neocortex teilt sich in die linke und die rechte Hemisphäre. Dabei besteht [...] eine enge Verbindung zwischen der rechten Körperhälfte und der linken Hemisphäre und umgekehrt zwischen der linken Körperhälfte und der rechten Hemisphäre. [...] Die beiden Hirnhälften sind durch ein breites 155 Band von Nervenfasern miteinander verbunden, das sogenannte Corpus callosum [Hervorhebung im Original] (Balken)“ (Anderson, John R. 24f). Die linke Hirnhemisphäre erfüllt vorwiegend kalkulative, mathematische und abwägende Funktionen. Sie ist auf sprachliche und analytische Arbeit ausgerichtet und für Zeitabfolgen zuständig (Anderson, John R. 25; Schnabel/Sentker 165). Die rechte Gehirnhälfte verarbeitet wahrnehmungsgebundene und räumliche Prozesse und ist mit ihrer bildverarbeitenden Funktion auf das Erkennen von Gesichtern spezialisiert (Anderson, John R. 25; Schnabel/Sentker 165). Aus der Kooperation beider Hälften ergibt sich ein komplexer Zusammenhang: Die Aufgabe „der linken Seite besteht darin, ein Modell der Wirklichkeit zu erschaffen und dieses möglichst aufrechtzuerhalten, während die rechte Seite die Aufgabe hat, Abweichungen von diesem Bild aufzuspüren. Wenn diese Anomalien eine bestimmte Schwelle überschreiten, zwingt die rechte Hemisphäre die linke, ihr Modell aufzugeben und von vorn anzufangen“ (Schnabel/Sentker 163). Diese separaten Funktionen der beiden Hirnhälften konnten durch die Untersuchungen von Patienten identifiziert werden, bei denen das corpus callosum durch Krankheit oder Unfall beeinträchtigt war oder aus medizinischen Gründen, z. B. bei Epilepsie-Patienten, durchtrennt wurde (Anderson, John R. 26; siehe ausführlich die Ausführungen des Medizin-Nobelpreisträgers Francis Crick, Crick 118f). Psychologie und Physiologie bestätigen also dualistisch geprägte Funktion des menschlichen Gehirns. Eine Zuordnung zu philosophisch-soziologischen Kategorien wie ‘weiblich’ und ‘männlich’ trifft sie jedoch nicht. Die Farrars assoziieren die Hemisphären allerdings mit der männlichen und der weiblichen Gottheit: „The left-brain function is masculine in emphasis, a gift of the God; its operational headquarters is the individual conscious ego, its strategy that of the rationalized thinking, linear and analysing. The right-brain function is feminine in emphasis, a gift of the Goddess; its operational headquarters is the Collective Unconscious, its strategy that of intuitive awareness, cyclical and synthesizing.“ (Farrar/Farrar, Goddess 10) So verhält es sich auch mit den Göttern im Wicca: Gott und Göttin sind Partner, sie stehen immer nebeneinander, halten immer Kontakt. Der eine ist ohne den anderen unvollständig und in seiner göttlichen Kraft eingeschränkt. Janet und Stewart Farrar führen in The Witches’ God die Einsamkeit des christlichen Gottes an: 156 „What effect did the rejection of the feminine divine principle by Christianity and Islam have on God himself, as humanly visualized? It banished polarity and natural rhythm from Creation, replacing both [...] with arid Dualism. God was no longer Lord of the Dance [Shiva, der hinduistische Gott, der im Tanz die Welt erschaffen hat], for the Dance did not fit in with the systemized logic of authoritarianism. Light and Dark were no longer partners, each the other's other self, but enemies. Matter was no longer the rich manifestation of Spirit, but its prison. Sexuality was no longer the urge to relatedness, to polarized creativity, but a bait of the Devil to drag man's disciplined consciousness into the treacherous waters of the intuitive female principle. God, of course, was far above the prison of matter, or the deadly temptation of sexuality. He did not have to meet the challenge of the goddess's needs, because she did not exist. He was seen as having created Nature [...] but was not himself involved in it.“ (Farrar/Farrar, God 69) Allerdings sehen sie auch den Gott der Juden und Christen durchaus als liebenden Gott und im Sinne der Muslime als barmherzig: „It would be equally bigoted of us to deny that there always has been, and still is, a positive side as well. In many parts of the Bible and among the finer minds in Christendom and Islam, this god has been not a jealous tyrant but a deeply spiritual concept expressive of the highest human ideals.“ (Farrar/Farrar, God 51). In den Zitaten wird deutlich, dass ihre Sicht des Göttlichen den Wicca Anlass gibt, den christlichen Gott heftig zu kritisieren. Er wird als Strohwitwer bedauert („mournful and empty“) oder als gefühllos und fast hartherzig bezeichnet („What the world needed was a god that could be paired with a goddess, strength to be balanced with tenderness“; Fisher 31). Dabei geht es den Wicca um eine klare Distanzierung vom Glauben an den einen monotheistischen Gott. Allerdings zeigen die Aussagen, dass eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Sichtweisen zum Thema Gott und Weiblichkeit in der christlichen Theologie nicht ausreichend stattgefunden hat. Daher sollen an dieser Stelle zunächst Aussagen von Seiten der christlichen Theologie dargestellt werden. Die Kritikpunkte der Wicca beschreiben Problemstellungen, mit denen sich die feministische Theologie bereits seit den 70er und besonders intensiv seit den 80er Jahren beschäftigt. Die feministische Theologie ist kein klar umrissenes Forschungsgebiet, sondern durch ihren „experimentellen, prozessualen und kontextuellen“ Charakter vielfältig vernetzt (Janowski 157 150). Allen Richtungen innerhalb dieses weiten Feldes ist jedoch die „Leidenserfahrung“ von Frauen gemeinsam (Janowski 150). Als zentrale Themen hat Edith Franke die folgenden drei Bereiche umrissen: „1. die Ergänzung Gottvaters um eine weibliche Gefährtin oder die Betonung seiner »weiblichen Anteile« [...], 2. die Überführung des Heiligen Geistes in ein weibliches Prinzip [...] und 3. die Interpretation Jesu als Vertreter einer frauenfreundlichen Strömung des Christentums“ (Franke, Göttin 78). Besonders der erste Punkt ist im Zusammenhang mit den Aussagen von Neuheiden relevant, denn christliche Theologinnen setzen sich hiermit verstärkt auseinander. So befasst sich etwa Elga Sorge mit der Integration von Vatergott und der Göttin als Mutter Erde zu einem ganzheitlichen Gottesbild (Sorge 40ff, 119ff). Die Gestalt der Maria ist in der feministischen Theologie umstritten, weil sie einerseits als Symbol für den weiblichen Aspekt des christlichen Gottes gesehen wird (siehe Mulack, Maria), andererseits in ihrer gleichzeitigen Verherrlichung (siehe an dieser Stelle auch den sprachlichen Androzentrismus; Janowski 156) als Jungfrau und Mutter unerreichbar bleibt und keine „positive Identifikationsfigur für Frauen“ sein kann, weil sie „zu blaß und zu unselbständig“ bleibt (siehe Daly, Jenseits von Gottvater; Franke, Göttin 81, 223). Feministische Theologie arbeitet auch an der Herausstellung der weiblichen Zügen des christlichen Gottes, insbesondere der mütterlichen Zuwendung, die im „geläufigen christlichen (männlichen) Gottes-Bild nie zum Vorschein gekommen“ ist: „als gebärende Frau (Jesaja 42,14; Apostelgeschichte 17,26. 28), [...] als einer stillenden Mutter (Jesaja 49,15)“ (Gerber 35). In der feministischen Spiritualität ist dieser Ansatz in der „Neuentdeckung Gottes als Göttin“, der Großen Göttin, weitergedacht und umgesetzt worden (Gerber 43; Franke, „Feministische Spiritualität“). Im Rahmen der Bemühung um Anknüpfung an biblische Traditionen und historische Genauigkeit verweist die feministische Theologie auch auf altorientalische Göttinnen, wie z.B. Sophia als „Gestalt der Weisheit“ und als Bild der ‘Heiligen Geistin’(Franke, Göttin 83, 89). Besonderes Interesse gilt in diesem Zusammenhang auch der kanaanäischen Göttin Aschera, die in außerbiblischen Texten und archäologischen Funden, z.B. in Inschriften auf Krügen, als Partnerin Jahwes erscheint (Dietrich/Loretz, Aschera 78ff). Köckert beschreibt sie als „Segensmittlerin und Schützerin in Nöten“, verweist neben den Darstellungen archäologischer Funde, die er fast liebevoll „Attraktive Damen“ nennt, auf das in 2. Kön 21 erwähnte Kultbild der Aschera im Tempel zu Jerusalem und resümiert: „Aschera war in der Königszeit eine Göttin, die im Nordreich und in Juda selbstverständliche Verehrung neben 158 Jahwe genoss“ (Köckert 7, 12f). Eine detaillierte Darstellung und Interpretationsansätze zum Verhältnis zwischen Jahwe und Aschera auf Abbildungen und in Inschriften liefern Keel/Uehlinger in Göttinnen, Götter und Gottessymbole (Keel/Uehlinger 237-282). Die Diskussion unter Archäologen, Bibelwissenschaftlern und Theologen hält an, denn mit der Entdeckung neuer Funde modifiziert sich die historische Darstellung und die damit verbundene Frage zum monotheistischen Anfang der Religion Israels und der „Verehrung einer Gefährtin Jahwes“ (Dietrich/Loretz, Aschera 78ff, 91; zur Diskussion von alttestamentlichen Textstellen und archäologischen Funden siehe Hadley, Cult of Asherah). Die Beschäftigung mit der Weiblichkeit in der christlichen Theologie ist zwar sehr intensiv, da die Diskussion jedoch fast ausschließlich in der feministischen Theologie als einem Nebenbereich geführt wird, ist die Arbeit auf diesem Gebiet nach wie vor als Randerscheinung innerhalb der Theologie zu betrachten. Als praktische Konsequenz moniert die feministische Theologie „zu Recht, daß Kirche und Theologie viel Paradiesisches von der Gleichheit von Frau und Mann zu erzählen wissen, ohne es ‘weltlich’ einzulösen“ (Gerber 57). Auf diesem Hintergrund ist auch die Kritik der Wicca und die energische Darstellung und Verteidigung ihrer Gottesvorstellungen zu sehen. Umso stärker betonen Wicca die Innigkeit der Beziehung zu ihren Göttern. Diese ist deshalb so eng und intensiv, weil das Verständnis der Götter für die Menschen umfassend ist, da ihnen die menschlichen Gefühle und Regungen bestens bekannt sind. Sie lieben sich wie die Menschen, streiten sich wie diese und haben ihre eigenen Schicksalsschläge zu meistern. Die Götter im Wicca haben ihre eigenen Erfahrungen gemacht und Geschichten durchlebt, die sie den Menschen als Hilfe und Stütze weitergeben. Sie stehen nicht mit erhobenem Zeigefinger da und mahnen zur Besserung, sie sehen auch nicht auf die Menschen herab und rügen ihre Unvollkommenheit, ebenso sehen sie keine Veranlassung, den Menschen gütigerweise zu vergeben. Sie sind vielmehr wie Freunde, Partner, Familienmitglieder, die Ratschläge geben können, die ihr bestes zur Lösung beisteuern können, in erster Linie aber sind die Götter Zuhörer der Menschen. Sie nehmen sich Zeit und die Menschen mit ihren Sorgen ernst. Ihr Verständnis ist das eines anderen, der diese Situation selber schon durchlebt hat und deshalb weiß, wie es sich anfühlt und was es bedeutet, Hilfe zu benötigen. Sie helfen den Menschen, ihre eigenen Erfahrungen zu machen und daraus zu lernen, ohne ihnen jedoch die Verantwortung für ihre Entscheidungen und Schritte abzunehmen. In diesem Sinne stellen die 159 Erfahrungen der Götter einen enormer Wissensfundus dar, zu welchem der Mensch durch die Götter Zugriff bekommt und welchen er in Eigenverantwortung anwenden darf. Bei der genauen Durchleuchtung der wiccanischen Sicht vom Göttlichen wird deutlich, dass es nicht so sehr die Götter selber sind, die im Zentrum stehen, sondern die Sicht, dass das Heilige weiblich und männlich ist. Das Göttlich-Weibliche und das Göttlich-Männliche sind nach dieser Sicht beide füreinander unverzichtbar, im Mittelpunkt steht die Vertretung beider Geschlechter. Im Konzept der Göttin bzw. Goddess zählt primär nicht dass ‘Gött-‘ bzw. ‘Godd-‘, sondern vielmehr das ‘-in’ bzw. ‘-ess’ für das Göttlich-Weibliche. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt bei dem Konzept vom Gott bzw. God nicht auf ‘Gott-‘ bzw. ‘God-‘, sondern auf ‘-Ø’ für das Göttlich-Männliche. 1.3 Darstellung der zwei Hauptpositionen zum Götterbild So einfach das Prinzip der zwei Gottheiten, der Göttin und des Gottes, auf den ersten Blick erscheint, so unterschiedlich beschreiben verschiedene Wicca-Autoren das Konzept der göttlichen Zweiheit. Während eine erste Denkweise Göttin und Gott letztlich in einem allumfassenden monotheistisch anmutenden Göttlichen zusammenführt, geht eine zweite Position von einer polytheistisch charakterisierten Göttervielfalt aus. 1.3.1 Das allumfassende Göttliche Die Idee, dass sich alle Gottheiten letztlich auf eine Gottheit zurückführen lassen, begegnet bereits in der Antike. Als Instrument hierfür diente beispielsweise die interpretatio romana, also die Identifizierung von Göttern anderer Kulturkreise, wie z.B. griechischer Götter, mit den entsprechenden Göttern des römischen Pantheons. So wurde etwa der „persische Lichtgott Mitra im Zuge seiner Rezeption als römischer Mithras in [...] Nähe zum römischen Sonnengott [Sol]“ gesetzt (Wallraff 161). Das Beispiel der Isis bei Apuleius wurde bereits im Abschnitt zur Religions-und Kulturintegration genannt. Im dritten Jahrhundert kam dann unter „den Gebildeten der Zeit“ die Auffassung auf, „dass der höchste Gott bei den verschiedenen Völkern verschiedene Bezeichnung hat, aber doch immer der Gleiche ist“ und dass schließlich „alle verschiedenen Götternamen, die es gibt im Grunde nur den einen 160 höchsten Gott bezeichnen“, eine Sicht, die sich im fünften Jahrhundert verfestigte (Wallraff 161f). Dementsprechend stand auch die Verehrung verschiedener Götter nicht in Konkurrenz zueinander, weil das Ziel der Verehrung letztlich immer der eine Gott war. Wallraff beschreibt außerdem die Beobachtung, dass es sich bei der Polyonymie, also der Vielfalt der für den einen Gott verwendeten Namen, insofern nur um Hilfsnamen handelte, als dass sich dahinter ein Gott verbarg, dessen wahrer Name unbekannt bzw. dessen Wesen nicht in einem einzigen Namen zu erfassen war (Wallraff 164). Dabei wird deutlich, dass die Dynamik zwischen dem was heute unter Polytheismus und Monotheismus verstanden wird, in der Antike sehr vielschichtig war und die Prozesse zeitlich stark verzahn waren (Wallraff 152). Seit einiger Zeit rekurriert die ‘Pluralistische Theologie’ mit Blick auf den Dialog und die gegenseitige Verständigung unter den Religion auf die „Einheit in der Vielfalt“ (Tworuschka, „Glauben“ 33). Besonders der Theologe und Religionsphilosoph John Hick integriert in seinem Konzept vom „Ewig Einen“ sowohl personal vorgestellte Gottheiten als auch nichttheistische Vorstellungen, wie etwa das Heilsziel des Nirwana im Buddhismus oder das allumfassende Brahman im Hinduismus (Hick, Gott und seine vielen Namen). Er argumentiert, dass die verschiedenen Religionen als unterschiedliche „Annäherungen an jene Wahrheit“ angesehen werden (dabei wird die Nähe zu Kants Philosophie der ‘Dinge an sich’ deutlich; Hick 41). Der religionstheologische Zusammenhang, in den Hick seine Konzeption stellt, wird allerdings durch seine stellenweise durchscheinende christliche Position getrübt, wenn er sich ausdrücklich nur auf die „sogenannten großen Weltreligionen“ bezieht, weil nur diese „eine echte Erkenntnis des Ewig Einen und eine Antwort darauf“ repräsentieren (Hick 61). Trotz des Bewusstseins der Prägung durch das Christentum als seiner eigenen „religiösen Kultur“ ist es ihm nicht ganz möglich, auf Aussagen wie etwa „Gott der Mittelpunkt“ oder „nur die Tüchtigsten überleben“ zu verzichten (Hick 40, 61f; in diesem Zusammenhang verweist Tworuschka auch auf die Neigung der klassischen Religionswissenschaftler, wie z.B. Heiler, „in der allgemeinen Religionsgeschichte ihren eigenen Gott wiederzufinden“, Tworuschka, „Glauben“ 34). Auch wenn die Grundidee des allumfassenden Göttlichen nicht neu ist, so ist es im folgenden wichtig zu betrachten, wie Wicca dieses Konzept für sich ausdeuten. Vivianne Crowley beschreibt in ihrem ersten Satz des 6. Kapitels ihres Buches Wicca die Göttin folgendermaßen: „Wicca verehrt die Göttin, jenen Aspekt der Gottheit, der in der religiösen 161 Vergangenheit verleugnet [...] worden ist [...].“ (Crowley, Wicca 167) und führt an anderer Stelle genauer aus: „Diese Vielfalt von Namen besagt nicht, daß Hexen eine Vielzahl von Göttern verehren. Die vielen Namen werden als verschiedene Beinamen der großen Muttergöttin und des Vatergottes angesehen [...]. Sie können unter einer Vielzahl von Namen bekannt sein. [...] Für Wicca grundlegend ist die Idee, daß, obwohl das Göttliche letztlich eine Einheit ist, wir in ihm eine Dualität sehen. [...] Während die Betonung des Gottes oder der Göttin in den verschiedenen Gruppen, Traditionen und Gegenden unterschiedlich ist, glaubt man im Wicca, daß das Bild des Göttlichen, um eine Ganzheit zu bilden, sowohl weiblich als auch männlich sein muß.“ (Crowley, Phoenix 111). Diese Formulierungen implizieren die Göttin als Teil einer Gesamtgottheit, eines übergeordneten Göttlichen. Auch Janet und Stewart Farrar führen die Vielfalt der Götter und besonders die Dualität von männlich und weiblich auf eine allumfassende Kraft zurück: „Witches [...] envisage Deity as the God and the Goddess, who are the most fundamental aspects of the ultimate unknowable One. Wiccan philosophy sees polarity as the great creative drive of the Cosmos, from macrocosm to microcosm; the tension between complementary opposides from which all manifestation proceeds, and without which manifestation is unthinkable. The basic polariry is between the male aspect (energy, fertilisation, rationality, linearity) and the female aspect (form-giving, nourishing, intuition, cyclicality). At human level, these are expressed by Man and Woman; at the Divine level, by the God and the Goddess. Witches find this approach to be their most effective method of ‘tuning’. [...] ‘All Gods are one God,’ said the old occult maxim, ‘and all Goddesses are one Goddess.’ But if, for example, one is working specifically with the Nature forces, one may well call the One God Pan; or for easy childbirth, the One Goddess may wear her Earth Mother face as Gaia; [...] Religion is tuning; polytheism is fine tuning.“ (Farrar/Farrar, Times 42f). Für diese Aussage werden einige Beispiele aus der Befragung der Farrars angeführt. So schreibt etwa eine männliche Wicca „The God-Goddess thing is a unity for me, a unity that is both male and female, and that encompasses the Earth and all the people in it. Called by lots of different names, sometimes the female aspect, sometimes the male.“ (Farrar/Farrar, Times 162 43f), und eine andere männliche Wicca aus Manchester verehrt den Gott und die Göttin „with a spontaneous and natural devotion, but there is always the awareness of something inexpressibly holy, enduring and transcendent, a dazzling darkness, an invisible light, which clothes ist incomprehensible being with Nature like a rich cloak, glowing behind the veil of appearances“ (Farrar/Farrar, Times 46). Besonders Fisher betont das gesamtgöttliche Prinzip, desser Teil die Wicca-Götter sind: „[...] the Divine is the unity of all aspects of Deity, from individualized deities to the greater concepts of Goddess and God, and to the most incomprehensible notion of G!D [...].“ (Fisher 45; „G!D“ meint bei Fisher die göttliche Gesamteinheit von Göttin und Gott.). Sie geht noch einen Schritt weiter und erklärt: „Because Wicca allows us to recognize Divinity in many forms and with many faces, it has been called a polytheistic religion. This is not an accurate description, however. In true polytheism, many different gods, who form a pantheon, interact with each other, much in the manner of humans: They each bear their own unique personalities, and they may act in harmony or conflict with each other. True polytheism asserts that each god and goddess in his or her own self, individual and seperate. Unlike true polytheism, the idea of Deity in Wicca is not seperated and differentiated. Although we recognize that the Divine may wear many faces and be called by many names, ultimately all deities are one Deity. We call upon Diana, Isis, Pan, or Cernunnos not because we truly believe that they are seperate entities, but because they are representative of different kinds of energy. Circumstance dictates which aspect or archetype is most appropriate to call upon.“ (Fisher 48). Fisher beschreibt also das Göttliche als ein großes, ganzes Einheitliches, wobei die einzelnen Götter der Heraushebung einzelner Aspekte dienen, an sich aber Teil des ganzen „All“ sind. Obwohl Fisher mehrfach betont, dass sie auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen schreibt und ihren individuellen Glauben als Basis für ihre Ausführungen verstanden haben möchte, scheint ihre Auffassung von Wicca als nicht strikt polytheistischer Religion einigermaßen verbreitet zu sein. 163 1.3.2 Göttervielheit Andererseits zeigt sich im Wicca auch eine stärker polytheistische Sichtweise. Auf diese geht MacMorgan ein, wenn sie im Gegensatz zu Crowley und Fisher die Götter des Wicca im Glauben vieler Wicca als verschiedene Individuen beschreibt: „Just as you and I are discrete entities of the big thing called humanity, Apollo, Zeus, Loki, Inanna and Venus are discrete entities of a big thing called divinity.“ (MacMorgan, Wicca 333 18). Viele „modern polytheistic Wiccans“ sehen den Polytheismus als „valid approach to divinity“ an (MacMorgan, Wicca 333 32ff). Allerdings beklagt MacMorgan den Mangel an Mut zu einem klaren polytheistischen Bekenntnis in der Vergangenheit und führt diesen auf die oben bereits dargestellte Auffassung zurück, Polytheismus sei eine überholte, rückständige Art des Glaubens und der Monotheismus sei gewissermaßen die Krönung der religiösen Entwicklung (MacMorgan, Wicca 333 16ff). Sie bedauert, dass viele Wicca mit einer Art pseudomonotheistischem Konzept argumentieren, um nicht von vorne herein als minderwertig angesehen zu werden (MacMorgan, Wicca 333 17). Und um die Distanzierung vom christlichmonotheistischen Vatergott hervorzuheben, betont sie: „the God worshipped by the Christian is not [Hervorhebung im Original] the Wiccan God“ (MacMorgan, All 71). Was die Formel ‘All Gods are One God’ angeht, erklärt MacMorgan, dass die Zeremonialmagierin Dion Fortune die alte Formel prägte und auch für das Neuheidentum populär machte, obwohl sie eigentlich bestrebt war, sich selbst und ihre eigene Gruppe, die an der mystischen Kabbala und theosophischen Prinzipien orientierten ‘Society of Inner Light’, vom modernen Heidentum abzugrenzen (MacMorgan, Wicca 333 16f; Farrar/Bone, Progressive 51, 59). Da sich aber das Konzept der einen All-Gottheit auch in den Rahmen der damals noch in den Kinderschuhen steckenden Psychotherapie einfügte, der auch Vivianne Crowley zugeneigt ist, hielt es Einzug in die frühere Wicca-Literatur (MacMorgan, Wicca 333 16f, 114). Gavin Bone betrachtet die Formel sogar als spirituell kontraproduktiv: „The concept ‘All Gods are One God’ distances you from deity“ (Workshop „Progressive Witchcraft“, 1. Konferenz der Pagan Federation International Deutschland, 9.10.04). MacMorgan betont, dass sich viele Wicca zu einem klaren Polytheismus der eigenständigen separaten Gottheiten bekennen, und wie wichtig es ist, diese Art des Glaubens zu achten und nicht als minderwertig zu belächeln oder aus Unsicherheit zu unterdrücken oder zu 164 verschweigen (MacMorgan, Wicca 333 16ff). Ihre Aussage von der Verbreitung polytheistischen Glaubens unter Wicca deckt sich durchaus mit den folgenden Ausführungen Hardmans: „Wiccans talk about The God and The Goddess; [...] all pagans now talk about the many deities, about the many or One who contains the many, who is immanent within the world and within everyone and everything in Nature; about the oneness behind it all, the balance of male and female within the oneness and a ‘balanced wholeness’ in which the polarities of masculine and feminine have become more manifest. [...] In the last ten years [...] there has been a shift in the way that Pagan Gods and Godesses are viewed; from being seen primarily as archetypes, somewhat abstract beings, they are now more typically polytheistic beings, real beings who share the world with us.“ (Hardman/Harvey, Paganism xiif). Eine Wicca der Gardnerischen Tradition beschreibt ihren Glauben folgendermaßen: „I practice Gardnerian Craft and I believe in many gods and goddesses -not as aspects of ‘Deity’ or of the masculine and feminine principles, but as individual deities. The focus of the Craft upon specific deities (Aradia and Cernunnos) I regard as being devotion to the patron deities of the Craft. [...] There are various deities I have a relationship with, and these are honoured in our household shrine, either with a picture or a statue. [...] As the Craft is focused on practice and not belief, it is perfectly possible to have different beliefs within the same coven without it causing conflict (Aburrow 13).“ Besonders Janet Farrar und Gavin Bone befürworten das Bekenntnis zum polytheistischen Glauben. Sie beschreiben das dualistische Prinzip von der dreifachen Göttin und dem Gott als Partner als moderne Konstruktion und räumen ein, dass „the origins of this teaching are far from ancient“ (Farrar/Bone, Progressive 79). Als Zeitzeugin der ersten Jahre berichtet Janet Farrar von der anfänglichen theologischen Lehre im Wicca: „Janet and Stewart were originally taught there were only two true deities of witchcraft, Aradia and Karnayna. [...] The dogma of the only two true names for the God and the Godess continues today among some hard-liners of Alexandrian and Gardnerian Wicca. On moving to Ireland, Janet and Stewart were faced with the realization that they were surrounded by a country full of its own mythology.“ (Farrar/Bone, Progressive 79) 165 Gruppen, die auf diesem dualistischen Götterkonzept beharren, nennen Farrar und Bone „orthodox Wiccan coven“ (Farrar/Bone, Progressive 79). In Progressive Witchcraft ermutigen sie, die alten dogmaartigen Konzeptionen der Anfangszeit hinter sich zu lassen, wenn sie nicht den Erfahrungen des Einzelnen entsprechen. Wicca, die polytheistische spirituelle Erfahrungen gemacht haben, sollen sich zu diesen Erfahrungen bekennen und Wicca als sich wandelnde Religion unterstützen, denn mit dem polytheistischen Bekenntnis stehen sie den Vorfahren und einer wie auch immer vermuteten Alten Religion sehr viel näher: „We are Polytheists. [...] The complexity is what makes it so important. Our ancestors were polytheists. [...] they did not have the idea of the one deity divided into God and Goddess. [...] we feel that ultimate is unknowable. [...] But as every single person on earth is an individual, we are still all parts of the divine. And our Gods and Goddesses [...] are also reflections of that divine with individual personality. [...] So, to a certain extend it doesn’t really matter how you look at the divine. It is the mere fact that you have knowledged divinity exists.“ (Farrar/Bone, Interview) Hierbei zeichnet sich ein neues bzw. wieder gefundenes Selbstbewusstsein im Hinblick auf einen polytheistischen Glauben ab, wobei man sicherlich einräumen muss, dass beim Nachzeichnen von Schwerpunkten seit Beginn des Modernen Wicca immer auch die jeweils andere Götterkonzeption im Wicca vertreten war. Aber gerade aufgrund der neuen verstärkten polytheistischen Sichtweise ist die Vielfalt der Glaubensstrukturen heute besonders groß und einem schnellen Wandel unterworfen. Mit Blick auf Wicca und Neuheidentum kann argumentiert werden, dass die von Wallraff dargestellte antike „Zusammenfaltung des paganen Götterhimmels auf einen Gott“ hier eine neue, durchaus bewusst vorgenommene Auseinanderfaltung erfährt (Wallraff 165). 1.4 Die Botschaft des Polytheismus und warum Wicca nicht missionieren Die polytheistische Sichtweise ist auch hilfreich und förderlich was das menschliche Ideal der Akzeptanz und Toleranz des Anderen angeht (Grundlegendes zum toleranten Umgang der Religionen miteinander und zur Forderung nach mehr Toleranz in Mensching, Toleranz und Wahrheit). Polytheistischer Glaube und die Akzeptanz einer Vielzahl von Göttern führt zu der 166 Einsicht, dass es viele Wege gibt, die ein Mensch zur Erfüllung seiner individuellen Spiritualität beschreiten kann: „True polytheism believes in the idea that there are many truths, and therefore many ways to Spirit, Deity, or whatever names you choose. By definition, this encourages acceptance of others’ paths, as well as diversity of practice within one’s own.“ (Farrar/Bone, Progressive 54). Dies ist auch der Grund, warum Wicca keine neuen Mitglieder anwerben. Wie jede Wicca ihre Götternamen wählt und ihren individuellen Glauben hat, so mögen andere Menschen den Weg des einen Vatergottes im Christentum, im Judentum oder im Islam als ihren Weg ansehen. „Proselytising? [...] Absolutely not. The most fundamental aspect of Witchcraft and neopaganism is that it is a non-proselytising religion, that it does not believe that it should be a path for everyone. In fact it believes that there are multiple paths; that’s why it is a pagan religion. It believes that there are different Gods for different bods [people]. That kind of religion includes monotheism, but the reverse is not true. Polytheism says that it may be totally appropriate for somebody else to be monotheist. [...] I personally believe that the gravest danger in our world is rampant fundamentalism, world-wide, whether be Jewish, Islamic, or Christian; the view that there is essentially one path, one way. And that view, coupled with the view that the Earth is not sacred, or not as sacred as the things that come hereafter, allows people to kill other people [...] because it does not believe that this world, this body, these lives of ours are sacred. [...] there should be different Gods, different beings, for different people, different cultures have different needs -and for me the polytheistic outlook of the Craft is its most powerful asset, one of its most beneficient aspects, and something we should strive to maintain at all costs.“ (Margot Adler in Farrar/Farrar, Times 48f). In dieser Hinsicht kann polytheistischer Glaube gegenseitigen Respekt fördern und einer überheblichen Einstellung eines einzigen wahren Glaubens entgegenwirken. Unter Wicca wird oft die monopolistische Haltung der monotheistischen Religionen kritisiert: 167 „In der Vergangenheit war es für einfache Gemüter leichter zu glauben, dass ihre eigene Religion richtig echt, selbstverständlich gut und die einzig akzeptable Wahrheit sei und dass Menschen anderer Sprachen und Rassen, die sich zu anderen Glaubensformen bekannten, primitiv, auf dem falschen Weg, irregeleitet oder auch einfach böse seien. [...] Der Paganismus lehrt nicht, dass es nur einen einzigen richtigen Weg gibt, um das Göttliche zu ehren [...]. Polytheismus bedeutet, dass wir die Götter anderer respektieren und sie als eine weitere wunderbare Manifestation göttlicher Kraft anerkennen. [...] Unsere Götter haben ein weiteres Blickfeld und fordern uns auf, uns ihnen mit unserem persönlichen Verständnis zu nähern und nicht anderen lächerliche Doktrinen aufzudrängen oder das wörtlich auszulegen, was ursprünglich als Symbolik gedacht war.“ (Crowley, Naturreligion 23f). Wicca impliziert, dass der Glaube eines jeden Menschen, sei er dem eigenen Glauben auch noch so fern und erscheint er auch noch so fremd, zu akzeptieren und zu achten ist. So unterschiedlich die Menschen sind, so verschieden sind auch ihre Wege, die sie im Hinblick auf ihre Spiritualität und Religiosität einschlagen. Diese Auffassung wird mit dem Begriff des spirituellen ‘path’ beschrieben und mit ihr verknüpft ist die bedeutende Tatsache, dass jede Wicca in unmittelbarem Kontakt zu den Göttern steht, weil es keine Person gibt, die als Vermittler dazwischen steht. Es gibt keinen Mediator, keinen Messias, der eine Botschaft der Götter an die Menschen überbringen muss, die Götter sprechen die Menschen unmittelbar und direkt und ohne Umwege an. Ein eingängiges Bild, das Adler in diesem Zusammenhang gebraucht, ist das Bild des geschliffenen Edelsteins, dessen Facetten miteinander harmonieren, aber dennoch unterschiedlich beschaffen und ausgerichtet sind (Adler 31). Für die Wicca-Religion verdeutlicht es einerseits den inneren Zusammenhalt polytheistischen Glaubens und andererseits die individuelle Ansicht und Perspektive des Einzelnen. MacMorgan benutzt ein ähnliches Bild, um zu zeigen, dass die Anzahl solcher Facetten zu groß ist, als dass ein einzelner Mensch sie alle erfassen kann, und er sich seinerseits auf seine eigene Facette konzentriert und nur die Reflexion einfängt, die von dieser Facette ausgeht (MacMorgan, All 25). Einen Schritt weiter geht das Bild des Opals, mit dem die hinduistische Dichterin Sarojini Naidu ursprünglich die verschiedenen Religionen mit den Farbspiegelungen desselben Edelsteins vergleicht. Dieses Bild beinhaltet auch die Möglichkeit, dass „dieselbe göttliche Wahrheit [...] auch demselben Gläubigen in verschiedenen Farben erscheinen kann“ und 168 meint damit die Fähigkeit zur Entdeckung derselben „Heilswahrheit“ in verschiedenen Religionen (Benz 66f). Mit Blick auf Wicca verdeutlicht das Bild vom Opal das gleichzeitige Zusammenspiel der unterschiedlichen Vorstellungen vom Göttlichen beim einzelnen Anhänger. 1.5 Der Einzelne und seine Erfahrung Der Glaube an ein partnerschaftliches Götterpaar bedeutet im Wicca die Erfassung des Menschen in seiner menschlichen Ganzheit und persönlichen Erfahrung. Das dies die theologische Einordnung schwierig macht, ist oben gezeigt worden. Der Begriff ‘Theologie’ hat dabei aber durchaus seine Berechtigung. Zwar sprechen radikal feministisch orientierte Wicca gerne von ‘Thealogie’, und solange sie in ihrem Glauben ausschließlich die Göttin verehren und dementsprechend Männer in ihren Reihen nicht zulassen, trifft diese Bezeichnung auch zu, da sie nur weibliche Gottheiten einbezieht. Was jedoch das eigentliche Grundprinzip des Wicca angeht, nämlich die Partnerschaft von Weiblich und Männlich, so erfüllt das Wort Theologie seine Funktion. Das griechische qeo'V meint sowohl die männliche als auch die weibliche Gottheit und kann je nach Zusammenhang den männlichen Artikel o oder den weiblichen Artikel h führen. So sind mit tw` qew' Demeter und Persephone gemeint, während h qeoV'in Athen besonders auf die Göttin Athene verweist (Gemoll, Eintrag qeoV' 371). Allerdings scheint es unter Wicca nicht unbedingt allgemein bekannt zu sein, dass auch Göttinnen im Begriff einbezogen sind. Das führt dazu, dass zuweilen der Begriff ‘Thealogie’ verwendet wird, um zu zeigen, dass sowohl Göttin als auch Gott gemeint sind, ohne jedoch den Gott ausschließen zu wollen, was dadurch allerdings unbeabsichtigterweise geschieht. (MacMorgan, Wicca 333 98). Zum individuell geprägten wiccanisch-neuheidnischen Glauben zitiert Margot Adler einen von ihr befragten Neuheiden: „I don’t think Pagans share any beliefs! And no Witches think alike!“ und Susan Roberts: „Witches defy categorizing“ (Adler 354). Dennoch soll versucht werden, genauer zu beschreiben wie die Theologie der Wicca konzipiert ist bzw. welche verschiedenen Seiten sie aufweist, denn schließlich generalisiert und pauschalisiert auch oben genannte Journalistin Roberts, wenn sie direkt auf ihre Bemerkung, Wicca und Neuheiden ließen sich nicht kategorisieren, feststellt, dass eben diese Neuheiden Nonkonformisten, oberflächlich unauffällig und sauber und keine Hippies seien und auch nicht zum Psychiater 169 gingen (Adler 354f). Postulate von dieser Strenge sollen hier nicht aufgestellt werden. Es gibt immer Wicca, die das, was gerade dargestellt worden ist, eben nicht ohne weiteres unterschreiben würden. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass auch stets ein gewisser Unterschied besteht zwischen dem theoretisch formulierten Gotteskonzept wie es der Religionswissenschaftler beschreibt, und der gefühlsmäßigen Ebene wie sie der Wicca Anhänger in seinem Glauben erlebt. 1.5.1 Individueller Glaube Die Festlegung auf für alle Gläubigen geltenden Glaubenssätze lässt die grundlegende menschliche Individualität außer Acht. Schon Luther verglich die Einsamkeit des Glaubens mit der Einsamkeit des Sterbens und wies darauf hin, dass der Mensch im Sterben wie im Glauben allein steht („Acht Sermone“, WA 10 III, 1f; zum Phänomen der Einsamkeit in Mystik, Prophetie und in den Religionen siehe Tworuschka, Die Einsamkeit). Mit Blick auf das Thema dieses Abschnitts bedeutet das, wie sehr der Mensch auch der Gruppe bedarf, der Kommunikation mit anderen und der Gemeinsamkeiten im Leben und in der religiösen Praxis, so ist er doch, was seinen eigenen Glauben angeht, ein individuell glaubendes Wesen (siehe Tworuschka, Einsamkeit 28f: Die Einsamkeit als Seinskategorie des Menschen äußert sich dadurch, dass sich der Mensch „horizontal“ als von anderen Menschen getrennt erlebt). Deutlich wird dies immer dann, wenn er seine Glaubensvorstellungen mit allen Gefühlen und dazugehörenden Komponenten einer anderen Person mitteilen will. Der Versuch, das Innerste nach außen zu kehren, zeigt immer nur, wie einzigartig dieses innerste in jedem einzelnen Menschen ist. Allein der Versuch der Vermittlung des eigenen Glaubens und der religiösen Ergriffenheit scheitert manchmal an der religiösen -oder auch nicht religiösen -Vorprägung des Gegenübers, das niemals zu einer hundertprozentigen Einfühlung in der Lage ist, und zum zweiten an der Sprache, welche als Kanal und Code zwar vermittelnd aber immer auch trennend zwischen Sender und Empfänger steht. In diesem Zusammenhang sei im Sinne dieser Arbeit auf die Dichtung verwiesen, die in ihrer Vermittlung von Subjektivität bemüht ist, den Glauben eines anderen ansatzweise erfahrbar zu machen (s.u.). Im Wicca wird die individuelle Glaubenswelt des einzelnen nicht durch festgesetzte Dogmen äußerlich vereinheitlicht und der Wicca-Anhänger angeleitet, was Bestandteil seines Glaubens sein sollte und was nicht, sondern es wird der einzelnen Glaubenserfahrung Rechnung 170 getragen. Aburrow spricht in diesem Zusammenhang von einer „working hypothesis“ als Erklärungsversuch auf der Basis eigener Erfahrung: „I don’t believe in anything unless and until I have experienced it for myself, and then I come up with a ‘working hypothesis’ to explain it. [...] my working hypothesis to explain the experience of the numinous should be as close to experience as possible, not driven by dogma [...] (Aburrow 13).“ Wenn von Erfahrung als ‘Andockstelle’ für Religion die Rede ist, muss dabei berücksichtigt werden, was Erfahrung überhaupt ausmacht. Nach Kant gründet sich Erfahrung auf mehrere Komponenten: Die sinnliche Wahrnehmung bezieht sich auf „bisher beobachtete Fälle“ (Wahrnehmungsurteile; Kambartel 614). Erfahrung geht jedoch über diese zufällig beobachteten Fälle hinaus. Sie ist gekennzeichnet durch sinnvolle Fälle, die auf Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit basieren, ohne sich auf die Wahrnehmung zu stützen. Das System dieser Erfahrungsurteile nennt Kant die „empirische Erkenntnis“ (Kambartel 614). Dabei spielt der Verstand eine zentrale Rolle, denn er überführt Sinneseindrücke in Erfahrung: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind“ (Kant, Kritik der reinen Vernunft B 75). Das bedeutet, der „Verstand ist auf die Sinnlichkeit angewiesen, und umgekehrt bringt die Sinnlichkeit ohne den Verstand keine richtige Erkenntnis zustande“ (Ludwig 58). Ein Wort bzw. Begriff bedeutet nichts, wenn ihm keine auf sinnlicher Wahrnehmung zurückgehende Vorstellung zugeordnet ist, und die auf der Sinnlichkeit basierende Vorstellung alleine führt zu nichts, wenn der Verstand sie nicht ein- und den Begriffen zuordnen kann. Das führt zu dem wichtigen Punkt, dass sich Erfahrung immer durch die ihr vorausgehende Erwartung als Gerüst des Verstandes konstituiert: „der Gegenstand [richtet sich] nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens“ und „die Erfahrung [...] richtet sich nach diesen Begriffen, [...] weil Erfahrung selbst eine Erkenntnisart ist, [...] welche in Begriffen a priori ausgedrückt wird, nach denen sich also alle Gegenstände der Erfahrung notwendig richten und mit ihnen übereinstimmen müssen“ (Kant, Kritik der reinen Vernunft B XVIIff). Durch die Überlegungen Kants wir deutlich, dass Erfahrung nicht einfach gleichbedeutend ist mit rezeptiver Aufnahme von äußeren Ereignissen wie in ein leeres Gefäß, sondern dass sie sich aus unterschiedlichen Teilen zusammensetzt, aus Rückgriffen auf bestehende Strukturen und Vorgriffen auf Angenommenes in der Zukunft. Dies wird anhand der sozialpsychologischen Arbeit von Ronald D. Laing besonders deutlich. Laing zeigt, dass 171 Erfahrungen, die der Mensch mit anderen Personen macht, sich immer auf komplexes Verhalten stützt: „Verhalten ist eine Funktion der Erfahrung. Erfahrung und Verhalten stehen immer in Relation zu irgend jemandem oder zu irgendetwas anderem als dem Selbst. Wenn zwei (oder mehr) Personen miteinander in Beziehung stehen, wird das Verhalten einer jeden zur anderen durch die Erfahrung einer jeden von der anderen vermittelt und die Erfahrung einer jeden durch das Verhalten einer jeden“ (Laing 19). Auch die Phantasie ist nach Laing Bestandteil der menschlichen Erfahrung, weil sie eine bestimmte Art ist, zur Welt Beziehungen herzustellen (Laing 25). Hier zeigt sich Erfahrung auch auf psychologischer Ebene durch die vielen zugehörigen Komponenten als umfassendes Konzept. Wenn also in der Religionswissenschaft von Erfahrung die Rede ist, schließt dies immer Empfindungen, Vorstellungen und Interaktionen ein, die im Verhältnis des Menschen zu Religion bzw. Religionen integriert werden. Dieser Gesamtkomplex von Erfahrung verbindet den Menschen mit seiner Religion. Er bestimmt, zu welcher Religion sich ein Mensch hingezogen fühlt, nämlich zu der Religion, die seine Erfahrungen für ihn am adäquatesten zu deuten und einzuordnen vermag. Auf diesen Punkt wird im Wicca besonderen Wert gelegt: „[...] since Wicca is an experiential religion, we can only tell you to believe what you experience“ (MacMorgan, Wicca 333 37). Wenn aber ein Mensch sich über seinen Glauben oft selbst nicht eindeutig im Klaren ist, darüber reflektiert und immer wieder neue Dinge daran entdeckt, die ihm wichtig sind, also sein „Innenleben“ für ihn selbst schwer zu fassen ist, und wenn die Begrenzungen der Sprache seine Erfahrungen nicht einwandfrei vermittelbar machen, so ist dies im Hinblick auf die Wicca-Religion nicht als Nachteil oder Manko, sondern vielmehr als Bereicherung zu sehen, denn „all religion is limited to one practitioner, even if we call the practitioners of similar religions by the same name [...]. This fierce individuality is reflected strongest by our deity concepts [...]. The faces of the gods are shown differently to each person [...].“ ( MacMorgan, All 10). Das bedeutet nicht, dass persönlichen Erfahrungen gänzlich wertlos und unglaubwürdig sind, sie sind im Moment der Erfahrung wertvoll und konstitutiv für den Einzelnen und in diesem Moment zunächst für den Einzelnen gedacht und gezielt an den Einzelnen gerichtet/adressiert: „the information is meant for you alone“. (MacMorgan, Wicca 333 19). Laing formuliert in 172 diesem Zusammenhang: „Ich kann deine Erfahrung nicht erfahren. Du kannst meine Erfahrung nicht erfahren“ (Laing 12). Im Zuge der Kommunikation und Gemeinschaftsbildung und für das Zusammengehörigkeitsgefühl gibt es allerdings Strategien und Möglichkeiten, die eigene persönliche Erfahrung zu einer möglichen persönlichen Erfahrung für andere zu machen. Dabei spielen die Mythen eine besondere Rolle. Das Erzählen, gemeinsame Hören und rituelle Aufführen von Mythen bringt im Zuhörer ‘Saiten zum Klingen’. Diese Saiten können bei dem Einzelnen ganz unterschiedlich sein, aber da, wo der Mythos angreift, kann er Auslöser für eigene Erfahrungen werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Erzählen von Geschichten. Diese ‘stories’ können Lebensgeschichten sein, Begebenheiten oder besondere Erlebnisse von fiktiven Personen. Ritschl und Jones räumen ein, dass Erfahrungen nicht eins zu eins wiedergeben werden können, allerdings dienen die ‘stories’ „der Stimulierung neuer Gedanken“ und können das Auffinden neuer Orientierung anregen (Ritschl/Jones 9). Eben diese Stimulierung neuer Gedanken kann für Neuheiden in der Kommunikation mit anderen Neuheiden der Nährboden für individuelle Erfahrungen sein. Schließlich dienen auch Gedichte, die für dieser Arbeit von ganz besonderer Bedeutung sind, der Vermittlung von Inhalten und -angesichts ihrer Beschaffenheit als subjektivierendes Medium -Gefühlen. Dabei regen Gedichte in starkem Maß die persönliche Erfahrungswelt des Einzelnen an. Wicca betont also nicht nur eine äußere Glaubensfreiheit, also die freie Wahl der Religion, sondern auch eine Art innere Glaubensfreiheit, die die Individualität des Einzelnen respektiert, indem eben nicht entschieden wird, was ein Wicca zu glauben hat, um dazuzugehören, sondern indem auch die Unterschiede in den Glaubenskonzeptionen der einzelnen Wicca a) als Phänomen gesehen, b) als menschlich geachtet und c) als fruchtbarer Boden für die Förderung und Weiterentwicklung des eigenen Glaubens und der Wicca-Religion allgemein wertgeschätzt werden. Amber Lane Fisher beschreibt die individuelle Bedeutung und Funktion des einzelnen Gläubigen im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Religion so: „Creating religion means accepting our self-worth enough to contribute to our belief system to change it from the inside, to make it richer, fuller, more beautiful and meaningful. If we don't believe that our philosophies are worth sharing, then we cannot shape religion, and religion will die. Human beings, like the universe, require interaction: we take in images and 173 impressions from our environment, and they shape who we are, yet at the same time we constantly change our environment.“ (Fisher 22) 1.5.2 ‘Nach Hause Kommen’ Viele Wicca beschreiben, dass sich bei der Begegnung mit ihrer Religion ein gewisses Gefühl des ‘Nach Hause Kommens’ einstellt und dass sie eine Religion entdecken, die ihrem Leben und ihren Erfahrungen entspricht. Die folgenden drei Aussagen sollen diesen Eindruck verdeutlichen: „A common phrase you hear is ‘I’ve come home,’ or, as one old woman told me excitedly after a lecture, ‘always knew I had a religion, I just never knew it had a name.’“ (Adler 14). „Our experience is that of finding a name for the spirituality that had moved us all our lives [...]. We never set deep roots in our families’ religions. Most of us don’t know the Bible well enough to be hostile to it. We’re just indifferent.“ (Harrow 12) „It may be that the sense of ‘coming home’ explains Kate in Australia’s comment that ‘I have always found other pagans and Witches to be warm and friendly. Being in their company is always a happy experience. This may be simply due to the fact that we have common interestes, but it feels deeper than that.’“ (Farrar/Farrar, Times 35f). Margot Adler beschreibt auf der Basis von 195 Fragebögen und zahlreichen Interviews, die sie im Rahmen ihrer Forschung bei heidnischen Festivals und im Kontakt mit verschiedenen Gruppen führte, das ‘Nach Hause Kommen’ so: „In most cases, word of mouth, a discussion between friends, a lecture, a book, or an article provides the entry point. But these events merely confirm some original, private experience, so that the most common feeling of those who have named themselves Pagans is something like ‘I finally found a group that has the same religious perceptions as I always had.’“ (Adler 14, 443-465; siehe auch die Hinweise zur Konversionsforschung im Abschnitt zur Demographie). 174 1.6 Göttin und Göttinnen In der Wicca-Literatur werden Göttin und Gott Lady und Lord, Goddess und God oder Mother und Father genannt (Cunningham, Wicca 116f, 149; MacMorgan, All 70; MacMorgan, Wicca 333 21, 113; Grimassi, Mysteries 87f; Ventimiglia). Es handelt sich also um ein Götterpaar, dass sich gegenseitig ergänzt und partnerschaftlich nebeneinander steht. Die einzelnen Göttinnen und Götter der verschiedenen Pantheons stellen dabei einzelne Aspekte der göttlichen Zweiheit dar, Göttinnen sind Teil des Gesamtkonzeptes Göttin und Götter sind Bestandteil des Gesamtkonzeptes Gott. Demzufolge fokussieren viele Wicca auf einzelne Aspekte der Götter bzw. auf verschiedene Götter als personale Bezugspunkte, z.B. auf Artemis, Cerridwen, Hekate, Aradia, Gaia oder Lugh, Helios, Apollo usw., je nach Lebenssituation, Stimmung und anderen Hintergründen. Dabei haben viele Wicca einen festen Namen für die Göttin und den Gott, während andere Wicca es bevorzugen, dem Götterpaar keine ständigen Namen zu geben, um sie als komplexe Gottheiten mit allen Eigenschaften um sich zu haben. Da beide Gottheiten gleichwertig sind, steht keine höher als die andere und beide sind gleichsam zu respektieren. Zwar gibt es Rituale, bei denen die Göttin die zentrale Rolle einnimmt, oder solche, bei denen die Verehrung des Gottes im Mittelpunkt steht, dennoch ist der andere Partner des Götterpaares immer anwesend und hält die Balance der Göttlichkeit aufrecht, denn die Götter in ihrer Partnerschaft verkörpern, wie bereits ausgeführt, das Ideal des Wechselspiels und der Inklusion von weiblich und männlich (Cunningham, Wicca 11). Das Aspekte-System, also die Sicht der unterschiedlichen Götter als Teilaspekte der einen Göttin und des einen Gottes, erfährt zur Zeit eine starke Modifizierung, wenn nicht sogar eine Umdeutung. Vermehrt werden einzelne Götter als eigenständige Entitäten gesehen. Dabei fügen sich diese verschiedenen Götter gewissermaßen zur Gruppe des Weiblich-Göttlichen bzw. des Männlich-Göttlichen zusammen. Im Sprachgebrauch allerdings werden für diese Konzeption weiterhin die Begriffe Göttin und Gott verwendet. Das liegt erstens daran, dass diese Begriffe seit Beginn des modernen Wicca verwendet wurden, zweitens daran, dass sie prägnant die grundlegende Auffassung von weiblicher und männlicher Partnerschaftlichkeit zum Ausdruck bringen, und drittens an der variablen Einsetzbarkeit dieser Begriffe im Falle von Ritualen oder anderen Zusammenkünften unter Wicca, selbst wenn die Götterkonzeptionen differieren. So treffen die folgenden Ausführungen zur Göttin, und 175 anschließend auch zum Gott, sowohl für die eine Göttin in ihren Aspekten als auch für die in jeder einzeln gedachten Göttin existenten weiblichen Kraft (diese weiblich-göttliche Kraft als Göttin) zu. Die Göttin zeigt sich in vielerlei Gestalten, doch im allgemeinen wird sie im Wicca als dreifache Göttin beschrieben, als Jungfrau/Mädchen/Maid, als Mutter und als Alte. Auch hier spiegelt das Konzept der weiblichen Gottheit die Natur des Menschen -in diesem Fall der Frau und ihrem Lebensweg vom jungen Mädchen in Kindheit und Jugend über die Sorgen und Erfahrungen als verantwortungsvolle Frau bis zum hohen Alter und den damit verbundenen Veränderungen -wider: „It may be a surprise to some that pagans, too, have their Trinity; in their case, on the Goddess side. Pagan Goddesses appear time and again, in every pantheon, in triple form, as the Maid, Mother and Crone aspect of the same Goddess. She is One, but being cyclical by nature, she appears in the three aspects of Enchantment, Ripeness, and Wisdom -symbolised by the waxing, full, and waning Moon.“ (Farrar/Farrar, Times 43) 1.6.1 Der Mond Die Bedeutung des Mondes in der Religionsgeschichte ist kaum zu überschätzen. Als „Astralsymbol der wachsenden und abnehmenden Fruchtbarkeit und des Weiblichen“ ist es unmittelbar mit dem Göttlichen und Göttern „in allen möglichen Gestalten“ zusammengebracht worden (Goldammer 84f). Mensching formuliert die Funktionsweise religiöser Symbole folgendermaßen: „Symbol kann alles werden, was für ein Subjekt zu einer von sich selbst verschiedenen im Symbol gemeinten Sinnwirklichkeit in ein Verhältnis der Repräsentation gesetzt wird. [...] Damit ist ausgesprochen, daß Symbole stets ein Subjekt voraussetzen, in dem sich jene Beziehung der Repräsentation vollziehen kann“, und drückt damit aus, daß nichts an sich Symbol ist, sondern erst durch Inbezugsetzen zum Symbol wird (Symbolstiftung; Mensching, Religion 244f). Beispiele für weibliche Mondgottheiten sind die altmexikanische Teteoinnan und die griechische Selene (Heiler, Erscheinungsformen 56). „Besonders stark ausgeprägt ist der Mondkult bei den Bantu-Völkern. Eine zentrale Stellung nimmt er bei den Semiten ein [...]. Seine Hauptzentren waren Ur und Harran. Zahlreiche theophore Namen in Babylonien sind mit Sin (Mond) verbunden [...]. Der Mond steht an der 176 Spitze der babylonischen Astral-Trinität (Sin, Šamaš, Ištar). [...] In Rom wurde Luna mit Sol zusammen verehrt“ (Heiler, Erscheinungsformen 56). Der Mond ist „ein universales Meßinstrument“, denn in ihrer wiederkehrenden Regelmäßigkeit sind die Phasen des Mondes Anhaltspunkt der Zeitmessung (Eliade, Religionen 183; Van der Leeuw 438). Noch heute fällt z.B. der Ostertermin auf den ersten Sonntag nach dem Vollmond, der auf die Frühjahrstagundnachtgleiche folgt (siehe Abschnitt zu den Jahreskreisfesten, besonders Ostara). Eliade beschreibt den Zusammenhang zwischen Mond und Wasser: die „Beziehung zwischen Mond und Gezeiten“, die Parallelität der „keimfähigen und regenerierenden“ Eigenschaften, bis hin zum Attribut des Frosches als „Mondtier“ (Eliade, Religionen 189ff). Die Verbindung der Funktionen Fruchtbarkeit, Wasser und Vegetation wird am Beispiel des Osiris deutlich: er ist Gott „des Mondes, des Wassers, der Vegetation und des Ackerbaus“ (Eliade, Religionen 192). Der Zusammenhang zwischen dem Menstruationszyklus der Frau und dem Mondrhythmus ist so offensichtlich, dass der Mond in vielen Kulturkreisen als die „Ursache der Menstruation“ gesehen wird (Heiler, Erscheinungsformen 56). Die wiccanische Deutung des Mondes als dem himmelskörperlichen Pendant der Göttin entspricht in vielerlei Hinsicht den Deutungen in der Religionsgeschichte, besonders was die Zeitmessung, den Zyklus der Frau und die Affinität zum Element Wasser angeht. Der Mond ist durch seinen natürlichen Rhythmus für Wicca stets eine stumme Aufforderung, stärker auf die Impulse aus der Natur zu hören und sich selbst stärker in die natürlichen Abläufe einzubinden bzw. die Einbindung bewusster wahrzunehmen. In zwei Punkten unterscheidet sich die wiccanische Deutung jedoch vom religionsgeschichtlichen Befund: 1. Trotz der zeitlichen Abfolge der Phasen in der Natur, die z.B. in der magischen Arbeit unterschiedlich genutzt werden, ist die Göttin immer in allen drei Lebensaltern gleichzeitig präsent (s.u.). Welcher Aspekt für den einzelnen Anhänger im Vordergrund steht, ist unterschiedlich und nicht zwangsläufig an die aktuelle Mondphase gebunden, sondern bezieht sich eher auf das eigene Lebensalter und die jeweilige Situation. 2. In vielen Kulturen gilt die drei Nächte lange Dunkelmondphase als Phase des Todes, der Mond ist häufig das „Land der Toten“ und viele Mondgottheiten, wie z.B. Persephone, sind gleichzeitig „chthonische Totengottheiten“ (Eliade, Religionen 202). Zwar ist der Tod in der Deutung vieler Kulturen nicht wirklich Vernichtung, sondern vielmehr Regenerations-und Vorbereitungszeit und damit „vorläufige Modifikation der Lebensebene“, in jeder Hinsicht jedoch eine strenge Zäsur und ein genereller Umbruch, was auch an dem „Halbmond als Todessymbol“ in ganz Europa deutlich wird 177 (Eliade, Religionen 202, 205). Im Gegensatz dazu ist die wiccanische Göttin in ihrer Phase als Alte nicht wirklich Todesgöttin. Sie bereitet den Menschen auf den Tod vor und erinnert ihn daran, das der Tod wie auch immer bevorsteht. Sie selber ist aber unsterblich. Die Identifikationsfigur des Menschen im Hinblick auf seine Sterblichkeit und die Idee der Wiedergeburt ist für Wicca der Gott, der mit der Sonne in Verbindung steht und alljährlich im Spätherbst im Mythos der Wicca selber stirbt. Die spezifisch wiccanische Sicht von der Beziehung zwischen Mond und Göttin ist folgendermaßen zu sehen: Wicca ziehen nahezu ständig Vergleiche und stellen Bezüge zwischen dem göttlichen Bereich und dem Bereich der Menschen her, weil diese nach ihrer Sicht in der göttlichen Welt als Ganzes kongruent sind. So werden konkrete Entsprechungen sowohl zwischen der Natur auf der Erde als auch den Planeten bzw. dem Universum und den Göttern thematisiert. Einerseits ist der Mond zunächst Himmelskörper und dadurch Teil des makrokosmischen von den Göttern bewohnten Systems. Der Anblick des Mondes am Himmel erinnert Wicca an die allumfassende Verbundenheit des Menschen mit der Göttin, so dass der Mond in diesem Sinne als Zeichen des Kontaktes gesehen wird, der sich rein naturwissenschaftlich gesehen in den Gezeiten äußert. Zusätzlich jedoch -und für Wicca noch bedeutender -ist der Mond die Göttin selbst. In seinen verschiedenen Phasen ist er die Göttin in allen Aspekten des Lebens. Der Mond ist die Göttin und die Göttin ist der Mond. Starhawk spricht in diesem Zusammenhang von der „Mondin“, was einerseits die Identität mit der Göttin und letztlich auch mit der Frau betont und andererseits sich an dem grammatisch gesehen weiblichen lateinischen Wort ‘luna’ orientiert (Starhawk, Hexenkult 122). Dabei entspricht die „Mondin“ der Frau, die in ihrem Menstruationszyklus und damit in ihrer Fruchtbarkeit mit dem Mond in Verbindung steht: „Die Himmelsgöttin ist die Mondin, die mit den weiblichen Monatszyklen der Blutung und der Fruchtbarkeit verknüpft ist. Die Frau ist die Irdische Mondin. Der Mond ist das Himmelsei, das im Schoß des Himmels dahintreibt, dessen Menstruationsblut der befruchtende Regen ist und der kühle Tau; der die Gezeiten des Meeres beherrscht, der erste Schoß für das Leben auf der Erde. Die Mondin ist damit auch Herrin über die Wasser [...]“ (Starhawk, Hexenkult 122). 178 Mit dieser bilderreichen Sprache drückt Starhawk die starke Verbindung aus, die im Wicca zwischen Frau und Mond besteht, die gegenseitige Entsprechung und Einflussnahme des Mondes auf die Frau und letztlich als in diesem Zusammenhang spezifisch wiccanische Auffassung die Göttlichkeit beider durch die Identifizierung mit der Göttin und ihren Aspekten. An dieser Stelle wurde, hier zur Darstellung der Funktionen des Mondes, das erste Mal verstärkt auf religionsphänomenologische Literatur zurückgegriffen. Die entsprechenden klassischen Werke sind seit dem Ende der 60er bzw. Anfang der 70er Jahre heftig kritisiert worden (Zur ausführlichen Diskussion der Kritikpunkte und zur Betrachtung einzelner Werke siehe Tworuschka, Zugänge 18ff). Die Kritik richtet sich einmal gegen die Auffassung der Religionsphänomenologen, dass nur der Wissenschaftler das Phänomen Religion verstehen kann, der selber einen starken persönlichen Bezug zu seiner eigenen Religion hat. Demgegenüber wird heute vielfach ein solcher persönlicher religiöser Bezug abgelehnt. Auch das Ziel der Autoren, ein von vorneherein angenommenes Wesen der Religion, das allen Religionen unabhängig von Zeit und Ort zugrunde liege, herauszuarbeiten, ist umstritten. Weiterhin wurde der Verzicht auf ein Werturteil, die so genannte Epoché, von den Autoren zwar gefordert, selber jedoch nicht durchgehalten. Auch die zum Teil unhistorisch sortierte Präsentation von Phänomenen und das Herausnehmen der einzelnen Phänomene aus ihrem kulturellen Zusammenhang sind kritisiert worden (Tworuschka, Zugänge 18f). Diese Kritikpunkte sind berechtigt und wichtig für die Diskussion neuer Ansätze in der Religionswissenschaft. Mangels neuerer phänomenologischer Zusammenstellungen muß jedoch weiterhin auf die klassischen Werke zurückgegriffen werden, weil sie durch ihre Fülle an Material unverzichtbare Sammlungen und Nachschlagewerke darstellen. Daher werden diese Werke im folgenden auch zu weiteren Themenbereichen dieser Untersuchung herangezogen. 1.6.2 Die Esbats Den Begriff ‘Esbat’ prägte erstmals Margaret Murray in ihrer Schrift The Witch-Cult in Western Europe von 1921. Unter Abschnitt „IV. The Assemblies“ beschreibt sie „two kinds of assemblies; the one, known as the sabbath, was the General Meeting of all the members of the religion; the other, to which I give -on the authority of Estebène de Cambrue -the name 179 of Esbate, was only for the special and limited number who carried out the rites and practices of the cult, and was not for the general public“ (Estebène de Cambrue nannte 1567 kleinere lokale Hexenzeremonien erstmals „esbats“, Murray, Witch-Cult, IV. The Assemblies, 2. The Esbat, ). Spätestens mit Murrays The God of the Witches von 1931 hat sich der Begriff für die entsprechende Art von vorwiegend nächtlichen Treffen etabliert: „The Esbats took place weekly, though not always on the same day of the week [...]. They were for both religious and business purposes. [...] The Esbat might be held in a building or in the open air. [...] Night was the ordinary time, but the meeting did not always last till dawn, it varied according to the amount of business to be transacted.“ (Murray, God 77f). Die zeitliche Bestimmung der Esbats variiert von Autor zu Autor. Die Definitionen reichen von „coven meeting other than one of the eight seasonal festivals or Sabbats“ (Farrar/Farrar, Bible, Teil 2 320) über „ ordinary working circle [...] timed to the phases of the moon, full and dark moon being most common“ (Rabinovitch/Lewis 229f), „monthly meeting, usually during a full moon, of a coven of Neopagan Witches“ (Lewis, Witchcraft 92), „Wiccan ritual occurring on any day other than the eight Sabbats [...] often held on full moons, which are dedicated to the Goddess“ (Cunningham, Living 200) bis hin zu „gathering during the full moon as opposed to the eight sabbats gatherings“ (Grimassi, Encyclopedia 121). Den Mondkalender leben Wicca heutzutage demnach in Form von monatlichen Treffen und Feierlichkeiten, meist zu Vollmond. Zu bestimmten magischen Anlässen können aber auch Zusammenkünfte zu Neu-oder Dunkelmond stattfinden, und manche Wicca begehen jede Mondphase, also alle sieben Tage, mit einem entsprechenden Ritual. Die Definitionen weisen aber noch auf weitere Merkmale bezüglich der Esbats hin: 1. Bei diesen Treffen versammelt sich entweder ein Coven oder aber eine Mehrzahl von Wicca. Allerdings kann man mittlerweile aufgrund der großen Anzahl von allein praktizierenden Wicca auch deren an den Mondphasen orientierten Arbeitsrituale Esbats nennen. 2. Diese Treffen werden in Abgrenzung zu den acht Jahreskreisfesten beschrieben, was bedeutet, dass es bei ihnen in erster Linie nicht um die Feier des Sonnenjahres, sondern um die Arbeit mit den Kräften des Mondes geht. In diesem Sinne sind die Esbats nicht alleine Zusammenkünfte zum Feiern, auch wenn sie gewöhnlich eine abschließende Phase des freudigen Beisammensein mit „Wine and Cake“ beinhalten (Lewis, Witchcraft 230), sondern sind mit bestimmten magischen 180 Handlungen verknüpft, weswegen sie auch als Arbeitstage bezeichnet werden. Murray betont die durchaus geschäftliche Komponente eines solchen Treffens, wobei auch im oben angeführten Zitat von 1931 bereits der religiöse Aspekt genannt wird, während neuere Autoren die magische Arbeit in den gesamtreligiösen Kontext stellen, wie oben bei Cunningham: „Business.-The Esbat differs from the Sabbath by being primarily, for business, whereas the Sabbath was purely religious. In both, feasting and dancing brought the proceedings to a close. The business carried on at the Esbat was usually the practice of magic [...]“ (Murray, Witch- Cult, IV. The Assemblies, 2. The Esbat) Rabinovitch und Lewis beschreiben die magische Wirkungsweise der Phasen: „Since the waxing and waning moon is believed to have great influence on magical working, the Esbats are the time for magical work, that which needs to grow performed in the waxing moon, that wich needs to diminish in the waning moon.“ (Rabinovitch/Lewis 230). Lewis verweist mit der Äußerung zur Initiation auf die religiöse Komponente: „The Esbate is the occasion when a coven will work practical magic or an initiation, since these almost never are done at Sabbats“ (Lewis, Witchcraft 93). Auch wenn der zweite Teil der Aussage von Lewis nicht uneingeschränkt zutrifft, da auch zu Imbolc häufig Initiationen abgehalten werden, so wird doch die Arbeitshaltung an diesen Terminen deutlich und demzufolge können magische Handlungen aber auch andere gruppenbezogene Rituale, wie etwa die oben genannten Initiationen, stattfinden. 3. Diese magischen Arbeiten werden im Wicca stets im religiösen Kontext abgehalten, wie die Worte Cunninghams „dedicated to the goddess“ bestätigen. Magische Arbeiten finden in Verbindung mit den Göttern, und zu Vollmond im besonderen mit der Göttin, statt. Die magische Handlung ist eingebunden in einen religiösen Kontext. Wicca erbittet den Beistand der Götter, zu Vollmond speziell der Göttin, und verwenden die empfangene Kraft, um die z.B. heilende Energie auf den Weg zu bringen. Zu diesen Gelegenheiten wird die Anwesenheit der Götter erbeten. Dies unterscheidet die Magie der Wicca von der Magie anderer Praktizierender, so werden z.B. auch von Christen zuweilen volksmagieähnliche Zaubereien und esoterische Divinationspraktiken wie etwa Handlesen oder Tarotkartenlegen betrieben. Weil magisches Arbeiten im Wicca auch immer das religiöse Moment beinhaltet, kommen hierbei auch die ethischen Richtlinie des Wicca voll zur Geltung, was z.B. bedeutet, dass kein Schadenzauber betrieben wird, einmal aufgrund des 181 Kongruenzprinzips, dann aufgrund des dreifachen Wirkungsgesetzes und schließlich aus sozialkommunikativen Gründen: schwierige Probleme mit unliebsamen Zeitgenossen versucht man von Angesicht zu Angesicht zu lösen, oder man geht sich einfach vorsichtigerweise aus dem Weg. Die Formulierung Murrays „the practice of magic for the benefit of a client or for the harming of an enemy“ wird heute kaum eine Wicca unterschreiben (Murray, Witch-Cult, IV. The Assemblies, 2. The Esbat). Doch hierzu mehr in den Abschnitten zu Magie und Ethik. Den ursprünglichen Auftrag zu derartigen gemeinschaftlichen Treffen beschreibt der Mythos der Aradia, die die Menschen die Zauberkräfte lehrte und, bevor sie sie wieder verließ, ihnen folgendes mit auf den Weg gab: „Wenn ich nicht mehr auf dieser Welt sein werde, Wann immer ihr etwas bedürft, Einmal im Monat, bei Vollmond, Sollt ihr euch an einem einsamen Platz versammeln, Oder in einem Wald zusammenkommen, um anzubeten den umfassenden Geist eurer Königin, Meiner Mutter, große Diana [...] „ (Leland, Aradia: Lehren 18) In diesen von Leland aufgeschriebenen und 1899 erstmals veröffentlichten Versen ist einer der Gründe zu sehen, weshalb gerade dem Vollmond eine derart große Bedeutung beigemessen wird. Die zumeist nächtlichen Vollmondtreffen bringen die Praktizierenden allmonatlich in Einklang mit dem lunaren Zyklus. Zu den Esbats treten die Feiernden in engen Kontakt mit der Göttin. Dabei stehen die einzelnen Vollmonde jeweils im Zeichen eines eigenen Themas und dienen der freundschaftlichen Zusammenkunft z.B. von Covenmitgliedern und deren Zwiesprache mit der Göttin. Auch allein praktizierende Wicca nutzen diese Termine, um sich mit der Göttin zu verbinden. Zu dieser Gelegenheit werden oft magische Handlungen ausgeführt, z.B. zur Heilung von kranken Freunden, zur Unterstützung bei geplanten Ereignissen und zur Stärkung der eigenen Kraft: „bei den Ritualen handelt es sich um heilende Rituale, magisches Tun, Zeiten des Wachstums, der Inspiration und Einsicht.“ (Starhawk, Hexenkult 245). 182 Um die nötige Kraft für ein magisches Vorhaben zu sammeln, ‘ziehen’ Wicca bei Vollmond ‘den Mond herab’. Das bedeutet, dass sie die „Energie des Vollmondes“ in sich aufnehmen, indem sie seine „Essenz“ absorbieren. Die aufgebaute Energie wird dann bei Bedarf auf das Wunschziel projiziert (RavenWolf, Magie 258f). Zu Vollmond ist die Zeit für bestätigende und erfüllende Magie, bei zunehmendem Mond wird verstärkende und vergrößernde Magie betrieben, während die Dunkelmondphase die innere Einkehr fördert und Ruhe schafft. Oft wird zu diesen Gelegenheiten auch Divination betrieben (Valiente, ABC 110; Starhawk, Hexenkult 246f). „The full moon is [...] the flood-tide of psychic power. [...] the Esbat is a local affair. It may be held for some particular coven business, or simply for fun and enjoyment. The word ‘Esbat’ comes from Old French s’esbattre, meaning to frolic and amuse oneself. Because there are thirteen lunar months in a year, there are generally thirteen full-moon Esbats. This is the probable origin of the magic of the number thirteen.“ (Valiente, ABC 109f; zu s’esbattre sei noch angemerkt, dass Murray die Wicca-Festbezeichnung Sabbath, und nicht den Namen Esbat von dem altfranzösischen Begriff herleitet; Murray, Witch-Cult, IV. The Assemblies). Die magische Betätigung endet stets mit einem geselligen Beisammensein, und oft ist auch dies allein der Grund für ein Esbat-Treffen: „The rites that take place vary somewhat [...] they consist of dancing, of invoking the Old Gods, and of partaking of wine and probably a small feast as well, in the god’s honour. [...] Thanks are given for past favours, and prayers may be said for something that is needed [...]. News is exchanged; magical objects consecrated [...] Another thing which may happen at an Esbat is the presentation of a baby to the Old Gods. This is done by its parents, when the latter are members of the coven. It is the witch equivalent to baptism.“ (Valiente, ABC 110) Wie im Einzelnen ein solches Esbat Ritual aufgebaut sein kann, soll im Abschnitt zu den Ritualen beschrieben werden. An dieser Stelle sei aber noch darauf hingewiesen, dass normalerweise die Prozedur des ‘Herabziehen des Mondes’ ein Bestandteil des Ablaufes ist. Auf die Vorbereitung der Teilnehmer und das Ziehen des Kreises folgt der Teil, in welchem die lunaren Kräfte in den Kreis geholt werden. Im Falle eines gemischtgeschlechtlichen 183 Covens übernimmt der männliche Hohepriester die Aufgabe, die Kräfte des Mondes und somit die Göttin in die Hohepriesterin herabzuziehen. Dies geschieht durch den Fünffachen Kuss auf Mund, Brustseiten und Hüften. Dadurch wird die Priesterin „channel [der Göttin] for the duration of the Circle“ (Farrar/Farrar, Times 96). Im Ritual einer allein praktizierenden Wicca erbittet diese den Beistand und die Unterstützung der Göttin und zieht die Mondenergie in der Göttinnenposition -mit nach oben gestreckten geöffneten Armen -in sich selbst herab. In jedem Fall geht es dabei um den Aufbau von Energie für das Ritual und den Schutz und die Zuneigung der Göttin. 1.6.3 13 Vollmonde Die 13 Vollmonde im Mondkalenderjahr, im 28 Tage-Rhythmus gefeiert, werden einzeln benannt. Jeder Esbat ist der entsprechenden Zeit des Jahres, seiner Stimmung und seinen Einflüssen gewidmet. In diesem Sinne stellen die Vollmond-Esbats einen parallel zum 8Sabbat- Sonnenjahreskreislauf gefeierten Mondjahreszyklus dar. Während die acht Hauptjahresfeste den immerwährenden Kreislauf der Göttin und ihres Lebens in Partnerschaft mit dem Gott und das jährliche Erwachen und Wiedereinschlafen der Natur beschreiben, so geben die Esbats zu den gegebenen Zeitpunkten Hinweise für das Leben der Wicca, für die innere Entwicklung und den Einklang von Persönlichkeit und Umwelt. Die oben erwähnte Funktion der magischen Arbeit an Mond-und besonders Vollmondtreffen wird also noch durch einen weitere wichtige Funktion ergänzt: „You may wish to talk to the Goddess, and there’s no better place to do so than safely within a circle. [...] you simply may wish to reexperience the serene, otherworldly atmosphere of the circle.“ (Cunningham, Living 115). Das Kommunizieren mit der Göttin zu Vollmond, die persönliche, intime Zwiesprache und das Gefühl der Geborgenheit und der Nähe zur Göttin stellen einen konstitutiven Bestandteil eines Esbat dar. Besonders die feministisch orientierte Zsuzsanna Budapest betont in ihrem Buch Mondmagie die Wichtigkeit der Partnerschaft mit der Göttin, weil durch sie, die „Mondin“, seelische Zustände, Probleme und Unsicherheiten zur Sprache kommen und Lösungen angedacht werden, um das innere Gleichgewicht zu stärken bzw. wiederherzustellen: „Immer schon war das Bild der Mondin mein meistgeschätztes Symbol für die Einheit der Seele. (Budapest 20). 184 Das jeweilige Thema eines jeden Vollmondes orientiert sich am Fortschreiten des Jahres und wie jeder Monat mit seinen Einflüssen auf den Menschen wirkt. Dorothy Morrisons geht genau auf die Bedeutungen der Jahresstationen des Vollmondes ein (Morrison 131-151). Der Mondkalender der Wicca orientiert sich an dem Vollmond, der der Wintersonnenwende im Dezember am nächsten liegt. Dieser Vollmond wird ‘Oak Moon’ (Eichenmond) genannt, und an diesem Termin orientieren sich alle folgenden Vollmonde. Da das Sonnenjahr in zwölf Monate eingeteilt ist, das Mondjahr jedoch 13 Vollmonde aufweist, passiert es, dass der Vollmond in einem Monat des Jahres zweimal erscheint. Dieser Monat ist von Jahr zu Jahr ein anderer, der zweite Vollmond wird aber jeweils als „Blue Moon“ bezeichnet und verleiht diesem Monat eine besondere Energie, macht ihn zu einem mächtigen Monat und bietet eine „zusätzliche Chance, das Göttliche zu berühren“ (Budapest 313). Der Name Oak Moon ist für Wicca in zweifacher Hinsicht bedeutsam: Erstens ruft er das Bild der Eiche mit ihren tief in die Erde reichenden Wurzeln und den weit in die Luft gestreckten Ästen hervor, ein Bild, das im Wicca die ständige Verbindung zwischen der materiellen und der spirituellen Welt symbolisiert. Wie im Abschnitt zu den Ritualen gezeigt wird, stellt die Baumerdung eine wichtige Technik zu Beginn jedes magischen Rituals dar, weil sie der praktizierende Wicca erlaubt, die spirituellen Kräfte umfangreich zu verwenden, um ihre Arbeit auszuführen, während sie durch die Verwurzelung fest auf dem Boden der Tatsachen steht und dadurch nicht den Kontakt zur Welt der Menschen verliert, also umgangssprachlich formuliert nicht ‘abhebt’. Außerdem soll die Erdung und die damit verbundene Verwurzelung dazu führen, dass die rituelle und magische Arbeit dort wirkt, wo sie auch wirken soll, nämlich hier auf der Erde im ganz konkreten Kontext. Einerseits hält diese Technik also die Wicca, wenn sie sich in ihrem Kreis zwischen die Welten begibt, in Kontakt mit der Weltlichkeit, andererseits leitet sie durch diese Ankerfunktion die Energie, die freigesetzt wird, und ihre Wirksamkeit in die weltliche Umgebung, ähnlich einem Blitzableiter. Zweitens steht der Name Oak Moon mit seiner zeitlichen Nähe zur Wintersonnenwende in Zusammenhang mit dem Mythos der Göttin und des Gottes im Jahreskreislauf und dem Rivalenkampf zwischen Holly King und Oak King. „The Oak King takes his place at Winter Solstice, and brings the returning light of the newborn Sun with Him“ (Morrison 133). Im Zentrum dieser zwei miteinander verwobenen Mythen steht die Wiederkehr des Lichts nach dem langen dunklen Winter und der längsten Nacht des Jahres um den 20. Dezember, und die Geburt des Gottes durch die Göttin. Zu diesem Vollmond stehen Sonnenjahreskreislauf und 185 Mondjahreskreislauf in starker Verbindung. Während zum Yule-Fest jedoch die Ankunft des Gottes und die neue Kraft der Sonne als neu erstarkendem Gott gefeiert wird, liegt der Schwerpunkt beim Vollmondfest auf der Eingebundenheit des Menschen in die Abläufe des Kosmos und seine individuelle Teilnahme an den miteinander verwobenen kosmischen Bewegungen. Daher liegt der Schwerpunkt der Oak Moon Esbat-Feier auch auf dem Willkommenheißen der Sonne als Himmelskörper, denn schließlich ist es das Licht der Sonne, das den Mond allmonatlich zum Vollmond erstrahlen lässt (Farrar/Farrar, Goddess 26). Wie am Beispiel des Oak Moon sichtbar stehen die einzelnen Vollmonde ebenfalls, wenn auch nicht so ausgeprägt, mit dem Mythos der Göttin und des Gottes in Verbindung, übertragen diesen Mythos aber in Stimmung und Atmosphäre auf die Lebenswirklichkeit des Menschen. Dabei orientieren sich die Vollmondfeste jeweils an zwei Punkten: 1. Es lassen sich zwei Hauptaufgaben unterscheiden; erstens die Organisation und Regelung alltäglicher Angelegenheiten oder auch größerer Vorhaben in sozialer bzw. gesellschaftlicher Hinsicht, und zweitens der Blick ins Innere, auf das eigene psychische Wohlbefinden, das Horchen auf die eigene Intuition und die innere Stimme, kurzum die Schaffung psychisch-seelischer Gesundheit im Sinne von Zufriedenheit, Selbstbewusstsein und Einklang mit der eigenen Person. 2. Der jeweiligen Erscheinungsformen der Natur und die natürlichen Abläufe sind ‘Merkzettel’ für die dadurch aufgezeigten wichtigen Stationen im Mondjahr der Wicca und somit letztendlich eine Chiffre für die immerwährende Verbindung mit den Göttern durch diese natürlichen Phasen und den Kreislauf ihrer Veränderung. Zu den Vollmondphasen fallen demnach Aufbau psychischer Stärke, Feier des Lebenskreislaufs und Freude über die freundschaftliche, liebevolle, familiäre Verbindung mit den Göttern zusammen und kreieren unter den Wicca ein Gefühl des Vertrauens in die Götter, besonders der Göttin, und der Geborgenheit in den Armen der göttlichen Natur: „She is the source of fertility, endless wisdom and loving caresses“ (Cunningham, Wicca 11). An dieser Stelle sei noch betont, dass auch der Mann, obwohl er nicht auf biologischkörperliche Weise mit dem Mond in Verbindung steht wie die Frau aufgrund ihres monatlichen Zyklus, zugänglich ist für die Botschaften des Mondkalenders. Auch er besitzt nämlich gemäß der wiccanisch-theologischen Konzeption in psychischer Hinsicht die Eigenschaften, die traditionell weibliche Eigenschaften genannt werden, die er aber für sich 186 fruchtbar machen kann, wenn er sich seinen eigenen Stimmungen und deren Verbindung zu den Vollmonden und dem Ablauf der Mondphasen nicht verschließt: „ [...] a male witch understands the Moon through awareness of a monthly cycle of moods, psychological rhythm and psychich attunement in his own soul. Any man may well have a surge of extra energy at Full Moon. [...] At Full Moon a man can realize his needs. [...] The sense of at-oneness with the Goddess’s Moon tides may come to him psychically, or through love, passion, art, celebration or the realization of a dream.“ (Rae Beth, Hedge 54). 1.6.4 Sonne und Mond Sonne und Mond sind die „himmlischen Lichterscheinungen“, die in der Religionsgeschichte vielfach mit Gottheiten in Verbindung gebracht und personifiziert wurden (Goldammer 83f). Das Licht ist Ausdruck des Leben, der Stärke und des Sieges über die Feinde (Van der Leeuw 57). Deshalb sind in vielen Religionen ‘Höchstes Wesen’ und Sonnengott zusammengewachsen (Eliade, Religionen 153ff; als Beispiel nennt Eliade afrikanische Völker, wie z.B. die Munsh oder die Ba-Rotse), oder der Sonnengott ersetzt den Himmelsgott (Eliade, Religionen 155; z.B. in Indonesien). Diese „Solarisation der Höchsten Wesen“ steht auch vorwiegend in Zusammenhang mit Fruchtbarkeit, der Beziehung zu den Toten und besonders mit dem Herrschertum (Eliade, Religionen 179). Sonnen-und Mondgötter stehen häufig in Beziehung zueinander, wobei ihre gegenseitige Zuordnung stets Polarität ausdrückt (Eliade, Religionen 175). Die geschlechtliche Differenzierung ist allerdings je nach Kultur verschieden, und eine eindeutige Erklärung für das Geschlecht von Gottheiten, d.h. eine systematische Einordnung warum Sonnen-bzw. Mondgottheiten mal weiblich und mal männlich sind, lässt sich nicht finden (Mensching, Religion 165). Sonnengötter sind etwa der ägyptische Ra, der mexikanische Huitzilopochtli, der persische Mithra und der griechische Helios (Mensching, Religion 31; Heiler, Erscheinungsformen 52f). Als Sonnengöttinnen gelten z.B. die japanische Amaterasu und die teutonische Eostra (Heiler, Erscheinungsformen 52f). Ein prominentes Beispiel für eine männliche Mondgottheit ist der babylonische Sin (Heiler, Erscheinungsformen 56; Van der Leeuw 57), weibliche Mondgottheiten sind etwa die griechische Selene und die griechische Luna, die mit dem Sonnengott Sol zusammen verehrt wurde (Heiler, Erscheinungsformen 56). Joseph Campbell sieht in der symbolischen Verknüpfung von Mond und Sonne die Beziehung zwischen dem durch Geburt und Tod 187 bestimmten Menschen (Mond) und dem Transzendenten und Ewigen (Sonne; Campbell 71). Das symbolische Zusammenspiel von Sonne und Mond ist nach Campbell die elementare Metapher für den Wunsch des Menschen, sein irdisches Leben zu transzendieren, wenn er etwa die Gegend, in der er lebt, in ein „metaphysisch symbolträchtiges Heiliges Land verwandelt“ oder in der Terminbestimmung des Osterfestes Mond-und Sonnenrhythmus kombiniert und damit seiner Erfahrung Ausdruck verleiht, „daß die vergänglichen Erscheinungen in einem unvergänglichen Sein aufgehoben sind“ (Campbell 75). Im westlichen Heidentum hat sich die Zuordnung der weiblichen Mondgöttin und des männlichen Sonnengottes durchgesetzt, und auch bei den Kelten ist diese Zuordnung quantitativ häufiger vertreten (Farrar, Goddess 44). Im Wicca ist der Mond die Erscheinung der Göttin am Himmel. Die Phasen in der Erscheinung der „Mondin“ am Himmel stellen für Wicca den Lebenslauf der Frau in ihren verschiedenen Stadien und Lebensabschnitten vom jungen Mädchen bis zur alten Frau dar: „Die Mondgöttin hat drei Aspekte: Wenn sie zunimmt, ist sie die Jungfrau; voll und rund ist sie die Mutter; wenn sie abnimmt, ist sie die Greisin.“ (Starhawk, Hexenkult 122). Hieran schließen sich in Starhawks Hexenkult drei Meditationen an, die als Übungen ausgeführt werden können. 1.6.5 Die dreifache Göttin in unterschiedlichen Religionen und Kulturen Das Konzept einer dreifachen Göttin begegnet in verschiedenen Religionen. Im Hinduismus etwa zeigen sich Göttinnen in dreifacher Form. So sind die Mythen der Kali, der Parvati und der Durga letztlich Geschichten der großen Göttin Devi (Monaghan 77). Die drei Aspekte der mit der Devi wesensgleichen Göttin Mahadevi („Große Göttin“), der Göttin der Weisheit und der Erlösung, der sexuellen Lust und der Nahrungsspenderin aller Lebewesen, falten sich in den drei Göttinnen Shakti, Durga und Kali und in ihren Funktionen Erschaffung durch aktive Energie, Erhaltung und Beschützen sowie Zerstörung auf (Zingsem 444ff). „Drei Moiren, drei Charitinnen, ursprünglich auch drei Musen, zählten die Griechen. Drei Mütter kennt der germanische Volksglaube: Ambet (Erdmutter), Wilbet (Mondmutter), Borbet (Sonnenmutter)“ (Heiler, Erscheinungsformen 164). 188 Besonders aus dem Keltentum sind solche Dreiheiten bekannt (zu keltischen Göttern siehe Maier 73ff). So etwa die drei Göttinnen Bodbh, Macha und Morrigane, welche im Grunde drei verschiedene Aspekte einer einzigen Göttin darstellen. Diese Gesamt-Triade der Göttin wird auch Morrigna genannt. Dabei galt Morrigane bei den Kelten als Göttin der Kriegskunst, welche die Krieger in der Schlacht anfeuert, und ihr Name bedeutet vermutlich ‘Große Göttin“. Neben ihrem kriegerischen Charakterzug ist sie Magierin, Prophetin und Verführerin, was ihr auch die Bezeichnung „Königin der Schreckensträume“ oder „Alb-Königin“ eingebracht hat (Botheroyd/Botheroyd 240f; Markale 116f). Bodbh (oder auch Badh) ist die schwarze Krähe, die über den Schlachtfeldern kreist und sich vom Fleisch der gefallenen Krieger nährt. Mit ihren krächzenden Schreien verbreitet sie Todesfurcht und zielt darauf, die Kampfkraft der Krieger zu schwächen (Botheroyd/Botheroyd 27). Die Geschichte der Macha erzählt, dass sie schneller als alle Pferde laufen konnte. Ihr Gemahl prahlte bei einer Versammlung der Ulstermänner mit ihrer Fähigkeit, woraufhin sie der König Conchobar holen ließ und sie zwang, in schwangerem Zustand an einem Rennen teilzunehmen. Als sie sterbend im Ziel zusammenbrach, verfluchte sie aus Rache die Ulstermänner, dass diese neun Generationen lang immer dann die Kräfte verlassen sollen, wenn sie sie am nötigsten brauchen (Botheroyd/Botheroyd 209). Es wird deutlich, wir diese drei verschiedenen Nuancen Antrieb zum Krieg, Tod auf dem Schlachtfeld und Niederlage der Kräfte sich in Form von drei Aspekten zu einer Göttin zusammenfügen. Als weiteres Beispiel kann die Göttin Brigit angeführt werden, welche je nach Zusammenhang in einem von drei verschiedenen Aspekten erscheint, mal als göttliche Tochter des Dagda, mal als Dichterin und Prophetin und Schutzpatronin der Barden (fili) und schließlich auch in Form ihrer gleichnamigen Schwestern, den Schutzpatroninnen der Arzte, Schmiede und Handwerker (Maier 76; Botheroyd/Botheroyd 50). In ihrer Gesamtheit wird sie auch mit der gallischen Minerva in Verbindung gebracht, welche neben ihrer Funktion als Göttin der Schmiedekunst und verschiedener Heilquellen bei Caesar auch als Lehrerin des Handwerks und der Künste bezeichnet wird (Markale 111; Caesar, Der Gallische Krieg, VI, 17). Auch die so genannten Matronensteine einer germanisch-römisch-keltischen Mischkultur spielen im Blick auf die dreifache Göttin eine Rolle. Ihre Abbildungen sind von Votivsteinen und Altären aus dem 1. bis 5. Jahrhundert n. Chr. bekannt. Dargestellt sind in der Regel drei nebeneinander sitzende Frauen, entweder, wie auf einem Relief aus Vertillium, dem heutigen 189 Vertault, etwa gleichaltrige Frauen, jede mit entblößter Brust, die einen Säugling, Windel und Waschutensilien bei sich haben, oder als drei Frauen in drapierten Kleidern, die außerdem je einen Torque, einen keltischen Halsreif, tragen, wobei die beiden äußeren mit einer haubenähnlichen Kopfbedeckung, die mittlere ohne diese Haube abgebildet sind. Die Frauen auf dem Relief von Nettersheim, das sich im Rheinischen Landesmuseum in Bonn befindet, sind mit Fruchtkörben und Blumen ausgestattet und deuten damit auf ihre kultische Funktion als Hüterinnen der Fruchtbarkeit, Geburtshilfe und zum Schutz der Familie hin. Der für die dreifache Göttin der Wicca wichtige Hinweis besteht in dem unterschiedlichen Alter der dargestellten ‘Matronae’. Die Hauben der zwei außen sitzenden Frauen lassen eine Mutter und eine Großmutter vermuten, während die mittlere Frau ohne Haube auf ein Mädchen und ihre potentielle zukünftige Mutterschaft hindeutet (Botheroyd/Botheroyd 245f). 1.6.6 Die dreifache Göttin im Wicca Zunächst lässt sich feststellen, dass sich die Göttinnen in anderen Religionen, die im Rahmen einer Triade begegnen, sich nicht durch ihr Alter, sondern vielmehr durch ihre besondere Funktion im Rahmen eines bestimmten Themenkomplexes unterscheiden. Das deutet darauf hin, dass die Zusammenstellung der drei göttlichen Aspekte von Mädchen, Mutter und Alter im Wicca zwar von der Idee her auf dreifache Göttinnen der oben beschrieben Weise zurückgeht, das besondere Merkmal des Alters und der Stationen im Lebenslauf jedoch auf eine andere Quelle zurückgehen müssen. Es liegt nahe, dass hierbei auf den griechischen Mythos der in die Unterwelt entführten Persephone und ihrer Mutter Demeter zurückgegriffen wurde, in dem auch Hecate als Zeugin der Entführung und als Gesprächspartnerin Demeters auftritt. Im modernen Wicca ist die Sicht der Göttin als dreifache Gottheit auf die Verknüpfung von der allgemeinen Dreierzusammenstellung mit der im Demeter-Mythos erscheinenden Altersphasen zurückzuführen. Dies macht auch eine Verbindung der dreifachen Göttin mit den entsprechenden Phasen des Mondes, zunehmender, voller und abnehmender Mond, der ja seinerseits Bild der Göttin und die Göttin selbst ist und als solcher eine zentrale Rolle im Wicca spielt, möglich und sinnvoll. Dass im Wicca die Göttin in ihren drei Aspekten als Mädchen, Mutter und Alte gerne als uraltes vorchristliches Phänomen dargestellt wird, ist ohne Zweifel auf die generelle Historisierungsstrategie im Wicca zurückzuführen und daher als Teil des Mythos von der Alten Religion zu bewerten. Mittlerweile wird dies, wenn auch zaghaft, von wichtigen Persönlichkeiten des Wicca, wie etwa Jane Farrar, eingeräumt: 190 „But the concept of the Triple Goddess in this form may be quite modern. When we look at more ancient forms, such as those found among the Greek and Norse, we find triple goddesses that all are bracketed into the same age group, for example the three maidens of the Greek muses or Macbeth’s crones surrounding a bubbling cauldron. The modern Wiccan concept of the Triple Goddess is probably a synthesis of three times three goddesses.“ (Farrar/Bone Progressive 89). Im Zusammenhang mit der Bedeutung des Persephone-Demeter-Mythos und der jahreskreislichen Verarbeitung von Werden, Leben, Altern und Sterben wird deutlich, dass das Konzept der dreifachen Göttin jedoch stark über eine einfache ‘3 mal 3’-Erklärung hinausgeht und vielmehr mit dem Mysterium des Lebens als einem der zentralen wiccanischen Themen in Verbindung steht. Es wäre auch für Wicca möglicherweise hilfreicher, das Konzept der dreifachen Göttin als das darzustellen, was es ist, nämlich als modernes theologisches Konzept, das die Lehren alter Religionen als bedeutungsvoll aufgreift, diese jedoch in umstrukturierter Form weiterführt und darüber hinaus durch die Schaffung eines neuen Prinzips als modernes Mysterienkonzept transzendiert. Dies könnte einen weiteren Schritt auf dem Weg zur konkreten Unterscheidung zwischen dem Mythos der Alten Religion und der konkreten historischen Abläufen innerhalb des modernen Wicca darstellen, um das Selbstbewusstsein des eigenen Glaubens nachhaltig zu stärken und von einem ständigen Rekurrierungszwang auf die mythisch postulierte ‘Altertümlichkeit’ zu befreien. Der Mond verkörpert das weibliche lunare Prinzip mit den traditionell weiblichen Charakterzügen Intuition, gefühlsmäßige Erfassung und umfassende Erkenntnis. Auch wenn im folgenden von einzelnen Mondphasen die Rede ist, so sind zwei Dinge dabei immer zu berücksichtigen. Erstens beschreiben die Phasen Stadien, die eingebunden sind in einen fließenden Ablauf, in einen dynamischen Bewegungszusammenhang von Erde, Mond und Sonne. Es sind Momentaufnahmen eines Kreislaufs und keine ‘abgehackten’ Einzelteile. Die Phasen bilden ein Ganzes und stellen einen sich immer wiederholenden Zyklus dar. Zweitens ist der Mond, selbst wenn er von der Erde aus als Sichel und damit nur teilweise zu sehen ist, immer ganz da. Er ist ständiger Begleiter der Erde und auch in seiner Phase als Dunkelmond Inspirationsquelle besonders für die Frau: 191 „Die Große Göttin tritt [...] als die dreiphasige Mondgöttin mit dreifachem Gesicht auf. Das junge Mondmädchen, das süße Kind oder die verehrte Geliebte, das ist sie in ihrer zunehmenden Form als heranwachsende Tochter der Nacht. Als Mondmutter mit gerundetem Bauch, als voll erblühte Rose des Lichts, als Führerin, Begleiterin und Freude des Reisenden auf den magischen Pfaden führt sie unsere monatlichen Feiern an. In ihrer abnehmenden Phase ist sie die schrullige Hexe mit scharfen Zügen und dunklem Antlitz, die tief von Weisheit durchdrungen ist und denjenigen ihr Wissen preisgibt, die ihr in der Dunkelheit begegnen und sie [...] um Hilfe bitten.“ (Green 45). 1.6.7 Gedichtanalyse „The Maiden, The Mother, The Crone“, unbekannter Autor The Maiden, The Mother, The Crone unbekannter Autor The room begins to darken, No, it is not dusk. For even now, I hear the cock stirring atop his post. They tell me the candles burn bright as the Sun at high noon; 5 Yet, their light seems to me as dull as my hair that once shone like gold, and is now gray as the storm clouds of the sea. Faces fade in and out of my weakening vision: Faces of my childhood, Faces of those I loved. 10 My clawlike hand grips another's tightly, A hand smooth and soft as mine once was. Flicker, flicker, flicker, flicker, I blink. And see a beautiful girl-child holding my hand. Her skin is smooth to the touch, 15 And laughter sparkles in Her emerald eyes. Her long, silky hair cascades down Her back in loose waves, And a wreath spun of spring buds adorns Her untroubled brow, Her slim form, barely beginning to ripen into womanhood, Reminds me of my youth. 20 She smiles gently, And whispers a word. Maiden. Flicker, flicker, flicker, flicker, I blink, And see a woman. 25 Her steady hazel eyes comfort me. The laugh lines around Her eyes and mouth are clear and beautiful. 192 Her thick hair is bound in a braid, And a circlet of gold rests upon Her brow. Her rounded belly reveals the life nestled inside. 30 She bends close to me, And places Her smooth lips on my withered cheek. She whispers. Mother. Flicker, flicker, flicker, flicker, I blink, 35 And see a face all to like my own: Her cheeks are hollow and Her skin withered. She leans upon a great staff, Her clawlike hands grasping it as if it were life itself. Her eyes burn with a gentle intesity, 40 And as I gaze into them, I see the Wise Woman, She gestures, And whispers. Crone. Flicker, flicker, flicker, flicker, 45 I blink, And see Them. The Three. Maiden. Mother. Crone. The Three who are One. As one, They beckon me; 50 And I feel my spirit stir in response. The maiden whispers, Come with us Mother. The Mother whispers, Join your companions, sister. 55 The Crone whispers, Do not be afraid, my daughter. I sigh and close my eyes. My soul rises and greets the Three. And upon each of Their brows, 60 The crescent blazes, And I know that it burns upon my brow as well. Flicker, flicker, flicker, flicker. Vor der detaillierten Darstellung der Bedeutung der einzelnen Phasen der dreifachen Göttin im Wicca soll zunächst das Gedicht „The Maiden, The Mother, The Crone“ besprochen werden, weil es die für Wicca so wichtige Identität von Frau und Göttin aufzeigt. Das Gedicht beschreibt eine Sterbeszene. Diese Szene wird geschildert aus der Sicht des Sprechers in der ersten Person, einer alten sterbenden Frau. An ihrem Sterbebett sind 193 offensichtlich Verwandte und Bekannte anwesend. Die Beschreibung der Szene erfolgt in einem ersten Teil von Zeile 1 bis 11. Im Anschluss daran beginnt die Innensicht der Sterbenden, der Leser hat Teil an der Nahtoderfahrung der alten Frau. Aus erzähltheoretischer Sicht kann man von interner Fokalisierung sprechen, denn der Leser taucht ein in das Sterbeerlebnis und die Gedanken der alten Frau. Dabei scheinen Ich-Erzählinstanz und personales Erzählen eigentümlich vermischt, um so der Wahrnehmung der Sterbenden gerecht zu werden. Interessant ist auch der Hinweis auf den im Rahmen der Sterbebegleitung so wichtigen Körperkontakt zum Sterbenden: „My clawlike hand grips another’s tightly,/ A hand smooth and soft“ (10f). Dieser Berührungskontakt mit einem Anwesenden leitet über zum Kontakt mit der Göttin und deren spiritueller ‘Sterbebegleitung’. Die entsprechenden Zeilen können folgendermaßen eingeteilt werden: Teil 2 von Zeile 12 bis 21 thematisiert die geistige Begegnung mit der Göttin als Mädchen, Teil 3 von Zeile 22 bis 32 die Begegnung mit der Göttin als Mutter, Teil 4 von Zeile 33 bis 43 die Begegnung mit der Göttin als Alte und schließlich Teil 5 von Zeile 44 bis 62 den Moment des Sterbens. Das Gedicht besteht aus 62 unterschiedlich langen, metrisch freien, nicht reimenden Zeilen. Die Zeilen sind in ihrer Länge so angeordnet, dass sie das zentrale Stimmungsbild, an dem sich das Gedicht orientiert, eine flackernde Kerze, nahezu graphisch widerspiegeln. Diese Ikonizität wird dadurch verstärkt, dass zur inhaltlichen Zäsur der einzelnen Teile des Gesichtes jeweils eine Zeile „Flicker, flicker, flicker, flicker“ (12, 22, 33, 44, 62) eingefügt ist (siehe den Artikel zur „Diagrammatic Iconicity“ von Max Nänny und den Abschnitt zum wiccanischen Gott). Während die ersten vier Teile mit 10 bzw. 11 Zeilen etwa gleich lang sind, besteht der fünfte und letzte Teil aus 19 Zeilen, die etwa gleich lang und vor allem kürzer sind, als die der oberen Teile. Während die bildliche Kerze also in den ersten vier Teilen deutlich flackert, wird die Flamme im letzten Teil kleiner, scheint dann noch einmal kurz aufzuflackern (61), um schließlich mit Ende des Gedichtes zu verlöschen. Bereits die erste Zeile deutet mit „The room begins to darken“ (1) auf das Verlöschen voraus. Mit dem Verlöschen, das auf bildlicher Ebene die Kerze betrifft, ist auf inhaltlicher Ebene das Sterben der Frau verknüpft, denn Zeile 2 erklärt, dass es sich nicht um eine Szene während der Abenddämmerung handelt. Vielmehr ist es Tag, worauf „the cock stirring atop his post“ (3) und der Vergleich des Kerzenlichtes mit der „Sun at high noon“ (4) hindeuten. Die Kerzen stehen dort also nicht primär als Lichtspender, von einer Verdunkelung des Raums mit 194 Vorhängen ist nirgendwo die Rede, sondern sie scheinen dort aus gegebenem Anlass angezündet worden zu sein, nämlich zur Sterbebegleitung. Die Verdunkelung der Sicht der Frau, die die Worte „their light seems to me as dull“ (5) und „my weakening vision“ (7) ausdrücken, macht das Flackern der Kerzen für sie zu einem leichten Lichtfluktuieren und sie orientiert sich zur äußeren Einordnung des Momentes eher an ihrem Gehör („I hear the cock stirring“, 3, „They tell me“, 4) und an ihrem Tastsinn („My clawlike hand grips another’s tightly./ A hand smooth and soft“, 10f). Demgegenüber sind die Teile 2 bis 5, jeweils eingeleitet mit „Flicker“, auf das Sehen gerichtet („I blink./ And see“, 13, 23f, 34f, 45f), und zwar auf das innere Sehen der Sterbenden. Die häufig beschriebene Nahtoderfahrung vom Vorbeiziehen des Lebens vor dem inneren Auge eines Sterbenden wird hier umgedeutet. Die Frau sieht nicht sich selbst und ihr Leben, sondern die drei Lebensphasen der Göttin, wie diese jeweils mit der Frau in Kontakt tritt und sich ihrer annimmt: Als Mädchen ergreift sie lachend die Hand der Sterbenden (13-15), als Mutter küsst sie die Sterbende auf die Wange (31) und als Alte schenkt Göttin der Frau einen intensiven Blick (39f). Hierbei zeigen die Teile 2 bis 4 die Parallelen zwischen der dreifachen Göttin und den Lebensphasen der Sterbenden auf, an die sie sich stellenweise erinnert (19, 35). Der letzte Teil schließlich stellt die Sterbende mit ihrem Lebenslauf in Partnerschaft zur Göttin „The maiden whispers, Come with us Mother. The Mother whispers, Join your companions, sister. The Crone whispers, Do not be afraid, my daughter.“ (51-56), und stellt in einem letzten Schritt die Identität zwischen der Sterbenden und der Göttin her: „And upon each of Their brown, The crescent blazes, 195 And I know that it burns upon my brow as well.“ (59-61). Zeile 57 stellt innerhalb des letzten Teils insofern eine Zäsur dar, als dass sie besagt, dass das innere Sehen der Göttin mit geöffneten Augen stattfindet, was durch das wiederholte „Flicker“ bestätigt wird, und mit dem Schließen der Augen der Tod eintritt. Das Zeichen des leuchtenden Halbmondes auf der Stirn („The crescent blazes“, 60) löst nun das Licht der Kerzen ab. Die Kerzen flackern ein letztes Mal, während für die Verstorbene nun das Licht des Halbmondes geradezu lodert, aus dem „flicker“ ist ein „blazes“ geworden. Die Verwendung der Licht-Metapher spannt einen Bogen über den Text und bildet eine Klammer von der ersten bis zur letzten Zeile. Dabei handelt es sich um eine dreifache Klammer: Der Eröffnungsklammer ist in allen drei Fällen die Phrase „begins to darken“ (1). Die erste Teilklammer schließt mit „blazes“ (60) und „burns“ (61) und somit mit dem spirituellen inneren Erlebnis der Sterbenden im Moment des Todes. Die zweite Teilklammer schließt mit dem letzten „flicker“ in Zeile 62, was suggeriert, dass sich im Raum selber äußerlich nichts verändert hat, denn die angezündeten Kerzen brennen weiter. Die Schlussklammer der dritten Teilklammer ist in gewisser Weise nach der letzten Zeile zu sehen, nämlich im Verlöschen der ikonischen Kerze, die das Gedicht darstellt, sie brennt nach Zeile 62 nicht mehr. Dabei handelt es sich angesichts des Sterbemomentes um einen Text mit sehr starker Zeitdehnung. Die Atmosphäre des Gedichtes ist einerseits durch Worte wie „dull“ (5), „gray“ (6) und „smooth and soft“ (11), die im übrigen jeweils Bestandteil eines Vergleiches und im Fall von Zeile 11 in eine starke [s]-Konsonanz eingebettet sind, gedämpft und ruhig, und wirkt andererseits durch Konsonanzen wie in „rounded belly reveals the life nestled inside“ (29) oder „ And see Them. The Three“ (46) und durch eine stellenweise frische bildhafte farbige Gestaltung bei der Beschreibung der Göttin („emerald“, 15, „hazel“, 25; die Bezugnahme auf Edelsteine und deren Farben und Glanz ist ein beliebtes Mittel in Wicca-Gedichten) sehr lebhaft, wobei sich die dunklere Atmosphäre auf den äußeren Rahmen bezieht, während die lebendigeren Passagen mit der inneren Wahrnehmung der Sterbenden korrespondieren. Wie oben ausgeführt stehen Mond und Göttin im Wicca in einem derart engen Entsprechungsverhältnis, dass oft eine Identifizierung zwischen beiden stattfindet. Die 196 zentrale Identifizierung im Gedicht ist jedoch die zwischen der Sterbenden und der Göttin. Dabei ist der Halbmond auf der Stirn nicht wie ein Brandzeichen, sondern vielmehr als eine Krone zu verstehen, wie sie unter Wicca bei Ritualen manchmal verwendet wird (Abbildungen bei: Farrar/Farrar, Goddess zwischen 120 und 121; Greenwood, Contemporary 47; Buckland, Complete 35; Valiente, Charge 55, 93). Der Halbmond krönt die Verstorbene als Göttin und erkennt das Göttliche im Menschen (hier in der Frau) an. Dementsprechend ist es die Göttin selber, die jede Frau in allen Phasen ihres Lebens begleitet und sie dadurch zu einem Spiegel der Phasen der Göttin macht. So kann man als Grundaussage des Gedichtes das tiefe Vertrauen der Wicca formulieren, dass die Göttin im Leben wie auch im Tod immer da ist und den Menschen begleitet. 1.6.8 Mädchen, Mutter und Alte Wicca kennen die Göttin zum einen als junges Mädchen, als Maid, als junge heranwachsende Frau, die spielerisch und erwachsen werdend ihre Jugend auslebt. Sie erfreut sich an den ersten Knospen im Frühling, steht für den Neuanfang, das jugendliche Leben, den Neuen Mond, der als schmale Sichel nach jedem Dunkelmond am Himmel erscheint. Die Maid steht aber auch für den Übergang von der Kindheit über die Jugend zur jungen Frau, symbolisiert auch die weibliche Pubertät mit ihren körperlichen und seelischen Veränderungen für Mädchen im entsprechenden Alter. Die Maid ist auch durchaus sexuell aktiv, aber diese Aktivität bezieht sich auf die Entdeckung der eigenen Identität, des eigenen Erlebens als Partnerin und auf das Kennenlernen des anderen Geschlechts, also des Gottes (Crowley, Naturreligion 83). Wenn Crowley den jungfräulichen Aspekt der Maid beschreibt, meint sie eine Jungfrau „ im Sinne einer Frau, die keinem Mann gehört oder keinen Mann braucht“ (Crowley, Wicca 177). Die Göttin ist hierbei keine „Jungfrau im Sinne der Enthaltsamkeit von Sexualität“, vielmehr ist sich das Mädchen durchaus seiner Weiblichkeit und Sexualität bewusst und geht zunächst spielerisch, nicht jedoch verantwortungslos, und lernend damit um (Crowley, Wicca 177). Weiterhin identifiziert Crowley, welche über eine psychologische Ausbildung verfügt und in diesem Rahmen stark jungianisch argumentiert, die Göttin als die Anima, „jene allmächtige, furchterregende und schöne Gestalt, die ihm [dem Mann] von der Pforte seines Unbewußten zuruft und ihn dazu einlädt, die heroische Reise in die Psyche anzutreten, um den Gral, das göttliche Wesen seiner selbst, zu finden“ (Crowley, Wicca 177). Das bedeutet, dass die Göttin als Maid auch den jungen Mann auf den Weg seiner eigenen 197 Erkenntnis und Entwicklung führt, ihn mit seiner eigenen Männlichkeit konfrontiert und die Entdeckung der eigenen Sehnsüchte in ihm fördert. Erst die Göttin in ihrem Aspekt als Mutter ist die Spenderin/Schöpferin des Lebens. Sie gebiert das Leben, zieht es groß, ist Lehrerin, Kritikerin und Ratgeberin. Wicca fokussiert jedoch im Fall des Mutter-Aspektes nicht allein auf die biologische Mutterrolle, sondern geht darüber hinaus und sieht seine Verwirklichung auch im Unterrichten, also in der Weitergabe von Wissen, im kreativen Schaffen im Bereich von Kunst, Musik und Literatur, im gemeinschaftlichen Leben als Ratgeberin, Organisatorin, Managerin, also durch Arbeit beitragend und erschaffend. Im Zusammenhang mit dem Jahresfest Ostara am 21. März verweist Berger auf die Bedeutung der Fruchtbarkeit und der Schöpferkraft im Wicca, eine eben nicht auf die biologische Fruchtbarkeit reduzierte, sondern diese nahezu in den Hintergrund stellende Bedeutung: „[...] fertility of thoughts and actions, even more than fertility of crops and animals. There is on the whole a deemphasis on human fertility.“ (Berger, Community 16). Die geistige Schöpferkraft der Muttergöttin und ihre Verwirklichung im Leben der reifen Frau und die biologische Schöpferkraft werden im Wicca zumindest gleichwertig gesehen (Farrar/Farrar, Goddess 35f). Im Jahreszyklus des Gottes und der Göttin in der Natur ist sie zugleich Partnerin und die Mutter des Gottes. Schließlich verehren Wicca die Göttin als alte Frau. Sie wird oft auch die weise Alte genannt, denn ihre Lebenserfahrung ist weitreichend und ihr Wissen ist umfassend. Sie versteht alles, denn sie hat alles gesehen. In ihr sind die Erfahrungen der Maid und der Mutter präsent, und im Rückblick auf das Leben weiß sie alles weise einzuschätzen (Crowley Wicca 184). Sie ist es aber auch, die die Bedingung für das mütterliche Geschenk des Lebens einfordert und den Menschen auf den Tod vorbereitet. Mit dieser Seite ist auch die Sichtweise von der Alten als Geheimnisvolle verknüpft, weil sie über Wissen verfügt, das der Mensch in seiner Jugend noch nicht hat, und sie diejenige ist, die den Menschen durch den Tod geleitet und ihn dorthin führt, was möglicherweise danach kommt. Exkurs: Die Venus von Willendorf und paläolitische Figurinen In Zusammenhang mit dem Aspekt der Mutter steht auch die Göttin als Erdmutter. Zur Illustration wird in der gängigen Wicca-Literatur die Göttinnenfigur der Venus von 198 Willendorf (bei Krems in Österreich) angeführt, deren Entstehung auf etwa 25.000 bis 20.000 v. Chr. datiert wird (Crowley, Way 105; Buckland, Inside 9; Hutton, Isles 5). Bei dieser Figur fallen die großen Brüste, der üppige Bauch und die gut sichtbaren Geschlechtsorgane auf, welche die Fruchtbarkeit der Frau und der Erde symbolisieren. Eine Farbfotographie der Statuette befindet sich bei Smart (Smart 19). Hutton geht etwas genauer auf die Frage nach der Bedeutung altsteinzeitlicher Figurinen ein: „So what did they mean? Their earliest discoverers pre-empted the question by calling them ‘Venuses’, a name which has stuck and which had indicated that they were representations of a goddess. For the first seventy years of this century it seemed to be a scholorly orthodoxy that they were representations of a universal prehistoric Earth Mother. This interpretation [...] was not the product of accumulating evidence but a theoretical construction. [...] the notion of this Mother Goddess is not susceptible of proof or disproof, but there have always been prehistorians who have noted that the Old Stone Age statuettes have no features to mark them off as divine or majestic [...]. On the other hand, the degree of effort invested in them suggests that they were far more than Paleolithic pin-ups.“ (Hutton, Isles 4). In der Mitte des 20. Jahrhunderts stellten Forscher wie Glyn Daniel die Theorie auf, dass die Erbauer der megalithischen Gräber tatsächlich eine Göttin verehrt hätten. Ihre Ausführungen basieren auf dem alten griechischen Mythos vom männlichen Himmel und der weiblichen Erde, die den Kosmos erschufen. Daniels Theorie der Göttinnenverehrung nährte unter Gelehrten die Auffassung einer universalen Gottheit bei den prähistorischen Völkern, und sämtliche Darstellungen weiblicher Körper wurden im Sinne von Abbildungen dieser Gottheit interpretiert, wobei männliche Fundstücke als ihr Sohn oder Liebhaber gedeutet wurden. Weiterhin sah man in anderen ikonographischen Abbildungen wie etwa Spiralen und Kreise bis hin zu Löchern in Steinen die Augen der weiblichen Gottheit (Hutton, Isles 37). Ende der sechziger Jahre jedoch formulierten im besonderen zwei Wissenschaftler ihre kritischen Gedanken zu dieser mittlerweile von der Fachwelt akzeptierten Interpretation der figurinen Fundstücke und gemalten Darstellungen in Höhlengräbern: Peter Ucko merkte an, dass Vergleiche mit alten ägyptischen Vorstellungen ergaben, dass dort die Erde als männlich betrachtet wurde, dass es auch auf Kreta für eine weibliche Gottheit vor 2000 v. Chr. keine Belege gibt und dass man allein für Anatolien von einer belegbaren Fruchtbarkeitsgöttin ausgehen kann. Ucko geht bei den weiblichen Figurinen vielmehr von einer Vielzahl von 199 verschiedenen Deutungsmöglichkeiten aus, welche er mit der modernen Verwendung entsprechender Figuren parallelisiert. Bei den heutigen primitiven Ackerbaukulturen werden derartige Statuen z.B. einfach als Puppen für Kinder oder auch als magische Utensilien für Heilungs-und Schutzzauber verwendet. Sollten diese Statuetten früher einmal tatsächlich mit einer göttlichen Funktion belegt gewesen sein, so heißt das nicht, dass es sich dabei um eine einheitliche Gottheit gehandelt haben muss. Andrew Fleming formulierte etwa zur gleichen Zeit die Tatsache, dass keine Beweise für eine solche Muttergottheit vorlagen, und keine Belege, die eine entsprechende Interpretation von Figuren zulassen. (Hutton, Isles 38). Dennoch machte Marija Gimbutas in den siebziger Jahren im Zuge des „women’s movement“ die Idee der Erdgöttin für ein breites Publikum zugänglich: „The ‘Fertility Goddess’ or ‘Mother Goddess’ [...] was not only the Mother Goddess who commands fertility, or the Lady of the Beasts who governs the fecundity of animals and all wild nature, or the frightening Mother Terrible, but a composite image with traits accumulated from both the pre-agricultural and agricultural eras. During the latter she became essentially a Goddess of Regeneration, i.e. a Moon Goddess, product of sedentary, matrilinear community, encompassing the archetypal unity and multiplicity of feminine nature. She was giver of life and all that promotes fertility, and at the same time she was the wielder of the destructive powers of nature.“ (Gimbutas 152) Ihre Dokumentation archäologischer Fundstücke aus dem alten Europe, teilweise bis in das 7. Jahrtausend datiert, stellt eine beispielhafte Sammlung von Abbildungen und Daten dar. Ihre Interpretation der Daten zielt auf die Darstellung der prähistorischen „Great Goddess“: „The image of the Great Goddess of Life, Death and Regeneration in anthropomorphic form with a projection of her powers through insects and animals -bee, butterfly, deer, bear, hare, toad, turtle, hedgehog and dog -was the outward symbol of a community concerned with the problems of the life and death cycle. [...] As a supreme Creator who creates from her own substance she is the primary goddess of the Old European pantheon.“ (Gimbutas 195f) Für die breite Öffentlichkeit war Gimbutas Theorie attraktiv, in Fachkreisen wurde sie bereits stark bezweifelt (Hutton, Isles 39). Hutton betont die Ironie, dass ernsthafte und engagierte Forscher wie Daniel oder auch Gimbutas mit ihren Theorien die allgemeine moderne religiöse 200 Bewegung der Muttergöttin erst ins Leben riefen, selbst wenn diese in prähistorischer Zeit möglicherweise gar nicht existierte (Hutton, Isles 40). Diese Ausführungen verdeutlichen einmal mehr, dass wir a) bis heute nicht genau sagen können, was unsere frühen Vorfahren glaubten, ob es tatsächlich frühe matriarchalische und göttinnenorientierte Gemeinschaftsformen gegeben hat, b) immer dann Vorsicht geboten ist, wenn sich Wicca-Autoren auf den Göttinnenglauben ihrer Vorfahren beziehen und nicht genau formulieren, was sie damit im Einzelnen meinen, und c) es am Ende gar nicht mehr so wichtig zu sein scheint, dass man sich auf eine ‘Alte Religion’ bezieht, weil es viel bedeutender ist, was Wicca heute glauben und wie sie mit ihrem Glauben im Hier und Jetzt leben und umgehen. Lange hat sich im Wicca die Auffassung gehalten, dass nur das gut sein kann, was auch wirklich alt ist, und erst seit einiger Zeit regt sich das Selbstbewusstsein, dass es auf den Glauben in der Gegenwart ankommt und nicht auf den Bezug auf eine uralte Religion, die gerne als feststehende Tatsache dargestellt wird, obwohl man ehrlicherweise zugeben müsste, dass man bislang gar nicht eindeutig weiß, was diese Alte Religion überhaupt gewesen ist, und dass viel mehr Fragen gestellt werden als Antworten gegeben werden können. Die junge Wicca-Generation ist sich dieser Problematik mittlerweile bewusst: „For some reason, many pagans are turned off by this thought [Wicca als neue, moderne Religion]. They cling to the belief -however ill-informed it may be -that Wicca is indeed an ancient tradition. Not only is this claim historically inaccurate, but it also seems to perpetuate a rather odd way of viewing progress. Just because something is ‘old’, is it inherently better than something that is ‘new’? Are our ancestors considered to be automatically more knowledgeable about spirituality simply because they lived a long time ago? Have we forgotten that our ancient pagan ancestors actually did [Hervorhebung im Original] perform human sacrifices for the fertility of the Earth, regardless of what such writers as Marija Gimbutas and Merlin Stone would have us believe? Overly romanticized views of the past will do nothing to take our religion into the future. Using what is good and true from the past and integrating it with modern knowledge, modern culture, and even modern science is how religion evolves. Without evolution, religion, just like anything else, stagnates and dies. Therefore, Wiccans who look with hungry eyes to the past do so misguidedly“.(Fisher 20). 201 Und wie zur Bestätigung schreibt MacMorgan: „We understand Wicca to be a modern religion, not an ancient one, and we’ve no need to claim otherwise to make it look more powerful, because we already see it is powerful.“ (MacMorgan, All 130). Nichtsdestotrotz ist das was Smart vorsichtig andeutet und Hutton als Möglichkeit einer alten Erdmutterreligion in Erwägung zieht, für alle Wicca fester Bestandteil des Glaubens an die Göttin, nämlich die Schöpferkraft der Frau, die das Leben erst möglich macht, und die Sicht der Erde als nährende Mutter aller Menschen. 1.6.9 Verbundenheit mit der Göttin Das Konzept der dreifachen Göttin verdeutlicht die besondere Beziehung der Göttin zum Menschen im Wicca. Zur genaueren Charakterisierung dieser Beziehung und der verschiedenen Komponenten soll im Folgenden ein Blick auf einige weitere Gedichte geworfen werden. Das stärkste Motiv in den Gedichten der Wicca ist das der Mutter-Kind- Beziehung. Die Wicca treten auf als Kinder der Göttin und die Göttin als ihre Mutter. Dies entspricht auch der Sicht der Göttin als Mutter Erde in ihrer Erscheinungsform als Gaia. Überhaupt ist das Elternschaftsverhältnis ein gängiges, wie z.B. auch im Christentum Gott nicht nur als Vater Jesu sondern auch als Vater der Menschen gesehen wird. Die Götter sind im Wicca zwar nicht nur aber immer auch Eltern, und weil der Mutter-Begriff für die Wicca nicht wie der Vater-Begriff mit den christlichen monotheistischen Konnotationen belegt ist, wird dementsprechend häufig die Göttin bzw. was die polytheistische Sicht angeht eine Göttin als Mutter angesprochen und Mutter genannt. Das unbetitelte Gedicht von Dr. Walter Mills, das mit den Worten „She comes from a long time ago...“ beginnt, thematisiert die Beziehung der Göttin zu ihren Kindern. Zunächst nimmt der Text Bezug auf vergangene Zeiten, wo sie weltweit als Mutter allen Lebens in zahlreichen Namen verehrt wurde (Zeilen 1-6). Es folgt die Rekurrierung auf die ‘Burning Times’, als Anhänger der Göttin verfolgt wurden, aber nicht aufgaben, sie zu verehren (7-8). Nun, da ein neues Zeitalten angebrochen ist, vermutlich ist damit das Wassermann-Zeitalter, das Zeitalter der Gefühle, der neuen Religiosität und der spirituellen Befreiung gemeint, können sich die Kinder der Göttin wieder offen und gefahrlos zu ihr bekennen (9-18). Schließlich folgt eine Charakterisierung der Göttin und ihre Namensnennung (19-25), die einerseits darauf zurückgehen mag, welches persönliche Göttinnenkonzept der Sprecher vertritt, andererseits darauf dass die Göttin Isis im ägyptischen 202 Pantheon die göttliche Mutter schlechthin darstellt. Die Zeilen 19-20 charakterisieren die Göttin als „Creatress“ und „Mother of all“, wie sie bereits in Zeile 2 genannt wurde. In Verbindung mit „She gives life“ (20) spannen diese Bezeichnungen den Bogen vom Anfang des Lebens bis zu dessen Ende, wobei dieses Ende ebenfalls bei der Göttin liegt („takes it back to Herself“, 20). Dabei ist die Bezeichnung „Mother of all“ insofern interessant, als dass sie mit der Reihenfolge ihrer Vokallaute [], [ø] und [ø:] ein ‘Runderwerden’ der lautlichen Qualität darstellt und damit die Rückkehr des Menschen in den Mutterschoß ikonisch imitiert. Außerdem betont die Wiederholung von „all“ (3, 13, 15, 19) die Universalität der Botschaft: Alles wird aus der Göttin geboren und alles kehrt schließlich wieder zu ihr zurück. Bei letzterem ist die Göttin selbst aktiv, sie selbst holt alles zu sich zurück. Weiterhin nimmt die Beschreibung der Göttin wilde, nahezu animalische Züge an, indem „protects them ferociously“ (22) auf den natürlichen Beschützerinstinkt anspielt, was an die buddhistische metta erinnert: „wie eine Mutter mit ihrem Leben ihr eigenes Kind, ihr einziges Kind, beschirmt“ (Khuddakapatha IX, Sutta-Nipata I, 8). Damit wird die Göttin, hier in ihrer Nennung als Isis, zum allumfassenden Prinzip und zur Ursache des Werdens und Vergehens, zur Mutter und zum ‘Muttertier’ schlechthin. Evening Message Phoebe Wray I am walking, Mother, the way you told me the Way you told me barefoot 5 hatless it is snowing and I am not cold. I am dreaming, Mother the way you taught me 10 the Way you taught me open smiling all is brightness and I am sheltered. 15 I am living, Mother the way you sang me the Way you sang me sweetly 203 joyous 20 the song is new and I know the notes. Auch wenn die archetypische Funktion der Göttin als Mutter im Wicca immer eine herausragende Rolle spielt (Jung), so erscheint sie dennoch in vielen anderen Formen, mit anderen Funktionen und Eigenschaften. In „Evening Message“ von Phoebe Wray werden zwei Funktionen kombiniert: Lehrerin (oder Wegweiserin) und Beschützerin. Das Gedicht besteht aus drei syntaktisch parallel angeordneten Strophen mit jeweils 7 Zeilen (Parallelismus). Jede Strophe beginnt mit der Aussage zur Handlung des Sprechers („walking“, 1, „dreaming“, 8, living“, 15) und der Anrede „Mother“. Es folgt jeweils die Erklärung, dass diese Handlung so ausgeführt wird, wie sie dem Sprecher durch die „Mother“ beigebracht wurde („told“, „taught“, „sang“). Die nun folgende Argumentation stellt die erlernte offene, unbedarfte, freudige Handlungsweise (Zeilen 4-5, 11-12, 18-19) den Schwierigkeiten und widrigen Umständen gegenüber, worauf jeweils die letzte Zeile den Beistand und den Schutz der Göttin versichert, so dass die Widrigkeiten ihre Bedeutung verlieren und unmittelbar nach ihrer Nennung aufgehoben werden. Knapp formuliert lautet die Botschaft so: Wer im Sinne der „Mother“, der Göttin, lebt und handelt braucht nichts zu fürchten, weil er unter ihrem Schutz steht. Dahinter verbirgt sich allerdings eine starke Spannung zwischen den Schwierigkeiten und Problemen des Lebens und dem Schutz der Göttin. Dies wird offensichtlich in den jeweils letzten zwei Zeilen der Strophen. Dabei werden die Gegensätze der Argumentation nicht mit einem dem angenommenen Sinn entsprechenden gegenüberstellenden „but“, sondern mit einem in Beziehung setzenden „and“ verbunden. Gegensätzliches wird hier wie Gleiches behandelt. Die gewählte Konjunktion wirkt irritierend, verweist aber dadurch auf die eigentliche Aussage: Die Widrigkeiten verschwinden nicht, werden nicht einfach ausgeschaltet, vielmehr muß der Sprecher sie durchschreiten, das bleibt ihm nicht erspart. Allerdings ist er sich der Begleitung, der Stärkung und der Linderung durch die göttliche Mutter auch in diesen Situationen bewusst, so dass ein Durchschreiten möglich wird. Die jeweils zweite und dritte Zeile der Strophen meint dabei einerseits die Art und Weise, das eigene Leben zu führen („way“) und den vor dem Sprechenden liegenden Lebensweg („Way“) selber. Diese Unterscheidung von im Englischen regulär geschriebenem „way“ und durch Großschreibung hervorgehobenem „Way“ zielt vom Allgemeinen zum Besonderen, von der generell angemessenen Art das Leben zu meistern, wie es dem Sinn der Göttin entspricht, zum individuellen Weg des einzelnen. Dabei handelt es sich um einen Weg, den die Mutter 204 aufgibt, lehrt und singt -wobei das „sang“ mit Blick auf den Titel sich auf ein Schlaflied bezieht und als solches eine beruhigende Funktion hat -und der das wiccanische Konzept des Will ausdrückt: Die Vorzeichnung eines individuellen Lebens für den mit bestimmten Fähigkeiten begabten Menschen mit den unterschiedlichsten Möglichkeiten, Chancen und Prüfungen, bei dem des jedoch in der Entscheidung und im Ermessen des Einzelnen selber liegt, wie er die Weichen stellt (siehe Kapitel zur Ethik). Die Begleitung des Lebens durch die Göttin wird in der ersten Strophe mit dem Fühlen, in der zweiten Strophe mit dem Sehen und in der dritten Strophe mit dem Hören in Verbindung gebracht. In der ersten Strophe, welche mit den Begriffen „barefoot“ (4) und „hatless“ (5) den menschliche Körper von Kopf bis Fuß erfasst, wird auf die körperliche Empfindung des Menschen und auf sein Bedürfnis nach Wärme verwiesen. Das Gehen auf dem gezeigten „Way“ stellt den Menschen unter die Betreuung der Göttin, wobei sich Wärme und Kälte relativieren. Ähnlich verhält es sich mit dem in Strophe zwei angesprochenen Sehsinn. Hierbei begegnet die Metapher vom Schutz vor der Helligkeit. Helligkeit kann blenden und dadurch irreführen, auf dem „Way“ jedoch spendet die Göttin Schatten. Der irritierende Charakter allzu greller Helligkeit und das die Strophe einleitende Verb „dreaming“ verweisen auf die Wichtigkeit, zwischen den konstruktiven Träumen, die auf dem „Way“ liegen, und den Menschen blendenden und vom „Way“ abbringenden Träumen zu unterscheiden. Dabei schafft Schatten einen Freiraum des ‘Klar-Sehens’. Das zentrale Element der dritten Strophe ist das Singen und der „song“ (20). Das Lied fungiert als Metapher für das Leben. Das Leben ist immer neu, der Mensch begibt sich von Moment zu Moment auf unbekanntes Gebiet. Allerdings erhält das Leben seine Impulse, und im Sinne der Metapher seine musikalischen Impulse, von der Göttin. Und dies wiederum macht, dass der Mensch in den „notes“ der Göttin Anhaltspunkte findet, die ihm eine Sicherheit auf seinem Lebensweg vermitteln, die man im Sinne der Psychoanalyse mit dem Urvertrauen vergleichen kann. Dieses Vertrauen steigert sich in der letzten Zeile mit „know“ über dies hinaus zur Gewissheit. Das Leben als Lied und in diesem Rahmen künstlerisch und kreativ darzustellen, entspricht dem allgemeinen wiccanischen und neopaganen Konzept der selbstbewussten, aktiven und schöpferischen Lebensführung. Die dritte Strophe stellt das Leben selbst als musisches und künstlerisches Schaffen dar, in eigenständiger Ausarbeitung der göttlichen Impulse für das Individuum. Das Gedicht selber erinnert in seinem parallelen Aufbau an ein Lied mit drei Strophen. Auch wenn kein Refrain im eigentlichen Sinne erkennbar ist, so legen die jeweils letzten zwei Zeilen in ihrer syntaktischen parallelen Anordnung und der jeweils inhaltlichen Betonung des 205 Aufgehobenseins und der Sicherheit den Gedanken an einen Refrain durchaus nahe. So spiegelt das Gedicht insgesamt das Bild des Liedes als Metapher für das Leben und den Lebensweg wider. Aus verschiedenen weiteren Gedichten erfährt der Leser von zusätzlichen Komponenten des Verhältnisses zwischen Mensch und Göttin. So etwa in „Kali II.“ von Anna Livia Plurabelle. Im Rahmen dieses Gedichtes über den Tod, der hier mit den Begriffen „joy“ (1), „forgiveness“ (1), „peace“ (6) und „tranquility“ (6) charakterisiert wird, erscheint die Göttin Kali als „Healer of my soul by my side“ (5). Diese fünfte Zeile ist deshalb von Bedeutung, weil in ihr zum ersten mal der Sprecher selbst begegnet. Der Parallelismus von „my soul“ und „my side“ drückt die tiefe Betroffenheit des Sprechers angesichts des Themas aus. Durch die Präpositionen „of“ und „by“ werden die Seele („soul“) und der Körper („side“) des Sprechers an den Begriff „Healer“ zurückgebunden. Die Funktion der Göttin als Begleiterin des Menschen auf seinem Lebensweg, wie sie aus dem obigen Gedicht ersichtlich wurde, wird in „Kali II.“ in doppelter Hinsicht weitergeführt. Erstens erscheint die Göttin als Heilerin der Seele, also als Trösterin und als liebende Kraft in der Verzweiflung. Die Göttin vermag es, als „Healer“ die Seelennöte des Menschen zu erkennen und zu ‘behandeln’ und zu heilen. Dabei dringt sie tief in die Seele des Menschen ein, um ihn von Zweifel, Angst und anderen menschlichen Nöten zu heilen. Zweitens deutet der Begriff „avatars“ darauf hin, dass die Göttin Kali den Menschen in allen seinen zahlreichen Leben begleitet und als Heilerin an seiner Seite ist. Der Begriff ‘Avatar’ (sanskrit, „Herabstieg“) meint die ‘Inkarnationen’ des hinduistischen Gottes Vishnu, der zu Zeiten größter Not bzw. in die gesamte Erde umfassenden Krisensituationen, also in den zyklisch wiederkehrenden Zeitaltern des so genannten Kali-Yuga, als tierische, halbmenschliche oder menschliche ‘Inkarnation’ herabsteigt (das Wort Inkarnation ist insofern auf das im Hinduismus gemeinte Avatar-Prinzip nur bedingt anwendbar, weil es als christlich-theologischer Begriff ausschließlich die einmalige Menschwerdung Gottes in Jesus Christus meint; Tworuschka, Lexikon 52f). Im Falle Vishnus spricht man von zehn klassischen Weiterverkörperungen, wobei je nach Glaubensausrichtung durchaus von zahlreichen weiteren ausgegangen wird. Der Avatar- Begriff wird in diesem Gedicht aufgenommen und verweist hier allgemein auf die unzähligen Wiedergeburten des Menschen. Die Göttin, hier namentlich Kali, heilt die Seele (sanskrit atman, „Lebensatem“ oder „Selbst“), um diese für ihren weiteren Weg im Kreislauf der Weiterverkörperungen gewissermaßen handlungsfähig zu machen. Kali heilt durch 206 Zerstörung, Auslöschung und durch den Tod. Sie wütet und vernichtet, allerdings im Rahmen der natürlichen Ordnung und mit dem befreienden Gedanken des neuen Zyklus. Damit drückt das Gedicht die heilende und ewig begleitende Funktion der Göttin gegenüber dem Menschen aus. Heilung der Seele und Begleitung durch die unzähligen Leben hindurch machen die Göttin zu einer ständigen Partnerin von Geburt zu Geburt, von Tod zu Tod und von Beerdigung zu Beerdingung („a good day of burial“, 8; im Hinduismus wird der richtige Tag zur Beerdigung eines Toten auf der Basis von astrologischen Berechnungen erhoben). 1.7 Gott und Götter Der Gott der Wicca „is co-equal with the Goddess and an essential part of the Wiccan world view“ (Crowley, Way 112). Diese prinzipielle Gleichheit der Bedeutung stützt sich auf das göttliche Konzept der zwei Geschlechter. Allerdings legt seine Darstellung als Partner der Göttin nahe, dass im Rahmen dieses theologischen Prinzips der religiöse Schwerpunkt unter Wicca in der Regel bei der Göttin liegt. Zwischen der theologischen Formulierung und der gelebten Spiritualität besteht also, wie in anderen Religionen auch, ein gewisser Unterschied. Das äußert sich in der entsprechenden Primärliteratur, wo die Göttin nahezu durchweg eine herausragende Rolle einnimmt, und besonders in der Verteilung der Gedichte, die für diese Arbeit gesichtet wurden. Während zahlreiche Gedichte die Begegnung mit der Göttin, das Vertrauen in die Göttin und das Gefühl der Geborgenheit bei der Göttin thematisieren, behandeln verhältnismäßig wenige Gedichte die Beziehung zum Gott. Besonders im Themenbereich Tod wird deutlich, dass es die Göttin ist, die sich beim Lebensende um den Menschen kümmert und ihn zu sich nimmt. Beispiele hierfür sind „Memories: Remembering those passed but not forgotten...“ von Starr54 und das Gedicht „The Maiden, The Mother, The Crone“, das die Synthese von Göttin und Tod besonders herausstellt. Im Falle der Gedichte könnte man argumentieren, dass etwas über die Hälfte der Wicca Frauen sind und gerade diese Frauen, die dann möglicherweise eher über die Göttin als über den Gott schreiben, über eine stärkere dichterische Ader verfügen. Aber mit dieser geschlechterspezifischen Unterscheidung angesichts einer Religion zu argumentieren, die die als klassisch weiblich und klassisch männlich erachteten Eigenschaften im Menschen vereint sieht, scheint nicht angebracht. Im übrigen lässt sich feststellen, dass durchaus eine große Zahl von Männer unter den wiccanischen Dichtern vertreten ist und dass auch diese Männer, wie z.B. die Dichter Iolair und Dr. Walter Mills, über ihre Erfahrungen mit der Göttin schreiben. 207 Ein Grund für die größere Anziehungskraft der Göttin im Wicca ist vielmehr der hohe Sättigungsgrad der westlichen Welt mit dem theologischen Konzept des einen einzigen Gottes. Angesichts der Vorrangstellung dieses Konzepts erscheint die Idee einer unabhängigen umfassenden Göttinnengestalt zunächst exotisch und für den spirituell Suchenden besonders reizvoll. Das weibliche Gegengewicht, das eine Göttin in einem monotheistisch geprägten Umfeld bietet, übt eine starke Wirkung sowohl auf Frauen als auch auf Männer aus. Weiterhin ist die besondere Bedeutung der Göttin durch die Stringenz ihres theologischen Gesamtbildes begründet. Das Konzept der Göttin stellt mit der Integration von Mondphasen, Lebensabschnitten und menschlichen Befindlichkeiten und Fähigkeiten ein Gesamtgefüge dar, in dem die einzelnen Teile miteinander korrespondieren. Das Konzept der Göttin stellt eine vernetzte Einheit dar. Die Darstellung des Gottes wirkt dagegen eher additiv. Es beinhaltet wichtige Merkmale, die jedoch eher nebeneinander stehen und als lose zusammengesetzt erscheinen und theologisch nicht so intensiv verzahnt sind, wie im Fall der Göttin. Dies schmälert allerdings nicht die Bedeutung der einzelnen Aspekte. In diesem Abschnitt sollen nun zwei dieser Aspekte, der Gehörnte Gott und der Grüne Mann, näher betrachtet werden. 1.7.1 Cernunnos -der gehörnte Gott Der Gott der Wicca wird auch Cernunnos, der ‘Gehörnte’, genannt. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine Kombination aus drei verschiedenen Göttern, dem griechischen Dionysos, Pan und dem keltischen Cernunnos (nicht zu verwechseln mit dem wiccanischen Gott). Von ihnen erhält der Gott verschiedene Charakterzüge und von letzterem auch den Namen. Auf die drei Götter soll kurz einzeln eingegangen werden, um die Eigenschaften herauszustellen, die der wiccanische Gott von ihnen übernimmt. „Wildheit, Tierhaftigkeit, Raserei und Wahnsinn sind Züge, die zum Bild des Dionysos gehören. [...] Als die homerische Adelswelt mit ihrer Verehrung der kriegerischen Götter und der heroischen, das heißt halbgöttlichen Ahnherrn der ritterlichen Geschlechter zu Ende ging, begann der Siegeszug des Dionysos. Er war nicht festgelegt auf eine feudale Gesellschaft , als Spender des Weins, verbunden mit froher Geselligkeit, als Löser und Erlöser von Sorgen, war 208 er ein Gott für die nun aufstrebenden Schichten des Volkes, gleichermaßen für Bauern wie für Städter.“ (Giebel 56) Der als Gott der Vegetation, Fruchtbarkeit und des Weins bekannte Dionysos verleiht dem wiccanischen Gott seine unbändige Lebensenergie. Der Sage nach verwandelt sich Dionysos nach einer tödlichen Verletzung, die ihm von einem Stier zugefügt wurde, in einen Weinstock. Dionysos vereint Wildheit mit Tod und Rausch mit neuem Leben (Kloft 28). Der wiccanische Gott stellt dementsprechend eine nicht versiegende Kraftquelle dar. Er bedeutet für die Wicca den Willen zum Leben, den Genuss des Daseins und das Bewusstsein zum Tod. Denn im Gegensatz zur Göttin ist es der Gott, der gemäß dem wiccanischen Jahreskreis jedes Jahr geboren wird und jedes Jahr stirbt. Die Göttin ist Hüterin des Todes, sie bereitet vor und sie begleitet den Menschen. Der Gott jedoch ist es, der den Tod durchlebt und durch ihn gewandelt wird. In dieser Hinsicht ist er dem Menschen näher als die Göttin. Er ist der Inbegriff der jedes Jahr wieder erwachenden Natur und des menschlichen Lebens und Sterbens. Seine Geburt zu Yule und sein Sterben zu Samhain sind auch die Drehpunkte für die unter Wicca verbreitete Vorstellung von der Weiterverkörperung der menschlichen Seele (siehe Kapitel zum Jahreskreis). Der zweite Gott, der für den wiccanischen Gott Pate gestanden hat, ist der griechische Pan. Bei den Griechen war er der „Ziegenfüßige mit dem Ziegenschwanz, dem Bockskopf und den Hörnern auf der Stirn [...], dessen animalische Züge Gestalt und Wesen bestimmt haben [...]. Aber in der Wildnis, aus der seine Kräfte stammen, in einem Reich jenseits der Ackergrenze, wo der Wildwuchs beginnt, wo die Fülle und die Öde nebeneinander bestehen und allein die Macht der Natur waltet, dort war er die mächtigste Erscheinung unter allen Wesen, welche die Wildnis bewohnen.“ (Walter 10f). Der Sohn des Gottes Hermes und der Nymphe Dryops (verschiedene mythische Erzählungen gehen allerdings auch von anderer Elternpaaren aus) ist der Gott der griechischen Wildnis: „Es ist das Reich wilder Tiere [...] und phantastischer Wesen, die mit übermenschlichen Kräften ausgestattet sind, seien sie zerstörerischer oder fördernder Natur.“ (Walter 21). Walter charakterisiert Pan als eine fast tragische Figur: „An seinem Tageslauf erkennt man, was für einer er ist, dieser Einzelgänger: ein nomadisch Schweifender, Spähender und Jagender, der alle Reviere der Wildnis kennt und überraschend auftaucht; der nichts vorhat und doch ständig getrieben ist, der die Gesellschaft liebt und doch 209 der Einsamste der Götter ist; ein Müßiggänger, dem keine Stunde schlägt, der Freude hat an Musik und Tanz. Er wäre kein griechischer Gott, wenn er nicht teilhätte am Fröhlichsein.“ (Walter 35) Kenneth Grahame schildert Pan als wohlwollenden Gott, und es ist eben diese Freundlichkeit, die auch für der Gott der Wicca besonders charakteristisch ist: „[...] in that utter clearness of the imminent dawn, while Nature, flushed with fullness of incredible colour, seemed to hold her breath for the event, he looked in the very eyes of the Friend and Helper; saw the backward sweep of the curved horns, gleaming in the growing daylight; saw the stern, hooked nose between the kindly eyes that were looking down on them humorously, while the bearded mouth broke into a half-smile at the corners; saw the rippling muscles on the arm that lay across the broad chest, the long supple hand still holding the pan-pipes only just fallen away from the parted lips; saw the splendid curves of the shaggy limbs disposed in majestic ease on the sward [...].“ (Grahame 116) Die Wicca übernehmen Pan als göttlichen Aspekt der wiederkehrenden Fülle der Natur, als Beschützer der Tiere und als Urheber des wilden Wachsens, das sich nach der Kälte des Winters seinen Weg neu bahnt, und als ungestümes Kind, das seine Welt entdeckt. Seine Hörner werden zum Symbol des wiccanischen Gottes und zum Zeichen seiner Verbundenheit mit der Tier-und Pflanzenwelt. Durch seine Hörner führt der Gott dem Menschen seine eigene animalische, natürliche Wildheit vor Augen, reiht ihn in die Schlange aller anderen Lebewesen ein und verdeutlicht ihm darüber hinaus seine Eingebundenheit in den Kreislauf der Natur und seine Abhängigkeit von der Vegetation auf der Erde. Der größte Einfluss auf den wiccanischen Gott geht vom irisch-keltischen Gott Cernunnos aus. Der Name dieses Gottes ist nur ein einziges Mal bezeugt: Sein Schriftzug befindet sich auf dem altarähnlichen Nautendenkmal, das 1711 am jetzigen Standort von Notre Dame in Paris gefunden und in die ersten nachchristlichen Jahrzehnte datiert wurde (Varner 21). Der Stein befindet sich nun im Musèe de Cluny in Paris: „[...] on three sides are figures of minor gods represented as small beings, on the fourth side is the head of Cernunnos [...], which is of huge proportions compared with the other figures. He 210 has a man’s head, and like the Ariège figure he wears stag’s antlers, which are further decorated with rings [...]. Like his Palaeolithic prototype he is bearded.“ (Murray, God 29) Die paläolithische Felsmalerei, auf die sich Murray bezieht, ist der so genannte ‘Sorcerer’ aus einer Höhle im französischen Les Trois Frères. Dass diese Felszeichnung von um etwa 10.000 vor Christus ein Prototyp des Cernunnos sein soll, ist Murrays persönliche Interpretation. Hutton erklärt, dass die Forschung bis heute keine genauen Erkenntnisse über die Bedeutung dieser Motive hat, und nicht sagen kann, ob es sich dabei um die Abbildung eines Gottes, geschweige denn um die des Cernunnos, handelt (Hutton, Isles 10ff). Im übrigen lassen die Zeichnungen, so wie sie heute zu sehen sind, nur die Ansätze der Hirschhörner, nicht aber das gesamte Geweih, erkennen. Eine weitere Cernunnos-Darstellung befindet sich auf einem gallorömischen Relief im Musèe St. Remi in Reims. Der gehörnte, bärtige Gott ist mit einem Sack abgebildet, aus dem eine Fülle von Münzen quillt. Auch hier ist der Gott mit einem Ring geschmückt, den er um den Hals trägt. Dabei handelt es sich, wie auch auf dem Denkmal in Paris, um einen typisch keltischen Torques. Die Abbildung zeigt Cernunnos als Gott der Fülle, des Reichtum, der Stärke und der Regeneration im Jahreskreis (Maier 78f). Als chthonische Gottheit ist sein Charakter von starkem Verantwortungsbewusstsein geprägt, so dass er in seiner Funktion als „Herr der Natur, der Tiere, der Landwirtschaft, des Wohlstandes und der Unterwelt“ durchaus „einer universellen Vatergottheit“ nahe kommt (Cotterell 78). Die Hörner der Abbildung in Reims ähneln, in Variation zu dem häufig gefundenen Hirschgeweih, Ziegenhörnern. Die vielleicht ausdrucksstärkste und unter Wicca beliebteste Darstellung des Cernunnos, die auch häufig als Halsschmuck getragen wird, befindet sich auf dem Kessel von Gundestrup (Nationalmuseum Kopenhagen). Der Kessel aus silbernen Reliefplatten stammt vermutlich aus dem 1. Jahrhundert vor Christus und zeigt eine mit verschränkten Beinen sitzende, durch zwei Torques als Gott ausgewiesene Gestalt mit Hirschgeweih (Maier 78, 151). Um den Gott herum sind verschiedene Tiere abgebildet, was ihn als Herrn der Tierwelt und der Lebenskraft charakterisiert (Botheroyd/Botheroyd 58; ähnlich auch der ‘Proto-Shiva’ (wegen der Sitzposition so genannt) von Ausgrabungen der vorarischen Induskultur in Mohenjo Daro im Gebiet des heutigen Pakistan). 211 Der keltische Cernunnos kann gewissermaßen als Kerngottheit gesehen werden, die um die Attribute des Dionysos und des Pan ergänzt, das Profil des wiccanischen Gottes darstellt. Der Gott der Wicca vereint demnach Lebensfreude, -drang und -kreislauf. Dabei sind die Hörner als Symbole und Ausdruck der alljährlichen regenerativen Lebenskraft von grundlegender Bedeutung. Der wiccanische Gott ist demnach der Gott des Lebensimpulses schlechthin. Umso missverstandener fühlen sich Wicca, wenn der Gott von christlicher Seite mit dem Teufel verglichen und in eins gesetzt wird. 1.7.2 Gedichtanalyse „Cernunnos Tattoo“, Jeff Mann 212 Das Gedicht „Cernunnos Tattoo“ greift die Darstellungen des Cernunnos auf und zeigt die starke Anziehungskraft der Wildheit des Gottes und seine Bedeutung für die Sexualität, und für die männliche Sexualität im besonderen. Es beschreibt Eindrücke und Erinnerungen, die dem Sprecher in den Sinn kommen, während er sich ein Cernunnos-Motiv tätowieren lässt. Die erste der sieben Strophen nimmt eine zeitliche und thematische Einordnung vor. Die Walpurgisnacht ist die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai und wird unter Neuheiden als Beltane-Fest gefeiert. Im Zentrum von Beltane stehen die Göttin und der Gott als Paar und die menschliche Sexualität. Darüber hinaus nimmt die Strophe auch die typische Vorstellung von der Orgie der Hexen mit „bonfire“ (2), „ale“ und „May wine“ (3) und dem Geschlechtsverkehr auf. Die Strophe kleidet die Thematik in das Oxymoron „carnal grass“ (5). Die Feiernden auf dem Brocken tanzen, essen und trinken und lassen sich schließlich ins Grass fallen. Die Kombination von „carnal“ und „grass“ verdeutlicht die für Wicca und Neuheiden so wichtige Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Leiblichkeit und der Natur. Die zweite Strophe bringt den Ortswechsel nach Virginia, offensichtlich in einen Tätowierladen mit entsprechender Ausstattung. Sie spannt den Bogen vom Brocken im Harz in die USA. Bei einer Zeitverschiebung von sechs Stunden, sind die Ereignisse Feier im Harz (abends und nachts) und Tätowieren in Virginia (am späten Nachmittag und Abend) parallel und zeitgleich zu sehen. Durch das Tätowiertwerden nimmt der Sprecher gewissermaßen in Abwesenheit an der Beltane-Feier in Deutschland teil. Der Leser erfährt den Namen des Tätowierers („Shaun’s chair“, 7), aber nicht den des Sprechers, der sich auf der linken Schulter tätowieren lässt. Der Titel des Gedichtes hat das Motiv bereits angedeutet, aus den Zeilen erfährt der Leser allerdings noch nichts genaues. 213 Die folgenden drei Strophen beschreiben die Gedanken des Sprechers bei seiner Erinnerung an verschiedene Abbildungen, die mit dem Cernunnos in Verbindung gebracht werden. Zunächst erinnert sich der Sprecher an die Kalkhügelabbildung des Giganten von Cerne Abbas in der Ebene von Dorset in Großbritannien. Diese Abbildung ist in der Vergangenheit in die vorrömische bzw. römische Zeit datiert worden, bei genauerer Betrachtung der Quellenlage scheint der Gigant allerdings erst im späten 17. Jahrhundert aus dem Hügel gearbeitet worden zu sein (Hutton, Isles 160ff). Das schmälert seine Bedeutung für Neuheiden allerdings keineswegs. Mit seinem erigierten Penis und der Keule in der Hand ist er ein Symbol für Kraft und sexuelle Energie. Der Sprecher erinnert sich an einen Besuch des Hügels und wie er sich gewünscht hat, die Umzäunung zu umgehen, um sich lusterfüllt auf das Geschlechtsteil des Giganten ins Grass zu legen. Die erste Erinnerungsszene in der dritten Strophe weist in Zeile 14 eine deutliche Ikonizität auf: die Zeile ist sehr viel länger als die übrigen Zeilen der Strophe und imitiert durch ihre Länge den „erect penis“ (14) des Giganten. Diese Stelle und die später folgende Zeile 31, die ebenfalls durch ihre Länge den ikonischen Bezug zum Inhalt („my groin“, 31) herstellt, sind ein hervorragendes Beispiel für Ikonizität in „Long Lines“: „the (visual) length or shortness of a single line may iconically reflect the semantic content of the line, such as length, size“ (Nänny 236). Hier findet gelebte Männlichkeit, die innerhalb Wicca manchmal zu kurz zu kommen scheint, ihren lyrischen Ausdruck. In der zweiten Erinnerungsszene befindet er sich im Musèe de Cluny und betrachtet die Cernunnos-Abbildung auf dem bereits beschriebenen Denkmal. Als kein Museumswärter zuschaut, berührt er den Kopf des Gottes mit zitternder und kribbelnder Hand. Die Beschreibung der Berührung des Gesichtes mutet fast liebevoll an, wenn er „the god’s bearded face“ (19), „the stag/ antlers“ (19f) und „the bow“ (20) aufzählt. Und schließlich denkt der Sprecher in der nächsten Strophe an die Fotografien des Kessels von Gundestrup, wie sie den Cernunnos als ‘Herrn der Tiere’ zeigen. Mit diesen drei Bildern beschwört der Sprecher geradezu den Gott, zu ihm zu kommen. Es scheint, als meditiere er sich in einen Zustand hinein, um schließlich mit dem Gott in Verbindung treten zu können. Durch die Parallelführung im Präsenz wird schließlich die Identifikation sowohl der verschiedenen Orte als auch des Sprechers mit dem Gott impliziert. 214 Die sechste Strophe bringt Sprecher und Leser gleichermaßen in die aktuelle Realität zurück. Shaun hat bereits mit dem Stechen des Motivs begonnen und nach und nach nimmt das Tattoo Formen an. Um welches Cernunnos-Motiv genau es sich dabei handelt erfährt der Leser nicht, wohl aber dass es den Bart und die charakteristischen Hörner aufweist. Die Enjambements, die den gesamten Text prägen, machen die Aufregung deutlich, die sich im Zusammenhang mit den deiktischen Elementen „Now“ (10), „And here“ (16), „And there“ (21) und „And now here“ (25) im Sprecher aufgebaut hat und die nun in der letzten Strophe zur Identifikation des Sprechers mit dem Gott führt. Dabei äußert sich die Aufregung wieder in sexueller Erregung, was durch die Abwärtsbewegung der Empfindung („my chest, my belly, my groin“, 31) deutlich wird. Die sich verdichtende Körperbehaarung ist ein Hinweis auf das gesteigerte Männlichkeitsempfinden in diesem Moment und der Vergleich der neuen Haare mit frischen Fichtennadeln zeigt, dass der Sprecher erneut zurückgezogen wird in seinen meditativen Zustand, in dem er Pflanzen-und Tierwelt in der Metapher „antlers of the oak“ (Geweihstangen der Eiche, 32) miteinander vereint und sich selbst schließlich als tierischen Bestandteil der evozierten Waldszenerie wahrnimmt („my animal body“, 34). Das animalische, wie es für den Gott charakteristisch ist, findet im Tätowierten seine Entsprechung. Durch die Tätowierung hat sich der Sprecher nun untrennbar mit dem Gott verbunden, der Gott dringt in seinen Körper ein („Cernunnos entering the body of His priest“, 35). Die letzte Strophe spannt mit „marriage of May Eve“ (31) den globalen Bogen wieder auf den Brocken zurück und bekräftigt mit dem Hinweis auf Beltane noch einmal das erotischsexuelle Thema. Der Text geht über das allgemeine Attribut der Wildheit des Gottes hinaus und verankert es konkret in sexueller Lust und Erregung. Sexualität, die in den großen monotheistischen Religionen eine Geschichte starker Reglementierungen durchlaufen hat, ist für Wicca und Neuheidentum ein fester Bestandteil des Konzeptes des wiccanischen Gottes. In dieser Hinsicht gilt die Identifizierung des Sprechers mit Cernunnos stellvertretend für die Identifikation jedes neuheidnischen Mannes mit dem Gott. Besonders wichtig vom religionswissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen ist der Hinweis, den das Enjambement der Zeilen 33 und 34 mit seiner deutlich ikonischen Funktion gibt: der wiccanische Gott hat ein Gesicht („God’s face“, 33), das sich nun in der Haut des Sprechers eingestochen bzw. eingeätzt („etched“, 34), befindet. Dieses Gesicht kann betrachtet, gemalt und, gemäß dem Text, tätowiert werden. Damit steht der Gott in einer Reihe mit z.B. unterschiedlichen hinduistischen Göttern, wie etwa Shiva (Männergestalt) oder Ganesha 215 (Tiergestalt), oder etwa mit altägyptischen Götterdarstellungen, wie z.B. Anubis (Mischgestalt). Abgesehen davon, dass auch Bäume und Pflanzen aufgrund der Immanenz des Göttlichen in der Natur als Gesichter des Gottes bezeichnet werden, sucht der wiccanische Gott als Cernunnos mit dem Menschen Blickkontakt (Im Hinduismus gilt der Blickkontakt, ‘Darshana’, mit dem Götterbild als reinigend, stärkend und Trost spendend; Tworuschka, Lexikon 92). 1.7.3 Der Grüne Mann Der wiccanisch-neuheidnische Gott wird häufig auch als ‘Grüner Mann’ gesehen. Sein Gesicht besteht aus einem Paar von manchmal verschmitzt, manchmal bedrohlich aussehenden Augen umringt von dichtem Blattwerk und einem mal schelmischen, mal mürrischen, mal verkniffenen, mal aufgerissenen Mund, aus dem häufig weitere Blätterranken sprießen. Entsprechend seiner über und über mit Blättern verzierten Züge wird dieses Gesicht auch ‘Der Grüne Mann’ genannt (siehe Anhang 1, Abbildung 2). Als der erste Grüne Mann wird das Gesicht auf der keltischen Steinsäule von St. Goar im Hunsrück aus dem 5. Jahrhundert vor Christus bezeichnet. Mittelalterliche Holzmöbel Adliger waren mit ihm dekoriert und besonders häufig findet man ihn in und an Kirchen. Er begegnet in französischen, englischen und deutschen geistlichen Bauwerken. Eine in Stein gearbeitete Abbildung von um etwa 1000 nach Christus befindet sich in der Krypta von St. Bénigne in Dijon, die Exeter Cathedral in Devon schmücken direkt mehrere Gesichter des Grünen Mannes und der Grüne Mann in der Elisabethkirche in Marburg zeichnet sich durch besonders feingliedrig ausgearbeitete Blätter aus. Besonders in der gotischen Bauperiode waren neben den Gargoyles Grüne Männer überaus beliebt. Sie schmücken die Kathedrale in Chartres, blicken grinsend vom Münster in Freiburg im Breisgau, zieren die Liebfrauenkirche in Trier und schmückt den Sockel des Bamberger Reiters im Bamberger Dom (Anderson, William). Am häufigsten ist der Grüne Mann jedoch in Großbritannien zu sehen. Dort ziert er sowohl kleine Dorfkirchen als auch große Sakralbauten. Besonders vielfältige Exemplare befinden sich in Herefortshire, dabei mehrere Motive in St. Mary & St. David in Kilpeck, besonders viele Darstellungen in Kent (besonders in Canterbury Cathedral), Lincolnshire, Devon und Sussex (Doel/Doel 131ff). 216 Ob die zahlreichen Blättergesichter ursprünglich „representations of lost souls or wicked spirits“ darstellten oder lediglich der Ausschmückung von Kirchen dienten, lässt sich nicht sagen (Hutton, Isles 314f). Mit ziemlicher Sicherheit kann man jedoch feststellen, dass „none of these images could have been a beloved pagan deity, placed in churches by popular demand“ (Hutton, Isles 316). Wahrscheinlich ist der Grüne Mann lediglich Teil einer reichen Dekorationstradition des Mittelalters. Das soll nicht bedeuten, dass der mittelalterliche Betrachter dabei nicht bestimmte Assoziationen mit den Blättergesichtern verband. Die ausgestrahlte Wildheit, die Verbindung mit dunklen Wäldern, wie man sie heute in Europa kaum mehr findet, und die Augen, die wie heimlich aus den Blättern hervorlugen, haben den Betrachter sicherlich an andersweltliche Bewohner, wie Feen oder Geister, erinnert. Dabei hat auch die Farbe Grün eine besondere Bedeutung: „The colour green is both the colour most redolent of the natural world and of vegetation, growth and renewal, and the colour associated in traditional British cultures (and in some other parts of the world) with the extension to the natural world -the supernatural in both its ‘Otherworld’ and afterlife elements. [...] in many parts of Britain the colour has been, and to some extend still is, regarded as an unlucky colour [...]. In alchemy the colour green was a positive symbol [...] which was the ‘raw material’ at the beginning of the alchemical process on the quest for the elixir of life.“ (Doel/Doel 25) Die Kelten betrachteten Grün als die Farbe Irlands, doch mit dem Christentum erhielt Grün eine negative Konnotation, „because the Christians associated the colour with fertility (especially sexuality), paganism and the supernatural“ (Doel/Doel 27). Parallel dazu wurde allerdings auch eine Verbindung hergestellt zwischen dem begrünten Baum und dem Kreuz Jesu Christi, so dass Blätter-und Baumgesichter durchaus ambivalent belegt waren (Doel/Doel 59, 63). Der Grüne Mann als Blättergesicht stellt also kein unbedingt typisches und erst recht keine ausschließlich heidnisches Motiv, wie etwas die für die Kelten so bedeutenden (Eichen-) Bäume, dar. Allerdings vermittelt der Grüne Mann etwas Urtümliches, Grundlegendes und Grundnatürliches, das Anderson „irrepressible life“ nennt (Anderson, William 14). Nach Anderson stellt der Grüne Mann einen der großen Archetypen der Menschheit dar, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und die C. G. Jung psychologisch 217 beschrieben hat. Als Archetyp ist der Grüne Mann die Verbindung zwischen Mensch und Natur. Er ist gleichzeitig „watcher and transmitter of life“ und erinnert den Menschen an seine Eingebundenheit in die Abläufe der Natur (Anderson, William 163). Auf der spirituellen Ebene bedeutet der Grüne Mann „a new understanding of the relationship between the macrocosm -the universal world -and the microcosm in ourselves“ (Anderson, William 163). Auf ökologischer Ebene verweist er auf den Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Menschen auf der Erde und den Auswirkungen auf die natürlichen Rhythmen. Er steht für den einerseits aufblühenden und andererseits kompostierbaren Menschen als Teil der Natur. Als Archetyp mit seiner spirituellen und ökologischen Bedeutung ist der Grüne Mann das Gesicht des wiccanisch-neuheidnischen Gottes. Aus einem jahrtausendalten Reliefmotiv mit unsicherer historischer Bedeutung ist ein theologisches neuheidnisches Symbol geworden, das die diversen Züge des Gottes in sich vereint. Auch im Falle des Grünen Mannes hat Wicca ein mehr oder weniger freies Element durch religiöse Qualifizierung zu einem spirituellen Kernpunkt innerhalb der eigenen Religion transformiert. 218 1.7.4 Gedichtanalyse „King of the Wood“, Doreen Valiente In ihrem 32-zeiligen Gedicht thematisiert Doreen Valiente die zeitlose Bedeutung des Gottes. Das Gedicht beginnt mit der Anrede des Gottes als „Greenwood God“ (1) und nennt ihn den „Spirit of the mighty oak“ (2). Die versteckte Gegenwart des Gottes äußert sich im Rascheln der Blätter („In its leaves a mystic voice“, 5) und seine Anwesenheit spendet Freude („rejoice“, 6) und Lebenskraft („living power/ Flowing from thee“, 7f). Die Zeilen 9 und 10 beenden syntaktisch zwar den Satz aus Zeile 7, führen aber mit der Anrede „Spirit of the life 219 of earth“ (9) und „round on death and birth“ (10) das Thema der folgenden Zeilen ein. Die Worte „round“ (10), „Circle“ (13) und „Rear“ (16) rufen den Eindruck kreisförmiger Bewegung hervor und verweisen in Verbindung mit „year“ (11) und „witches’ fire“ (13) auf den unter Wicca und Neuheiden gefeierten Jahreskreis. Als Hauptperson dieser Feiern nennt der Text den Gott mit „antlers high“ (16) und „cloven hoof“ (17), der Bäume und wilde Tiere segnet (19). Die Geschichte des Gottes und sein Schicksal im Jahreskreis ist im Abschnitt zu den Jahresfesten der Wicca genau ausgeführt. In diesem Gedicht findet das Lob des „Greenwood God“ mit dem Ausruf „Glory to the Wilderness!“ (20) zunächst seinen Höhepunkt. Der nächste Abschnitt des Textes eröffnet dem Leser eine zunächst erschreckend anmutende Vision und zeichnet ein Bild sterbender Städte, auf das allerdings vom heidnischen Standpunkt aus ein Bild des puren Lebens folgt: „Trees shall live when cities die“ (22; die Argumentation erinnert an William Cowpers [1731-1800] The Task: „God made the country, and man made the town“, I, 749). In dieser apodiktisch formulierten Vision holt sich die Natur abgegebenes Territorium zurück, die Winde der vier Himmelsrichtungen wehen den Staub fort und der Regen wäscht ihn in den Boden (23f). Mit den Naturereignissen Wind und Regen wird so ein Bild der Reinigung aufgebaut. Die Zeilen 25f füllen nun die vom Staub gereinigte Szenerie mit dem Glanz des Regenbogens auf und tauchen das Bild in ein Smaragdgrün. Die Formulierung „Lend the earth its emerald green“ (26) definiert dabei Grün als die Farbe der Erde. Die folgenden Zeilen beschließen das Gedicht mit der Botschaft, die der Gott den Wicca verkündet: Bevor der Mensch entstand, war die Erde grün und gewissermaßen unberührt, und sollte es eines Tages keine Menschen mehr geben, ist es das Grün der Vegetation, das übrig bleibt. Gemäß dem „One immortal destiny“ (30) sind alle sterblichen Wesen Bestandteil des Kreislaufs vom Werden und Vergehen. Der Jahreskreislauf wird als „immortal destiny“ zu einem kosmischen Kreislauf, in dem die Natur die regulierende Kraft darstellt. Das zyklische Zeitmodell der Wicca, das im Text entworfen wird und das sich auch in dem Glauben an die Weiterverkörperung widerspiegelt, erinnert entfernt an das hinduistische Rad der Zeit und an die Kreislaufkonzeption der Yuga, der sich zyklisch bewegenden und wiederholenden Zeitalter. Mit dem Wechsel zurück zum ‘irdischen’ Gegenwartsstandort „beneath thy tree“ (31) und dem Wissen um die universal-menschliche Beziehung zur Natur „One with Nature“ 220 (32) verlässt der Leser die philosophische Reflektion und wird mit dem typisch neuheidnischen Abschiedsgruß „blesséd be“ (32) verabschiedet. Die veraltet anmutenden Pronomen „thee“ (1, 8, 19) und „thy“ (3, 4, 31) stehen im Wicca stark im Zusammenhang mit der Historisierungsstrategie in Anlehnung an den Mythos von der ‘Old Religion’. Im vorliegenden Text zielt die Fokussierung der Pronomen auf den Gott aber vorwiegend auf dessen Göttlichkeit und die ihm entgegengebrachte Ehrerbietung. Zusätzlich begegnet dreimal das Motiv der Segnung (4, 19, 32) und die Herrschaft des Gottes wird durch Begriffe wie „mighty“ (2) und „Glory“ (20) und nicht zuletzt durch den Titel des Gedichtes „King of the Wood“ unterstützt. Mit diesen ‘Heiligkeitsbezeugungen’ an den Gott zeigt das Gedicht die Immer-und Allgegenwärtigkeit des Gottes sowohl in der einfachen Nähe der raschelnden Blätter (5), als auch in dem eher abstrakten Konzept des Kreislaufs der Welt. Wenn der Gott auch nicht das in sich geschlossene Gesamtkonzept der Göttin mit der starken Symbolkraft des Mondes aufweist, obwohl er durch den astronomischen Jahreskreis ausdrücklich mit der Sonne in Beziehung steht, so verfügt er doch über eine starke bildliche Aussagekraft in seiner Verknüpfung von Mensch und Natur. Durch die Darstellung als gehörntes, halb-menschliches, halb-tierisches Wesen oder als archetypisches Blättergesicht ist der wiccanische Gott ein Gott ‘zum Anfassen’. Ist die Göttin der Inbegriff des spirituellen, geistigen Lebens, so ist der Gott der immerwährende kosmische Motor des körperlichen, natürlichen Lebensimpulses. In ihrer Partnerschaft spiegeln beide die untrennbare Verbindung zwischen der Geistigkeit und der Körperlichkeit im Weltbild der Wicca wider. 221 2. Der Jahreskreis und der Mythos der Götter „Sol arose newborn! we four greeted His small warmth then returned to ours.“ („Yule“, Michael E. Bérubé) Die göttliche Geschichte im Kreislauf des Jahres verknüpft den sich immer wiederholenden Ablauf der Jahreszeiten und der damit verbundenen Naturgegebenheiten mit dem Lebenskreislauf „des sterbenden, sich aufopfernden Gottes und [...] der unsterblichen, sich wandelnden Göttin“ als ewigem Mythos der Wicca vom Werden und Vergehen, von Geburt, Leben, Sterben und Wiedergeborenwerden (Green 51). 2.1 Die acht Jahreskreisfeste Der Kreislauf, der in sich keinen Anfang und kein Ende hat, beginnt jedoch (was die Geschichte des Mythos zum Zweck der Erzählung angeht) zu Yule, gefeiert um den 21. Dezember. Die Wintersonnenwende stellt den Zeitpunkt der Geburt des Gottes durch die Göttin dar. Von diesem Tag an werden die Nächte langsam wieder kürzer und die Tage länger. Es ist der Zeitpunkt der Geburt von Sonnengottheiten, wie etwa des indoiranischen Gottes Mithras. Für Wicca ist das Yule-Fest mit existentiellen Fragen wie „Will the light be reborn? Will the Sun return?“ und der Bitte um die Wiederkehr des Lichtes mit dem Vertrauen um den kommenden neuen Jahreszyklus verbunden (Rae Beth, Hedge 37). So symbolisieren die zu diesem Fest angezündeten Kerzen und anderen Lichter auch die Rückkehr des Sonnenlichts und fungieren als „reminder that the ultimate product of death is rebirth“ (Cunningham, Wicca 65). Der Gott wird aus dem Schoß seiner Mutter, der Göttin, wiedergeboren und „within a timeless moment all things are made new. [...] All of nature is restored.“ (Rae Beth, Hedge 38). Der 2. Februar wird als Imbolc gefeiert, das Fest der Erholung der Göttin von der Geburt und der ersten Zeichen der Wiederkehr des Frühlings. Die Sonne hat es bereits geschafft, erste Pflanzen aus ihrer Winterruhe aufzuwecken und der Gott ist zu einem lebhaften Jungen herangewachsen. Imbolc ist auch das Fest zweier bedeutender wiccanischer Gottheiten, 222 zweier wichtiger Aspekte der Göttin und des Gottes, der Göttin Brigit und des Gottes Pan. Brigit ist eine der wenigen Gottheiten, von denen man sicher ausgehen kann, dass sie schon bei den irischen Kelten verehrt wurden. Sie galt als Tochter des irischen Hauptgottes Dagda und wurde aufgrund ihrer großen Beleibtheit bei den Iren als Schutzpatronin Irlands in das Christentum eingegliedert (Maier 76). In England begegnet sie als Brigantia, in Schottland als Bride und im keltischen Frankreich als Brigandu (Monaghan 54). Sie galt den Kelten als Göttin der Heilquellen, des Herdfeuers (ihr Symbol ist das Feuer) und außerdem als Göttin der Handwerks, der Schmiedekunst und der Dichtung, vermutlich auch der Fruchtbarkeit, was sie im Nebenaspekt als chthonische Gottheit auftreten lässt (Maier 76; Cotterell 77). Allerdings ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass wir es im Blick auf alte keltische Gottheiten vorwiegend mit regional verehrten Göttern zu tun haben, die keineswegs als gesamtkeltische Gottheiten betrachtet werden dürfen, und das auch eine Namensähnlichkeit nicht unbedingt auf die selbe Gottheit schließen lässt (Maier 83, 93). Was den Glauben der Wicca angeht so steht Brigit für den Aspekt der jungen Göttin, der Jungfrau, des jugendlichen Mädchens. Die Göttin ist erfrischt und jung, sie verkörpert die Zeit des Frühlings, der Jugend und -als Göttin der Dichtung -der Inspiration. Der junge Gott bringt dementsprechend das Licht der Sonne auf die Erde und versorgt alle Lebewesen mit neuer Energie. In seiner spielerischen, unbeschwerten Art wird er zu Imbolc auch als Pan verehrt (siehe Kapitel zum Gott). Den eigentlichen Beginn des Frühlings feiern die Wicca um den 21. März mit dem Ostara- Fest. Ostara ist, wie auch Mobon, ein gewissermaßen eingeschobenes Fest, um den symmetrischen Kreis der acht Jahresstationen zu vervollständigen. Als solches stellt es eine spätere moderne Ergänzung zu den vier keltischen Hauptfesten und den Sonnenwendfesten dar (Harvey 9). Der Name des Festes geht auf die teutonische Göttin Eostre zurück, die als Frühlingsgöttin auch Namensgeberin für das christliche Osterfest ist (Zingsem 114; Farrar/Farrar, Goddess 218). Ostara wird als Fest der Freude gefeiert und Wicca erinnern sich an die Geschichte von Persephone und Demeter, denn zu dieser Jahreszeit kehrt Persephone aus der Unterwelt zurück und Demeter lässt daraufhin durch ihre Freude über das Wiedersehen mit der Tochter die Natur aufleben und erblühen. Zum Fest der Fruchtbarkeit und des neuen Erblühens der Natur gehören auch bei den Wicca hart gekochte und bemalte Eier zur Feier des Frühlings dazu. Sie sind Symbol für die Fruchtbarkeit der Natur, der Pflanzen und Tiere (Rae Beth, Hedge 48): „It is the World Egg, laid by the Goddess and split open by the heat of the Sun God“ (Farrar/Farrar, Bible, Teil1 76). Das Zitat erinnert an 223 verschiedene Schöpfungsmythen, die das Ur-Ei als kosmologisches Motiv aufweisen. So wird etwa die chinesische Schöpfergestalt Pan-Gu aus einem Ei geboren, das auseinander bricht, weil Pan-Gu zu groß geworden war. Die aus dem Ei fließenden Teile bilden Himmel und Erde, die Pan-Gu mit seiner Kraft auseinander stemmt (Tworuschka/Tworuschka, Als die Welt 68ff). In Indien kennt man den Mythos des Urwassers, das durch Erwärmung das goldene Ei ausbrütet und so Prajapati, den „Herr der Geschöpfe“ hervorbringt (Tworuschka/Tworuschka, Als die Welt 88f). Für Wicca symbolisiert das Ei zwar nicht den Ur-Anfang und die Schöpfung der Welt, es verdeutlicht aber das Wiedererblühen der Natur und einen jährlichen neuen Anfang. Auch zu Ostara begegnet die Göttin als junge Frau, sie hat allerdings nunmehr ihre ausschließlich mädchenhaften Züge hinter sich gelassen und verkörpert die Energie des Sprießens der Natur und zeigt dabei durchaus die ersten sexuellen Merkmale, allerdings immer auf dem Hintergrund der Freiheit und Ungebundenheit. Es ist die Zeit, in der die Wicca sich des Lichtes und der von der Natur hervorgebrachten bunten Farben freuen und ihr zu Hause und ihren Altar mit den verschiedensten Blumen schmücken: „For many Pagans spring equinox is much like Imbolc „only more so“. There are more flowers, more young animals, more warmth, more going-out -more spring. The sap is rising in the trees. Spring can be seen as a time when energies rise. [...] Its themes seem to reiterate those of Imbolc or anticipate those of Beltain.“ (Harvey 9f). Ostara weist insofern auf das nachfolgende Beltane-Fest voraus, als dass es die Fruchtbarkeit und Fortpflanzung des Menschen noch nicht explizit thematisiert, allerdings darauf hindeutet. Die Beschäftigung mit dem Wachsen und Werden in Pflanzenreich und Tierwelt muß zwangsläufig zu Beltane in der Feier der menschlichen Fruchtbarkeit kulminieren. Beltane führt das bereits zu Ostara eingeführte Motiv der Fruchtbarkeit fort, indem es nun die Fruchtbarkeit des Menschen und seine Sexualität thematisiert. Auf der Ebene des wiccanischen Göttermythos findet diese Schwerpunktsetzung ihre Entsprechung. Der Gott ist zum Mann herangewachsen und die Göttin ist bereit, sich nun auch zum Zwecke der Zeugung mit ihm zu vereinigen. Es ist das Fest des Sommeranfangs und zugleich der Anfang des neuen Lebens, das die Göttin nun in sich trägt. Dabei hat sich auch die Funktion des Gottes vom eher 224 ungestümen Pan-zum väterlichen Cernunnos-Aspekt hin verschoben. Bel, oder die latinisierte Form Belenus, war der keltischer Gott des Feuers, der in Teilen Italiens und Südfrankreichs verehrt wurde (Maier 83). So wurden zu dieser Zeit auch an Beltane Feuer zur Feier der Fruchtbarkeit und des neu erblühten Lebens entfacht. Der Sprung über das Feuer diente als Liebeszauber und hat dazu beigetragen, dass die bei den Heiden beliebten Festivitäten am Vorabend des Beltane-Festes, der Walpurgisnacht, die schlechte Konnotation von Orgie und ‘Teufelsdienst’ bekam (Das Hexenbuch 86). Ein besonders in Deutschland nach wie vor und nicht nur unter Heiden beliebter Brauch ist die Errichtung und Schmückung des Maibaums. Für Neuheiden und Wicca symbolisiert der Maibaum den Gott in seiner Fruchtbarkeit und ist als phallisches Symbol zu verstehen, während als weibliches Äquivalent und als Symbol der Göttin in Ritualen der Wicca häufig der Kessel als Zentrum einer entsprechenden Zeremonie fungiert, weil er den Mutterschoß der Göttin darstellt, in dem sie das neue Leben empfangen hat (Rabinovitch/Lewis 233; Cunningham, Wicca 66). Der mütterliche Aspekt der Göttin ist ein umfassender Aspekt. Die Göttin ist Mutter und Schöpferin auch im übertragenen Sinne, d.h. was Kreativität, Tatkraft, Berufstätigkeit und Organisation in diversen Bereichen des Lebens angeht. Dieser Bestandteil ist besonders wichtig für Wicca, die im Berufsleben stehen, eigene Pläne verwirklichen und zielgerichtet danach streben, ihre Wünsche zu realisieren. Mutter sein bedeutet in diesem Zusammenhang etwas zu schaffen, vielleicht eine schwierige Aufgabe zu bewältigen und vorwärts zu schauen. Daneben ist mit der Göttin in ihrem Aspekt als Mutter parallel auch die biologische Mutterschaft von Bedeutung: „The Mother is the one who brings birth. She is there whenever we complete a book or poem, song or picture; or when we fulfil a dream or see a project right through to the end. [...] In sex, she is the orgasm. In life she is fulfilment, the completion. She is primary, the source of all life.“ (Rae Beth, Hedge 34). Beide Arten der Schöpferkraft sind im Wicca stark miteinander verbunden. In den Anfängen des Modernen Wicca um Gerald Gardner stand die menschliche Fruchtbarkeit und die Göttin als Mutter in ihrer biologischen Funktion im Vordergrund. Dementsprechend betont das Beltane-Fest auch diese Nuance der Göttin. Sexualität wird zu diesem Fest hinübergeführt in Gegenseitigkeit und Verantwortung. Dies führt zu dem zentralen Punkt, den die Göttin als 225 Mutter verkörpert, nämlich zur Liebe (Cunningham, Wicca 11). Diese Liebe ist deshalb von komplexer Natur, weil sie einerseits über die Bedeutung des Sexus und Eros hinausgeht, andererseits aber diese beiden Bedeutungen selbst auf ihrem Weg hin zur Agape weiterhin beinhaltet. Im strengen Sinne kann also nicht von reiner Agape die Rede sein, vielmehr beinhaltet der Aspekt der Mutter alle drei Komponenten in integrierter Form. Der Gedanke, dass die Göttin im Laufe des Jahresmythos ihren eigenen Sohn zum Geliebten nimmt, birgt sicherlich auch die Gefahr einer inzestuösen Konnotation. Ebenso seltsam erscheint es, dass der Gott, der zu Beltane zum Mann herangewachsen ist, sich in der Vereinigung mit der Göttin selber zeugt, um zu Yule erneut geboren zu werden. Doch tatsächlich verstecken sich dahinter drei Komponenten der wiccanischen Seinsauffassung: 1. das jährliche Wiedererblühen der Natur aus sich selbst verknüpft mit dem Bewusstsein, dass der Mensch untrennbarer Teil dieses natürlichen Kreislaufs ist, 2. die Sicht der menschlichen Sexualität als integrativer Bestandteil eines gesunden Menschseins verbunden mit der Auffassung der Göttlichkeit des Menschen inklusive seiner Sexualität und 3. die Konzeption des Göttlichen als männlich und weiblich, als Göttin und Gott, welches in seiner Göttlichkeit Sexualität einschließt. Dass bedeutet nicht, dass die klassischen drei Arten der Liebe nicht auch im Wicca als reine Formen erlebbar angesehen werden, denn das Leben zeigt den Wicca, dass Liebe manchmal eben nur Sexus, Eros oder Agape sein kann, und dass das angesichts des Lebenskreislaufes auch richtig ist. Das Göttliche aber beinhaltet im Wicca immer alle drei Komponenten. Göttliche Liebe ist hier nicht ausschließlich Agape, wie im Christentum, sondern ein integratives Konzept aller drei Merkmale. Im Hinblick auf die polytheistische Betonung bei vielen Wicca rückt es Götter und Menschen näher aneinander und etabliert einerseits die göttliche Sicht des Menschlichen und erklärt andererseits eine gewisse Menschlichkeit der Götter. Wie auch aus dem obigen Zitat erneut deutlich wird, spielt Sexualität eine so bedeutende Rolle im Wicca, weil sie die Triebfeder des natürlichen Flusses allen Lebens ist. Sie ist der zündende Funke, der neues Leben erst ermöglicht und ist deshalb auch neben dem Tod eines der Mysterien des Lebens (Rae Beth, Hedge 31). Aber auch hier bedeutet der Begriff Mysterium keineswegs etwas Übermenschliches oder Übernatürliches. Vielmehr ist mit seiner Schwerpunktlegung auf die Sexualität des Menschen, der Feier des vollen Erblühens der Natur und der Freude am Leben ist Beltane ein Fest, bei welchem, wie Harvey es beschreibt, „ ‘ordinary’ or ‘secular’ things are honoured“ und wodurch deutlich wird, dass „Paganism is not 226 concerned with the unusual or the supernatural, but with the miracle of ordinary life in all its facets“ (Harvey 11). Zur Sommersonnenwende, welche die Wicca um den 21. Juni als Sommerfest feiern, sind die Tage lang und die Nächte kurz und das Licht des Sommers sorgt auf der Erde für das Gedeihen der Pflanzen und das Reifen der Früchte. Zuweilen wird dieses Fest auch Litha genannt. Woher dieser Name für die Sommersonnenwende stammt, ist jedoch nicht sicher. Möglicherweise geht er auf den angelsächsischen Begriff lida für Mond zurück, während manche keltisch orientierten Wicca glauben, dass der Begriff Litha der alte Name für die Sommersonnenwende war (Grimassi, Encyclopedia 354). Was die besondere Thematik des Festes angeht, so sind sich Wicca und Heiden im allgemeinen jedoch einig: es ist das Fest der Sonne, der Kraft der Natur und jährliche Höhepunkt der zur ganzen Blüte erwachten Natur. Der Gott zeigt seine Stärke in der Natur und die Göttin ihre Anwesenheit in den Farben der Blumen. Wie sich zu Yule das Licht der wieder länger werdenden Tage ankündigt, so verweist Litha aber auch bereits auf den Abschied von der Sonne und auf den Abschied vom Gott. Dieser hat all seine Kraft und Stärke in Korn und in Früchte fließen lassen: „Outwardly, in nature, his power now goes into the grain, as the Sun ripens what Mother Earth is producing.“ (Rae Beth, Hedge 35). Hierbei wird die Verbindung zwischen Lebenskreis der Götter, Sonnenkreislauf und agrarischem Rhythmus besonders offensichtlich. Auch wenn die Abhängigkeit des Menschen von Anbau, günstigen Wetterbedingungen und Ernte heute vielen Menschen nicht mehr geläufig ist, so legen die Wicca großen Wert darauf, sich ihre Abhängigkeit von der Erde und ihrem vegetativen Rhythmus zu vergegenwärtigen. Zur Sommersonnenwende greifen die Wicca auch den Mythos vom „Oak King“, dem Eichenkönig als von Yule bis Litha regierender Gott des zunehmenden Jahres, und dem „Holly King“, dem Stechpalmenkönig als dem von Litha bis Yule regierender Gott des abnehmenden Jahres, auf. Die beiden Könige repräsentieren den natürlichen Rhythmus von Wachsen und Werden und Rückzug und Ruhe (Farrar/Farrar, God 35). Nach dem Mythos kämpfen die Könige zweimal im Jahr miteinander, wobei zu Litha der Holly King und zu Yule der Oak King triumphiert. Der Unterlegene wird getötet, stirbt jedoch nicht wirklich, sondern zieht sich für die Dauer des Herrschaft seines Bruders und Kontrahenten für ein halbes Jahr zurück. Die Geschichte der beiden konkurrierenden und kämpfenden Könige begegnet auch in der ‘Romance of Gawain and the Green Knight’ (Farrar/Farrar, God 37). Die 227 Eiche als Symbol der Stärke und Kraft und die immergrünen Blätter der Stechpalme als Bild der Zähigkeit und Dauerhaftigkeit stellen in ihrer Gemeinsamkeit Charaktereigenschaften des Gottes dar, denn nach wiccanischer Sicht sind Oak King und Holly King nur zwei verschiedene Gesichter des Gottes. Die Vorschau auf die künftige Verabschiedung der Sonne während der Feier ihres Zenits macht Litha für die Wicca zum Fest der Anerkennung des Todes im Leben (Das Hexenbuch 87). Mit dem Litha-Fest wird noch ein weiteres mythisches Motiv eingeleitet, nämlich das des sich opfernden Königs. In Religionswissenschaft und -geschichte ist das Motiv von verschiedenen afrikanischen Völkern bekannt. Hier opfert sich der König bzw. wird er getötet, um seine Lebenskraft an einen jüngeren Nachfolger zu übertragen: „The man-god must be killed as soon as he shows symptoms that his powers are beginning to fail, and his soul must be transferred to a vigorous successor before it has been seriously impaired by the threatened decay“ (Frazer 309; als Beispiele nennt Frazer die Shilluk, Zulu und Yoruba). Manche Völker legten von vorneherein eine bestimmte Zeitspanne fest, nach deren Ablauf der König geopfert wurde (Frazer 319; z.B. eine Spanne von zwölf Jahren in Teilen Südindiens). Der Opferakt wird „als Erneuerung oder womöglich gar Selbst-Regeneration des Göttlichen durch Göttlich- Mächtiges aufgefasst“ (Goldammer 152). Für die Wicca spendet der König/Gott seine Kraft und gibt gewissermaßen für den neuen Jahreskreis sein Leben als Kornkönig zu Samhain her. Die Kraft des Gottes geht in die Feldfrüchte ein und durch den Verzehr in den Menschen (Goldammer 73). Die Thematik des sich aufopfernden Gottes, dem die Erde ihr Wachsen und die Göttin ihre Schwangerschaft verdankt, entspricht der großen Bedeutung der Fruchtbarkeit, die zu Litha noch immer eine herausragende Rolle einnimmt. Farrar/Farrar weisen darauf hin, dass Aufopferung und Wahrnehmung von Verantwortung heute jedoch nicht mehr nur als Aufgaben einer einzigen Person gesehen werden dürfen, sondern dass jeder Mensch in die Pflicht genommen werden muß, das Opfermotiv in seiner individuellen täglichen Lebenswelt selbst in Form von gegenseitiger Verantwortung und Handeln in Gemeinschaft zu realisieren (Farrar/Farrar, God 42). Zu Lughnasadh beginnt die agrarische Ernte. Früchte sind ausgereift und können gepflückt werden, das erste Getreide ist reif. Deshalb wird dieses Fest auch meistens mit Brot und Obst gefeiert, weil diese die erste Ernte des Jahres symbolisieren. Der Name Lughnasadh bedeutet „Versammlung Lugs“ und thematisiert das Gedenken an den iro-keltischen Gott Lugh bzw. 228 Lugus. Es ist der Name des irischen Erntefestes und der iro-gälische Name für den Monat August. Außerdem wird das Fest auch Lammas (loaf mass) genannt, welches die Bezeichnung für das angelsächsische Fest der ersten Früchte ist und mit der Tradition der Brote in Verbindung steht, die als Symbol für die erste Feldernte im Mittelalter dem Parish (Priester) in der Kirche dargeboten wurden (zu detaillierten Ausführungen zu Herkunft und Funktion in keltischer Zeit siehe Maier 87ff, Le Roux/Guyonvarc’h 121ff und Rabinovitch/Lewis 234f)). Aus den Angaben in Farrar/Farrar, Bible, Teil 1 und Das Hexenbuch lässt sich die Aussprache [‘lu:nå:zå:] rekonstruieren. Auch die Wicca feiern am 1. August bzw. an dessen Vorabend Lughnasadh als Erntefest und als Beginn des Herbstes. Das Fest basiert auf der grundlegenden Einsicht, „that ‘nature’ includes all that we eat and drink“ (Harvey 12). Seit der Sommersonnenwende ist der Gott immer schwächer geworden, seine Kraft braucht sich langsam auf, so wie die Tagessonnenstunden nun auch wieder abnehmen und die Nächte allmählich wieder länger werden. Doch so sehr das Fest von der Trauer um den schwindenden Gott geprägt ist, wird es begleitet von der Dankbarkeit für die Kraft, die er den Menschen zur Verfügung gestellt hat: „His power has gone into the corn, and now it begins to be reaped“ (Rae Beth, Hedge 36). Die Alterung des Gottes setzt sich fort bis zum Mabon-Fest um den 21. September. Der Gott als alter Mann erinnert die Wicca daran, die Dinge in Ruhe abzuwägen, zurückzuschauen und das vergangene Jahr angemessen zu beurteilen. Es ist außerdem das Fest der Danksagung für die Gaben der Erde und es ist die Zeit der Vorbereitung auf die dunklere Jahreszeit (Rae Beth, Hedge 37). Die Herbsttagundnachtgleiche markiert das Ende der Ernte und auch die Natur bereitet sich auf ihre winterliche Ruhephase vor. Der agrarisch lebende Mensch zieht sich nun in die Wärme seines Heims zurück, sucht die Ruhe nach der Arbeit, denn die Erntearbeit für dieses Jahr ist getan (Farrar/Farrar, Bible, Teil1 116). Mit seiner Thematik des Innehaltens und des Rückblicks in Verbindung mit dem Gott als gealtertem Mann fungiert das Mabon-Fest als eine Art retardierendes Moment, einerseits was die Erfüllung des Jahreskreises angeht und andererseits in Bezug auf die immer schwächer werdende Sonne in ihrer Funktion als Licht- und Wärmespender, also als Lebensquelle, denn Mabon bereitet schon auf den Tod des Gottes an Samhain und seinen Weg in die Anderswelt vor. Das Motiv der „Gefangenschaft in einer anderen Welt“ (Maier 96) hat dem Fest seinen Namen gegeben: Mabon, der Sohn der göttlichen Mutter Madron, wurde drei Tage nach seiner Geburt seiner Mutter entführt und an 229 einem geheimen Ort gefangen gehalten, bis er schließlich von Gefährten des König Artus befreit wurde. Mabon war ein großer Jäger und Artus benötigte seine Hilfe, um die Forderungen des Riesen Ysbaddaden zu erfüllen, damit dieser seine Tochter dem Kulhwch zur Braut geben würde (Botheroyd/Botheroyd 206f). Das Motiv des geraubten Kindes und seiner Gefangenschaft entspricht in vielen Zügen auch der Geschichte von Demeter und Persephone. Mit dem Samhain-Fest und dem Fortgang des Gottes schließt sich der Kreis des Jahres. Die Göttin erscheint nun in ihrem Aspekt als alte Frau. Wo auch immer in der Literatur die Rede ist von der Alten, der ‘Crone’, ist ihr stärkster Charakterzug ihre Weisheit. Lebenserfahrung, gesammeltes Wissen und der systematische Überblick über die Dinge des Lebens sind die bestimmenden Komponenten, die der Alten Kenntnisse über die Mysterien verleihen: „[...] she sees patterns, knows the future and can give advice. [...] She brings an end to things, clearing away the outworn to make way for new life.“ (Rae Beth, Hedge 35). Dieses Wissen „may be bitter at first“, aber es führt zu einer umfassenden Sicht der Lebensabläufe (Rae Beth, Hedge 37). Im besonderen ist sie „the gateway to death“, das Tor, durch welches jeder Mensch früher oder später gehen muss, gleichzeitig aber auch diejenige, die den Menschen bei diesem Gang begleitet und „who guides us through it“ (Farrar/Farrar, Goddess 36). In ihrem Aspekt als Alte stellt sich die Göttin auch als die Dunkle Mutter dar. Als Dunkle Göttin verkörpert sie alles, wovor sich der Mensch fürchtet, und dabei besonders den Tod. In diesem Zusammenhang scheint sie erschreckend und furchtbar, dennoch ist sie nicht bösartig. Vielmehr treibt sie den Menschen seiner Bestimmung und damit seiner Wiedergeburt entgegen: „She urges us foreward to new life, and to her other self, the Bright Mother.“ (Farrar/Farrar, Goddess 19). 2.2 Dunkle Göttinnen des Kreislaufs: Kali, Hecate und Cerridwen Viele Wicca messen der Göttin Kali innerhalb des facettenreichen wiccanischen Göttinnenkonzeptes eine große Bedeutung bei. Als Furcht erregende Göttin stellt sie neben Shakti und Durga einen Aspekt der großen Göttin Devi dar. Kali (sanskrit „die Schwarze“) ist im Hinduismus die Gemahlin Shivas, welchen sie selbst in Raserei unter ihren stampfenden Füßen zermalmt hat. Sie verkörpert den „bedrohlichen Aspekt der Göttin Parvati“ und wird auch als grausige Mutter bezeichnet (Tworuschka, Lexikon 163). Die grausige Göttin und 230 Mutter des Todes mit der langen Zunge, der Totenschädelkette und Leichen als Ohrringe wird besonders in Bengalen verehrt und noch heute werden ihr in Kalkutta (Kali-ghatt: „Stufen der Kali“) blutige Tieropfer dargebracht (Tworuschka/Tworuschka, Religionen 454; Monaghan 150f; Farrar/Farrar, Goddess 235). Die Wicca sehen in ihr den dunklen zerstörerischen Aspekt im Kreislauf von Werden und Vergehen. In ihrer Grausamkeit und als Bringerin von Krankheit und Tod ist sie der göttliche Aspekt, der die Wicca dazu auffordert, über die unangenehmen Seiten und abstoßenden Dinge des Lebens nachzudenken. Gleichzeitig erinnert sie daran, dass alle diese schrecklichen Dinge natürliche Kräfte sind und nicht zuletzt spielt dabei auch ihre enorme sexuelle Energie eine Rolle. Ihre von den Wicca zugedachte Doppelrolle von zerstörerischer und zugleich kräftigender Energie entspricht durchaus ihrer hinduistischen Doppelnatur als Göttin, „die als Weltmutter und weibliche Potenz Leben schenkt wie auch durch Krankheit und Alter hinwegrafft“ (Schumann 123). Das macht sie gleichzeitig „anziehend und erschreckend“ (Schumann 123). Kali wird unter Wicca auch dahingehend interpretiert, dass sie überall da eingreift, wo Menschen sich unverantwortlich und korrupt verhalten, wenn sie z.B. die Natur missbrauchen und damit die natürliche Balance zerstören. In solchen Situationen ist sie nicht zu besänftigen. Zu gegebener Zeit greift sie strafend und tötend -und in diesem Sinne reinigend und transformierend -ein, um die verloren gegangene Balance wiederherzustellen (Rae Beth, Lamp 66ff). Als Göttin des griechischen Pantheons ist für viele Wicca jedoch Hecate zugänglicher als Kali. Sie stellt insofern den geheimnisvollen Aspekt der Göttin als Alte dar, weil sie zwar einerseits die von Hunden begleitete Göttin der Unterwelt, des Mondes und der Nacht ist, gleichzeitig aber auch die Magie beherrscht und mit ihrer Fackel Licht in die Dunkelheit bringt und durch sie hindurchführen kann. Deshalb wurde sie bereits im alten Griechenland wie auch heute unter modernen Wicca besonders zu divinatorischen Zwecken angerufen. Sie beherrscht das Dunkel, kann durch es hindurchsehen. Sie ist die Göttin des Unterbewussten, vermag dieses aber auch bewusst zu machen. Ihre Funktion ist es, dort Klarheit zu schaffen, wo Ungewissheit herrscht, „pierce the darkness, bring visions, call back the past, illuminate the present“ und als „goddess of the moonlit crossroads“ den Menschen Hinweise zu geben (Farrar/Farrar, Goddess 125f). Gerade für ältere wiccanische Frauen spielt sie eine große Rolle, weil sie aufgrund ihres Wissens und ihrer Einsicht in die Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft besonders passend den Aspekt der ‘Crone’, der Göttin als Alte verkörpert und Stärke, Selbstbewusstsein und Kompetenz ausstrahlt. 231 Eine der wichtigsten Göttinnen im Rahmen des wiccanischen Crone-Aspektes ist Cerridwen. Wenn man bei Cerridwen von einer Göttin spricht, dann basiert dies auf der Vermutung, dass die Figur der Zauberin Cerridwen aus dem Book of Taliesin aus dem 13. Jh. möglicherweise auf eine walisisch-keltische Muttergottheit zurückzuführen ist. Von ihr berichtet die Geschichte des Taliesin, dass sie für ihren hässlichen Sohn in ihrem Kessel einen Trank kocht, der ihm zum Ausgleich große Inspirationskraft und Weisheit schenken soll. Das Gebräu, das ein Jahr und einen Tag kochen muß, wird von Cerridwens Gehilfen Gwion Bach gerührt. Kurz bevor der Trank fertig ist verbrennt sich Gwion jedoch an drei Tropfen den Finger und steckt ihn sich reflexartig in den Mund, woraufhin alle Weisheit und das Wissen um die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das für Cerridwens Sohn vorgesehen war, auf ihn übergeht. Sofort erkennt er, dass Cerridwen ihn jagen wird, und flieht. Auf der Flucht verwandelt er sich in verschiedene Tiere, wird aber weiterhin von der sich in das entsprechende Jagdtier verwandelnde Cerridwen verfolgt. Als sich der Gejagte schließlich in ein Weizenkorn verwandelt, welches Cerridwen in Gestalt einer Henne auffrisst, wird sie von diesem Korn schwanger und bringt einen wunderschönen Jungen zur Welt. Weil sie es nicht übers Herz bringt, ihn zu töten, setzt sie ihn schließlich am Meer aus, woraufhin das Kind von einem Fischer gerettet und aufgezogen wird und von ihm den Namen Taliesin („glänzende Stirn“) erhält (Botheroyd/Botheroyd 55f, 320). Neben diesem Mythos ist Taliesin jedoch auch als historische Person als Barde am Hof des Fürsten von Rheged in Nord-England belegt (Botheroyd/Botheroyd 320). In ihrer Charaktereigenschaft als verfolgende alte Frau mutet Cerridwen zunächst nicht unbedingt sympathisch an, stellt aber in mehrfacher Hinsicht den Prototyp der wiccanischen Göttin als Alte dar, und selbst wenn ihre Herkunft als genuin keltische Gottheit in Zweifel steht, haben die Wicca sie jedoch in die Gruppe ihrer Göttinnen aufgenommen, wo sie oft als Gefährtin des Cernunnos verstanden wird, weil beide die Thematik von Wachstum und Entwicklung bergen, obwohl sie historisch in keinem Bezug zueinander stehen (Raeburn, Celtic 78). Folgende Merkmale sind für die Wicca an dieser Göttin von Bedeutung: Zunächst hat Cerridwen das Wissen und die Macht, Weisheit zu schenken. Ihr Kessel ist das große Werkzeug und Symbol der Wicca für Magie, Wissen, Inspiration und das Weibliche schlechthin. Außerdem bedeutet der Kessel Durchsetzungsvermögen und Integrität, beides Charakterzüge der ‘Crone’. Weiterhin ist die Geschichte von der Verfolgung und neuen Geburt des Gwion/Taliesin ein für die Wicca bedeutsamer Mythos der Wiedergeburt und der Metamorphose (so auch der Metempsychose) 232 im Kreislauf der verschiedenen Leben. Zusätzlich sehen die Wicca ihn als ein Symbol für die innere Transformation des Menschen und die damit verbundenen Erkenntnisse und als ein Symbol für den Menschen selbst in seiner Wandelbarkeit (ähnlich die buddhistischen Sicht, dass der Mensch sich ständig verändert; Crowley, Naturreligion 87ff; de Grandis 90). Schließlich verbirgt sich in dem Mythos eine weitere Eigenschaft: Die von Rache getriebene Jägerin frisst ihre Beute in Form eines Korns, als sie jedoch nach neun Monaten ein Kind zur Welt bringt, vermag sie es nicht zu töten, weil es so schön ist. Oberflächlich betrachtet mag das eine kalte Begründung sein, jedoch verbirgt sich dahinter eine weitere Gegebenheit der Natur, dass ein Kind zumindest als lebendes Wesen akzeptiert wird, wenn es den Eltern ähnlich sieht und in diesem Sinne als ‘schön’ angesehen wird. Töten will sie den Jungen nicht, hat möglicherweise Mitleid, überlässt ihn aber seinem eigenen Schicksal. Das macht Cerridwen gewissermaßen zu einer grausamen Göttin, die im Kreislauf der Wiedergeburten Leben spendet, dieses Leben aber dann seine eigenen Wege gehen muß. Wachsen und Lernen liegen demnach in der Hand jedes einzelnen allein. Bezeichnenderweise ergreift Taliesin schließlich die Profession des Dichters, des Barden, um die ihm zuteil gewordene Weisheit adäquat zu verarbeiten. Dieses mythologische Element wiederum macht Cerridwen unter anderem zur Göttin der Inspiration und der Dichtkunst (De Grandis 90; Monaghan 62; Raeburn, Celtic 78). 2.3 Der Kreis, das Rad und das Leben Kreis und Rad sind neben Rosette, Stern oder Kreuz aus der Religionsgeschichte bekannte religiöse Symbole (Goldammer 293). Sie stellen „kinetische Formen“ dar, weil sie mit Bewegung, Wiederholung, Prozesshaftigkeit und kosmischen Abläufen konnotiert sind (Goldammer 300). Kreis und Rad symbolisieren Sonnen-und Jahreslauf, begegnen als Sonnen-oder Glücksrad, und die „im Symbol eingefangene religiöse Lehre kann selbst Bewegung sein: Buddha läßt das Rad der Lehre [dharma-chakra] rollen. Gerade im Buddhismus ist dieser Gedanke des Bewegtseins des Lebens und der Welt stark ausgeprägt“ (Goldammer 300; zu weiteren Beispielen siehe Heiler, Erscheinungsformen 101). Während das Rad die Bewegung in sich selbst einschließt, ist der Kreis die Nachzeichnung der „Bewegungsbahn“ (Goldammer 301). 233 Gerald Gardner führte bereits 1954 die vier gälisch-keltischen Jahresfeste auch als Feste der Wicca an, was diese Feste zu genuinen Bestandteilen religiöser Handlungen seit Beginn der Geschichte des Modernen Wicca macht (Gardner, Witchcraft 130). Hinzugefügt wurden die zwei Sonnenwendtermine, d.h. die Sommersonnenwende des 21. Juni als Litha-Fest und die Wintersonnenwende des 21. Dezember als Yule-Fest, und die zwei Äquinoktien, d.h. die Frühlingstagundnachtgleiche des 21. März als Ostara-Fest und die Herbsttagundnachtgleiche des 21. September als Mabon-Fest, als vier zusätzliche Feste. Das rituelle Sonnenjahr, das „wheel of the year“, das parallel zum Mondjahr und mit diesem verwoben gefeiert wird, ist durch die oben bereits beschriebenen Stationen markiert, wobei viele Wicca den Beginn des jährlichen Zyklus mit dem Yule-Fest feiern, das die Geburt des Gottes markiert, andere den Beginn des Jahreskreises analog zum Jahresbeginn der Kelten zu Samhain begehen, während wieder andere Wicca im Jahreskreislauf keine Zäsur vornehmen, um den immerwährenden Kreislauf der ineinander übergehenden Abläufe innerhalb der Natur zu betonen (Harvey 3). Die Wicca symbolisieren das Jahr mit seinen acht Festen durch einen Kreis mit acht Strahlen darin oder auch mit acht Strahlen ohne Kreis darum und nennen den Jahreskreis „Wheel of the Year“ (Lewis, Witchcraft 300f; Grimassi, Encyclopedia 394; Jennings 25). Grimassi verweist auf die mögliche Herkunft dieses Zeichens aus dem griechischen Symbolismus, wo es bereits um 600 v. Chr. begegnet. Weiterhin wird das Symbol auch als „eight-spoked wheel“ bezeichnet, was an das achtspeichige Rad als Symbol für den achtfachen Pfad als Grundlage der Erlösung aus dem Samsara, dem Kreis der ewigen Wiedergeburten, im Buddhismus erinnert (Kelly/Dresser/Ross 21; Grimassi Encyclopedia 394). Ob das wiccanische Symbol für das Rad des Jahres tatsächlich durch das buddhistische Symbol inspiriert wurde, lässt sich nicht feststellen, konkrete Aussagen hierzu findet man nicht. Der Kreis im wiccanischen Symbol ist zunächst temporär als Zeit-bzw. Uhrkreis zu deuten, auf dem die Jahresfeste Stationen im Jahreslauf darstellen. Im übertragenen Sinne meint das Symbol auch den immer wiederkehrenden Zyklus des Lebens in Geburt, Wachsen und Sterben. Im Buddhismus hingegen verweist das Symbol auf die Lehre des Buddha und auf die acht Komponenten des Pfades ins Nirwana. Das hinduistische und buddhistische Symbol für den Zyklus der Wiedergeburten ist ebenfalls ein Kreis, der sich in seiner Einteilung jedoch vom achtspeichigen Rad unterscheidet. Im tibetischen Buddhismus zeigt die Darstellung des Lebensrades Bhava-Chakra in seiner Aufteilung die zwölf Bedingungen des menschlichen Lebens, die sechs Welten und im Zentrum die „Hauptantriebskräfte der Irrfahrt: Unwissenheit, Gier und Haß“ (Tworuschka, Lexikon 64f). Im Gegensatz zum erlösenden achtfachen Pfad 234 stellt das Rad des Samsara die grundlegende Unheilssituation des Menschen dar. In einer solchen Unheilssituation befindet sich der Mensch nach wiccanischer Auffassung jedoch nicht. Vermutlich erhielt das wiccanische Jahreskreissymbol unabhängig vom Rad der Lehre des Buddha seine Bedeutung. Dass es einem der wichtigsten buddhistischen Symbole gleicht, ist dabei eher als Nebeneffekt zu betrachten, wobei dieser unzweifelhaft die Memorierbarkeit der Bedeutung des wiccanischen Zeichens unterstützt. Die Jahreskreisfeste der Wicca sind einerseits so bedeutsam, weil sie in dem göttlichen Jahreskreismythos, der „passage of the Goddess and God“, den Kreislauf von Leben und Sterben wiedergeben, und andererseits weil sie, neben einigen anderen Merkmalen wie etwa der Göttin Brigit, die einzigen wirklichen keltischen Bestandteile im Wicca sind (Harvey 43). Während unter vielen Wicca der Mythos von Wicca als einer im wesentlichen dem Keltentum entlehnten Religion gepflegt wird, wobei andere westlich-esoterische Einflüsse gerne marginalisiert werden, formuliert MacMorgan eindeutig: „Wicca is not Celtic“ (MacMorgan, Wicca 333 75). Das heißt nicht, dass Wicca keine keltischen Motive integriert hat, wie etwa die vier Hauptfeste Samhain, Imbolc, Beltane und Lughnasadh, doch im Gesamtblick „there are very few things in Wicca that are inherently Celtic“ (MacMorgan, Wicca 333 75). 2.4 Samhain: Fest der Übergänge Auf das Samhain-Fest, dessen Wurzeln man tatsächlich bis in die keltische Zeit zurückverfolgen kann, wo es als Neujahrsfest gefeiert wurde, soll an dieser Stelle etwas genauer eingegangen werden. Für Wicca ist es das Fest der Vorbereitung auf den Winter. Der Begriff Samhain ist der irisch-gälische Name für den Monat November. Da für die Kelten der 1. November sowohl als Ende des Sommers und Beginn des Winters als auch als Jahresbeginn galt, kann man das Samhain-Fest am Vorabend des 1. Novembers durchaus als Silvesternacht bezeichnen (Farrar/Farrar, Bible, Teil1 121). Was die Etymologie und die Bedeutung des Begriffes angeht, so weisen Le Roux und Guyonvarc’h darauf hin, dass das Wort Samhain mehrere Bedeutungsschichten beinhaltet, die sich in dem Begriff überschneiden und die Gesamtkomplexität des Begriffes ausmachen, nämlich einmal die Bedeutung einer Versammlung, dann die zeitliche Einordnung in den Sommer bzw. an das Ende des Sommers (irisch sam für Sommer) und schließlich die Konnotation von Vergnügen und Rast (Le Roux/Guyonvarc’h 195f). In den folgenden Ausführungen wird allerdings gezeigt werden, 235 dass die Bedeutung des Festes sowohl für die Kelten als auch für die Wicca über diese Bedeutungsnuancen hinausgeht. Was die Aussprache des Begriffes angeht, so findet man bei Farrar (Farrar/Farrar, Bible, Teil1 121), Buckland (Buckland, Inside 142) und Rogers (Rogers 11) zwar Hinweise für die Aussprache, aber keine den phonetischen Richtlinien entsprechende Transkription. Die Hinweise lassen allerdings auf die Aussprache [‘såuin] oder auch [‘såuen] schließen, wobei die erste Silbe jeweils kursiv gedruckt ist, was auf die Betonung dieser Silbe hindeutet. Samhain und Beltane bilden die Achsenfeste des Jahreskreislaufes. Die Beltane- Feier findet in der Regel am Vorabend der 1. Mai, also am 30. April, statt und kennzeichnet den Beginn des Sommers. Samhain markiert demgegenüber den Beginn der dunklen Hälfte des Jahres. Diese Nacht war für die Kelten von großer Bedeutung, weil sie glaubten, dass die Grenze zwischen der Welt der Menschen und der Welt der Feen, der Geister und der Magie zu dieser Zeit am leichtesten zu durchschreiten sei und dass es deshalb den nicht-menschlichen Wesen der anderen Welt, wie etwa den Geistern verstorbener Vorfahren, auch möglich war, in die Welt der Menschen hinüberzugelangen. Harvey benennt die Wesen der anderen Welt mit dem hilfreichen Begriff „other-than-human persons“ und vermittelt einen Eindruck dieser anderen Welt und ihrer ‘Bewohner’: „The company of other-than-human persons might be requested also. The wood itself, or woodland spirits, or the spirit of place might be thanked for the provision of firewood. The company of trees, rocks, winds and such ‘natural’ other-than-human persons might be acknowledged. Such connections with nature are made even within a building. The main body of a Samhain ritual will most frequently focus on the honouring of death.“ (Harvey 5). Die Vorbereitungen der Menschen auf den Winter und auf Kälte und Dunkelheit erstrecken sich zu Samhain sowohl auf die diesseitige als auch die jenseitige Welt: „The feast of Samhain was the occasion of stock-taking and in-gathering, of reorganizing communities for the winter months, including the preparation of quarters for itinerant warriors and shamans. It was also the period of supernatural intensity, when the forces of darkness and decay were said to be abroad, spilling out from the sidh, the ancient mounds or barrows of the countryside.“ (Rogers 12) 236 Samhain läutet die Zeit der Dunkelheit ein und verkörpert als Jahresfest die Schwelle vom Trubel und der Arbeit des Jahres zur inneren Reflexion: „What was especially noteworthy about Samhain was its status as a borderline festival. It took place between the autumn equinox and the winter solstice. In Celtic lore, it marked the boundary between summer and winter, light and darkness. In this respect, Samhain can be seen as a threshold, or what anthropologists would call a liminal festival. [...] It was a moment of ritual transition and altered states.“ (Rogers 21) Auch für die Wicca beinhaltet Samhain den Aspekt der Durchlässigkeit der Grenze zwischen den Welten. Hinzu kommt die Verabschiedung vom Gott und dem damit verbundenen Rückzug der Natur, worauf unten weiter eingegangen wird. Angesichts der relativ früh einbrechenden Dunkelheit, der Kälte und des Bewusstseins um den Abschied vom Sommer ist es nicht verwunderlich, dass dieses Fest unter Wicca als die ideale Zeit gilt, divinatorische und andere magische Handlungen zu vollziehen: „In private celebrations, the mystery of the descent to the underworld of the God and the Goddess is combined with divination for the new magical year, as the land goes to rest and the silence of winter covers all.“ (Rabinovich/Lewis 236). Man kann davon ausgehen, dass bereits zu Zeiten der Druiden aus zwei Gründen der divinatorische Aspekt des Samain-Festes eine große Rolle spielte, erstens weil „the psychic climate of the season favoured it“ und zweitens aufgrund der „anxiety about the coming winter“ (Farrar/Farrar Bible, Teil 1 125). Im Laufe der Zeit erhielt die Divination zu Samhain eine persönlichere Note und die Farrars berichten besonders von irischen Mädchen und jungen Frauen, die zu Samhain im Zuge der Anwendung verschiedener Praktiken ihren zukünftigen Ehemann zu erkennen glaubten (Farrar/Farrar, Bible, Teil 1 125f). Wie das Gedicht „A Pagans ’Halloween’ Poem“ bereits vermittelte, ist Samhain jedoch nach wie vor auch ein fröhliches Fest. Die Kälte und der unweigerlich kommende Winter lassen die Wicca nicht verzagen, sondern sie blicken mit Vertrauen und Zuversicht dem Licht des neuen Jahres entgegen. Samhain bietet außerdem eine gute Möglichkeit, besonders auch Kinder in die Festivitäten einzubeziehen, weswegen diese Nacht unter Wicca auch meist als Doppelfest gefeiert wird: „[...] one the Samhain ritual for the coven itself, and the other the Hallowe’en party for coven, children and friends.“ (Farrar/Farrar, Bible, Teil1 128). Dabei empfehlen die Farrars im Zweifelsfall, das Coven-Ritual an einem späteren Abend abzuhalten, weil gerade 237 Freunde und Nachbarn der Wicca oft eine besonders schöne und große Halloween-Feier erwarten und gerne daran teilnehmen. Samhain ist auch die Kostümnacht der Kinder, die mit ihrem Ritual des „trick-or-treat“ von Tür zu Tür ziehen und überall dort, wo sich ein erleuchteter „jack-o’-lantern“ vor dem Eingang befindet, davon ausgehen können, dass sie Süßigkeiten erhalten. Dabei verkörpern sie in ihren Kostümen die Geister, die sich der alten Auffassung nach zu Samhain ihren Weg in die Welt der Menschen gebahnt haben und die man nicht verärgern darf, weil sie den Menschen sonst böse mitspielen: „All the customs of this night were directed toward understanding and propitiating these spirits by divining their wills, by giving them what they wanted, by identifying with them, and by protecting one’s family and friends against them. These customs are dublicated in the Hallowe’en ritual of „trick-or-treat“ [...].“ (Lewis, Witchcraft 255). Der Hauptaspekt des Samhain-Festes liegt für moderne Wicca in der Beschäftigung mit dem Tod. Er ist der eine unumgängliche Bestandteil des Lebens, vor dem der Mensch nicht fliehen kann. Deshalb gedenken Wicca gerade zu dieser Zeit ihrer verstorbenen Familienangehörigen und Freunde und vergegenwärtigen sich ihre eigene Sterblichkeit (Cunningham, Wicca 67f). Wie die Natur sich zur Ruhe begibt, so wird auch der Mensch mit der Tatsache konfrontiert, dass auch er einmal sterben muss. Samhain stellt, wenn auch das ganze Leben der Wicca immer vom Bewusstsein von Werden und Vergehen geprägt ist, ein Fest im Sinne des ‘Memento Mori’ dar. Es ist jedoch immer auch verbunden mit der Sicht auf das Kommende, auf das neue Werden und auf den neuen Kreislauf der Natur und der göttlichen Jahresgeschichte. 238 3. Der Tod und das ‘Summerland’ „If you were free from the gasping whirl of this artificial lung, I like to think of your spirit loosed, your breath like a strong, fresh wind whistling over these empty brown fields.“ („After the Harvest Moon: A Wish“, Marjorie Carlson Davis) Zu Samhain verabschieden sich Wicca von ihrem Gott. Dieser macht sich auf den Weg ins ‘Summerland’, die Anderswelt, wo er darauf wartet, wieder geboren zu werden und den göttlichen Mythos mit seiner Geburt zu Yule von neuem zu beginnen. Das Summerland ist die Welt, in der sich die Seele des Verstorbenen ausruht und in der sie sich regeneriert und erholt und für ihr neues Leben in der materiellen Welt vorbereitet. Das Gedicht „Palingenesis“ von Bobby Sinha-Morey beschreibt in kurzen Versen, wie sich Wicca den Aufenthalt im Summerland und die Weiterverkörperung der Seele vorstellen: „Summerland is the wiccan’s spiritual reprieve where she waits langurously renewing her energies until her soul awakens from astral planes to be reincarnated again, an immortal presence in the wheel of rebirth.“ (1-9) Bereits der Name Summerland legt nahe, dass es sich um ein Land der Freude, der Wärme und des Lichtes handelt. Vorbild für die Konzeption dieser Welt als sommerliches Land der Ruhe und Regeneration, wo keine Sorgen das Dasein belasten, ist einmal das Land Hyperborea aus der griechischen Mythologie. Hier singt man, tanzt man und Krankheit und Alter können dieses Land nicht bedrohen (Grimassi, Encyclopedia 354). Weiterhin erinnert das Summerland der Wicca an die Anderswelt der keltischen Mythologie. Diese Anderswelt ist eine Welt, die parallel zur materiellen Welt der Menschen existiert. In ihr setzen die 239 Verstorbenen ihre Existenz nach dem Tode fort. Hauptsächlich wird die keltische Anderswelt (angelsächsisch ‘otherworld’) von einem Volk elfenhafter geisterähnlicher Wesen bewohnt, dem Volk der Hügel (irisch ‘sid’). Auch hier gibt es weder Krankheit noch Kummer, es ist ein Land der Jugend, der Freude, kurzum es herrschen paradiesische Zustände. Dieser Mythos von der Anderswelt wurde im Wicca verknüpft mit dem unter Wicca verbreiteten Glauben an eine Reinkarnation des Menschen. Der Glaube an die Reinkarnation eines wie auch immer gedachten kontinuierlichen ‘Lebenshauches’ ist sowohl aus östlichen (z.B. hinduistisch atman) wie auch westlichen Kulturen (z.B. Seelenwanderung bei den Druiden) bekannt. Der Kreislauf der Reinkarnationen ist für die Wicca ein Kreislauf des Lernens und der Erfahrungen und ein Weg der Weiterentwicklung des Menschen: „Der Tod ist kein Ende. Er ist ein Stadium in dem Kreislauf, der zur Wiedergeburt führt. Nach dem Tod bleibt die menschliche Seele im „Sommerland“, im Land der Ewigen Jugend, wo sie erneuert und verjüngt und auf die Wiedergeburt vorbereitet wird. Die Wiedergeburt wird aber nicht wie in den östlichen Religionen als Verdammung zu einem endlosen erschreckenden Kreislauf des Leidens betrachtet. Sie wird vielmehr als große Gnade der Göttin angesehen, die in der dinglichen Welt manifest ist.“ (Starhawk, Hexenkult 48) Deshalb werden die irdischen Inkarnationen im allgemeinen auch als freudvolle oder wenigstens konstruktive Lebenswege betrachtet (Crowley, Naturreligion 44). Ob in diesem System der Lebenskreisläufe auch ein Ende bzw. Ziel vorgesehen ist und was die Seele erwartet, sollte dieses Ziel einmal erreicht werden, bleibt allerdings unklar. Manche Wicca glauben an einen „eventual release from the Cycle of Rebirth“ während andere Wicca weitere unterschiedliche Auffassungen vertreten (Grimassi, Mysteries 126). Unabhängig von dem Mythos um das Summerland scheint auch der Glaube zu bestehen, dass ein Verstorbener zur Göttin gelangt und in ihren Schoß aufgenommen wird und dort geborgen ist. Besonderes Merkmal des Jahreskreismythos von der Göttin und dem Gott ist, dass in ihm einerseits das pulsierende Leben und das Wachsen und Gedeihen der Natur mit der damit verbundenen agrarisch-erntetechnischen Bedeutung für den Menschen eine herausragende Rolle spielt und dass andererseits der dunklen Jahreszeit am Ende der Ernte dem Altern des Menschen und dem Tod als integrativem Bestandteil allen Lebens eine zentrale Bedeutung zukommt. So lebensfroh, sinnesbetont und aktiv die Wicca ihr Leben gestalten, so bewusst 240 sind sie sich ihrer eigenen Sterblichkeit und der Sterblichkeit alles Seienden. Die Beschäftigung mit dem Tod ist im Wicca keine Nebensache, kein ungeliebtes Muss, sondern der Kern dessen was die Wicca die „Mysterien“ nennen. Oben wurde bereits deutlich, dass der göttliche Jahreskreis den Kreislauf von Geburt, Leben, Altern, Sterben und Wiedergeburt thematisiert. Die Feier der einzelnen Feste und der Stationen des Zyklus ist für Wicca so wichtig, weil dies eine Verbindung zu den natürlichen Rhythmen zur Natur herstellt, zu denen der moderne Mensch im allgemeinen nur noch eine schwache Beziehung hat. Nach Crowley entwickelt der von der Natur getrennte Mensch Illusionen (Crowley, Phoenix 160), was bedeutet, dass er die Veränderungen des Lebens nicht mehr sieht oder möglicherweise sogar verdrängt. Die Natur zu beobachten und sich selbst als Teil des natürlichen Kreislaufs zu erkennen, ermöglicht es dem Menschen, adäquat mit seinem Lebenszyklus umzugehen, weil er dadurch lernt, mit den „Realitäten des Daseins“ umzugehen (Crowley, Phoenix 161): „Denn teilweise verstehen wir durch die Beobachtung des Zyklus [...], daß dies auch unser Schicksal ist -geboren zu werden, zu sterben und wieder zu leben. [...] Die jahreszeitlichen Feiern sind für Heiden ein Nachvollziehen der Zyklen der Schöpfung und Zerstörung auf mikrokosmischer und makrokosmischer Ebene. Indem wir an diesen Ritualen teilnehmen, gelangen wir zu einem Verständnis der Prozesse des Alterns und des Todes, und wir erkennen, daß sie nur ein Teil des Lebensprozesses sind [...].“ (Crowley, Phoenix 161). So bedeutsam auch das Ereignis der Geburt als Bestandteil des Lebens ist und welch eine große Rolle es auch im Mysterium des Lebens spielen mag, macht das Zitat doch deutlich, dass es nicht die Geburt, nicht das Werden ist, was den Menschen so stark beschäftigt und im Innersten erschüttern kann. Vielmehr ist es das Vergehenmüssen, die Unumgänglichkeit des Alterns und die Gewissheit, dass jeder Tag ein Schritt auf das Ende des Lebens zu ist, einem Ende, dem sich kein Mensch entziehen kann. Es ist der Tod, den der Mensch auf irgendeine Weise in sein Dasein integrieren muss, den er zu erfassen strebt und den er doch nicht vollständig erfassen kann. Jede Religion ist bestrebt, ein Konzept bzw. ein ‘Programm’ für die Beschäftigung und den Umgang mit dem Tod anzubieten. Doch so unterschiedlich diese Programme auch jeweils sind, der Tod ist der zentrale Prüfpunkt einer jeden Religion. Wicca macht in dieser Hinsicht keine Ausnahme, denn auch die Wicca sind als Menschen von Angst 241 und Unsicherheit erfüllt angesichts der großen unbekannten Determinante des Lebens. Die Feiern und Rituale zu den Jahreskreisfesten helfen den Wicca und Heiden, sich der Thematik des Todes zu nähern und damit umzugehen: „Die Jahresfeste helfen uns, unsere persönlichen Ängste, Verzweiflungen und Sorgen über die Schwierigkeiten des Lebens zu überwinden, indem sie uns zeigen, daß wir ein Teil einer größeren Ordnung sind [...]. Wir müssen die Zeit der Nacht und die dunklen Dinge des Lebens annehmen. [...] Die große Dunkelheit, der wir uns alle stellen müssen, ist unsere eigene Sterblichkeit. Heiden sind der Natur gegenüber nicht sentimental. Sie hat viele Gesichter: die strenge Hitze der Wüstensonne, die Milde des englischen Herbstes, die kalte Unfruchtbarkeit der arktischen Nacht. Die Göttin ist sowohl wohltätig als auch grausam: Sie gibt, aber sie nimmt auch. Diese Dualität innerhalb der Göttin steht für die wahre Natur des Universums ein andauernder Kampf zwischen Leben und Tod, Dunkelheit und Licht. [...] Die Göttin hat zwei Aspekte: Einer ist mitfühlend, sanft und liebend; der andere ist heftig, grausam, gewalttätig und dunkel, voller Zerstörung [...]. In vielen heidnischen Traditionen ist die Göttin auch die Königin der Nacht, die Herrin der Unterwelt und die Aufbahrerin der Toten [...].“ (Crowley, Phoenix 162ff). Gerade diese dunkle Seite der Göttin ist es, die für viele Wicca eine bedeutende Rolle spielt. Sie konfrontiert den Menschen mit Verfall und Tod und führt ihm seine Sterblichkeit schonungslos vor Augen. Doch tut sie das nicht ohne das Versprechen des Aufgehobenseins und die Liebe des mütterlichen Aspektes, damit der Mensch angesichts seines Todes nicht verzweifelt, sondern sich in den ewigen Zyklus des Lebens eingebunden weiß. Auf diesem Hintergrund beschreibt die oberflächlich möglicherweise gnostisch anmutende Formulierung aus dem obigen Zitat in Leben und Tod, Licht und Dunkelheit keine Antagonisten, sondern sich im Kreislauf der Existenz komplementierende Phasen. Die Teilhabe am ewigen Kreislauf und die Stationen der erfrischten Rückkehr in der Vorstellung der Wicca machen die Seele zur „immortal presence“ und den Menschen unsterblich („Palingenesis“, 8). Wicca argumentieren, dass selbst das Leid, Krankheit, Alter und Tod durchaus natürliche Bestandteile des Lebens sind (so verhält es sich auch mit der buddhistischen dukkha im Rahmen der vier edlen Wahrheiten). Im Kreislauf des Lebens wird das Leid als „Teil des Lernens“ gesehen (Starhawk, Hexenkult 49). Dabei wenden die Wicca durchaus auch 242 natürliche Heilmethoden an, um körperliches Leiden zu lindern, und setzen ihr Engagement ein, um gesellschaftlichem Leiden entgegenzuwirken. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch für Wicca das Leid und der Tod ein Thema sind. Nicht umsonst ist der Göttinnenaspekt der Alten Frau für sie so wichtig. Starhawks und NightMares The Pagan Book of Living and Dying, das sich mit dem Umgang mit Sterbenden, dem eigenen Tod und heidnischer Trauerarbeit beschäftigt, und O’Gaeas In the Service of Life, welches die Beschäftigung der Autorin mit dem Thema Tod darstellt, sind nur zwei Beispiele, die verdeutlichen, wie sehr Schmerz, Leid und Tod auch für Wicca und Heiden Dinge sind, von denen der Mensch, wenn er sich ihrer Bedeutung einmal bewusst geworden ist, nicht mehr unberührt bleibt, sondern vielmehr in der Beschäftigung damit auch davon überwältigt werden kann. Auch wenn die Begründung des Leidens und des Todes auf dem natürlichen Kreislauf des Lebens basiert, so ist es dennoch immer ein Ringen um das persönliche Verständnis der menschlichen Sterblichkeit, und dieses Ringen ist letztlich ein psychologischer Prozess, den die Feiern zu den Jahreskreisfesten und die Beschäftigung mit den drei Aspekten der Göttin unterstützen. Ziel ist es gewissermaßen, ein persönliches Gespür für den Tod zu entwickeln, um diesen auch als Teil des eigenen Lebens akzeptieren zu können: „Es ist leicht, das zu lieben, was schön ist, wie die Jungfrau Persephone. Es ist auch leicht, das zu lieben, was kräftig und stark ist [...]. Nicht so leicht ist es jedoch, das zu lieben, was alt und schwach ist, eine Frau, die nicht mehr fruchtbar ist und ihre weltliche Herrschaft an andere abgetreten hat. [...] Die Umarmung der Dunklen Mutter [Hekate] ist der Tod. [...] Manchmal ist der Tod des Ego gewaltsam und wir unterliegen kämpfend. Manchmal geht das alte Leben eines Nachts still dahin, hinweggenommen in der Umarmung der Dunklen Mutter, und wir stellen fest, daß wir in ein neues Reich einer ungeahnten Erweiterung des Bewußtseins eingetreten sind, aus dem es kein Zurück gibt.“ (Crowley, Wicca 184f) Was den Themenkomplex des Todes angeht, soll im folgenden erneut auf das lyrische Material zurückgegriffen werden, um genauere Einblicke zu erhalten und Eindrücke und Nuancen kennen zu lernen. 243 3.1 Gedichtanalyse „The Hanged Man And The Ten Of Swords“, Mary Ann Murphy The Hanged Man And The Ten Of Swords Mary Ann Murphy (For my father, who died 10 years ago, at Samhain) After the storm, one broken branch still bears the weight of my small self. 5 I am the last, tattered leaf left trembling on that hoary old oak I always thought of as you. The oak is a skeleton now, 10 its life blasted by the wind of the year's dying. Nothing -not even an oak's strength -could deflect that blade. Not even the love of the leaf 15 for the wood. So love that clings is worse than useless, but that is the sum of what the leaf knows. The cards say this: 20 Fall, and the earth catches you. Then the naked branch caressing the moon's face will bear only light. Bereits der Titel verweist auf die Thematik des Gedichtes. Der Gehängte und die Zehn der Schwerter sind Blätter aus dem Tarot, wobei die erste Karte zu den 22 Großen Arkana und die zweite zu den 56 Kleinen Arkana gehört (arcanum=Geheimnis), welche zusammen ein komplettes Deck aus 78 Karten bilden. Das Tarot ist bei vielen Wicca beliebt und wird zu verschiedenen Lebensthemen befragt und als Ratgeber konsultiert. Nicht alle Wicca arbeiten mit Tarot-Karten, manche benutzen lieber Runensteine oder andere Methoden zur Einsicht in bestimmte Abläufe des persönlichen Lebens und manche bedienen sich gar keiner divinatorischen Techniken. Außerdem ist das Tarot generell verbreitet, sei es bei anderen Heidengruppen, esoterisch interessierten Christen (wobei viele Christen ihren Glauben durchaus mit der Praxis der Divination vereinbaren können, wie auch die Zeremonialmagie 244 kein ausschließlich heidnisches Phänomen ist, sondern vielmehr gerade von Anhängern monotheistischer Religionen wie etwa dem Christen-oder Judentum praktiziert wird) oder auch von Menschen ohne konkrete religiöse Vorstellungen, die das Tarot zur allgemeinen Lebenshilfe anwenden. Ein Tarotspiel allein macht noch lange keine Wicca, so wie nicht jede Wicca sich für das Tarot interessiert. Als zweifelhaftes Beispiel sei an dieser Stelle die Hamburgerin Attis angeführt, die sich zwar nicht als Wicca, so aber doch als Hexe mit schamanistischer Ausrichtung versteht und dabei das Bedürfnis vieler Menschen nach esoterischer Lebenshilfe als lukrative Einnahmequelle entdeckt hat. So wertvoll ihre Dienste für ihre Klienten auch sein mögen, so energisch distanzieren sich Wicca, welche ihrerseits meist auf die Bezahlung derartiger Dienst, besonders bei befreundeten oder bekannten Wicca als Klienten, verzichten, oder höchstens um eine relativ niedrige Unkostenbeteiligung bitten, von einer derartigen Praxis. In den letzten Jahren ist das Interesse an Esoterik und spiritueller Selbsterfahrung sehr gewachsen und auch die Religionswissenschaft beschäftigt sich mit diesem Phänomen (Zinser, „Ekstase“ 274-284; Klöcker/Tworuschka, Religionen 172f; zur kritischen Auseinandersetzung mit der Esoterik siehe auch Kirste, „Begegnung“, Kirste/Schwarzenau, Bochinger, New Age und Bochinger/Engelbrecht/Gebhardt). Das Gedicht besteht aus 24 Zeilen, welche nicht in Strophen sondern vielmehr in Sätze eingeteilt sind. Die einzelnen Verse sind von unterschiedlicher Länge und weisen kein einheitliches Versmaß und kein Reimschema auf, so dass man hier von ‘free verse’ sprechen kann. Dennoch lassen sich Zäsuren feststellen, die das Gedicht strukturieren und durch die Hervorhebung bestimmter Worte semantisch gliedern. Zunächst geben die acht Sätze einen ersten Anhaltspunkt für die Einteilung der Verse. Ein erster Abschnitt reicht von Zeile 1 bis Zeile 4. Dieser erste Abschnitt führt das Bild eines nach einem Sturm umgeknickten Astes vor Augen, und führt in Zeile 4 mit „my small self“ den Ich-Sprecher des Gedichtes ein. Der zweite Abschnitt von Zeile 5 bis 8 führt das Bild der alten Eiche mit dem umgeknickten Ast fort. Der Sprecher beschreibt sich selbst als das letzte noch an dem gebrochenen Ast hängende Blatt und damit als das letzte Blatt an der uralten („hoary“, 6) Eiche. Das Blatt ist bereits zerfleddert und zerrissen („tattered“, 5). Diese beiden ersten Abschnitte sind erzähltechnisch aus der Perspektive des Ich-Erzählers beschrieben. Diese Perspektive führt den Leser in die Szenerie ein und vermittelt darüber hinaus einen Eindruck von Einsamkeit, Hilflosigkeit und vor allem von Individualität. Dabei unterstreichen die Alliterationen in „last, tattered leaf left/ trembling“ (5f) das Bild des im Wind flatternden Blattes, indem sie eben dieses flatternde 245 Geräusch nachahmen und dadurch regelrecht onomatopoetisch/ikonisch anmuten. Dadurch tritt das Blatt in den Mittelpunkt des Anfangsbildes. In Zeile 9 vollzieht sich nun ein Sprecherwechsel zu einem apodiktischen, statuierenden Stil, wobei der Focus zurückfährt, um den Baum als ganzen und aus einer gewissen Distanz zu betrachten. Die folgenden Verse stellen eine Art Antwort auf die in den vorhergehenden Zeilen vermittelte Hilflosigkeit dar. Der in Zeile 9 beginnende dritte Abschnitt greift das Bild des Sturms aus Zeile 1 wieder auf. Hier wird die Eiche mit einem Skelett („skeleton“, 9) verglichen. Es finden sich auch weitere Begriffe wie „ blasted“ (10), „dying“ (11) und im metaphorischen Sinne auch „blade“ (13), welche dem Wortfeld ‘Zerstörung und Tod’ zuzuordnen sind. Durch den semantischen Bezug zu den Versen 9 bis 13 und die syntaktische Unvollständigkeit des Satzes aus den Zeilen 14 und 15 ist dieser noch dem dritten Abschnitt zuzurechnen. Als eine Schlussfolgerung („So“, 16) aus den drei vorhergehenden Abschnitten folgt bis Zeile 18 der vierte Abschnitt. Schließlich endet das Gedicht mit einem fünften und letzten Abschnitt, welcher mit „card“ (19) auf den Titel und die Bedeutung der darin genannten Tarot-Karten Bezug nimmt. In den Zeilen 22 bis 24 wird zum Schluss erneut das Bild des alten Baums mit dem gebrochenen Ast aufgenommen, nun allerdings ohne das letzte Blatt. Das Gedicht ist auf der Basis miteinander in Beziehung stehender Begriffe aufgebaut, die den Leser als Hinweisschilder durch das Gedicht führen. So ist es nur folgerichtig, wenn auf „broken“ (2), „tattered“ (5) und „skeleton“ (9) in Zeile 20 schließlich „Fall“ folgt. Der Leser wird von Anfang an darauf vorbereitet, dass das im Wind flatternde Blatt („trembling“, 6) am Ende von seinem Ast abfallen soll. Man könnte fast von einer gewissen Spannung sprechen, die in dieser Erwartung aufgebaut wird und im dritten Abschnitt ihren Höhepunkt erreicht. Der vierte Abschnitt fungiert in der Spannung um das Blatt geradezu als eine Art retardierendes Moment, wobei dieser Eindruck noch durch „clings“ (16) verstärkt wird. Der Höhepunkt des Gedankenstrangs folgt in Zeile 20 mit „Fall“, dem wichtigsten Vers des Gedichtes. Dabei stellt das nachstehende Komma eine Zäsur, eine Pause, ein kurzes Innehalten dar, bevor das Gedicht in der letzten ‘Mondlichtszene’ endet. Eine zweite Gruppe von Begriffen stellen „branch“ (2), „leaf“ (5), „oak“ (6) und „wood“ (15) dar. Sie richten den Blick auf eines „der großen religiösen Ursymbole der Menschheit“, den 246 Baum als „Ursymbol des Lebens und seiner numinosen Mächtigkeit“ (Mensching, Religion 138). In der Religionsgeschichte begegnet er als „Mikrokosmos, in dem sich das makrokosmische Urgeschehen repräsentiert“ (Mensching, Religion 138), als „Symbol des Lebens“ und als „Mittelpunkt der Welt“ (Eliade, Religionen 307). Der Kosmos „in der Gestalt eines riesigen Baumes“ begegnet im Atharva-Veda (II, 7, 3) und in den Upanishaden (Katha- Upanishad VI, 1; der Baum Ashvatta als Darstellung des Brahman; Eliade, Religionen 315). In der Bhagavadgita vergleicht Krishna die materielle Welt mit einem „riesigen, auf den Kopf gestellten Feigenbaum, der mit den Wurzeln hoch oben [...] fußt und mit den Zweigen unten im Schlamm steckt“ (XV, 1). Eliade bezeichnet Bäume, die sich gemäß entsprechender Mythen im Zentrum der Welt befinden und Himmel, Erde und Unterwelt miteinander verbinden, im Rahmen seines Gesamtkonzeptes von der Hierophanie des Heiligen im Profanen als axis mundi (Eliade, Religionen 345f). Eine solche Weltachse war z.B. die sächsische Irminsul. Götter können als Bäume erscheinen, wie etwa der Mysteriengott Attis, Bäume bilden oft das Zentrum heiliger Bezirke und Buddha erlangte unter einem Baum, dem Bodhi-Baum, die Erleuchtung (Mensching, Religion 140; Goldammer 73, 192f; botanisch heißen Bodhi-Baum und Ashvatta ficus religiosa). Die gesamte Bedeutungsbreite des Baumes in der Religionsgeschichte kann hier nicht nachgezeichnet werden, so dass die genannten Hinweise aus der religionsphänomenologischen Literatur nur einen Ausschnitt darstellen, es wird aber deutlich, dass der Baum als Symbol des Kosmos und des Lebens von universaler Bedeutung ist (ausführlich siehe Eliade, Religionen 305ff und Mensching, Religion 138ff). Für Wicca sind Bäume „reservoirs of incalculable energy and longevity, are universally associated with significant spiritual, religious, and magical lore“, „have been associated with the beginning of all life, fertility, and mystical wisdom“ und „often symbolize the universe“ (Lewis, Witchcraft 291). Ein Baum verweist daher zum einen auf das Leben, Lebensstärke und Kraft und zum anderen verkörpert er, gerade wenn es sich um einen sehr alten Baum handelt, Lebenserfahrung und Weisheit. Dabei ist es nicht immer möglich diese Aspekte getrennt voneinander zu betrachten. Verschiedenen Bäumen werden zusätzlich bestimmte Funktion zugeschrieben, so etwa der Holunder (sambucus nigra), welcher mit der Erdmutter assoziiert wird und mit dem Reich der fairies in Verbindung stehen soll (Grimassi, Encyclopedia 114f). In Die Weiße Göttin geht von Ranke-Graves ausführlich auf die mythologische und volkstümliche Bedeutung der einzelnen Bäume aus dem Baumalphabet ein und charakterisiert z.B. die Weide als Baum des Mondes, der Nacht und des Wassers, weil sie 247 oft in unmittelbarer Nähe von Flussläufen wächst, und als Baum, der auch den Aspekt des Tods verkörpert, weil er „in Griechenland der Hekate, Kirke, Hera und Persephone heilig war“, Göttinnen, die unter anderem mit dem Tod assoziiert wurden (Graves 190ff, 199ff; Graves Weiße Göttin ist eher als poetisches Werk und weniger als Abhandlung abgesicherter Fakten zu betrachten, dennoch vermittelt es einen Eindruck von einer mythischen Atmosphäre um die Göttin und ist unter Wicca weit verbreitete Lektüre). Auch wenn Eiche und Esche sich in ihrer Bedeutung von Leben und Wissen nicht unähnlich sind, so weisen sie doch in unterschiedliche Richtungen: Während die Eiche Symbol des Lebens im Diesseits ist, mit allen Eigenschaften und Erfahrungen, die ein ausgefülltes, nuancenreiches Leben mit sich bringt, so repräsentiert die Esche die Struktur und die Verbindungen des Universums, den Gang der Dinge im makrokosmischen Sinne. Die Eiche repräsentiert die Erfahrungen und die Weisheit des Lebens, die Esche jedoch das Wissen, die Weisheit und das grundlegende Prinzip der ganzen Welt. In diesem Sinne ist auch die Eiche im Gedicht zu sehen, wobei zusätzlich in Form der Tarot-Karte „Der Gehängte“ auch das Bild der Weltenesche als mögliche Assoziation eine Rolle spielt. Generell lässt sich jedoch sagen, dass im Prinzip jeder Baum Bedeutungsträger der Gesamtkonnotation sein kann. Im Wicca ist der Baum in mehrfacher Hinsicht von spiritueller Bedeutung: Einmal ist er das Symbol für die Verwurzelung des Menschen im Hier und Jetzt, in seiner konkreten gelebten Gegenwart, was unter anderem die tägliche Arbeit, die Sexualität und menschliche und gesellschaftliche Beziehungen, Rechte und Pflichten einschließt. Um sich bei der Ausführung religiös-ritueller oder magischer Handlungen verschiedenster Art den Kontakt mit der diesseitigen Welt zu bewahren, wenden die Wicca vor einem Ritual oft eine Technik der Erdung an, die auch als ‘Baumübung’ bezeichnet wird. Ziel der Übung ist die Verwurzelung in der menschlichen Realität, was einerseits verhindern soll, dass auch bei sehr stark empfundenem Kontakt mit den Göttern der Bezug zur Alltagswelt verloren geht, und andererseits dafür sorgt, dass entsprechende Rituale auch gerade in der diesseitigen Welt ihre Wirkung erzielen. Zum zweiten ist der Baum ein für Wicca und Neuheiden besonders bedeutsames Symbol, weil er die Natur und alle natürlichen Abläufe verkörpert. Als solcher ist er auch für das Gedicht eine adäquate Metapher für den Lauf des Lebens und den am Ende eines jeden Lebens stehenden Tod. Dabei verdeutlicht das Gedicht zusätzlich den Unterschied zwischen der Schwäche des Blattes, das „tattered“ (5) und „trembling“ (6) vom Ast abfallen muß -und damit zusammenhängend auch der Schwäche des Astes, der gegen den Sturm 248 nichts ausrichten konnte -und der Stärke des uralten Baumes, der Jahr für Jahr den Kreis der Jahreszeiten durchläuft. Der Begriff „hoary“ (6) verweist nicht nur auf das enorme Alter der Eiche, sondern reflektiert auch die Würde des alten Baumes. Doch erfährt der Leser, dass selbst die Stärke dieses Baumes keinen Einfluss hat auf das „year’s dying“ (11). So steht der Baum zwar einerseits für das vergehende Jahr, andererseits jedoch für die Standhaftigkeit des Lebens überhaupt, während das Blatt einen einzigen Zyklus im Lebensrhythmus darstellt und in seiner Charakterisierung als zerfetztes und fallendes Blatt besonders auf das Ende dieses Zyklus verweist. Der Mensch erscheint als Blatt, das aufblüht, verwelkt und schließlich abfällt. Er muß sterben, ob er will oder nicht. Sich dabei an das Leben zu klammern ist nicht nur nutzlos, weil es kommt wie es kommen muß, sondern schlimmer noch quälend für den Menschen (16f). Doch der Sprecher hat auch Einblick in die Natur des Menschen, die ihn einfach dazu bringt, sich am Leben festzuhalten („that is the sum of what the leaf knows“, 17f; siehe auch die Vermenschlichung von „the leaf knows“). Das Gedicht führt den Leser über die Thematik des Todes zur Aufforderung des Loslassens. Von Luther wissen wir, dass er dieses sensible Thema sehr ernst nahm und seine Schrift „Sermon von der Bereitung zum Sterben“ von 1519 zeigt, dass ihn das Thema des Sterbens und des Todes seelsorgerisch beschäftigte. Seine Antwort auf dieses psychologische Problem war von christlich-theologischer Qualität und vor allem lutherisch geprägt: Der Mensch kann die Angst vor dem Tod überwinden und noch im Sterben die Angst hinter sich lassen, wenn er nur den wahren Glauben hat und auf Gott vertraut. Die seelsorgerische ‘Strategie’ der Wicca besteht im regelmäßigen Feiern der Jahreskreisfeste. Außerdem ist das Tarot in dieser Hinsicht für viele Wicca von Bedeutung, weil es in den 22 Großen Arkana einen Lebensweg mit Höhen und Tiefen, Erfolgen und Schwierigkeiten beschreibt, die der Mensch bestehen und verarbeiten muß. Darunter begegnet in der 12. Karte „Der Gehängte“ auch das Thema der Veränderung, des Loslassens und der inneren Transformation. In Kombination mit der ‘Todeskarte’ der Kleinen Arkana, der „Zehn der Schwerter“, welche die Karte der Niederlage und des Endes ist, charakterisiert sie die Angst des Menschen vor dem Tod und die Klammerung an das Leben. Bevor Antoine Court de Gébelin im Jahr 1781 in Paris mit den Tarot-Karten erstmals in Kontakt kam, waren diese Karten als Spiel zur Unterhaltung und zum Zeitvertreib schon seit dem 15. Jh. im Umlauf. Mit Karten spielte man schon seit dem 14.Jh, was aus entsprechenden 249 Verboten in den Chroniken zahlreicher europäischer Städte hervorgeht (Graf 38). Im 15. Jh. jedoch wurden den Spielen, die schon damals zumeist aus Blättern von vier Kartenfarben zusammengesetzt waren, erstmals Trumpfkarten hinzugefügt. Zu dieser Zeit waren besonders die Trumpfkarten kleine kostbare Gemälde, die das Spiel zunächst nur der höheren Schicht zugänglich machten, und die kunstvoll gestalteten Motive waren insofern erforderlich, um den Spielwert der Karten zu verdeutlichen, weil die meisten Menschen weder des Schreibens noch des Lesens mächtig waren (Graf 41). Zwar wurde auch zu dieser Zeit mit Hilfe von Losbüchern und durch die Verwendung von Orakelspielen verschiedenster Art das Schicksal befragt, doch erst Gébelin stellte die Verbindung zwischen dem Kartenspiel und ernst gemeinter Divination her und „überraschte die Welt mit der Nachricht, in simplen Spielkarten sei ewige Weisheit verborgen“ (Graf 20). Seitdem bildet das Tarot als Orakelkartenspiel einen festen Bestandteil der esoterischen Tradition. Ob Eteilla mit seiner Methodenlehre der Kartomantie, Éliphas Lévi mit seiner spirituellen Sichtweise der Karten, A.E. Waite, welcher in den Karten eine verborgene Erlösungslehre zu erkennen glaubte, oder Aleister Crowley, der sowohl unter Mitarbeit von Lady Frieda Harris die Motive der Karten gänzlich durch neue ersetzte, als auch die Bedeutung der Karten entsprechend seiner eigenen Sicht auf der Grundlage der Eingebungen des Wesens Aiwass stark modifizierte, das Tarot ist seither und bis heute aus der esoterischen Landschaft mit mehr wegzudenken (detaillierte Hinweise bei Graf). Was die heutige Bedeutung einzelner Karten angeht, so existiert eine breite Auswahl an Literatur für Einsteiger und Fortgeschrittene (z.B. Haebler und Pollack) Als Spezialist für den deutschsprachigen Raum sollen hier Hajo Banzhafs Ausführungen als Grundlage zur Erarbeitung der für das Gedicht relevanten Karten dienen. Die Karte Nr. 12 der Großen Arkana „Der Gehängte“ zeigt einen Mann, der an einem Bein mit einem Seil an einer baumartigen Holzvorrichtung kopfüber aufgehängt ist. Die Karte stellt eine Ruhepause dar, die durch die Aufknüpfung durch das Seil erzwungen scheint. Sie beschreibt das „Festsitzen, [...] sich ohnmächtig fühlen, zur Untätigkeit verdammt sein“, das sich erst dann überwinden lässt, wenn man die „innewohnende Lektion gelernt hat“ (Banzhaf, Handbuch 109). Die Karte spiegelt die Erfahrung der Erstarrung wider, ein Mensch befindet sich in einer Situation, in der er sich wie gelähmt fühlt. Doch diese Starre ist die Voraussetzung für die innere Entfaltung, die Entdeckung eines vollkommen neuen Gedankens, das Offenwerden für eine neue Betrachtungsweise. Banzhaf spricht im Zusammenhang mit dieser Karte auch von einer 250 „Prüfung“, die der Gehängte am Ende des Zwölferzyklus ablegen muß, bevor ein neuer Zyklus beginnen kann (Banzhaf, Handbuch 110). Die Karte drückt also das Verharren in einem äußerlich starren Zustand aus, der die Basis bildet für einen Prozess des Umdenkens, überkommene Einstellungen in Frage zu stellen und zu einer neuen grundlegenden Einsicht zu gelangen. Etwas Wesentliches wurde bislang falsch eingeschätzt und nun ergibt sich die Möglichkeit zu einer tiefen Einsicht, einer neuen „Weltsicht“ im Rahmen einer Transformation (Banzhaf/Hemmerlein 72; Banzhaf, Schlüsselworte 146). Für das Gedicht bedeutet dies, dass der Tod als schreckenbeladenes Ende des Lebens falsch eingeschätzt wird und neu gesehen werden muss. Der verkrampfte Kampf gegen den Tod muss verwandelt werden in die Fähigkeit, das Leben freizugeben. Innere Verwandlung und seelische Transformation bestehen hier in der Erkenntnis, fallen zu dürfen und loslassen zu können. Die Karte „Der Gehängte“ erinnert auch an den gemäß der Älteren Edda neun Nächte am Weltenbaum Yggdrasil hängende Odin, den obersten Gott der germanischen Mythologie (Die Edda, Havamal, Teil 3: Odins Runenlied 139ff; siehe auch Eliade, Religionen 318ff). Der Baum Yggdrasil ist die Achse der Welt und verbindet die neun Ebenen des Universums miteinander, darunter auch die Welt der Menschen Midgard, die Wohnstatt der Götter und das Totenreich Hel. Seine Wurzeln führen in drei Richtungen: in das Reich der Riesen, wo sich auch der von Mimir bewachte Brunnen der Weisheit befindet, nach Niflheim, wo der Drache Nidhogg an der Wurzel nagt und schließlich in die Nähe von Asgard, der Götterburg. Der Sage nach erduldete Odin, neun Nächte lang am Weltenbaum zu hängen, und so einen freiwilligen Tod zu sterben. Er wurde jedoch durch Magie wieder ins Leben zurückgerufen, nun um neun Zaubersprüche bereichert und mit dem Wissen um die Runen und mit größter Weisheit ausgestattet (Cotterell 130). Das Bild des an der Weltenesche baumelnden Odin bedeutet in dieser Hinsicht Tod, Transformation und Erneuerung und das Leben grundsätzlich verändernde neu gewonnene Einsichten (Banzhaf, Handbuch 108). Die Analogie der Karte des Gehängten trägt dadurch zur Erörterung des Textes bei und verstärkt die Bedeutung der im Titel genannten Tarotkarte. Im übrigen kann man davon ausgehen, dass unter den meisten mythologisch interessierten Wicca die Geschichte von Odin und Yggdrasil nicht gänzlich unbekannt ist. Die „Zehn der Schwerter“ ist eine recht brutal anmutende Karte. Sie zeigt im Rider-Waite- Tarot, wie auch in vielen anderen Tarots, einen mit Schwertern durchbohrten am Boden 251 liegenden menschlichen Körper. Durch den schwarzen Himmel und das blaue Meer und besonders durch die Regungslosigkeit der Szene wirkt die Karte auch trotz des sandfarbenen Strandes sehr kalt. Auch was die Bedeutung der Karte angeht so steht sie meist für Zerstörung und das „bewußt herbeigeführte Ende eines unerträglichen Zustandes“ (Banzhaf, Handbuch 219). Die Karte verweist auf Niedergeschlagenheit, Tod oder eine bewusst herbeigeführte Trennung. Im Hinblick auf das Gedicht vermittelt sie den Eindruck eines unwiderruflichen, jähen Endes und die damit verbundenen Gefühle von Angst und emotionalem Schmerz (Banzhaf/Hemmerlein 166). Die Aussage der Karte bezieht aber auch den Aspekt des Verstandes mit ein. Ende, Zerstörung und Tod werden, so grausam sie auch sein mögen, auf der Basis verstandesmäßiger Erwägung angenommen, weil sie sich in einem Prozess der Reflektion als das einzig Richtige erweisen. Für Haebler geht es hierbei um „die schmerzliche Erkenntnis, dass man am Ende einer Sache angekommen ist“ und den Versuch, sich selbst in die Lage zu versetzten, „das Ende ohne Aufbegehren akzeptieren“ zu können (Haebler 79). Die Karte „Zehn der Schwerter“ steht hier als Aussage über die Unumgänglichkeit des Todes, die auch das Gedicht in den Zeilen 16-17 thematisiert, und verweist auf die Bürde des Menschen, sich damit gedanklich auseinandersetzten zu müssen. Besonders die Bildsprache der Karten, die Bewegungsunfähigkeit des Gehängten und die gnadenlose Unabänderlichkeit des mit Schwertern durchbohrten Körpers, verdeutlicht die psychologische Aufgabe des Menschen, für sich selber einen Ausweg zu finden, eine Strategie zu entwickeln, wie er in seiner Beschaffenheit als Sterblicher mit der Gewissheit des Todes umgehen und leben kann. Die Diskussion der Bedeutung der im Titel genannten Tarot-Karten hat wichtige Hinweise zur Einsicht in das Gedicht und seine Kernpunkte gegeben. Das Gedicht bleibt jedoch nicht beim Thema des Loslassens stehen, sondern gibt auch einen Hinweis auf das, was nach dem „Fall“ (20) geschieht. Der Mensch fällt nicht ins Bodenlose, sondern wird von der Erde aufgefangen. Im Falle des Blattes ist damit buchstäblich der Erdboden gemeint, im Hinblick auf das Leben des Menschen bedeutet es, dass auch sein Fall in den Tod ein Ende hat. Zwar geht das Gedicht nicht explizit darauf ein, wo der Fall endet und was sich daran anschließt, allerdings liefern die Begriffe „earth“ (21) und das bereits oben angesprochene „year’s dying“ (11) Hinweise darauf. Die heidnische Konnotation für die Erde ist Mutter Erde, auch verehrt als die Göttin Gaia. Erde bedeutet hierbei immer auch Geborgenheit und Ruhe, ein Umfangensein von Liebe und ein Gefühl von Sicherheit, gewissermaßen eine Bezugnahme auf den ‘Erd-Mutterschoß’. Mit dem Sterben des Jahres wird ferner ein Hinweis auf den Zyklus des Jahres gegeben. 252 In den letzten drei Zeilen des Gedichtes (22ff) wird ein Bild vor Augen geführt, in welchem das Blatt gefallen ist. Der Zweig erscheint nun ganz kahl gegen das Mondlicht. Mit der Vermenschlichung des Astes in „caressing the moon’s face“ (23), wie auch mit der des Blattes in „love of the leaf“ (14), wird erneut der metaphorische Bezug zwischen dem Baum und seinen Bestandteilen und dem Leben des Menschen hergestellt. Die zärtliche Konnotation von „caressing“ (23) führt hin auf die letzte Zeile. Die Verbindung von „bear“ und „only“ (24) legt nahe, dass dem Ast nun auch eine Art Last genommen worden ist, weil er nun auch das letzte Blatt nicht mehr tragen muß, und zwar im Gegensatz zu „bears the weight“ (3), wo selbst das letzte kleine Blatt als schweres Objekt dargestellt wird. Das Licht, das nun hinter ihm hervor scheint, beschwert ihn nicht. Ganz im Gegenteil vermittelt es neben der Helligkeit des Bildes der letzten Zeilen auch eine gewisse Leichtigkeit, welche einerseits durch den kahlen Ast und andererseits durch das homonyme Adjektiv ‘light’ (=leicht) hervorgerufen wird. Der Begriff „light“ (24) ist hierbei in zweifacher Hinsicht interessant. Auf wiccanisch-heidnischem Hintergrund gesehen ist es eine weitere Andeutung auf die möglichen Geschehnisse nach dem „Fall“ (20), denn Licht steht in Verbindung mit dem Beginn des neuen Jahres, wie im Abschnitt über das Yule-Fest deutlich wurde. Es bedeutet einen neuen Anfang, einen Hinweis auf das wiederkehrende Sonnenlicht und einen neuen Zyklus. Als Mondlicht, und auf der Basis von „moon’s face“ (23) als Licht des Vollmondes suggeriert es Lebenskraft und ausgereifte Entwicklung. In Kombination mit „bear only“ (24) ist es möglicherweise sogar als ein Hinweis auf die heidnische Bedeutung von Erlösung zu verstehen (so wie auch im Christentum oder auch im Islam Erlösung oft mit Licht in Verbindung gebracht wird): das Ende eines Zyklus zu akzeptieren, sich bewusst in diesen Kreislauf einzufügen und in Ruhe bis zum nächsten Zyklus auszuharren, denn so wie der Baum sich erholen muß, so tut dies, wie oben deutlich wurde, nach wiccanisch-heidnischer Sicht auch der Mensch (Banzhaf gibt auch für die Tarotkarte „Der Gehängte“ als Ziel, auf das die Karte hindeutet, eine wie auch immer beschaffene Erlösung an, so dass der Begriff „light“ auch mit der Tarotkarte aus der Überschrift korreliert und im Übrigen auch bildlich durch den Lichtschein um den Kopf des Gehängten mit dieser in Verbindung steht; Banzhaf Schlüsselworte 146). In der Parallelsetzung von einem Jahr und einem Leben kann man sicherlich, auch wenn das Gedicht dies nur unterschwellig vermittelt, die Begriffe „hoary“ (6), „year’s dying“ (11), „earth“ (21) und „light“ (24) als mögliche Reinkarnationshinweise deuten. 253 Außer den oben erörterten Wortfeldsträngen, die den Leser durch das Gedicht geleiten, stellt das Bild des Astes eine Klammer um den Text dar. Anhand dieser Klammer wird auch die Veränderung deutlich, die im Gedicht stattgefunden hat, gewissermaßen die Minimalhandlung des Textes: ein Blatt bereitet sich auf das Abfallen vor. Vermittelt wird diese ‘Handlung’ von Ausgangssituation (das Blatt hängt) zu Endsituation (die Vorstellung des Zustandes nach dem Fall vom Ast) erstens durch die Beschreibung des Astes, dessen Darstellung sich von „broken“ (2) zu „naked“ (22) verschiebt und damit anzeigt, dass sich das letzte Blatt aus das Abfallen ‘vorbereitet’, und zweitens durch die Bezugnahme auf das Gewicht, dass der Ast am Anfang tragen muß und welches er zum Schluss nicht mehr trägt. Dass die Formulierung „bears the weight“ (3) einen Eindruck von Schwere vermittelt und zum Ende in „bear only light“ (24) eine Leichtigkeit mitschwingt, wurde oben bereits angesprochen. Diese Klammer regt jedoch zu Ende des Gedichtes die Überlegung nach der Art der Schwere des „my small self“ (4) an. Wie viel wiegt ein Mensch? Oder vielmehr: Welches Gewicht hat ein Mensch, jeder einzelne Mensch, der sein eigenes „small self“ darstellt? War er in der Sommerblüte des Baumes als ein Blatt unter vielen Teil eines übergeordneten Größeren, so erscheint er als letztes verbleibendes Blatt am Ende des Herbstes und zu Winterbeginn, zu einer Zeit wo die Herbststürme bereits ihre Spuren hinterlassen haben, als Entität, deren Eigengewicht wahrgenommen wird. So drückt „my small self“ hier ein Gewicht im Sinne von Wichtigkeit und individueller Bedeutung aus. Im Rahmen des zentralen Themas des Textes, dem Tod, ist es zulässig, sogar noch einen Schritt weiterzugehen: Gerade in der Situation des Sterbens und des Todes erhält der Mensch eine eigentümliche Wichtigkeit und Eigenbedeutung, sowohl was sein eigenes Lebensempfinden betrifft, eine Erfahrung, die er schon zu Lebzeiten durch die Beschäftigung mit der Thematik andeutungsweise macht, was ja auch letztendlich das Ziel einer solchen Beschäftigung ist, als auch was die Kenntnisnahme und Wahrnehmung durch andere angeht. Tatsächlich verweisen sowohl die sprachlich-begriffliche als auch die bildlich-metaphorische Ebene fortwährend auf den Tod, so z.B. auch der Bezug zwischen den Begriffen „skeleton“ und „naked branch“, welche das Bild eines Knochengerippes parallel zur Darstellung der Eiche hervorrufen. Der Eichenbaum als Baum der Stärke und der Kraft, der Lebensbaum, wird im Gedicht zum Todesbaum umgedeutet (In diesem Zusammenhang sei noch auf die Bedeutung der Eiche als häufiger germanischer Kultplatz hingewiesen und auf die Hartnäckigkeit, mit der christliche Missionare, wie etwa Bonifatius, eben diese Kultbäume 254 fällten bzw. fällen ließen). Diese Umdeutung wird bereits im Titel in den Namen der Tarot- Karten und im Untertitel vorbereitet, welcher das Gedicht einem verstorbenen Verwandten widmet und er als zu Samhain geschrieben ausweist. Mit dem Hinweis auf Samhain wird der Leser bereits zu Beginn auf die dunkle Jahreszeit eingestimmt und auf das Setting und die Atmosphäre des Gedichtes vorbereitet. Oben wurde bereits dargestellt, welche Bedeutungsaspekte das Samhain-Fest hat und welche verschiedenen Konnotationen damit verbunden sind: Winterbeginn, Fest der Grenze und Grenzüberschreitung vom Bereicht der Lebenden zum Bereich der Toten, Zeit des Rückzugs der Natur, präferierte Zeit für divinatorische Aktivitäten und der Aspekt des Memento Mori. Auf diese Merkmale verweist der Untertitel des Gedichtes mit seinem Bezug auf Samhain, und diese Merkmale finden sich auch im Gedicht wieder: das stürmische raue Wetter, der Schritt vom Leben in den Tod anhand des Jahreslaufes und im Bild der Messerschneide, das Absterben der Vegetation, die Divinationsmethode des Tarot und schließlich die Reflektion des Blattes/des Menschen über die Tatsache seines eigenen Todes. An dieser Stelle wird deutlich, dass das Gedicht, was die Baum-Blatt-Metapher angeht, sehr eingängig ist und in seiner bildlichen Einfachheit leicht verstanden werden kann, dass sich jedoch die verschiedenen Bedeutungsnuancen und die Komplexität des Themas aus den einzelnen Hinweisen des Gedichtes nur unter Einbeziehung zusätzlicher Informationen erfassen lassen. Fast muten Formulierungen wie „year’s dying“ (11) und „The cards say“ (19) wie eine Geheimsprache an, die zum vollen Verständnis des Textes erst entschlüsselt werden muß. So stellt sich das Gedicht als ein Aufruf zur Beschäftigung mit dem Tod dar, ein Aufruf der in diesem Fall besonders an solche Leser geht, die die Hinweise auf den Jahreszyklus und die Tarotkarten zu deuten wissen, so dass es sich hierbei offensichtlich primär um ein Gedicht an gleich gesinnte Heiden und Wicca handelt. Schließlich soll noch auf das Ende des Gedichtes eingegangen werden, weil hier suggeriertes Bild und handlungssteuernde Syntax nicht übereinstimmen, wodurch der Effekt eines offenen Endes hervorgerufen wird. Die Spannung über das ‘Schicksal“ des Blattes bleibt bis über den letzten Vers hinaus erhalten, denn selbst während sich der Leser bereits das Bild des gefallenen Blattes vorstellt und der kahle Ast vor seinem inneren Auge erscheint, ist das Blatt bis in den letzten Vers noch nicht gefallen. Durch die Futur-Form in Zeile 24 wird die Erwartung aufrechterhalten und der tatsächliche Fall des Blattes außerhalb des Gedichtes verlegt. Dadurch wird der Eindruck einer das Gedicht betreffenden ‘Handlung nach dem Text’ erweckt und es bleibt das Gefühl, dass das Gedicht trotz des suggerierten Schlussbildes 255 eigentlich noch nicht zu Ende ist und ein Stück weitergehen müsste. Das Bild des Blattes hängt also buchstäblich in der Luft, und da die Verse zwar ein Ende der Handlung vorbereiten, dem Leser das letzte erwartete Element aber vorenthalten, muss dieser den Strang gewissermaßen ‘posttextuell’ selber zu Ende führen. Damit erreicht der Text das, was er erreichen will, nämlich die Überführung des Todesthemas aus dem lyrischen Text heraus in die gedankliche Weiterführung und Beschäftigung mit demselben beim Leser. 256 4. Rituale „My church shall be by the standing stone, Where a gay ghost pipes on a flute of bone.“ („The Pagan“, Doreen Valiente) In zahlreichen Wicca-Gedichten findet sich der Begriff des Kreises „circle“ (siehe auch die Bedeutung des Kreisgedankens bei den Jahresfesten). Auch hier setzen, ähnlich wie es beim Götterkonzept der Fall ist, verschiedene Wicca unterschiedliche Schwerpunkte was die Bedeutung des Kreises angeht, und die Arbeit mit dem Kreis in der Ritualpraxis kann sehr vielfältig sein. Dennoch kann es auch auf diesem Gebiet wieder so etwas wie einen kleinsten gemeinsamen Nenner geben, ein dem Konzept des Kreises zugrunde liegendes Prinzip, gewissermaßen die Basis, auf der Wicca sich verständigen und sofort verstehen, wenn vom Kreis die Rede ist. Um sowohl die individuellen Nuancen als auch das verbindende Muster herauszuarbeiten, sollen einerseits die Aussagen zum Kreis in verschiedenen Gedichten, wo sie oft wie beiläufig eingestreut und beinahe nebensächlich anmuten, betrachtet und zusätzlich Hinweise und Erklärungen aus der gängigen Wicca-Literatur hinzugezogen werden. Zelda of Arels „Wiccan night“, das in zehn Strophen mit je vier Zeilen einen groben Eindruck von einem Ritualablauf vermittelt, beschreibt den Kreis als konstitutive Grundlage für die Abhaltung eines Rituals. Zu Beginn wird ein Kreis aufgebaut („cast the circle“, 9), der den Raum des Rituals definiert, und gegen Ende wird dieser Kreis wieder aufgehoben („Close the circle“, 39). Was die Prozedur angeht, so erfährt der Leser aus den Zeilen 5 bis 8, wie ein solcher Kreis zustande kommt: „To the North stands/ The Earth that is her body, / Walk deosil to come/ to her bright spirit“. Der Startpunkt des Kreises liegt nach dieser Information im Norden, es folgt eine Bewegung mit der Charakterisierung „Walk deosil“ (7). Bei dem Begriff deosil handelt es sich laut Lewis um einen Ausdruck aus dem Irischen mit der Bedeutung „a turning to the right“ bzw. „a holy round“, welcher eine kreisförmige Bewegung im Uhrzeigersinn meint (Lewis, Witchcraft 77). Das Collins English Dictionary weist den Eintrag deasil als schottisches Adverb und Nomen mit der Bedeutung „in the direction of the apparent course of the sun; clockwise“ bzw. „motion in this direction“ auf (Collins English Dictionary). Dementsprechend symbolisiert die Bewegung im Uhrzeigersinn den Lauf der Sonne entlang der Himmelsrichtungen: 257 „In most Wiccan/Witchcraft traditions all movement around the circle is performed in this „sunwise“ manner in order to be in harmony with the natural flow as depicted in Nature. The deosil movement also symbolizes gain and growth, and ritual circles are typically cast in a clockwise direction.“ (Grimassi, Encyclopedia 98) Die Kreisbewegung beginnt dem Gedicht entsprechend im Norden und wird vollführt als kreisförmiger Gang im Uhrzeigersinn. Außerdem nennt das Gedicht weitere Bestandteile eines Kreisaufbaus. So ist in den Zeilen 1 bis 4 die Rede von Lichtern, die den Kreis optisch markieren, und die Zeilen 9 bis 12 sprechen von einem Kreisaufbau „With fire and water“ (10), so dass man davon ausgehen kann, dass die Elemente Feuer und Wasser bei der Bewegung um den Kreis herum geführt werden, vielleicht in Form einer Kerze und Wasser in einer Schale. Dass es sich bei der im Gedicht beschriebenen Kreismarkierung nur um eine von vielen Möglichkeiten handelt, wird bei einem Blick in die Literatur deutlich, in der auf zahlreiche andere Gestaltungsmöglichkeiten hingewiesen wird: „This might be a cord lain in a roughly circular shape, a lightly-drawn circle of chalk, or objects situated to show its outline. These include flowers (ideal for spring and summer rites); pine boughs (winter festivals), stones or shells; quartz crystals, even tarot cards. [...] The cardinal points are often marked with lit candels [...].“ (Cunningham, Wicca 57). Bei fortgeschrittener Praxis scheinen derartige Markierungen nicht mehr unbedingt nötig zu sein und „geübte Hexen schlagen den Kreis ganz einfach mit ihrem Athame oder Zauberstab in die Luft“ (RavenWolf, Magie 192). Auch wenn der Kreis insgesamt nicht immer sichtbar gezeichnet wird, so stellt die Markierung der Kardinalpunkte jedoch einen wichtigen Bestandteil des Kreisaufbaus dar (Starhawk, Hexenkult 89). Diese Punkte in den vier Himmelsrichtungen können zusätzlich mit Salzwasser (als Symbol für die Elemente Wasser und Erde) und Räucherwerk gereinigt und geweiht werden (Crowley, Wicca 98, 100; Starhawk, Hexenkult 90). Was den Ausgangspunkt des Kreises angeht, gibt es alternativ die Möglichkeit, das Ziehen des Kreises auch im Osten zu beginnen und nach 360° bis zum östlichen Kardinalpunkt zurückzukehren (Curott 103). Generell gilt, dass Rituale, und dabei vor allem auch Kreisbildungsmethoden dann am wirkungsvollsten sind, wenn sich der Praktizierende damit wohl fühlt. Zu diesem Zweck wird auch geraten, nach anfänglicher Stützung und Übung anhand von publizierten Ritualen eigene Ideen mit entsprechenden Utensilien und selbst geschriebenen Texten zu entwickeln und die für die individuelle Ritualpraxis adäquate Methode zu finden (RavenWolf, Magie 200). Dies 258 gilt sowohl für allein praktizierende Wicca, welche die für sie angenehmste Weise erarbeiten und dabei je nach Anlass und Gelegenheit auf verschiedene Ablaufmuster zurückgreifen, als auch für Coven, wobei hier oft ein zu der jeweiligen Tradition gehörendes Ritualmuster zugrunde liegt und unter Umständen leicht modifiziert werden kann, um einen Weg zu finden, bei dem sich alle Gruppenmitglieder in der Zusammenarbeit am wohlsten fühlen. Im Rahmen von Covenarbeit kommt es sehr auf die Regeln der einzelnen Coven und ihrer Tradition an, inwieweit eine solche Modifikation möglich ist, weil sich die Stabilität einer Tradition, besonders im Gardnerischen und Alexandrinischen Wicca, nicht zuletzt auch durch die Struktur des Rituals definiert. 4.1 Das Athame Dass das Ritualmesser, genannt Athame, beim Aufbau eines Ritualkreises das bevorzugte Werkzeug zu sein scheint, geht auch aus Valientes „The Witches’ Creed“ (29f) und aus „’Twas the Night Before Samhain“ (5) hervor. In beiden Gedichten erscheint das Athame als das Mittel zur Kreisbildung. Das traditionell zweischneidige, mittlerweile in Länge und Form variierende Ritualmesser ist wichtiger Bestandteil der Ausstattung der Wicca (siehe auch Crowley, Wicca 96). Es symbolisiert das Element Luft, weil es durch seine Schneide einerseits mit einem ‘Durchschneiden’ der Luft zum Zweck der Schaffung des Kreisbereichs in Verbindung steht und andererseits der Schärfe des Verstandes entspricht, welche wiederum eine Eigenschaft ist, die dem Element Luft zugeordnet wird (Starhawk, Hexenkult 297; RavenWolf, Magie 146). Das im Ritual eingesetzte Athame sollte vorzugsweise stumpf sein, erstens um Verletzungen jeder Art auszuschließen und zweitens weil es „nicht dazu dient, etwas auf der physischen Ebene zu zerschneiden, sondern Energie [...] zu dirigieren“ (RavenWolf , Magie 146f). Diese Aussage entspricht auch der Kollokation „athame of power“, die in den oben genannten Gedichten gewählt wird. Ritualmesser und Dolch verfügen im rituellen Umfeld über die Macht, Energie zur Kreisschaffung freizusetzen und zu dirigieren. Cunningham beschreibt den Kreis als ein „band of light“, das sich zu einem „dome of energy“ ausdehnt, RavenWolf als dreidimensionale Blase, „kreisrundes Spinnennetz“ oder auch als Hecke, die blasenartig zusammenwächst (Cunningham, Wicca 97; RavenWolf, Sprüche 215). Dabei fließt die den Kreis aufbauende Energie ausgehend vom Praktizierenden aus der Schneide des Messers heraus und formt sich. Bei all diesen Möglichkeiten für einen Kreis, Gestalt anzunehmen, sind zwei Elemente von besonderer Bedeutung: die 259 dreidimensionale, also räumliche Sichtweise des Ritualbezirks und die Vorstellung dieses wie auch immer erscheinenden Kreisraums. Was die Vorstellung des Praktizierenden bzw. der Ritualteilnehmer angeht, so ist das zentrale Element des Kreisaufbaus die Visualisierung. Der Praktizierende konzentriert sich auf seine Vorstellung vom Kreis, er stellt sich vor, wie Energie aus dem Athame strömt, wie der Kreisraum wie eine Kugel um ihn herum Gestalt annimmt. Gegenstände wie platzierte Kerzen, Kordeln oder Steine helfen bei der Vorstellung (Crowley, Naturreligion 141). Doch so vielfältig die optischen Hilfsmittel und Bestandteile eines Kreisaufbaus sind, das wichtigste Element bei der Prozedur ist die Visualisierung: „Beim Bilden eines magischen Kreises kommt es weniger auf die äußere Form an als auf die Intensität der inneren Visualisierung“ (Starhawk, Hexenkult 112). Das bedeutet, dass der Kreisbereich vor dem inneren Auge gesehen wird und zwar in starker Konzentration und über die gesamte Dauer des Rituals hinweg. Visualisierung meint, sich etwas kontrolliert so vorzustellen, als wäre es greifbar da. Die Gedanken werden auf eine bestimmte Sache fokussiert, die dadurch im Geiste Realität werden soll. Das können Gegenstände, Personen oder auch Gefühle und Zustände sein. Die Technik der Visualisierung basiert im wesentlichen auf zwei Erkenntnissen der Psychologie: Die erste betrifft die Effekte von mentaler Imagination, die auf der Verschaltung neuronaler Abläufe im Gehirn mit dem Muskelapparat des menschlichen Körpers beruhen. Verschiedene Untersuchungen von Neurophysiologen ergaben, dass alleine die intensive, regelmäßige Vorstellung von Muskeltätigkeit die Muskelkraft messbar erhöhen kann (Robertson 56ff). Dabei fand man Veränderungen in bestimmten Hirnregionen, die z.B. zu einem Anstieg der Kraft in der Fingermuskulatur führten. Nicht ein Muskelaufbau durch physisches Training, sondern die Modifikation neuronaler Regionen war für den gemessenen Kraftanstieg verantwortlich (zu unterschiedlichen Studien hierzu siehe Jeannerod/Decety und Yue/Wilson/Cole/u.a.). Die zweite Erkenntnis bezieht sich auf die Auswirkung selbsterfüllender Prophezeiungen. Die Erwartungshaltung, die eine Person sich selbst oder ihrer Umwelt entgegenbringt, hat Einfluss auf den Verlauf und das Ergebnis von Situationen. In der pädagogischen Psychologie wurde dieser Mechanismus anhand von Lehrerreaktionen auf Schüler belegt (Gage/Berlinger 73ff, 163). Im Rahmen der wiccanischen Spiritualität werden diese Erkenntnisse zu einem Konzept verschmolzen, das davon ausgeht, durch mentales Training und Affirmation die 260 Wahrnehmung und Handlungsfähigkeit sowohl auf der Ebene innerlich-spiritueller Befindlichkeit wie auch äußerlicher Aktion, z.B. in einem Ritual, gezielt zu verändern. Für den Praktizierenden wird das, was er sich vor seinem inneren Auge vorstellt, Wirklichkeit: „Visualisierung ist die Fähigkeit, mit den innersten Sinnen zu sehen, zu hören, zu fühlen, zu berühren und zu schmecken. Unsere physischen Augen sehen nicht, sondern sie übermitteln nur die von Lichtreizen ausgelösten Nervenimpulse an das Gehirn. Das Gehirn sieht; es kann innere Bilder ebenso klar erkennen wie Bilder der Außenwelt. [...] Durch Übung können die meisten Menschen die Fähigkeit entwickeln, im Wachzustand die inneren Sinne intensiv zu gebrauchen.“ (Starhawk, Hexenkult 80) „This is the most basic and yet advanced technique called for in magic and Wicca. The art of using our brains to „see“ what is not physically present is a powerful magical tool used in many Wiccan rituals. For instance, the forming of the magic circle relies in part on the Wiccan’s ability to visualize personal power flowing out from a shere of glowing light around the ritual area.“ (Cunningham, Wicca 82) Um die Fähigkeit zu entwickeln, sich konzentriert und gleichzeitig mühelos bestimmte Dinge vorstellen zu können, können Wicca aus einer Vielzahl von Übungen wählen (zu Visualisierungsübungen siehe Gabriel, Wege und Starhawk, Hexenkult). Es ist sogar möglich, ganze Ritualabläufe alleine durch Visualisierung zu vollziehen, um damit die „innere Dimension“ des Rituals nicht aus den Augen zu verlieren, weil offensichtlich das „äußere Ritual“ von der eigentlichen Bedeutung auch ablenken kann und so die Gefahr besteht, dass das Ritual „zu einer Abfolge schöner, doch bedeutungsloser Gesten“ degeneriert (Crowley, Wicca 90). Ein errichteter Kreis ist allerdings kein permanentes Phänomen, kein Bereich, der dauerhaft zur Verfügung steht. In „Wiccan night“ wird dies durch die Formulierung „Close the circle“ (39) vermittelt, ein Ritualbereich entsteht und wird wieder rückgängig gemacht. Das Collins English Dictionary verweist in seinem Eintrag zu deasil auf den ebenfalls schottischen Begriff withershins, welcher eine kreisförmig verlaufende Bewegung in die gegensätzliche Richtung bezeichnet, nämlich gegen den Uhrzeigersinn. Das Gedicht geht nicht näher auf die genaue Methode der Kreisaufhebung ein, aber in der entsprechenden Literatur, die schon zur 261 Verdeutlichung des Begriffs deosil zu Rate gezogen wurde, finden sich auch Erläuterungen zu dem entsprechenden Antonym. Dabei begegnet widdershins als favorisierte Schreibweise, wobei hier das mittelhochdeutsche wider (gegen) und sin (Bewegung, Kurs) sichtbar werden. Lewis verweist auf den angelsächsischen Ausdruck with sith mit der Bedeutung „to walk against“ (Lewis, Witchcraft 304). Grimassi erklärt: „In most Wiccan/Witchcraft Traditions the ritual circle is removed in the opposite direction“ und „Witches/Wiccans close down their ritual/magickal circles by treading the circle counterclockwise“ (Grimassi, Encyclopedia 98). Während außerdem die Bewegung mit dem Uhrzeigersinn nach Ansicht der Wicca vermehrend, vergrößernd und allgemein steigernd wirkt, führt die Bewegung gegen den Uhrzeigersinn dazu, dass eine verringernde, verkleinernde und generell abschwächende Wirkung erzielt wird: “This type of movement is believed to evoke energies that take away, dissolve, or diminish other forms of energy“ und Starhawk bestätigt die eine als „Richtung von Wachstum, Glück, Vorteil und Segen“ und die andere als Richtung „zum Herabmindern und zum Bannen“ (Grimassi, Encyclopedia 400; Starhawk, Hexenkult 98). Was den rituellen Kreis angeht, bedeutet dies, dass der zu Beginn aufgebaute Kreis nun in die entgegen gesetzte Richtung gewissermaßen ‘ausradiert’ wird. Der durch den Kreis errichtete Bereich stellt also keinen dauerhaft rituell genutzten Bezirk dar und selbst wenn ein Kreis regelmäßig an einem bestimmten Ort errichtet wird, so handelt es doch immer wieder um ein neuen Kreis: „Der Kreis der Hexe unterscheidet sich von einer Kirche, die ein Gebäude ist, in dem der heilige Bereich dauerhaft durch die Begrenzung der Wände definiert ist. Diese Begrenzungen sind ein für allemal von einem Bischof geweiht worden und müssen nicht erneuert werden. Im Wicca muß der heilige Bereich, selbst wenn einer Gruppe ein eigener Tempel zur Verfügung steht oder sie in einem auf den Boden gemalten Kreis arbeitet, für jedes Ritual neu errichtet werden.“ (Crowley, Wicca 89) 4.2 Im Kreis Wiccan night Zelda of Arel Warm lights awake In the cold depths of night. One by one they Become a circle of rite. 262 5 To the North stands The Earth that is her body, Walk deosil to come To her bright spirit. Cast the circle 10 With fire and water, Fire from the Far East, Water from the sea. Two more flames 15 Blaze in the darkness. Begin in perfection With love and trust. Call her upon 20 Her names, countless. Demeter, Pele, Aphrodite, Hecate join the circle. Call him upon 25 His names, countless. Stag, Zeus, Eros, Pan join the circle. At last you come To the four Elements. Earth, Air, Fire And water join the circle. All are together, 30 Say the words for which You stand here, For which you join the circle. The last light 35 Flames in the iron, Sending your prayer To the higher. Thank all who 40 Join your night. Close the circle, Finish your rite. Ein Blick in die Zeilen 17 bis 24 von „Wiccan night“ macht deutlich, dass die Götter, und damit sind -je nach Glaubensausrichtung -sowohl Gott und Göttin in ihren Aspekten, als auch Götter als individuelle Entitäten gemeint, in den Kreis eingeladen werden („join the 263 circle“, 20, 24), wobei die Zusammenstellung von „Demeter, Pele, Aphrodite,/ Hecate“ (19f) und „Stag, Zeus, Eros,/ Pan“ (23f) auf die mögliche Vielfalt der eingeladenen Götter verweist. Der Kreis ist der Raum „in which humans meet with the Goddess and God“ (Cunningham, Wicca 55). Auch in „’Twas the Night Before Samhain“ begegnen die Götter als Teilnehmer des Rituals („The Lord and Lady attended our rite“, 7). Sie verleihen dem Ritual „wonder and glory and power and might“ (8). Aus Invokationsgedichten wie z.B. „Invocation to Brigid“ von Autumn Rose geht hervor, dass es sich dabei um einen Besuch des Kreises durch die Götter handelt, der den Kreis heiligt und mit göttlicher Macht erfüllt. Die Götter werden jedoch nicht, wie etwa bestimmte Entitäten in der Zeremonialmagie, in den Kreis befohlen, sondern vielmehr um ihre Anwesenheit gebeten („Loving Mother, hear my plea,/ Attend this circle“, 3f; „Come and bless this sacred space,/ By Your will and by Your grace“, 11f) und auch der Vers „I call out to the Lord and Lady“ (3) aus Arawens „A Devotional“ verdeutlicht, dass es sich bei der wiccanischen Invokation um eine Anrufung im Sinne einer Bitte handelt. Ganz im Sinne dieser Bitte wird den Göttern auch am Ende eines Rituals für ihre Anwesenheit gedankt („The Lord and Lady, thanked for the day“ („Twas the Night Before Samhain, 16); „Thank all who/ join your night“ („Wiccan night“, 37f). Diese Praxis spiegelt durchaus die Hochachtung wider, die die Wicca ihren Göttern entgegenbringen. Außer Hochachtung und Verehrung schwingt aber noch ein weiteres Element mit, ein familiäres Element kombiniert mit tiefer Zuneigung und starker Verbundenheit: „Loving Mother“, „Her children“, „Loving light“, „May I carry Your peace within my heart“ („Invocation to Brigid“, 3, 6, 10, 14), „Children of the Lord and Lady“ („Cast the Circle“, 4), „Dear Mother“, „Dear Father“ („A Devotional“, 5, 6). Auf diese enge emotionale, familiäre Verbindung der Wicca zu ihrer Göttin wurde im Abschnitt zum Göttinnenkonzept bereits eingegangen. Die Atmosphäre, die im Kreis herrscht, und das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit im Kreis wird ebenfalls in einigen Gedichten deutlich. So ist der Aufenthalt im Kreis charakterisiert durch ein Wohlgefühl der Geborgenheit, wie aus „comfort of my Circle“ („A Devotional“, 1) hervorgeht. Die folgende Zeile „Perfect Peace and Love“ („A Devotional“, 2) erinnert an die bei gardnerischen und alexandrinischen Initiationen geläufige Formulierung „Perfect Love and Perfect Trust“ (Book of Shadows, The Initiation: First Degree; Farrar/Farrar, Bible, Teil 2 13). Weiter unten im selben Gedicht weist die dritte Strophe (Zeilen 9-12) eine Kombination von Anapher („Your presence is here, for all around,/ Your love, like moonlight glows.“ und der Ausklang in „You touch...“), Konsonanz („Your love 264 like moonlight glows“, [l]) und die Häufung von klangvollen Phonemen am Ende jeder Zeile dieser Strophe ([åu], [\u], [ø:]). Dabei wird durch die Wiederholung von „Your“ und die Ergänzung mit „You“ in der Verbindung mit „presence“, „love“ und „touch“ die als „You“ angesprochene „Mother“ (5) in körperliche und emotionale Nähe zum Sprecher gerückt. Diese drei Begriffe presence -love -touch fungieren hier als Klimax, weil sie Schritt für Schritt von der einfachen Anwesenheit über die liebevolle Grundhaltung bis hin zur persönlichen Berührung die zunehmende Nähe zwischen Sprecher und Gottheit beschreiben. Parallel zur Nähe schaffen die Konsonanz der [l]-Laute sowie die wiederholten Phoneme in [ø]-Nähe nahezu auf ikonische Weise eine Atmosphäre der Geborgenheit und des Schutzes. Diese Nähe wird auch in anderen Gedichten sichtbar, wie etwa in „we feel Thee near“ aus „Invocation to Flora“ (19), wo die Assonanz [i:] die Intensität eben dieser Nähe betont. Geborgenheit und Nähe erweisen sich demnach als die Hauptkomponenten des Zusammentreffens zwischen Mensch und Gott im Kreis. Das Gedicht „Circle: Friends for life...always together“ geht andererseits auf die ideale Beziehung und Atmosphäre der Ritualteilnehmer untereinander ein. Auch hier wird sowohl das emotionale als auch das körperliche Element thematisiert: Die Teilnehmer werden als „Friends“ bezeichnet und auch hier begegnet wieder der Ausdruck „perfect love“, welcher die Grundlage für das gemeinsame Ritual zu sein scheint. Schafft das freudige „together“ (7) durchaus eine Atmosphäre des Zusammenhalts und der Gemeinschaft und unterstreicht das physische „hand in hand“ diese freundschaftliche Verbindung, so mutet die Hyperbel „Friends forever“ (8, 13) dichterisch und sprachlich eher hilflos und nahezu kitschig an (wie dies auch schon in Zeile 6 mit „carried higher than the flights of doves“ der Fall war). Sicherlich wird deutliche welche Intensität der Beziehung der Akteure im Kreis und welches grundlegende Vertrauensverhältnis unter den Teilnehmern der Autor ausdrücken möchte. Es fragt sich nur, ob selbst bei geringem poetischen Talent nicht eine andere Metapher oder andere Formulierungen hätten gefunden werden können. Nichtsdestotrotz ist die Atmosphäre im Kreis charakterisiert durch eine starke Verbindung und Intimität der Teilnehmer untereinander, durch ein ausgeprägtes ‘Wohlfühl-Element’, das die Grundlage für einen konzentrierten Ritualablauf bildet, vor allem dann, wenn man bedenkt, dass manche Gruppen ihre Rituale unbekleidet abhalten. 265 4.3 Energiesammlung und -sendung Wie aus den weiter oben genannten Versen deutlich wurde, werden die Götter in den Kreis eingeladen. Sie bieten Beistand und Unterstützung und geben einem Ritual ihre eigene göttliche Note, eine Art Segen. Außerdem fungiert der Kreis, der, wie oben gezeigt wurde, als räumlicher Bereich zu sehen ist, als „Gefäß magischer Energie“, als Sammelbecken und Konzentrationsstelle für Energie, die im Rahmen des Rituals gebildet und gesammelt wird. Hat sich eine bestimmte Menge an Energie aufgebaut, wird sie auf ein bestimmtes Ziel fokussiert und schließlich gezielt ausgesandt, z.B. als Heilungsenergie für einen Kranken. Energien, die im Rahmen eines Rituals nicht ausgesandt werden, werden gegen Ende durch eine Erdungsübung wieder an die Erde zurückgegeben. Im Gegensatz zur zeremonialmagischen Praxis, wo der magische Kreis primär als Schutzschild vor bestimmten Entitäten aufgebaut wird, dient er bei Ritualen der Wicca zwar auch als Begrenzung eines besonderen Raums, hier aber in erster Linie dem Zusammenhalten von Kraft und Energie (Starhawk, Hexenkult 93; Grimassi, Mysteries 158). Dies erklärt Gardner bereits 1954 in Witchcraft Today: „It is necessary to distinguish this clearly from the work of the magician or sorcerer, who draws a circle on the ground ind fortifies it with mighty words of power and summons [...] spirits and demons to do his bidding, the circle being to prevent them from doing him harm, and he dare not leave it. The Witches’ Circle, on the other hand, is to keep in the power which they believe they can raise from their own bodies and to prevent it from being dissipated before they can mould it to their own will.“ (Gardner, Witchcraft 26) „They [the English witches] believe the power is within themselves and exudes from their bodies. It would be dissipated were it not for the circle cast [...] to keep the power in, and not, as magicians usually use it, to keep the spirits out. A witch can and does move freely in and out of the circle when she wishes.“ (Gardner, Witchcraft 47; zu diesem Zweck wird in modernen Kreisen manchmal eine Art ‘Tür’ eingebaut, durch die Teilnehmer im Notfall oder weil es im Rahmen des Rituals so vorgesehen ist während des Rituals den Kreis verlassen oder betreten können.) 266 Und ein mit 1953 datierter Eintrag mit der Überschrift „Power“ im Gardnerischen Buch der Schatten mutet als Ausgangspunkt der in Witchcraft Today gewählten Formulierungen an: „Power is latent in the body and may be drawn out and used in various ways by the skilled. But unless confined in a circle it will be swiftly dissipated. Hence the importance of a properly constructed circle. Power seems to exude from the body via the skin and possibly from the orifices of the body; hence you should be properly prepared. The slightest dirt spoils everything, which shows the importance of thorough cleanliness.“ (Book of Shadows) Ein fester Begriff für die im Kreis aufgebaute Energie ist der „Kraftkegel“ bzw. „cone of power“ (Crowley, Wicca 117; Rabinovich/Lewis 56; Lewis, Witchcraft 60). Durch Praktiken wie etwa Tanzen oder Singen wird innerhalb des Kreises Energie angesammelt. Diese Energie wird oft als kegelförmig und sich in kreisförmiger Bewegung befindend visualisiert, obwohl auch andere Vorstellungen, wie etwa die eine Kugel, möglich sind. Die Energie verbleibt so lange im Kreis bis alle Teilnehmer sie gemeinsam, etwa zur Heilung einer nicht anwesenden aber dennoch informierten Person, aussenden, zur Heilung einer sich im Kreis befindenden Person verwenden oder bis sie, wenn es lediglich um die Erfahrung des gemeinsamen Kraftaufbaus geht, geerdet wird. Dabei ist es besonders wichtig, dass sich alle Teilnehmer aufeinander abstimmen „to time its release“ (Lewis, Witchcraft 57). Diese gemeinsame Abstimmung und das Zusammenwirken der Teilnehmer bezeichnet Crowley als „Gruppengeist“ (Crowley, Wicca 123ff). Als in der jungianischen Tradition stehende Psychologin sieht sie den Gruppengeist, also die Verbundenheit der einzelnen Teilnehmer, als „Ebene des Bewußtheit, auf der Menschen direkt miteinander kommunizieren können“ und als „Grenzbereich zwischen persönlichem und kollektivem Unterbewußten“, „sodaß die Mitglieder des Covens in permanentem psychischen Kontakt stehen“ (Crowley, Wicca 125; Crowley beschreibt auch das Initiationsritual als Zeremonie der Öffnung eines neuen Gruppenmitgliedes erstens für den Gruppengeist des Covens und zweitens für der Gesamtgruppengeist der Wicca, 125). Im Zusammenhang mit Gardners Berichten über die Rituale, insgesamt sollen es vier, vermutlich im Abstand von je einem Monat, gewesen sein, die seine Hexengruppe im Sommer 1940 zur Verhinderung einer Invasion Hitlers in England abgehalten hatte, machte sich Valiente zum Kraftkegel folgende Notizen: 267 „The Cone of Power. This was the old way. The circle was marked out and people stationed to whip up the dancers. A fire or candle was within it, in the direction where the object of the rite was supposed to be. Then all danced round until they felt they had raised enough power. If the rite was to banish, they started deosil and finished widdershins, so many rounds of each. Then they formed a line with linked hands and rushed towards the fire shouting the thing they wanted. They kept it up till they were exhausted or until someone fell in a faint, when they were said to have taken the spell to its destination.“ (Valiente, Rebirth 45; Die gerufenen Worte waren laut Doreen Valiente: „Can’t cross the sea! Can’t cross the sea! Not able to come! Not able to come!“. Ferner weist sie daraufhin, dass „a number of the older and frailer people who took part died shortly afterwards, and it was believed that the cold and the exertion had contributed to their deaths“, Valiente, Rebirth 46) Wicca gehen davon aus, dass alles im Universum miteinander durch Energie verbunden ist. Dieser Energie ist immer in Bewegung, so dass Einflussnahme an einer Stelle an einer anderen Stelle ihre Wirkung zeigt. Außerdem kann Energie gesammelt und gezielt eingesetzt werden. Die Gesetze der Physik zeigen (Energieerhaltungssatz und Ursache-Wirkungs- Gesetz; Grehn 56ff), dass dies zumindest generell möglich ist und z.B. im Rahmen der Stromgewinnung auch genutzt wird. Dies ist auch das grundlegende Prinzip der heidnischen Auffassung von Magie. Wicca sehen den menschlichen Körper als Energiespeicher und Energieträger und glauben, dass ihm eine „Kraft innewohnt“ (Crowley, Wicca 117). Außerdem fungiert er auch als eine Art ‘Energiezielgerät’, das in der Lage ist, Energie in Bewegung zu halten und zu dirigieren und dadurch bestimmte Wirkungen zu erzielen: „Das erste Prinzip der Magie lautet Verbundenheit. Das Universum ist ein fließendes, in stetem Wandel begriffenes Energiemuster und keine Anhäufung feststehender, einzelner Dinge. Der Einfluß auf ein Ding erfaßt irgendwie auch alle anderen Dinge. [...] Alles und jedes ist untereinander verbunden. Jede Handlung, jede Bewegung von Kräften verändert das Universum. [...]. Die Energie ist ständig im Fluß.“ (Starhawk, Hexenkult 188f) Diese Sätze mögen verdeutlichen, worauf sich die Gewissheit der Heiden gründet, zielgerichtet Veränderungen durch Energiearbeit hervorrufen zu können. Die Vorstellung vom Fluss der Energie in diesem Zusammenhang ist eine spiralförmige: „immer bewegt sie sich kreisend, zyklisch, wellengestaltig“ (Starhawk, Hexenkult 189; Heiden führen als Beispiel für 268 derartige spiralförmige Bewegungen und Anordnungen häufig die Spirale der DNS-Stränge an). So kommt auch die Form des Kraftkegels zustande: „Bei Ritualen im Konvent wird die beschworene Energie meist in die Form eines Kegels, des Kraftkegels, gegossen. Der magische Kreis bildet die Basis des Kegels. Seine Spitze kann auf einen Menschen, einen Gegenstand oder auf ein gemeinsam visualisiertes Bild gerichtet werden.“ (Starhawk, Hexenkult 194). Gardner beschreibt die Energie als aus dem menschlichen Körper strömend. Aber auch im Kreis anwesende Gottheiten können ihre Energie zur Verfügung stellen. Diese wird dann durch Tanzen gesammelt und zum Kegel geformt: „Ist die Energie der gerufenen Götter da, setzen sich die Teilnehmer in Bewegung und beginnen mit dem Kreistanz, wobei sie singen, summen, trommeln, rasseln, schreien können. [...] Dies geschieht so lange, bis ein gewaltiges Kraftfeld aufgebaut ist, das meist als Kegel empfunden wird, dessen Spitze hoch über der Kreismitte in den unendlichen Himmel emporragt“ (Das Hexenbuch 73f). Verschiedene praktizierende Wicca beschreiben den „Cone of Power“ und die aufgestaute Energie als „swirling force through which our magical intentions are directed“, als „chamber, that hold the collective willpower of all present“ und als „psychic power“, welche der Kreis „amplifies and fine-tunes“ (Farrar/Farrar, Times 102). Crowley stellt den Energieaufbau im Kreis in Zusammenhang mit dem indischen Chakra-System, bei dem es sich um ein System von Energiewirbeln im menschlichen Körper handelt. Durch die Öffnung der einzelnen Chakras und durch anschließendes Tanzen „wird der Energiekegel ausgesandt, d.h. die Tänzer lassen die Energie los und erlauben ihr, aus dem Kreis aufzusteigen, um ihr Ziel zu erreichen“ (Crowley, Wicca 121). Generell spielen die Chakras im Wicca im Rahmen der Energiearbeit eine große Rolle. Allerdings haben nicht alle Wicca einen Bezug zu der Sichtweise des energetischen Körperaufbaus in Form von Chakras und haben ein anderes individuelles Bild vom Körper als Energiesystem. 4.4 Heiliger Raum Zahlreiche Gedichte beschreiben den Kreis als „sacred space“ („Invocation to Brigid“, 11), „holy place“ („Invocation to Flora“, 6), „magical circle“ („The Witches’ Creed“, 29), „circle of power“ („Untitled“, Glorianna, 6). Diese Phrasen beschreiben den Kreis als einen außergewöhnlichen, machtvollen und heiligen Ort. Aus religionswissenschaftlicher Sicht bedeutsam ist erstens die Tatsache, dass am Ende der Unternehmung der zu Beginn mit verschiedenen Hilfsmitteln gezogene Kreis als ritueller Raum schließlich wieder aufgehoben 269 wird und zweitens der durch Visualisierung gewonnene Bereich mit seiner inneren Dimension, der von einem äußerlich sichtbaren Kreis zu unterscheiden ist. An welcher Stelle ein Ritualkreis errichtet wird, ist insofern irrelevant, als dass es keine besonderen auserwählten Stellen gibt, die alleine dafür in Frage kommen. Zwar geht man im Wicca davon aus, dass es, gerade in der Natur, Orte gibt, die als besonders empfunden werden, weil sie eine individuelle und starke Atmosphäre ausstrahlen, wie etwa bestimmte Bäume oder Lichtungen, doch prinzipiell ist die gesamte Erde für die Wicca heilig (Crowley, Naturreligion 130f). Die Welt gilt für sie nicht als „in ihrer Totalität profane Welt“, wie Eliade die „Erfahrung des nicht religiösen Menschen der modernen Gesellschaften“ beschreibt, sondern genau im Gegenteil als allumfassend heilige Welt (Eliade, Heilige 16). Gewissermaßen stellt die Welt als ganze für die Wicca eine Gesamt-Hierophanie dar, so dass z.B. Steine oder Bäume nicht nur auf das Heilige verweisen, auf das Heilige „zeigen“, sondern dass es sich bei der wiccanischen Verehrung der Natur parallel tatsächlich auch um die Verehrung der Natur „als solche“ handelt (Eliade, Heilige 15). Dementsprechend eignet sich auch prinzipiell jeder Ort zur Ausübung eines Rituals und für die Errichtung eines Kreises. Jeder Fleck der Erde ist mit den Göttern verbunden und kann deshalb als Heiliger Raum im Kreis dienen. Je nach Wetterlage und persönlichen Vorlieben, je nach Anzahl der Teilnehmer oder konkretem Anlass für ein Ritual kann ein Kreis unter freiem Himmel oder in Gebäuden aufgebaut werden: „Wicca needs no buildings for its practice, because the ‘circle’ or temple of Wicca can be build, used and taken down in mere moments. It is a building made of energy, belief and Will, and can be outside, inside, underground or wherever else the practitioners wish it. [...] the most definite reason for this transportable church is [...] the Wiccan belief that, since the entire world is sacred, the entire world can be used as a church.“ (MacMorgan, All 51). Der Kreis der Wicca ist charakterisiert durch eine gewisse Dialektik: Einerseits wird durch die Begrenzung des Kreises der markierte Raum aus seinem Umfeld herausgelöst und gewinnt dadurch eine besondere Qualität als Treffpunkt für Menschen, Götter, Elemente und andere Entitäten, deren Anwesenheit erbeten wird. Andererseits handelt es sich bei diesem Herauslösen nicht um ein radikales ‘Ausschneiden’, das eine Trennung zur umgebenden materiellen Welt bedeuten würde, sondern um eine Überführung des Kreisinnenraums mit allem, was sich darin befindet und darin stattfindet, auf eine andere geistige Ebene, wobei 270 jedoch der Kontakt zur ‘Außenwelt’ gewahrt bleibt. Die Wicca nennen ihren Heiligen Raum deshalb auch den Kreis „zwischen den Welten“ („between the worlds“) oder genauer „zwischen der Welt der Menschen und den Sphären der Mächtigen [den Göttern]“ (Cunningham, Wicca 99; Grimassi, Mysteries 157; Starhawk, Hexenkult 92; Crowley, Wicca 86). Es wird ein Raum geschaffen, in dem „the Spiritual world is touched upon as much as it can be by physical beings“ (MacMorgan, All 51). In seiner Funktion als zwischengeschalteter „microcosm of the Universe“ und als Götter und Menschen verbindender Heiliger Bereich liegt es zunächst einmal nahe, den Kreis im Sinne Mircea Eliades als axis mundi zu bezeichnen (Grimassi, Mysteries 157; Lewis, Witchcraft 58; Rabinovich/Lewis 45). Allerdings ist die uneingeschränkte Gleichsetzung des wiccanischen Kreises mit Eliades axis mundi sachlich nicht richtig und führt gerade dort zu Verkürzungen, wo es sich lohnt, die Unterschiede zu betrachten. Beispielsweise ist dabei zu beachten, dass es sich bei dem Kreis um eine zeitlich begrenzte axis handelt, die errichtet und wieder aufgehoben wird. Außerdem werden durch die Errichtung des Kreises umliegende und auch weit entfernte Bereiche nicht auf einmal weniger heilig oder sogar ‘unheilig’, in Eliades Sinne profan bzw. chaotisch. Das liegt an der zugrunge liegenden wiccanischen Gesamtkonzeption: Während bei Eliades aus der Sicht einer bestimmten Gemeinschaft, Menschen der „vormodernen Gesellschaften“, überall Chaos und Profanität herrschen und Heiliger Raum, in dessen Bereich und Nähe sich der Mensch möglichst aufhalten will, im Sinne einer Neuschöpfung als Wiederholung des exemplarischen Werkes der Götter erst etabliert werden muß (Eliade, Heilige 33, 41), so ist nach wiccanischem Verständnis die Erde, das Universum, die gesamte Welt ‘kosmisch’ und heilig. Wie weiter oben bereits dargestellt wurde, gründet sich der wiccanische Glaube in seiner jeweiligen Individualität auf individuelle religiöse Erfahrung, jedoch nicht auf die „Erfahrung des ‚profanen’ Raums, die der Erfahrung des heiligen Raums entgegensteht“, sondern im Gegenteil auf der Erfahrung des Einsseins von profan und heilig, dass jeder Ort immer „nach oben ‚offen’“ ist und dass ein Kreis diese Offenheit zwar intensiviert, aber keine „Verbindung“ schafft, die es nicht schon vorher gegeben hätte (Eliade, Heilige 24, 27). Demzufolge bedarf es auch keiner Wiederholung der Kosmogonie und keiner Weihe, etwa eines bestimmten Ortes, um ein profanes „Chaos“ zu einem heiligen „Kosmos“ zu machen (Eliade, Heilige 30). Weihe bedeutet für die Wicca vielmehr, bestimmte Gegenstände für den rituellen Gebrauch vorzubereiten. Als Beispiel sei hier die wiccanische Altar-und Geräteweihe angeführt: Ein als Altar geweihter Tisch und ein 271 als Athame geweihtes Messer sind nach ihrer Weihe nicht heiliger oder weniger heilig, als sie vorher waren. Sie sind allerdings ‘energetisch’ gereinigt worden und durch die Weihe als Gerätschaften proklamiert worden, die künftig ausschließlich ihre Funktion als religiösrituelle Gegenstände erfüllen sollen. Tatsächlich ist der Kreis durchaus ein Raum, „in dem die Durchbrechung der Ebenen durch Symbole gesichert und der Kontakt mit der anderen, der transzendentalen Welt möglich“ ist (Eliade, Heilige 41). Dies wird durch den Besuch der Götter im Kreis deutlich. Allerdings ist der Kontakt mit den Göttern nicht nur im Kreis möglich, geschweige denn nur in einem einzigen örtlich bestimmten Kreis, sondern prinzipiell jederzeit und überall, denn die Verbindung zwischen Menschen und Göttern ist immer gegeben, so dass es im strengen Sinn keiner „Durchbrechung“ von Ebenen bedarf. Es bedarf keiner festgelegten Achse, keiner besonderen Himmelsleiter. Es bedarf vielmehr eines Raumes der Ruhe und Ungestörtheit, der inneren Konzentration und der Sammlung von Energie, sicherlich auch mit der Konnotation eines gewissen Schutzes und eines Gefühls von Sicherheit. Richtigerweise ist der Kreis für die Wicca ein besonderer Treffpunkt für Menschen und Götter und als solcher außerdem ein Symbol der Gemeinschaft von Menschen und Göttern. Eine unkritische Identifizierung des Kreises als axis mundi jedoch ist ungenau und streng gesehen nicht angemessen. Möchte man den Begriff allerdings dennoch im wiccanischen Zusammenhang benutzen, muß man darauf hinweisen, dass hier die gesamte Erde eine axis mundi ist bzw. aus unendlich vielen axes besteht, an denen zu jeder Zeit Kreise gebildet und ‘aktiviert’ werden können. Auch der Begriff ‘Heiliger Raum’ ist ohne nähere Erläuterung irreführend, weil sich dieser Raum in seiner Heiligkeit prinzipiell nicht vom dem ihn umgebenden Raum unterscheidet, vielmehr ist er strukturell anders und deshalb ein für Wicca bedeutsamer, besonderer Raum. MacMorgan wählt den Begriff „worship space“, um den in diesem Fall ungeeigneten Gegensatz von heilig und profan zu umgehen und um deutlich zu machen, dass dieser Raum nicht an bestimmte Orte oder Gebäude, gebunden ist (MacMorgan, All 51). 4.5 ‘Drawing Down the Moon’ Ein besonderes Ritual, das im Kreis abgehalten wird, nennen Wicca ‘Drawing down the Moon’. Dabei wird im Kreis die bzw. eine Göttin in eine der teilnehmenden Personen ‘herabgezogen’. Hierbei wird deutlich, dass auch der Mensch als Heiliger Raum bezeichnet werden kann bzw. Bestandteil des weltgesamten Heiligen ist. Aus diesem Grund kann 272 prinzipiell jeder Mensch dieses Ritual vollziehen. In der Covenarbeit ist es die Aufgabe der Hohepriesterin, die Gottheit in sich aufzunehmen. In anderen Gruppen einigt man sich zuvor auf eine Person und grundsätzlich ist es auch für Alleinpraktizierende möglich, dieses Ritual zu vollziehen. Dieses Ritual ist von der generellen Einladung der Götter in den Kreis zur Anwesenheit bei einem Ritual zu unterscheiden, weil es sich hierbei um eine „invocation of the spirit of the Goddess into the body of the High Priestess, by the High Priest“ handelt (Farrar 181). Die traditionelle gardnerische und alexandrinische Prozedur besteht aus folgenden Schritten: 1. Die Hohepriesterin steht mit dem Rücken zum Altar, mit dem Gesicht gen Süden, im Kreis, wobei sie die Arme über der Brust gekreuzt hält (Position des Gottes). 2. Der Hohepriester kniet vor ihr nieder, küsst ihre Füße (erst rechts, dann links), ihre Knie, den Bauch, beide Brüste und schließlich, in einer gegenseitigen Umarmung, die Lippen. Beim Erreichen des Bauches öffnet die Hohepriesterin ihre Arme nach außen (Position der Göttin). Diese Prozedur wird der Fünffache Kuss genannt und wird durch die Rezitation der folgenden Verse begleitet: „Blessed be thy feet, that have brought thee in these ways. Blessed be thy knees, that shall kneel at the sacred altar. Blessed be thy womb, without which we would not be. Blessed be thy breasts, formed in beauty. Blessed be thy lips, that shall utter the Sacred Names.“ (Farrar/Farrar, Bible, Teil 1 40f) 3. Der Hohepriester kniet erneut vor der Priesterin und zeichnet über rechte und linke Brust und Bauch ein Dreieck und ruft die Göttin -wobei er diese mit dem Namen Aradia anspricht in die Priesterin herab. 4. Die Priesterin zieht ein anrufendes Erdpentagramm (siehe Anhang 1, Abbildung 1; Starhawk, Hexenkult 82) in die Luft und spricht die Zeilen „Of the Mother darksome and divine/ Mine the scourge, and mine the kiss;/ The five-pointed star of love and bliss -/ Here I charge you, in this sign.“ aus Doreen Valientes gereimter Version des Charge of the Goddess (Farrar/Farrar, Bible, Teil 1 41f). 5. Daraufhin rezitiert die Priesterin den kompletten Charge in der Prosa-Version. Es folgen weitere Rezitationen von Versen. Das Ritual ‘Drawing Down the Moon’ erscheint in Farrar/Farrar, Bible, Teil 1 Eight Sabbats for Witches als Bestandteil der Eröffnungsphase eines gardnerischen oder alexandrinischen Rituals, worauf dann die Feier des Sabbats, die magische Handlung oder ein anderer 273 vorgesehener Teil im Ablauf folgt. Für andere Traditionen oder allein praktizierende Wicca kann dieses Ritual allerdings auch etwas so besonderes darstellen, so dass es nur zu bestimmten Anläßen abgehalten wird (allein praktizierende Wicca haben ihre eigenen Techniken für dieses Ritual, wie z.B. Visualisierung und Einsatz des Stabes; siehe RavenWolf, Sprüche 129ff). Ronald Hutton geht davon aus, dass „Gardner’s Wicca was putting its own creative spin upon an idea which had formerly had a quite different significance“ und dass der Name für das Ritual ‘Drawing Down the Moon’ ursprünglich aus dem Alten Griechenland stammt: „[...] the ancient tradition that the malign power of Thessalian witches was so great that the mightiest of them could pluck the moon from the sky and force it to the earth. The main texts here are Lucan’s Pharsalia, Philostratus’ Life of Apollonius of Tyana, and Lucian’s Lovers of Lies. In Wicca it had been blended with the modern association of goddess, woman, and moon, to signify the union of human and divine feminine.“ (Hutton, Triumph 245). 4.6 Der magische Name „Der Name, sowohl der der Gottheit wie der von Menschen, bedeutet schon durch sein Wissen, erst recht aber durch sein Aussprechen höchste Macht. Mit dem Namen ist der Namensträger gegenwärtig“ (Goldammer 233). Was die Gottheit angeht, so ist der Name nicht Bezeichnung oder Symbol, sondern die „göttliche Wesenheit“ selbst und trägt die „ganze Wesensfülle einer Gottheit“ (Mensching, Wort 29). Als Beispiele dieser selbständigen Wesenheit nennt Heiler den babylonischen Wettergott Ada und besonders den alttestamentlichen Namen Jahwes (Mensching, Wort 29f). Eben weil die Gottheit im Namen selbst gegenwärtig ist, ist sein Missbrauch gefährlich und seine unbegründete Nennung verboten: das „Verbot eines Mißbrauchs des Gottesnamens im alttestamentlichen Dekalog [ist] Ausdruck eines alten Namenstabus [...] und [hat] zu einem Verschwinden des eigentlichen Gottesnamens in der Praxis und im Bewußtsein der alttestamentlichen Religion geführt“ (Goldammer 233). Demzufolge sind Götternamen einerseits „auf das höchste gepriesen und verherrlicht worden“, andererseits wird das Wort ‘Gott’ als Gottesname auch heute noch von vielen Christen aus Erfurcht vermieden (Goldammer 233). Insofern eine Gottheit selbst Geheimnis und unergründlich ist, hat sie auch geheime Namen (Mensching, Wort 34). Die Nennung des geheimen Namens des ägyptischen Gottes Amon, den niemand 274 kennen darf, bringt dem, der ihn ausspricht, den Tod (Mensching, Wort 34; Ausführlich zur Entwicklung und Funktion von Götternamen siehe Gladigow, „Götternamen“). Auch für Menschen sind Namen wichtig, weil sie den Menschen selber darstellen („Realität“) und von anderen Menschen und Dingen unterscheiden („Differenzierung“; Mensching, Wort 31). Der Mensch ist so mit seinem Namen verbunden, dass es erfahrungsgemäß oft seltsam anmutet, einem anderen Menschen mit einem bereits bekannten Namen zu begegnen, oder sogar einem anderen Menschen mit dem eigenen Namen. Der Name eines Menschen kennzeichnet gleichzeitig seine physische Existenz: „seine Dauer ist [...] an die Dauer seines Namens gebunden; [...] nicht verstanden als Ruhm und Gedächtnis bei denen, die den Namen des Verstorbenen noch kennen und nennen, sondern z.B. in Ägypten als ganz reale Existenz“ (Mensching, Wort 33). „Namen [sind] notwendig, aber gefährlich. Sie stellen ein Wesen und befähigen es, seine Macht auszuüben, gleichzeitig stellen sie es bloß“ (Van der Leeuw 459). Als Beispiel führt Van der Leeuw die Namensnennung altägyptischer Könige an, deren Namen stets die Formel „Leben, Heil, Gesundheit“ beigefügt wurde, um mit der Heilsformel als einer Art Gegenzauber der Bloßstellung des Königs durch die Nennung seines Namens entgegenzuwirken und „ihn wieder sicherzustellen“ (Van der Leeuw 459). Viele Wicca nehmen einen magischen Namen an. Auch für sie bedeutet der Name Identität und Geheimnis. Er dient in erster Linie der Bekräftigung der wiccanisch-neuheidnischen Identität. Manche Wicca halten ihn geheim und verwenden ihn ausschließlich im Ritual, andere benutzen ihn auch im Alltag und teilen ihn Freunden, Bekannten oder Arbeitskollegen mit. Prominente mit magischem Namen sind z.B. Starhawk, Silver RavenWolf, Macha M. NightMare und Amber K. Sehr beliebt sind Namen aus der Natur und besonders aus der Tierwelt. Dadurch wird die Verwandtschaft mit der natürlichen Umwelt verdeutlicht oder die einem Tier nachgesagte Eigenschaft vom Namensträger beansprucht. Auch Götternamen werden häufig gewählt, um die „qualities of a particular deity“ in die eigene Lebensführung aufzunehmen (Magliocco 67). Dabei kann der magische Name im Laufe der religiösen Entwicklung je nach Lebensabschnitt, Veränderungen oder Initiation gewechselt werden. Manche Wicca wählen gleichzeitig mehrere Namen, z.B. einen für die Kommunikation in der Gruppe und zusätzlich einen geheimen Namen für die Zwiesprache mit den Göttern. 275 Die Wege, auf denen ein magischer Name gefunden werden kann, sind vielfältig. Namen können sich in einem Ritual, einer Meditation oder Visualisierung gewissermaßen offenbaren. Dabei kann der gefundene Name durchaus auch überraschen. Manche Wicca wählen einen Namen, den sie schon immer gerne gehabt hätte, weil sie sich zu ihm hingezogen fühlten oder einfach der Klang des Namens gefällt (zum lautlichen Ausdruck siehe Goldammer 231f). Andere Namen werden auf der Grundlage von vorhandenen oder erwünschten Charaktereigenschaften, Lebenszielen oder bestimmten prägenden Erfahrungen gezielt ausgesucht. Dass der magische Name für viele Wicca nicht nur wichtig ist, sondern auch einen gewissen Einfluss auf den Träger haben kann, zeigt die folgende Geschichte: „[...] Katya Madrid took the name of Eris, the goddess of chaos, upon her first initiation, because she liked the idea of spontaneity it evoked. Within a week, her life was in upheaval, as one unexpected event after another confounded her plans. Finally, exausted, she returned to her initiators and asked whether she could do another ritual to give the name back. She chose instead Polnoch, or ‘midnight’ in Russian, recalling her cultural heritage and a magical game she had played as a child. ‘Be careful what you invoke!’ she concluded in warning.“ (Magliocco 67) Das Beispiel zeigt, dass viele Wicca ihren Namen sehr ernst und teilweise wörtlich nehmen: „Katya interpreted the chaotic events in her life as a direct result of her choice of Eris as a Craft name“ (Magliocco 67). Inwieweit durch den Namenswechsel Ruhe in Katyas Leben einkehrte, wird nicht berichtet. Der magische Name ist Ausdruck der empfundenen Spiritualität und als solcher Bestandteil der religiösen Identität. Das heißt nicht, dass es für Wicca oder Neuheiden verpflichtend wäre, einen magischen Namen anzunehmen. Manche Anhänger verzichten darauf und benutzen auch im Ritual und in der Kommunikation mit den Göttern ihren Geburtsnamen. 276 5. Ethik In seiner 1984 erschienen Arbeit Wicca: Die magische Kunst der Hexen schreibt Jörg Wichmann lapidar: „ Zur Ethik des Wicca-Kultes läßt sich nicht sehr viel sagen“ (Wichmann 92; Grundlegendes zur Ethik bei Ratschow, Ethik der Religionen, Antes, Ethik in nichtchristlichen Kulturen und Klöcker/Tworuschka, Ethik der Weltreligionen). Auch wenn eine solche Aussage vor zwanzig Jahren vielleicht zutreffend gewesen sein mag, so wird sie heute der lebhaften Diskussion unter Wicca nicht mehr gerecht. Wicca schreiben über Ethik, suchen nach Wegen des rechten Handels und ethisch richtigen Lebens, suchen nach Werten im Umgang mit sich und anderen sowie mit ihrer Umwelt und nehmen diesbezügliche Fragen sehr ernst. Sie ringen einerseits um adäquate Verhaltensweisen, weil sie letztendlich in einen doppelten Vermittlungsprozess (Tworuschka, „Glauben“; Tworuschka, „Selbstverständnis“) eingebunden sind: 1. die Vermittlung gegenüber der Außenwelt hier und jetzt, also die Darstellung der eigenen Werte, die Kommunikation nach außen, die Erklärungsversuche gegenüber interessierten Zeitgenossen sowie die Verteidigung der eigenen Religion gegenüber Angriffen von außen und der Versuch der Ausräumung von Missverständnissen, besonders der Dialog mit Vertretern des christlichen Glaubens in Familie, Freundeskreis und Arbeitsplatz und 2. die Weitergabe der eigenen Vorstellungen an die nächste Wicca- Generation, einerseits in der Schulung neuer Interessenten (z.B. Workshops von Janet Farrar und Gavin Bone; zu Internetkursen siehe Kapitel zum Internet), Knüpfung neuer junger Kontakte zum Zwecke der Bildung einer jungen ‘Nachwuchsschicht’, andererseits die Frage von Wicca-Eltern „wie sag’ ich’s meinem Kind?“ im Sinne von Erziehung und Heranführung an das wiccanische Neuheidentum. Wenn man die ethischen Grundsätze beschreiben will, die das Leben der Wicca bestimmen und von denen je nach den Umständen Entscheidungen und Handlungen abhängen, und dabei versucht, einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, so stellt man fest, dass Wicca- Anhänger sich im Großen und Ganzen an drei Richtlinien orientieren:1. Die ‘Wiccan Rede’, 2. das dreifache Gesetz (Karma und Rückwirkung von Energien, die der Mensch aussendet) und 3. die uneingeschränkte Liebe zur Natur (hierunter fallen ehrvolle Achtung der Natur und Schutz der Umwelt sowie Wertschätzung der eigenen Körperlichkeit und Sexualität). 277 Die Wiccan Rede, welche im folgenden genauer erläutert werden soll, postuliert, dass jeder Mensch eine besondere Fähigkeit besitzt, die es auszuformen und zu leben gilt, weil er durch sie in den Gesamtkontext eines Lebensziels eingebunden ist und dadurch seinen individuellen wertvollen Beitrag für das Leben auf der Erde und im Universum leistet. 5.1 Die ‘Wiccan Rede’ „Wiccans basicallly believe in a ‘live and let live,’ non-violent philosophy, and tend to be tolerant of the beliefs and lifestyles of others. There is a basic gentleness of spirit within most Wiccans and a striving toward peaceful coexistence with those around them. Yet there is also a focus on themselves and their personal needs, and Wiccans do not generally „turn the other cheek“ when attacked. Wiccans avoid certain acts not so much because they believe in some resulting punishment as they do out of the basic sense of right and wrong. It is wrong to steal, it is wrong to needlessly take a life, it is wrong to intentionally hurt someone. Sexual conduct is generally seen as a personal issue and in traditional Wicca there is no judgement on how one conducts there own affairs.“ (Grimassi, Mysteries 35f). Da die Wicca-Religion keine Heilige Schrift kennt, wie z.B. die hebräische oder christliche Bibel, den Koran, die Veden und den Pali-Kanon, existiert auch kein schriftlich niedergelegter Verhaltenskodex bzw. kein für alle Wicca geltender normativer Text, der ihnen sagen könnte, was unter richtigem oder falschem Verhalten zu verstehen wäre und an dem sich das Verhalten der Anhänger orientieren könnte. Das bedeutet, dass jede einzelne Wicca auf der Basis der Wiccan Rede und dem Prinzip der Abwägung von Interessen argumentiert und entscheidet, was erstrebenswertes, akzeptables oder abzulehnendes Verhalten ist. „Im Wicca gibt es keine festgelegten Regeln, nach denen man zu leben hat. Da die Entscheidungen des Lebens selten schwarz oder weiß sind, obliegt es unserer eigenen Verantwortung, aus den verschiedensten Abstufungen von grau zu wählen. Dieser moralische Sinn wird geschult, indem man versucht, an bestimmten grundlegenden Idealen wie Liebe, Freude, Wahrheit und Treue festzuhalten und Entscheidungen zu treffen, die mit diesen Prinzipien möglichst in Einklang stehen. [...] In Religionen, die auf Offenbarungen beruhen, die bestimmte Personen zu bestimmten Zeiten erhalten haben, neigen Dogma und Ritual dazu, in festgelegten Formen zu erstarren. Sobald irgendeine autoritäre Instanz die konkrete 278 dogmatische Interpretation oder rituelle Praxis festgelegt hat, wird es für die Religion sehr schwierig, sich weiterzuentwickeln und sich neuen Umständen und Bedürfnissen anzupassen [...].“ (Crowley, Wicca 14f) Das Zitat verdeutlicht die kritische Haltung, die Wicca besonders monotheistischen Religionen entgegenbringen. Dabei werden Tatsachen oft verkürzt dargestellt und auch dieses Zitat lässt die Differenzierung zwischen z.B. orthodoxem und liberalem Judentum außer Acht und vernachlässigt die Diskussion im Rahmen der christlichen Ethik, die keineswegs starr festgelegt ist. Was Crowley jedoch verdeutlichen will, ist die Grundlage, auf der im Wicca ethische und moralische Urteile gefällt werden, nämlich auf der Grundlage der eigenen Verantwortung, auf der Basis grundlegender menschlicher Werte und in Abwägung der entsprechenden Begleitumstände. Auch wenn es keine schriftlichen Anweisungen für das richtige Verhalten gibt, so orientieren sich Wicca nach der Grundregel, die Crowley die „Meta-Regel“ nennt: „Wenn es niemandem schadet, tue was du willst.“ (Crowley, Wicca 14). Diese Regel ist die so genannte ‘Wiccan Rede’. Der Begriff ‘rede’ ([ri:d]) ist eine archaische Form von ‘advice’ bzw. ‘counsel’ und meint einen Ratschlag, wobei auch an dieser Stelle die Vorliebe für eine veralterte Wortwahl deutlich wird. Die englische Version „An’ it harm none, do what ye will“ geht ursprünglich vermutlich auf Aleister Crowleys The Book of the Law zurück. Zwar geht man heute davon aus, dass die Verbindung zwischen Gerald Gardner und Aleister Crowley bei weitem nicht so stark gewesen ist, wie man es noch bis vor einigen Jahren vermutet hatte (z.B. Wenisch 33; zur Gegenposition Hutton und Heselton), dennoch kann man davon ausgehen, dass Crowleys ‘Liber vel legis’ die Inspirationsgrundlage für die ‘Wiccan Rede’ war. Die der Wicca-Ethik zugrunde liegenden acht Worte der ‘Rede’ wurden von Doreen Valiente geprägt, die diese auf dem ersten „witchcraft dinner in modern history“ am 3. Oktober 1964 allen Anwesenden vortrug als Aufforderung zur „tolerance between covens as well as toward the outside world“ (Holzer 183). Holzer schreibt weiterhin, dass besagtes Treffen von dem Magazin Pentagramm finanziert worden und die erste bislang nachweisbare abgedruckte Form der ‘Wiccan Rede’ in der ersten Ausgabe des Pentagramm von 1964 erschienen war (Holzer 182; MacMorgan, Wicca 333 6). Spätestens mit Buckland’s Complete Book of Witchcraft von 1975 war diese zunächst mündlich verbreitete Regel zur allgemeinen Richtlinie für das richtige Verhalten im Wicca geworden und hatte sich unter den Wicca 279 Anhängern als ethische Grundlage etabliert (Buckland, Complete). Von nun an begegnete die ‘Wiccan Rede’ in vielen Veröffentlichungen zum Thema Witchcraft und Wicca und ist auch heute die Standardregel für Wicca in aller Welt. Nach ihr ist auch der zweite Grundsatz der Pagan Federation ausgerichtet: „Eine positive Moralität, die der individuellen Verantwortung Ausdruck gibt, die eigene wahre Natur kennenzulernen, und diese in Harmonie und Gemeinschaft zu entwickeln; dies wird oft durch den Satz ‘Wenn es niemandem schadet, mach was du willst.’ ausgedrückt“ (Antragsformular Pagan Federation International; „A positive morality, in which the individual is responsible for the discovery and development of their true nature in harmony with the outer world and community; This is often expressed as ‘Do what you will, as long as it harms none.’“). Die Interpretationen der ‘Wiccan Rede’ sind vielfältig und setzen den Schwerpunkt auf unterschiedliche Weise. An dieser Stelle sollen die zentralen Komponenten dargestellt werden und es soll versucht werden, den dahinter stehenden Auftrag für die Wicca zu verdeutlichen. Der erste Grundsatz der Pagan Federation lautet: „Liebe zur und Verbundenheit mit der Natur, Ehrfurcht für die Lebenskräfte und die Zyklen von Leben und Tod“ (Antragsformular Pagan Federation International Deutschland; „Love for and kinship with nature. Reverence for the life force and it’s ever-renewing cycles of life and death“). Dieses Bewusstsein wird auf unterschiedliche Weise gelebt. Manche Wicca sind Vegetarier, weil sie der Auffassung sind, dass „das unnötige Nehmen von Leben nicht in Einklang mit der heidnischen Ethik“ steht und „Tiere für ihr Fleisch zu töten“ einen solchen Akt unnötigen Nehmens von Leben darstellt (Crowley, Phoenix 183), während andere Wicca auf der Grundlage der menschlichen Beschaffenheit eines gleichzeitigen Fleisch-und Pflanzenfressers (Karnivore und Herbivore) und in Rückbesinnung auf die Zeit des Menschen als Jäger zwar Fleisch verzehren, sich aber für humane Methoden im Umgang mit den Tieren in der Fleischproduktion aussprechen und einsetzen. Manche leben in Selbstversorgergruppen, während andere mit dem Wunsch und dem Anspruch, konstruktiven Veränderung zu bewirken, sich in bestehenden Strukturen bewegen. Wie auch immer die persönliche Entscheidung für oder gegen ein Verhalten, eine Stellungnahme oder eine Lebensweise ausfallen mag, sie ist im Wicca stets von der selben ethischen Grundlage „love and respect for Mother Earth and all her creatures“ motiviert (Farrar/Farrar, Bible, Teil 2 138). Grundsätzliche Bejahung alles Natürlichen bedeutet im nächste Schritt auch Wertschätzung der eigenen Körperlichkeit, der Sinneswahrnehmungen, 280 deren psychologische Verarbeitung, und nicht zuletzt auch der eigenen Ideen und Gedankengebäude (geistige Kompetenz und Intelligenz). Dieser dem Grunde nach positive Lebensentwurf spiegelt sich wider in einer entsprechenden ethischen Syntax, d.h. die Struktur, wie ethisch richtiges Verhalten formuliert werden kann: „Wiccan ethics are positive, rather than prohibitive. The morality of witchcraft is far more concerned with ‘blessed is he who’ than with ‘thou shalt not’.“ (Farrar/Farrar, Bible, Teil 2 135). Der klassische Wicca-Text „Charge of the Goddess“ nennt acht zu lebende Qualitäten „beauty and strength, power and compassion, honour and humility, mirth and reverence“ und erklärt schließlich, wo die Motivation für diese Qualitäten und deren Wurzeln zu finden sind: „if that which thou seekest thou findest not within thee, then thou wilt never find it without thee“ (Farrar/Farrar, Bible, Teil 2 136). Diese Worte implizieren die Verantwortung der eigenen Entscheidungsfindung und die Tatsache, dass niemand dem Wicca-Anhänger die Entscheidung abnehmen kann und will, vor allem kein vorformulierter Gebots-und Verbotskatalog, aber auch kein Gott. Dies ist der Kontext, in welchem die ‘Wiccan Rede’ angewendet wird und zur Geltung kommt. Dabei verknüpft die Formulierung die Achtung jeglicher Art von Leben, inklusive dem eigenen („Drug use, suicide“; Clifton, „Alexandria“ 272), und die Realisierung des individuellen Lebensziels im Hinblick auf die Fähigkeiten des Menschen. Der erste Teil der Rede ‘An’ it harm none’ bzw. „as long as thou harm none“ (Berger, Community 8), erscheint auf den ersten Blick eindeutig und spiegelt auch im Grundsatz den Respekt, die Achtung und die Liebe zu anderen Lebewesen wider. Wicca wollen niemandem schaden, sie achten jede Form von Leben und gehen respektvoll mit ihren Mitmenschen um: „[...] the rules of respect for one’s neighbour, of civic responsibility, of parental care, of truthfulness and honesty, of concern for the underprivileged and so on. These are fundamental human standards which the vast majority acknowledge and try with varying success to live up to. It goes without saying that witches do the same.“ (Farrar/Farrar, Bible, Teil 2 140). So einfach die Regel „Füge niemandem Schaden zu“ auch klingt, so grundlegend ist sie doch im Hinblick auf die allgemeine Einstellung der Wicca. Da keine Regel oder Formel alle Eventualitäten einer Situation berücksichtigen kann, ist es besser, keinen Katalog von 281 Vorschriften für verschiedene Begleitumstände befolgen zu müssen: „Je mehr wir versuchen, Regeln zu entwickeln, die alle Möglichkeiten abdecken, desto mechanischer und unrealistischer werden unsere moralischen Ideen“ (Crowley, Phoenix 178). Statt dessen wird es als es hilfreicher betrachtet, eine klare ethische und menschliche Vorstellung zu haben, was den Menschen und der Welt dienlich ist: „Einfache Vorgaben bieten eine moralische Führung, an die wir uns wenden können, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Die Betonung liegt im modernen Heidentum nicht darauf, einem komplexen System von Gesetzen zu folgen, angesichts derer wir uns schuldig fühlen müssen, wenn wir sie brechen, sondern zu lernen, in Übereinstimmung mit dem göttlichen Zentrum aller Dinge zu leben und moralische Entscheidungen auf der Basis dessen zu treffen, was ewig und bleibend ist.“ (Crowley, Phoenix 178). Dieses Zitat enthält drei wichtige Punkte: der zentrale Begriff der Entscheidung, das Konzept der Verantwortlichkeit und die Übereinstimmung mit dem Göttlichen. Dabei bedeuten das Streben nach Harmonie und der Anspruch, niemandem Schaden zuzufügen, noch lange nicht, dass die Handlungen der Wicca dadurch vollkommen und unanfechtbar würden. Täglich wird der Mensch mit Situationen konfrontiert, die nicht einfach zu lösen sind, weil sie Determinanten enthalten, die eine schwierige Entscheidung abverlangen. Um solche Entscheidungen möglichst adäquat bewerten zu können, haben viele Heiden, und Crowley meint darin eingenommen auch immer die Wicca, ein „Konzept des ‘Füge keinem Schaden zu’ entwickelt, welches das größere Gute berücksichtigt“ (Crowley, Phönix 179). Weil Handlungen immer sowohl positive als auch negative Reaktionen nach sich ziehen (im Sinne von erwünscht und nicht erwünscht), sollte am Ende ein Abwägungsprozess dazu führen, das moralisch Richtige zu erkennen und es dann auch zu tun. „Mit jedem Atemzug, den wir tun, wird unser Leben bereichert, aber Billionen von Mikroben sterben. Um unser Leben zu leben, ohne völlig neurotisch zu werden, müssen wir akzeptieren, dass unsere Existenz allein bereits eine Bedrohung für den Planeten darstellt, und versuchen, unser Leben auf eine Weise zu führen, die den geringsten Schaden anrichtet.“ (Crowley, Phönix 179; so argumentieren auch Mahayana-Buddhisten). MacMorgan schreibt auf ihre gewohnt pointierte Weise: „If I wish to take an antibiotic, doing terminal harm to several otherwise innocent streptococci bacteria, I am also not prevented from doing so, although my 282 faith teaches I must take full responsibility for the harm done them, and I accept fully any ramifications for having harmed them.“ (MacMorgan, Wicca 333 11) Ein vielfach angeführtes Beispiel in zwischenmenschlichem, und dadurch besonders schwierig zu betrachtendem Zusammenhang ist die ‘Hitler-Frage’ (so auch bei Crowley, Phönix 178). Zwar hätte dieser bei einem etwaigen gelungenen Mordanschlag sein Leben verloren, angesichts der vielen geretteten Leben jedoch würden auch die meisten Heiden eine derartige Tat befürworten und wünschen, dass die Geschwister Scholl 1944 erfolgreich gewesen wären. In einer solchen Situation könnte es sogar als menschenverachtend gewertet werden, einen derartigen Plan gegen Hitler nicht zu befürworten. Der Kern des Problems besteht in der Frage der Anwendung von Gewalt in bestimmten Situationen, und die Argumentationsweisen hierzu sind vielfältig. Was die Wicca angeht, so wird nach den oben beschriebenen Prinzipien abgewogen, was nach der Ansicht des einzelnen die bestmögliche Lösung darstellt. Dementsprechend sind mit dem ersten Teilsatz der Wiccan Rede folgende Bereiche ethischen Handels verknüpft: der Auftrag, keinen Schaden zuzufügen, wie er im ahimsa-Begriff aus dem Jainismus bekannt ist, der Anspruch, in bestimmten Situationen zu handeln und nicht wegzusehen, wo Schaden verhindert werden kann (Fisher 143) und schließlich die Unterscheidung zwischen einer „split-second decision“, in der es schwierig ist, in kürzester Zeit alle möglichen Konsequenzen einer Handlung abzuwägen, und der „moral guideline for our lives in general“ (Fisher 147). 5.2 Die Bedeutung des ‘Will’ Während der erste Teil der Rede rein grammatikalisch als Nebensatz formuliert ist, stellt der zweite Teil den syntaktischen Hauptsatz der Rede dar. Das bedeutet zwar keineswegs, dass der erste Teil der Rede nicht wichtig ist, vielmehr spiegelt sich in ihm die Grundhaltung der Wicca zu ihrer sie umgebenden Außenwelt wider und vereint nahezu alle Werte einer möglichen Hierarchie, wie etwa Leben, Würde und Eigentum, in sich. Wie oben beschrieben ist die Formel „Harm none“ eine zentrale Folie für menschliches Handeln in seiner Gesamtheit und die Basis für das friedliche und verantwortungsbewusste Leben mit den Menschen und den Göttern. Maßgeblich jedoch für die menschliche Identität des Einzelnen 283 im Wicca ist der zweite Teil der Wiccan Rede. Dieser Satz verknüpft den einzelnen Gläubigen mit der Erde, auf der er lebt, mit dem Göttlichen, zu dem er in dauernden Kontakt steht und mit sich selber und seiner eigenen körperlichen und geistigen Befindlichkeit. Im Folgenden soll dargestellt werden, was der zweite Teil der Wiccan Rede „do what you will“ bedeutet und was es mit dem Begriff ‘will’ auf sich hat. Zuerst einmal sei angemerkt , dass der zunächst hedonistisch anmutende zweite Teil der Rede immer den Menschen als Vehikel und Verkörperung der göttlichen Kraft betrachtet. Dies spricht die Wicca nicht von ihrer eigenen Verantwortung frei, sondern macht ihnen vielmehr bewusst, dass ihr Leben immer auch den Funken der Göttin in ihnen beinhaltet. Der Anspruch, im Namen der Göttin zu handeln, ist nicht nur eine Parole, sondern durch die Anwesenheit des Göttlichen im Menschen für Wicca vielmehr eine Tatsache. Die Taten der verantwortungsbewussten Wicca, die auf der Grundlage ethischen Erwägungen ausgeführt werden, sind Taten der Göttin: „When we dedicate our lifes to Wicca and to the Goddess, we become priests and priestesses and, most importantly, representatives of the Goddess. We become that which we honour, or at least part of it. Thou as no longer a single selfish, autonomous being; it is the Goddess manifest in our own being. Therefore, when we say, „Do what thou wilt,“ we mean, „Do what the Goddess would have us do.“ (Fisher 148). Bei dem ‘Will’ muss es sich um ein Prinzip handeln, das man zunächst mit den Worten ‘Ziel’ oder ‘Bestimmung’ umschreiben kann. Dabei beinhaltet das Wort Ziel allerdings die Konnotation von Abschluss und Ende, das Ankommen an einem Punkt, der einen Schlusspunkt darstellt. Das Wort Bestimmung auf der anderen Seite beinhaltet ein gewisses Moment von Determination, von Vorherentscheidung, von unausweichlicher, auferlegter Pflicht. Die Wicca-Sicht des ‘Will’ scheint aber über diese Konnotationen hinauszugehen. Der ‘Will’ ist der im Menschen glühende Göttliche Funke, der den Lebensweg der Wicca leitet. Dabei wird nicht ganz deutlich, ob damit nur die grundsätzliche ‘Anlage’ eines Entwicklungsziels im Menschen gemeint ist, also die bloße Tatsache, dass der Mensch eine solche Bestimmung von der Art eines ‘Will’ in sich trägt, oder ob damit auch die praktische thematisch-inhaltliche Füllung des ‘Will’ gemeint ist, also die konkrete Aufgabe, sein Ziel z.B. als Schriftsteller, Künstler, Lehrer, Mutter oder Gärtner zu erfüllen. Auf welche Weise genau der ‘Will’ jedoch auch im Menschen angelegt sein mag, er stellt die immerwährende 284 Verbindung des Menschen zum Göttlichen dar, von welchem er den ‘Will’ ursprünglich erhalten hat: „A Wiccan’s Will is the manifestation of the Goddess. [...] To know the Will is to understand the Goddess within us“ (Fisher 141f). Auch in diesem Punkt zeigt sich wieder die Verbundenheit zwischen Mensch und Göttlichem bzw. Göttern. „The Will is that part of us that is undelible. The recognition of the Will as part of us draws us to the Goddess, since the Will is her mark.“ (Fisher 150). Der ‘Will’ ist nicht ein Ziel, das man irgendwann erreicht und sich dann beruhigt zurücklehnen kann: „It is a lifetime achievement“ (Fisher 146). Er ist die lebenslange Verbindung des Menschen zur Göttin und ein lebenslanger Auftrag, die durch die Göttin vermittelte als eigene erkannte und für sich selbst aus freien Stücken angenommene Bestimmung auf den Weg zu bringen. Dabei geht es nicht um großartige Errungenschaften, sondern vielmehr um die Gesamtausrichtung des eigenen Lebens im Einklang mit der Göttin. Wicca tun ihr Bestes, dem Anspruch „harm none“ auf dem Weg der Realisierung des ‘Will’ mit dem Auftrag „bring it to fruition“ bzw. „bring it into the world“ so gut wie möglich zu genügen (Fisher 151). Dabei stehen Wicca ja auch in Verbindung mit anderen Wicca, die ihrerseits ihren ‘Will’ auf den Weg bringen wollen. Was passiert aber, wenn sich zwei oder mehrere ‘Bestimmungen’ ins Gehege kommen? Zunächst einmal scheint das in Anlehnung an Aleister Crowley nur äußerst selten der Fall zu sein; seine Thelema-Lehre des Book of the Law beinhaltet nämlich auch die Feststellung: „Every man and every woman is a star.“ (Crowley, Book 7). Wie die Sterne, die sich auf ihren Bahnen so gut wie nie begegnen, so stören sich die verschiedenen Bestimmungen auch nicht: „In other words, if a woman or man follows the life path that is her or his „true will,“ conflicts between them will evaporate, even as stars maintain their places in the galaxy and rarely collide with one another."“(Clifton, „Alexandria“ 271). Für den seltenen Fall, dass sich zwei Wege dennoch konfliktartig überschneiden könnten, treten für Wicca die bereits oben genannten ‘Prüfmaßnahmen’ in Kraft, also das Abwägen je nach Situation und Fall und unter Berücksichtigung der Bestimmung und Herausforderung jedes einzelnen Involvierten. Zuvor war bereits darauf hingewiesen worden, dass der Begriff ‘Will’ in seiner Konnotation von ‘Bestimmung’ eine gewisse Determination anklingen lässt, die man nach Vivianne Crowley aber so nicht stehen lassen kann: „Ethische Wahl impliziert einen freien Willen. [...] 285 Heiden glauben an diesen freien Willen, aber wir glauben auch, daß unser Leben durch das Schicksal, Wyrd oder ‚Bestimmung’, beeinflußt wird.“ (Crowley, Phoenix 191). Diese Spannung löst sich für Heiden, und damit auch für Wicca, in dem Glauben auf, „daß wir nicht an das Schicksal gebunden sind, obwohl wir von ihm geleitet werden, und daß wir einen freien Willen besitzen und moralische Entscheidungen treffen können“ (Crowley, Phoenix 192). Bestimmung und „Schicksal“ bedeutet, mit bestimmten „Situationen und Anforderungen“ konfrontiert zu werden, denen sich der Mensch stellen muß, wobei es alleine an ihm liegt, wie er die Herausforderungen meistert (Crowley, Phoenix 192). Gewisse Situationen und Umstände mögen demnach durchaus als schicksalhaft gelten, nicht so aber die Art und Weise wie der Mensch darauf reagiert, welchen Weg er wählt, welche Entscheidungen er trifft: „Wenn wir das Muster des Schicksals gesehen haben, gibt es die Möglichkeit, sich zu unterwerfen, zu kämpfen oder unsere Bestimmung zu ändern.“ (Crowley, Phoenix 192). Genau hierin manifestiert sich nach Wicca-Glaube der göttlich angelegte ‘Will’ im Menschen und Grimassi fasst zusammen: „...do as you Will to do in Life, in accordance with your Higher Self. Seek your identity and your purpose.“ (Grimassi, Mysteries 30). 5.3 Das Böse und die Schuld Für Wicca existiert kein Versucher oder Dämon, der den Einzelnen zu einer bösen Tat anstacheln könnte. Wenn man denn von einem Bösen im Wicca sprechen mag, so existiert es nur „in Form von menschlichen Handlungen“, die Leid hervorrufen (Crowley, Phoenix 193). Vor solchen Handlungen sind auch Wicca nicht gefeit und das „Wissen um unsere falschen Handlungen“ ruft ein Gefühl von Schuld hervor (Crowley, Phoenix 193). Crowley argumentiert in diesem Zusammenhang, dass gerade dann, wenn sich Heiden mit fester Entschlossenheit auf den spirituellen Pfad begeben, womit sie im Kern den Weg des Lebens mit den Göttern meint, sie sich ihrer Fehler besonders schmerzlich bewusst werden: „Im klaren Licht der Götter nehmen wir unsere eigenen Fehler wahr und haben Einsicht in unser eigenes Versagen. Dies ruft oft Gefühle der Schuld, der Minderwertigkeit und der Wertlosigkeit hervor.“ (Crowley, Phoenix 193f). Das Heidentum fördert diese Gefühle nicht, denn sie sind für der Einzelnen selber schlimm, so dass er sich selbst oft schwere Vorwürfe macht, dass Heidentum streut nicht noch Salz in diese Wunde. Vielmehr muß der Mensch dann alleine mit diesen quälenden Gefühlen fertig werden: 286 „Das Heidentum lehrt, dass jedes Individuum wertvoll und heilig ist, daß seine Individualität respektiert werden muß, und daß jeder von uns in der Welt gebraucht wird und seine Rolle zu spielen hat. [...] Schuld ist ein sehr negatives Gefühl, das Angst, Zweifel sowie Gefühle der Minderwertigkeit erzeugt. [...] Wenn die Dinge falsch laufen, müssen wir damit leben und auch mit dem Wissen um unser Fehlverhalten leben. Niemand kann uns vergeben und wir können nicht von jemand anderem erlöst werden. Wir sind für unsere eigenen Handlungen verantwortlich.“ (Crowley, Phoenix 194f). Gemäß dem wiccanischen Denken muß der einzelne Mensch einen Weg finden, sich selbst vergeben zu können. Wicca und Neuheiden suchen nach Gelegenheiten, um einen „Ausgleich herbeizuführen, und für das, was [sie] genommen haben, etwas zurückzugeben“ (Crowley, Phoenix 195f). Das Prinzip des Ausgleichs bedeutet, dass der Satz „Es tut mir leid“ in Taten umgesetzt wird und das innere Mitleiden an dem hervorgerufenen Unglück des Betroffenen und das Leiden an den eigenen Versagens-und Schuldgefühlen eine Entsprechung in ausgleichenden Handlungen findet. Wicca versuchen, wieder gut zu machen, was sie an Leid hervorgerufen haben; das steht in ihrer Verantwortung. Sie sind sich durchaus bewusst, dass sie schlimme Dinge dadurch nicht ungeschehen machen können, aber sie gestehen sich ihre Fehler ein und tun ihr Möglichstes, um zu „berichtigen“ was noch berichtigt werden kann (Crowley, Phoenix 196). Erst dann vermag eine Wicca loszulassen, sich selbst zu verzeihen, das Geschehene hinter sich zu lassen und einen neuen Anfang zu wagen. Diesen Prozess des Ringens um einen Ausgleich als Heilungsversuch einer verursachten Wunde einerseits bei dem betroffenen Mitmenschen und damit verbunden auch bei sich selbst, deutet Crowley im Hinblick auf C. G. Jungs Aspekt des ‘Schattens’, die Dunkelheit im Innern des Menschen. Dieser Dunkelheit muß er sich stellen, durch sie muß er hindurchgehen, wobei er Qualitäten, die er zunächst zu verdrängen versuchte, in konstruktive Energie umwandeln muß. Die Götter verurteilen den Einzelnen auch nicht, richten nicht über ihn und bestrafen ihn nicht: „Die Götter stehen für Kräfte, die weder Licht noch Dunkelheit sind. Sie sind die Kräfte der natürlichen Welt, die Kraft des Lebens selbst, die sich immer erneuern und ausdrücken will“ (Crowley, Phoenix 190). Die Götter haben allerdings ein Auge auf das Gleichgewicht und den Ausgleich „ der Kräfte der Ordnung und des Chaos“, damit das Böse (nach Crowleys Sicht das Böse in Form von ethisch verwerflichen menschlichen Handlungen) nicht „uneingeschränkt wächst“ (Crowley, Phoenix 190). Dabei sind die Götter allerdings nicht 287 einfach die „Guten“, und ihnen stehen auch keine „Bösen“ im Universum gegenüber: „Es gibt Gut und Böse, aber sie liegen in der Menschheit, nicht im Kosmos begründet. [...] Für Heiden wird ein Kind weder gut noch böse geboren. Sein Schicksal ist ein leeres Blatt, auf dem die Welt und das Kind selbst schreiben werden“ (Crowley, Phoenix 191f). Crowley räumt ein, dass manche Wicca und Heiden zwar ein gewisses Erbe aus vorhergehenden Leben im Zyklus der Reinkarnation annehmen, dieses Erbe aber auch durchaus positiv sein kann, und selbst wenn es ein zunächst schwieriges, eher negatives Erbe ist, so ist dies keine Bestrafung für vergangene Verfehlungen und auch keine einheitliche Last, die jeder Mensch von Geburt an grundsätzlich zu tragen hat, sondern vielmehr die von Mensch zu Mensch völlig unterschiedliche Aufgabe, angemessenes Verhalten zu erlernen. Es ist ein Erbe, dass man als eine Art Mitgift bezeichnen kann. In keinem Fall aber trägt der Mensch irgendein geartetes Mal einer ihm in den Genen bestimmten und in die Wiege gelegten Sündhaftigkeit in sich. Wicca gehen dementsprechend auch nicht davon aus, erlöst werden zu müssen, sondern leben mit einer Einstellung des Für-sich-und-die-Welt-lernen-wollens. „Die heidnische Sichtweise ist die, daß das Universum wesentlich willkürlicher ist: Die Götter kümmert es nicht, ob wir als einzelne Wesen richtig beurteilt werden. Sie haben besseres zu tun. Der Mensch ist nicht das Zentrum des Universums. Wir sind nur kleine Rädchen in einer Maschinerie. Das Universum läuft nicht zu unserem Nutzen, daß wir auf unserem karmischen Konto einen Profit verbuchen können. Auch guten Menschen widerfahren schlechte Dinge, und wir müssen damit leben, das Beste daraus machen und soviel wie möglich aus unseren Erfahrungen und unseren Fehlern lernen, um sie so zu überwinden.“ (Crowley, Phoenix 193). 5.4 Sexualität Die menschliche Sexualität ist über den Geschlechtsakt hinaus auch Kristallisationspunkt der wiccanischen Sicht des Körpers, der Psyche, des Sozialverhaltens und vor allem des Göttlichen (zur Sexualität in den Religionen siehe Klöcker/Tworuschka, Ethik der Weltreligionen): „Perhaps the most powerful, and for non-Witches often the most controversial, of those [Wiccan] teachings concerns sexuality. Sexuality, that divine mystery wherein individuality finds its fulfillment in union with another, is the physical manifestation of the creative energy 288 that makes the world possible. Out of union comes renewed diversity and creativity.“ (DiZerega 72). Sexualität ist für Wicca etwas lebendiges, wichtiges und natürliches. Sie ist Teil der menschlichen Natur und gehört untrennbar zu ihr. Wicca leben ihre Sexualität, ohne sie zu unterdrücken, sie schämen sich nicht für ihre naturgegebenen Bedürfnisse: „[...] der Körper [hat] das Verlangen, seine physischen Funktionen zu erfüllen -zu essen, zu schlafen, sich von Schmutz zu reinigen und sich zu paaren. Diese Dinge werden nicht an sich als gut oder böse angesehen. Sie sind natürliche Funktionen, die notwendig sind, um unseren Körper und unsere Rasse [sic] zu erhalten.“ (Crowley, Phoenix 176). Sexualität ist für Wicca die Grundlage für menschliche Freude und Kreativität. Wenn sich erwachsene Menschen über einen gemeinsamen sexuellen Akt einig sind und sie damit weder sich selbst noch anderen schaden, so sind sie frei, nach ihrem Wunsch zu handeln. Mit der Schädigung eines anderen ist in diesem Zusammenhang ein sexueller Akt beispielsweise dann verbunden, wenn einer der beiden oder beide sich in einer monogamen Beziehung mit einer anderen Person befinden, sei es dass sie nach gesetzlichen Richtlinien verheiratet sind oder auch nicht. Eine solche partnerschaftliche Verbindung ist ein Versprechen, und ein solches Versprechen zu brechen würde Schaden bedeuten. „Wenn wir unser Versprechen nicht mehr halten können, müssen wir dies sagen und den Vertrag auflösen“ (Crowley, Phoenix 177). Eine sexuelle Handlung entgegen einem solchen Versprechen aber ist falsch. Weiterhin sind sexuelle Handlungen, in denen Zwang ausgeübt, anderen weh getan und geschadet wird, gänzlich unakzeptabel. Sex zwischen Erwachsenen und Kindern oder zwischen Erwachsenen in Zwang und ohne beiderseitiges Einverständnis ist für Wicca verwerflich. Gerade die Heranführung von Jugendlichen an ihre Sexualität wird im Wicca sehr behutsam betrieben, weil es erstens schwer ist, zu erkennen, wann ein Jugendlicher sich tatsächlich dem Erwachsensein nähert (also zum Schutz des Kindes, bzw. des Heranwachsenden), und zweitens weil gerade in der US-amerikanischen Gesellschaft die Gefahr besteht, dass sich Wicca und Neuheiden durch ihre progressive Einstellung zur Körperlichkeit verdächtig machen und keinen Anlass für falsche Verdächtigungen liefern wollen (also zum Schutz der Heidnischen Gemeinschaft). Umso größer war der Aufschrei unter amerikanischen Wicca, als Gavin und Yvonne Frost in ihrer The Witch’s Bible (1975) im Rahmen eines Übergangsritus 289 vom Jugendalter zum Erwachsenenstatus sexuelle Handlungen für den neuen Initianten empfahlen (Berger, Community 94; Berger/Leach/Shaffer 145). Eine solche Praxis wurde unter Wicca und Heiden sofort kategorisch abgelehnt und in der folgenden Auflage des Buches war der entsprechende Paragraph verschwunden. Solange es sich um erwachsene Personen handelt, diese ungebunden sind und sich der Verantwortung ihrer Sexualität bewusst sind was eventuelle Schwangerschaftsverhütung und Schutz vor Krankheiten angeht, sind sie frei, ihre Sexualität nach ihren Wünschen auszuüben (Crowley, Phoenix 177). Das betrifft im allgemeinen sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle und bisexuelle Handlungen, denn „All acts of love and pleasure are my rituals“, das bedeutet, dass alle Handlungen der Liebe -und das impliziert auch die sexuelle Verbindung -Handlungen der Göttin sind (Berger, Community 17; „Charge of the Goddess“). Berger fand in ihrer Befragung heraus, dass eine große Anzahl von Heiden, etwa 28,1%, homo-oder bisexuell sind (Berger, Community 43; Luhrmann fand einen Prozentsatz von 38% nicht-heterosexuell ausgerichteter Neuheiden, Luhrmann 62). Gerade auch nicht heterosexuelle Menschen fühlen sich von Wicca angesprochen, weil jede sexuelle Ausrichtung akzeptiert wird. In der Tradition des Dianischen Wicca begegnen überwiegend lesbische und bisexuelle Frauen, und manche Coven anderer Traditionen sind eigens für homosexuelle Männer gegründet worden (Berger, Community 42). Die Grundlage dafür ist in der Offenheit und Toleranz anderen Auffassungen gegenüber, in der Sicht des Menschen als Teil der göttlichen Welt und in der kritischen Haltung gegenüber bekannten christlichen Werten und Positionen zu sehen. Diese allgemeine Offenheit bedeutet allerdings nicht, dass ausnahmslos überall und in allen Traditionen nicht-heterosexuelle Ausrichtungen gleichermaßen akzeptiert werden. Wie bereits oben gezeigt wurde, basiert die göttliche und dazu gehörend auch die menschliche Welt auf der Polarität der beiden Geschlechter. Diesem Prinzip hatte Gardner am Anfang dadurch Rechnung getragen, dass erstens die Coven zweigeschlechtlich ausgerichtet sein sollten und zweitens als Ritualleiter jeweils eine Hohepriesterin und ein Hohepriester zuständig waren (Farrar/Farrar, Bible, Teil 2 168). Auch die Ritualgegenstände Kelch und Athame, mit denen bei der Feier des Großen Ritus die Vereinigung des Weiblichen und des Männlichen symbolisch dargestellt wird, erinnern ihrer Form nach an das weibliche und männliche Geschlechtsorgan. Allerdings spielt in der Entwicklung des Wicca die allgemeine Kreativität und Schöpfertätigkeit eine immer stärkere Rolle -„the awakening of the erotic self through which we channel the creative energy of the 290 Goddess“ -, und das in Konkurrenz zum Prinzip der Fruchtbarkeit, welches zwar angewendet auf die Natur als Ganzes und im Rahmen der alljährlichen Erneuerung der Natur ungebrochen das Lebensgefühl der Wicca bestimmt, das im Hinblick auf die menschliche Fortpflanzung jedoch eine eher untergeordnete Bedeutung hat, weil Sex im Wicca nicht als ein Akt gesehen wird, „that we engage in for the sole end of reproduction“ (Fisher 188, 186). Berger beschreibt in diesem Zusammenhang die Idee eines Covens, anstatt der typischen Polarität von weiblich und männlich ein anderes Element in das Beltane Ritual einzubauen, nämlich das Bild des Einpflanzens eines Samens in die Nahrung spendende Erde, wobei jedes Covenmitglied selber entscheiden konnte, ob es die Rolle des Samensetzers oder des Erdpflegers einnehmen wollte (Berger, Community 44). Dies illustriert die heutige Auffassung im Wicca, dass sich das Verhältnis zwischen männlich und weiblich nicht mehr so sehr im rituellen Verhältnis von Hohepriesterin und Hohepriester manifestiert, sondern vielmehr in jedem einzelnen Menschen, der Züge beider Geschlechter in sich trägt (Fisher 196; siehe auch die Hinweise zur Gender-Forschung im Forschungsüberblick). Sexualität ist für Wicca eine göttliche Kraft, stellt als solche die grundlegende Verbindung zwischen dem Geist und dem Körper dar, lässt den Menschen das Göttliche im anderen erkennen und soll vor allem ein freudvoller Akt sein (Fisher 185, 188). So nebensächlich das Wort ‘freudvoll’ hierbei zunächst klingen mag, so wichtig und ausschlaggebend ist es jedoch für Wicca und Neuheiden im Hinblick auf die Distanzierung zur christlichen Haltung und im Besonderen zur Haltung der katholischen Kirche. Im Katholizismus nämlich finden sich zwei miteinander konkurrierende Einstellungen: die „Sexualmoral, an der das Lehramt der Kirche im Grundsatz bis heute festhält [...] und die sexuellen Lebensweisen und ethischen Überzeugungen, mit denen eine beträchtliche Zahl katholischer Christen [...] sich in Übereinstimmung mit dem Evangelium und der Liebe als seiner normativen Summe weiß“ (Bartholomäus 227). Zwar öffnete sich mit dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) „die katholische Doktrin zögerlich der Idee einer verantworteten Elternschaft“ und erkannte an, „dass der Sexualität ein den Gattungszweck überschreitender Sinn“ zukommt, dennoch bleibt die kirchenamtliche Sexualmoral insgesamt auf die Fortpflanzung zentriert (Bartholomäus 227). Dementsprechend ist die Bedingung für sexuelle Erfahrung auch nach wie vor die Ehe, und mit unehelichen Kindern tut man sich ebenso schwer wie mit der Sexualität allein lebender Menschen (Bartholomäus 227f). Dagegen streben katholische Christen nach lustvoll gelebter Liebe, und dies führte „zu einem neuen Sexualethos, welches sich gegen 291 lehramtlichen Widerspruch behaupten muss [...] und darum auch eher gelebt als gesagt wird“ (Bartholomäus 229). Dieser Widerstreit zwischen beiden Sichtweisen führt dazu, dass sich katholische Christen von ihren erotischen Möglichkeiten entfremdet fühlen: „Sie möchten ihre Hemmungen abschütteln, können sie aber nur schwer loswerden“ (Bartholomäus 228). Besonders die durch die kirchenamtliche Position weiterhin hervorgerufenen Schuldgefühle sind nur schwer abzuarbeiten. Die protestantische Auffassung unterscheidet sich in diesem Punkt in vielerlei Hinsicht von der katholischen: Evangelische Sexualethik anerkennt die „partnerschaftlich gelebte Sexualität grundlegend als eine gute Gabe Gottes“, sie „hat sich in einem breiten Konsens [...] für die Möglichkeit der Anwendung dieser [empfängnisverhütender] Mittel ausgesprochen“ und akzeptiert mittlerweile homosexuelle Partnerschaften, auch wenn dieser Fortschritt in vielen Kirchen noch umstritten ist (Leiner 234f). Auffassungen, die der Freude und der Lust als sexuellem Faktor nicht oder nur teilweise Rechnung tragen und sich davor scheuen, die anthropologische Beschaffenheit des Menschen klar beim Namen zu nennen, stoßen im Wicca auf starke Ablehnung. Die Vorstellung, dass der Mensch als Teil der Natur von göttlicher Kraft durchströmt ist, führt im Wicca zur Sicht von menschlicher Sexualität als einem heiligen Akt, und dieser heilige Akt beinhaltet immer auch die Freude und die Lust daran. Man könnte sogar formulieren, dass gerade erst die Lust den sexuelle Akt zur heiligen Handlung macht; ohne Lust ist die Vereinigung nicht von der Kraft der Götter durchströmt. Die Götter selber sind männlich und weiblich, ihnen selbst wohnt das sexuelle Moment inne und sie selbst vereinigen sich. Deshalb kann auch die Sexualität des Menschen nur gut und wertvoll sein. Sie ist Merkmal des Göttlichen und macht den sexuellen Akt zu einer heiligen Handlung: „Our honoring of sexuality leads many non-Pagans to their most lurid fantasies about what we do, but this prurient attitude focuses solely opon sexuality’s profane dimension, divorced from a deeper context, and so misses everything important about our practises and beliefs. At the sacred level, sexuality is recognition of the truth contained in an immanent experience of the Divine: that the Great Mystery gives birth from out of itself as an act of love, flesh of ist flesh, spirit of ist Spirit. [...] To debase sexuality is to reject the world and life itself, and to reject these is, from our view, to reject the Divine.“ (DiZarega 72). 292 6. Magie „A magical sigil is Like a Chinese puzzle. You shape and reshape the letters until they resemble spider’s legs locked together in a DNA chain or pyramidal structure... a scrambled message only Wiccan gods can decipher.“ („Wiccan Sigil“, Bobbi Sinha-Morey) In erster Linie ist Wicca ein religiöses System mit unterschiedlichen Glaubensvorstellungen, Ritualen, Festen und einer Weltanschauung, die Heiligkeit und Weltlichkeit miteinander identifiziert. Wenn diese Religion darüber hinaus mit magischen Praktiken assoziiert wird, hat das durchaus seine Berechtigung. Den Stellenwert der Magie im Wicca zu beschreiben ist nicht einfach, weil es auch hier verschiedene Sichtweisen unter den Anhängern gibt. Viele Wicca haben die Magie als festen Bestandteil in ihr Leben integriert, andere betreiben Magie nur zu bestimmten Anlässen, wie etwa den Jahreskreisfesten oder wenn sie um eine magische Arbeit gebeten werden. Manche Wicca wenden keine Magie an. Auch die magischen Techniken sind je nach Person und Situation verschieden. Bevor jedoch betrachtet werden soll, was Wicca unter Magie verstehen, ist es hilfreich, einen kurzen Überblick über einige wichtige Theorien zu Religion und Magie seit E. B. Tylors Religion in Primitive Culture zu geben. 6.1 Forschungsüberblick zur Magie Schon in den alten Kulturen der Ägypter, Griechen, Römer und Kelten sowie in Indien, Afrika und Australien gehörten magische Praktiken zum Leben der Menschen und waren Teil ihrer Tradition. Erste magische Anrufungstexte sind bereits aus dem dritten Jahrtausend v. Chr. von den Sumerern im südlichen und den Babyloniern und Assyrern im nördlichen Mesopotamien, 293 dem Gebiet des heutigen Irak, belegt: „The incantations are, for instance, prophylactic to protect and keep away evil from a person or from the exorcist, or for healing purposes in order to dispel a demon from the body of the patient. [...] Further, there are incantations for consecrating objects used in a ritual, [...] as well as love charms [...].“ (Thomsen 19). Im ersten Jahrtausend v. Chr. wurden Texte und Anrufungen je nach thematischer Ausrichtung gesammelt und auf Tafeln zusammengestellt, darunter die Texte Maqlu und Surpu, die sich z. B. mit der Abwehr von Hexerei beschäftigen. Die Perser nannten die Priester ‘magoi’, die sich mit Astrologie und Divination beschäftigten (Greenwood, History 15). Die Römer unterschieden zwischen drei Arten magischer Praktiken: erstens der ‘theurgia’, welche eine exklusive Art von gelehrter Ritualmagie war, zweitens der offiziellen Magie, die mit ihren Divinationstechniken, wie Vorzeichendeutung und anderen Weissagungsarten, Teil des öffentlichen, staatlichen Kultes war und drittens der Volksmagie, die außer von Bürgern auch von Berufsmagiern ausgeübt wurde (Maxwell-Stuart 24f). Im Laufe der Zeit erhielt das griechische ‘magikos’ eine negative Konnotation und man ging davon aus, dass Magier mit halbgöttlichen Wesen, den ‘daimones’, in Kontakt standen und sich ihrer übermenschlichen Fähigkeiten bedienten (Maxwell-Stuart 22). Unter Kaiser Konstantin begann schließlich die umfassende „Kriminalisierung der Magie“, nachdem bereits vorher im römischen Reich die Anwendung von Schadenszauber bestraft worden war (Daxelmüller 78). Frühe abendländische Vorstellungen von Magie gingen von einem „Netz von Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Menschen und den Göttern, beziehungsweise Dämonen“ aus, das auf der sympathetischen „Verwobenheit von Makro-und Mikrokosmos“ beruhte (Daxelmüller 25). Unser heutiges populäres Bild von Magie basiert auf Augustinus’ Magielehre, die er in seinen Werken De civitate dei und De divinatione daemonum dargelegt hat: „das Einverständnis und die Verbündung (pactum) zwischen Mensch und Dämon“ (Daxelmüller 85). An dieser Stelle kann keine Geschichte der Magie nachgezeichnet werden, es gilt jedoch festzuhalten, dass magische Praktiken zu allen Zeiten und fast überall auf der Welt zu finden waren und noch heute lebendig sind. In der westlichen Welt mag die christliche Ablehnung der Magie deren Anwendung extrem reduziert haben, gänzlich auslöschen konnte sie die Magie jedoch nie, und in anderen Teilen der Erde ist sie für viele Menschen noch immer relevant (Über die Geschichte der Magie informieren z.B. Daxelmüller und Greenwood, History und Contemporary). 294 Die Religionswissenschaft bezieht sich im Rahmen der Betrachtung von Magie auf verschiedene Theorien der Sozialwissenschaft und der Ethnologie. Edward B. Tylor (18321917) wurde durch die Theorie des Animismus bekannt, die von der Vorstellung der Kontinuität der Seele ausgeht. Auf dieser Basis definierte er Religion als „belief in spiritual beings“ und lieferte damit eine Beschreibung von Religion mit Blick auf die Inhalte religiöser Vorstellungen. Dabei beschrieb er jedoch noch nicht systematisch das Verhältnis zwischen Religion und Magie. Eine Unterscheidung der beiden Begriffe lieferte J. G. Frazer. Er nannte die Magie eine falsche Wissenschaft, Wissenschaft deshalb, weil Ereignisse „perfectly regular and certain“ erwartet werden können, da der Magie angenommene feststehende, „immutable laws“ zugrunde liegen, und falsch, weil diese Gesetze nicht objektiv verifizierbar sind und nicht den Gesetzen der Wissenschaft entsprechen (Frazer 56). Während Magie bei Frazer als eine Art irrtümlich angenommenes mechanisches Ursache-Wirkungs-Prinzip verstanden wird, stützt sich Religion auf die Annahme, dass die Welt von bewussten Kräften gelenkt wird, die durch Überzeugungsarbeit seitens der Menschen beeinflusst werden können: „By religion, then, I understand a propiation or conciliation of powers superior to man which are believed to direct and control the course of nature and of human life. Thus defined, religion consists of two elements [...], a belief in powers higher than man and an attempt to propitiate or please them.“ (Frazer 57f; Kippenberg/Luchesi 13f). Èmile Durkheim (1858-1917) betrachtete Religion und Magie aus soziologischer Sicht. Religiöse Glaubensvorstellungen einzelner Personen sind seiner Ansicht nach wissenschaftlich nicht fassbar. Sie sind allerdings die Motivation für kollektive Handlungen, d.h. öffentliche, autoritativ geregelte kollektive Rituale. Einzig diese Rituale können als Religion betrachtet werden. Magie gehört insofern nicht in den Bereich der Religion, weil magische Handlungen nicht Bestandteil öffentlicher Riten, sondern private individuelle Handlungen sind, die nicht beobachtet werden können. Als solche drücken sie keine gemeinsamen religiösen Vorstellungen aus (Durkheim 69ff). Daher hat sich die Forschung auf die Betrachtung der kollektiven Riten von Gruppen zu beschränken. Im Gegensatz zu Tylors und Frazers inhaltlich orientierter Bestimmung von Magie beschränkt sich Durkheim auf formelle Kriterien. 295 Aufgrund seiner Beobachtung von Fischern in Neu-Guinea formuliert B. Malinowski (18841941) seine anthropologische Theorie zu Religion und Magie, die erstens zwischen Religion und Magie differenziert und zweitens postuliert, dass die eingeborenen Fischer selber zwischen rationalem und magisch motiviertem Verhalten unterscheiden. Nach Malinowski bilden natürliche Gegebenheiten den Bereich des Profanen, den er auch als wissenschaftlich charakterisiert. Demgegenüber steht der Bereich des Sakralen, in dem sich erstens die Religion, welche völlig zweckfrei einen Wert an sich darstellt, wieder findet, und zweitens die Magie, die auf der Anwendung bestimmter Mittel zum Erreichen eines bestimmten praktischen Zwecks basiert. Malinowski erklärte, dass die Fischer, die sowohl hart an ihren Booten arbeiteten und regelmäßig zum Fischen ausfuhren, als auch durch magische Riten übermenschliche Kräfte und Einflüsse zu lenken versuchten, durchaus zwischen dem rationalen Verhalten, also der Arbeit, und der magischen Beeinflussung, unterschieden (Malinowski 71). Magie wurde in Situationen angewandt, in denen sich für die Fischer das eigene Wissen und die eigene Arbeit als unzulänglich und ungenügend erwiesen. In solchen Situationen war Magie das Mittel, um über mystisches Verhalten das angestrebte Ziel zu erreichen. Auch wenn Malinowski für seine stark westlich orientierte Interpretation kritisiert worden ist, hat er den Grundstein für eine beobachtungszentrierte Forschung ‘vor Ort’ gelegt. Mit seiner Untersuchung der Hexerei bei dem zentralafrikanischen Volk der Zande Witchcraft, Oracles and Magic Among the Azande (1937) trennte E. E. Evans-Pritchard (1902-1973) zwischen der richtigen Beobachtung von verschiedenen Ereignissen und der falschen Verknüpfung dieser Ereignisse durch die Erklärung mit Hexerei. Was man in unserer Kultur gemeinhin unglückliche Zufälle nennt, wurde bei den Zande der Hexerei zugeschrieben. Wichtig war dabei die Feststellung, dass der Akt der gedanklichen Verknüpfung zweier Ereignisse, die ursächlich nicht miteinander in Beziehung standen, durch die Annahme von Hexerei motiviert war, wobei diese Annahme nicht das individuelle Urteil einer einzelnen Person darstellte, sondern auf dem kollektiven Urteil des Volkes basierte. Das bedeutet, dass aus objektiv-wissenschaftlicher Sicht die Annahme von Hexerei zwar falsch, auf der Basis der sozial-gesellschaftlichen Praxis der Zande, Ereignisse dieser Art generell mystisch zu deuten, jedoch innerhalb des kollektiven Systems richtig und logisch ist. Die Zande reagierten auf diese ‘Hexerei-Angriffe’ ihrerseits mit dem Legen eines Orakels, um den Urheber ausfindig zu machen, und antworten mit magischen Gegenmaßnahmen durch einen 296 Magier. Dabei sind auch diese Schritte im Rahmen der sozialen Beziehungen ein logisches weil gesellschaftlich richtiges Verhalten. Seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wird jedoch Kritik an Magietheorien geübt, die auf der Basis des alten Modells „bürgerlicher Religionssoziologie“ argumentieren (Kippenberg/Luchesi 39). Dem uns bekannten „wissenschaftlichen Erkennen“ liegt nämlich eine Denkweise der Unterscheidungen, Trennungen und Ein-und Zuordnungen zugrunde, die nach Strukturierung und Kategorisierung verlangt (Kippenberg/Luchesi 59). Diese Unterscheidungen, z.B. zwischen „natürlicher und übernatürlicher Rationalität“, sind aber insofern für die Erforschung magischen Denkens insofern untauglich, als dass sie Bezugspunkte sind, die vom Beobachter selbst festgelegt werden (Kippenberg/Luchesi 40). So fand bereits Jack Goody 1961 bei der genauen Untersuchung der Theorien Malinowskis und Evans-Pritchards, dass die Unterscheidung zwischen sakral und profan und rationalem und magisch motiviertem Verhalten eben nicht von den Handelnden selbst gemacht wurde, sondern dass es sich bei dieser Unterscheidung um eine Kategorisierung der Beobachter handelte (Goody 156). Wenn aber „die Beschreibung von Begriffen des Beobachters abhängt, dann kann sie nicht mehr als Motiv der Handelnden ausgegeben werden“ (Kippenberg/Luchesi 41). Neuere Ansätze nähern sich der Klärung des Magiebegriffs von unterschiedlichen Seiten. So betrachtet z. B. Stanley J. Tambiah verstärkt die soziale Funktion von Magie, während Susan Greenwood Magie als Teilhabe an der den Menschen umgebenden Welt bezeichnet („participation, as an orientation to the world [...] is the basis of magical consciousness“, Greenwood, Nature 92, 197; Tambiah 72). Bisher konnte die Beziehung zwischen Religion und Magie jedoch nicht eindeutig dargestellt werden. Es bleibt daher unklar, ob beide als unterschiedliche, gleiche oder einander unter-bzw. übergeordnete Bereiche zu verstehen sind. Im nächsten Abschnitt soll der Bereich der Magie dargestellt werden, wie ihn Wicca und Neuheiden beschreiben. Neben Susan Greenwood (The Nature of Magic) hat sich auch Sabina Magliocco mit magischen Vorstellungen bei Neuheiden beschäftigt. Sie vergleicht die magische Arbeit von Neuheiden mit der Wahrnehmung von Kunst (Magliocco, Witching 100). Die Betrachtung eines Bildes kann bei einer Person ein ungewohntes Gefühl hervorrufen, ein Konzert kann den Zuhörer emotional außerordentlich berühren, ein Theaterstück kann den Zuschauer auf eine besondere Art erschüttern. Ähnlich funktioniert 297 nach Magliocco auch die magische Arbeit. Magie rechnet gewissermaßen mit einer bewegenden Erfahrung von der Art einer „personal epiphany“, die gewöhnliche Lebenssituationen in der Regel nicht hervorrufen (Magliocco, Witching 100). Als Ausgangspunkt für die eigene Definition von Magie führen Neuheiden besonders häufig Aleister Crowleys Beschreibung an: „Magick is the Science and Art of causing change to occur in conformity with Will“ (Crowley, Magick). In dieser Aussage sind die Grundbausteine der neuheidnischen Definition von Magie bereits enthalten: 1. die Idee, dass Magie wissenschaftliche Züge hat (ähnlich Frazer) und im Rahmen der Naturgesetze operiert, 2. der emotive Charakter von Magie, 3. die Auswirkung auf die Persönlichkeit und Psyche des Praktizierenden und 4. der Anspruch, Dinge verändern zu können. 6.2 Die Welt als magisches System Dies führt zum ersten Teil einer Definition von Magie unter Wicca. Nahezu alle Wicca betrachten Magie zunächst als Möglichkeit zur Klärung, Stabilisierung und Stärkung psychologischer Eigenschaften und Befindlichkeiten. Magie wird als die psychologische Befähigung zur Veränderung von Umständen im Rahmen der eigenen Lebensgeschichte und in der kommunikativen Beziehung zu anderen gesehen. Innerhalb dieses Erklärungsmodells kommt der Magie eine Art therapeutischer Funktion zu, allerdings mit dem Unterschied, dass bei der magischen Arbeit der Praktizierende gleichzeitig die Rolle des Therapeuten und die des Patienten/Klienten einnimmt. Therapie heißt in diesem Zusammenhang Selbstfindung und eigenverantwortliche Organisation des Lebens im Sinne des ‘Will’ jedes einzelnen Menschen. Darüber hinaus betrachten viele Wicca Magie zusätzlich als Möglichkeit der physischen Einflussnahme. Die Frage bei dieser Art der Betrachtung von Magie unter Neuheiden scheint hierbei zu sein: Wie kann es in der heutigen wissenschaftlich aufgeklärten Zeit sein, dass Menschen an diese Wirkung von Magie glauben und sie zu diesem Zweck praktizieren? Bei allen Bemühungen einer Trennung zwischen Inhalt und Form bei der Betrachtung der Magie in anderen Kulturen, deren Weltsicht sich von der westlichen prinzipiell unterscheidet, kommt man im Falle des Neuheidentums in der westlichen Welt um die Frage nach den Inhalten nicht herum. Das bedeutet, dass es im Falle von Wicca und Neuheidentum durchaus gerechtfertigt ist, zu fragen, wie Menschen in diesem wissenschaftlich aufgeklärten Kulturkreis an eine 298 physische und materielle Wirkung von Magie glauben können. Zu diesem Zweck muss jedoch die oben angeschnittene Beschreibung von Magie genauer betrachtet werden und umfassend dargestellt werden, wie Wicca und Neuheiden Magie im Rahmen ihrer Weltsicht definieren. Neuheiden gehen davon aus, dass prinzipiell jeder Mensch fähig ist, physische Veränderungen in der Welt hervorzurufen. Die Veränderungen bewegen sich nach ihrer Auffassung entlang der Gesetze der Naturwissenschaften. Magie widerspricht den Naturgesetzen nicht, sondern operiert als ein Teil von und in Übereinstimmung mit ihnen. Die besonders von christlichen Vertretern aufgestellte Behauptung, Neuheiden glaubten, sie könnten „Naturgesetze brechen“, ist falsch und auf ein breites Informationsdefizit zurückzuführen (so z.B. Ingolf Christiansen von der Landeskirche Hannover in „Hexen -Mythos, Kult, Aberglaube“, NDR am 29.10.2005). Die Regeln der Magie sind nach wiccanischer Auffassung keineswegs übernatürlich oder irrational, sondern entsprechen den Regeln der Natur und sind daher ganz natürlich. Das bedeutet dass die Magie alles bewirken kann, was in der Natur möglich ist. Ein Beispiel hierfür ist vor allem die unter Neuheiden verbreitete Annahme von der Wirksamkeit von Energie, die auf der Basis von Emotionen gesammelt, konzentriert und auf ein bestimmtes Ziel fokussiert wird: „For Neopagans, the energy that infuses, creates, and sustains the physical body moves in emotions, feelings, and thoughts and is the underlying fabric of the material world. Each human being is an energy pattern [...] This view is consistent with the idea that energy in the universe is continuous. [...] The power of the will here can have an effect there becuse all space is filled with energy that is continuous and susceptible to manipulation.“ (Orion 108109) Die Basis für diese Praxis liefert z. B. der Energieerhaltungssatz aus der Physik, der besagt, dass Energie nicht verloren geht, sondern umgewandelt wird (Orion 107ff). Ein weiteres Beispiel sind die Ergebnisse der Chaos-Mathematik, die mit dem so genannten „Schmetterlingseffekt“ des Wetterforschers Edward Lorenz die kausale Verbindung zwischen scheinbar unmerklichen Ursachen und signifikanten Folgen mathematisch nachgewiesen hat. Solche Forschungen bestärken Neuheiden in ihrer Weltsicht und in ihrer Definition von Magie. 299 Die Weltsicht von Wicca wurde bereits dargestellt. Hier nun ist es wichtig, die Grundzüge dieses Weltbildes in den Kontext der Sicht der Magie zu überführen und seine Relevanz für die Wirksamkeit von Magie im Rahmen der neuheidnischen Definition darzustellen. Die Grundlagen magischer Wirksamkeit wie sie von Wicca gesehen werden hat Amber K in vier Aussagen gefasst: „Everything is abundant [...] Everything is connected [...] Possibilities are infinite [...] The path lies within you“ (Amber K, True 53ff). Sie konzentriert sich bei ihren Ausführungen stark auf die individuellen Fähigkeiten des Praktizierenden, ermutigt ihn, will ihm mögliche Zweifel nehmen und betont, dass „in harmony with its [the Self’s] True Will“ alles möglich ist (Amber K, True 63). Harvey und Sutcliffe beschreiben die vier Basiskomponenten neuheidnischer Magieauffassung und fokussieren dabei auf die zugrunde liegende Struktur magischer Wirkungsweise (Harvey 90f; Sutcliffe 114ff): Die erste Komponente betrifft die Übereinstimmung und strukturelle Gleichheit aller Elemente in der Welt und ist die Grundvoraussetzung für die Annahme, dass „Working with one thing can affect those other things with which it corresponds“, was bedeutet, dass anscheinend nicht miteinander verbundene Dinge sich gegenseitig ständig beeinflussen. Die Welt wird als ein Netz gesehen, in dem sämtliche Teile untereinander verbunden sind: „Es gibt keine Getrenntheit in der Natur. Alles, sowohl belebtes wie auch Unbelebtes, ist miteinander verbunden. Alle scheinbar getrennten Dinge, ob Steine, Tiere, Menschen oder Ereignisse, sind miteinander verbunden. Alle Dinge sind Teil eines größeren Ganzen und stehen daher miteinander in Verbindung. Die scheinbare Getrenntheit von Dingen ist eine Illusion.“ (Crowley, Phoenix 230f) Diese Querverbindungen, die Crowley auch „das Netz des Wyrd“ nennt, machen das Einwirken an einer bestimmten Stelle in diesem Netz möglich. Das gilt einmal im Sinne des oben beschriebenen „Schmetterlingseffekts“ und z. B. im System der westlichen Esoterik bekannten Korrespondenzen zwischen Himmelskörpern, Pflanzen, Farben, etc. Ein zweites Element ist die Annahme, dass diese Verbindungen wirksam sind, weil sie in einem lebendigen Gesamtsystem operieren. Das gesamte Universum und die Natur sind ein lebendiges Ganzes. In einem solchen angenommenen organismusartigen natürlichen Gebilde hat die Einflussnahme an einer Stelle stets auch Auswirkungen auf andere Teile und der Umgang mit der Natur als lebendigem Ganzen hat dementsprechend auch ethische Implikationen (s.u.). Ein weiteres Element ist die Auffassung, dass nicht nur physische und 300 materielle Teilbereiche des Ganzen miteinander in Verbindung stehen, sondern dass auch zwischen der inneren Befindlichkeit, den Wünschen, Gefühlen, Einstellungen und Vorstellungen und dem Menschen äußerlichen materiellen Gegebenheiten eine Brücke besteht, weil die Gefühls-und Geisteswelt des Menschen genauso Teil des allumfassenden Gesamtsystems ist. Dabei fungieren Vorstellungskraft und meditative Fähigkeit als Vermittler zwischen den Wünschen und Sehnsüchten des Menschen und einer Realisation auf materieller Ebene. Die im Rahmen der magischen Arbeit angewandten Techniken reichen von Kerzenzauber über Amulettkräfte zu Knotenmagie. Besonders beliebt im Kontext magischer Arbeit ist auch die Verwendung von Materialien aus der Natur, wie z.B. Blätter, Erde, Quell- oder Meerwasser und Federn. Allerdings sind diese Techniken „nicht an sich wichtig, sondern Wege, um den Geist auf das zu konzentrieren, was erreicht werden soll [...], um einen veränderten Bewußtseinszustand herbeizuführen, die Trance“ (Crowley, Phoenix 233). Wichtigste Praxis bei allen Techniken ist dabei die Visualisierung, die den Transport von inneren Ideen in die äußere Welt ermöglichen soll. Dies ist aus der Sicht von Neuheiden möglich, weil sowohl innere als auch äußere Welt des Menschen uneingeschränkt zur Natur gehören. Damit ist diese Vorstellung eine Art Übertragung des Bildes der psychosomatischen Befindlichkeit des menschlichen Organismus auf das Natur-Universum-System als Ganzes. Schließlich basiert die magische Wirkkraft des heidnischen Weltbildes auf der Fähigkeit des Menschen zur Transmutation. Das bedeutet, dass das eigentliche Ziel, das allen magischen Arbeiten unausgesprochen zugrunde liegt, die initiatorische Erfahrung ist, welche den Praktizierenden bei jedem Ritual bereichert. Im Zuge des jeweiligen Rituals findet eine Veränderung im Praktizierenden statt, die darauf zielt, ihn in die Lage zu versetzen, die Welt in allen Bestandteilen und mit allen Facetten umfassend zu begreifen. Harvey nennt dies eine „profound experience“, in der der Mensch alles („reality“) berührt und von allem berührt wird (Harvey 92; Harvey (so auch Sutcliffe) benutzt hierfür den Begriff ‘gnosis’, weist aber darauf hin, dass in diesem Zusammenhang nicht die so genannten Strömungen aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten gemeint sind, sondern der Begriff „transcends an understanding of facts“ und meint den „belief in unseen connections, realities and states“.) Insofern die wiccanischen Vorstellungen von Magie dem eigenen Weltbild entsprechen, ist Magie also etwas natürliches, der Welt immanentes, prinzipiell für jeden zugängliches Mittel, an sich selbst und an der Welt zu arbeiten. Nach neuheidnischer Ansicht könnten das alle Menschen, weil es Bestandteil der ‘natürlichen Ausstattung’ eines Menschen ist. 301 Schließlich stellt sich im Rahmen der Erörterung des wiccanischen Magiebegriffs noch die Frage nach der ethischen Einordnung magischer Aktivität. Da Wicca Magie als ein sehr machtvolles Mittel der Einflussnahme ansehen, das außer auf die eigene Person auch Auswirkungen auf andere Menschen haben kann, ist auch im Fall der Magie Verantwortung gefordert. Die Wiccan Rede „An it harm none, do what you will“ gilt auch im Bereich der magischen Arbeit und verbietet den Wicca, Mitmenschen durch Magie Schaden zufügen zu wollen. Die bewusste, intendierte Schädigung eines Menschen schadet dem Gesamtsystem, so dass letztendlich der Magie-Ausübende selber davon betroffen sein wird. Die ‘dreifache Regel’, die besagt, dass zur Schädigung anderer ausgesandte Energie dreifach auf den Sender zurückfallen wird, meint daher nicht unbedingt die konkrete Bestrafung auf dreifache Weise, sondern vielmehr die negative Beeinflussung des Gesamtgefüges, unter der dann schließlich auch der Praktizierende leidet. Im übrigen sehen Wicca nicht von magischer oder anderweitiger Schädigung ab, weil sie Angst hätten, dafür bestraft zu werden, sondern weil sie die Welt, die ja für sie heilig ist, nicht durch derartige Aktionen verletzen wollen. Überdies gilt es nur als akzeptabel, für einen anderen Menschen magisch tätig zu werden, wenn dieser der magischen Arbeit zugestimmt hat: „For example, it is concidered unethical to send healing magic to an ill person who has not given his or her permission“ (Berger, Community 19). Eine geheime, wenn auch gut gemeinte, magische Arbeit für eine andere Person könnte gegen den ‘Will’ dieser Person wirken. Diese ethische Komponente der Verantwortungsübernahme ist auch konnotativer Bestandteil der Bedeutung der Formel „As I do Will, so mote it be“, die unter Wicca häufig gebraucht wird, um eine magische Arbeit abzuschließen. Die Formel begegnet in leichten Variationen, wie etwa „As we do will, so mote it be“ für die Covenarbeit oder „And as my will so mote it be“ als letzter Vers bei der Komposition eines magischen Spruchs (Farrar/Farrar, Bible, Teil 1 46; Grimassi, Encyclopedia 341). Der zweite Teil der Formel, „so mote it be“, ist bereits als Abschlusswendung aus Gebeten der Freimaurer bekannt und wird unter Wicca auch als Kurzversion verwendet (Wilmshurst 137). Doreen Valiente baute diese Formel in ihr Gedicht „The Witches’ Rune“ ein, das als Eintrag des Jahres 1957 in Gardners Buch der Schatten erschien (). Dort lautet die Formulierung „What is my will -‘So mote it be’“. Seither fungiert die Formel als eine Art ‘Versiegelung’ und Aktivierung für magische Arbeiten. Sie beinhaltet mit dem Begriff ‘mote’ sowohl die 302 Bedeutungskomponente des altenglischen motan, nämlich ‘might’ bzw. ‘may’, als auch die neuheidnische Begriffsbelegung als ‘must’ (Rabinovitch/Lewis 252). Ursache für das breite Bedeutungsspektrum ist die ethische Anforderung, dass der ‘Will’ der agierenden Person in der Magie automatisch immer abgeglichen wird mit dem ‘Will’ aller anderen möglicherweise betroffenen Personen. Der magisch Agierende kann letztendlich nicht wollen, dass er durch seine Arbeit andere unbeteiligte Personen oder Abläufe empfindlich stört oder schädigt. Er lässt der Magie den Freiraum, sich so zu entfalten, wie es seinem ‘Will’ entspricht, dabei jedoch in Rücksichtnahme auf die Welt um ihn herum. Die Formel verkörpert dieses Vertrauen in die im Verantwortungsbewusstsein für andere und für sich persönlich erwünschten Resultate. 303 Schlussbetrachtung Wicca ist eine Religion, die seit ihrer Stiftung durch Gerald Gardner eine Vielzahl von Elementen und Impulsen aus unterschiedlichen kulturellen und literarischen Quellen und anderen Religionen aufgenommen hat. Als Religion, die die individuelle Spiritualität sehr betont, ist Wicca auch derzeit eine Religion im Wandel. Der Einfluss der alten gardnerischen und alexandrinischen Tradition ist in Deutschland zwar noch sehr stark, in Großbritannien und den Vereinigten Staaten allerdings wächst die Variationsbreite von Wicca nahezu täglich und durch die mittlerweile weltweite Verbreitung führen lokale Einflüsse ständig zur Bildung neuer Traditionen. Das Bild von der ausschließlich in geheimen Gruppen agierenden, nach streng gardnerischen bzw. alexandrinischen Ritualen und Regeln operierenden religiösen Bewegung gehört längst der Vergangenheit an. Im Mittelpunkt neuer wie alter Traditionen stehen der enge Bezug zur Natur, die Kongruenz zwischen Menschenwelt und Göttersphäre, d.h. die Heiligkeit der materiellen Welt, und ein zweigeschlechtliches Götterkonzept. Das Weltbild der Wicca ist ein holistisches, die Welt wird als ein einheitliches System gesehen. In diesem System sind alle Teile miteinander verbunden. Sie kommunizieren miteinander und nehmen gegenseitig Einfluss aufeinander. Dazu gehören sowohl materiellphysische als auch geistig-psychische Komponenten. Mal sind die gegenseitigen Einflüsse sehr schwach, mal sehr deutlich sichtbar. Das System zeigt sich als ein lebendes Ganzes, biologisch mit einem Organismus, soziologisch mit Gesellschaften vergleichbar. Dieses System wird mit allen dazu gehörenden Elementen als heilig betrachtet. Zu diesem System gehören z.B. Götter, Menschen, Tiere, Pflanzen. Sie alle sind gekennzeichnet durch die selbe Heiligkeitsstruktur. Das bedeutet nicht, dass die einzelnen Teile allesamt gleich sind. Offensichtlich sind sie das nicht. Auch im wiccanisch-neuheidnischen Weltbild unterscheiden sich die Menschen von den Göttern und auch von der sie umgebenden Umwelt. Was sie vereint, ist die gemeinsame Teilhabe an der Heiligkeit des gesamten Systems. Götter und Menschen leben nicht in verschiedenen Welten, sondern sie sind unterschiedlichen Bereichen derselben Welt zugeordnet. Einen weiteren Bereich etwa stellt die zum Weltbild vieler Neuheiden gehörende Anderswelt dar. Diese Bereiche sind nicht strikt voneinander getrennt, sondern durchdringen sich gegenseitig. Die Kommunikation und Verbindung der Bereiche wird durch diverse Techniken verstärkt: durch meditative Andacht, Visualisierung 304 und Rituale unterschiedlicher Art. Dazu gehört auch das Schreiben, Lesen oder Rezitieren von Gedichten. Götter und Menschen sind, abgesehen von ihrer Heiligkeitsstruktur, durchaus unterschiedlich beschaffen, deshalb sind auch ihre Bereiche unterschiedlich beschaffen. Aber die Bereiche sind so aufgebaut, dass eine permanente Kommunikation und Verbindung gewährleistet ist. Kurzum, Menschen und Götter sind in mancher Hinsicht anders, aber nicht getrennt, weil sie im Kern kongruent sind, nämlich heilig. Das Gitternetz-Diagramm verdeutlicht die Hauptmerkmale des Weltbildes: Verschiedene Bereiche in einem System mit einheitlicher Struktur, wobei die Bereich über Ecken und Kanten miteinander verbunden sind. Die Vorstellung eines Stadtplans verdeutlicht die verschiedenen Verbindungen und möglichen Wege der Kontaktaufnahme zwischen den Bereichen: Ritual, Meditation, Andacht oder Visualisierung sind mit Telefonnetz oder Nahverkehr, die verschiedene Stadtteile miteinander verbinden, vergleichbar. Dies entspricht auch der Wirkungsweise magischer Arbeit innerhalb des Stadtteils ‘Menschenbereich’. Weil sie die materielle Welt als heilig betrachten, sind Wicca und Neuheiden bemüht, im Umgang mit der Welt und der Erde bestimmte Regeln einzuhalten, was den Schutz der Natur und der natürlichen Ressourcen angeht. Wenn es ein allgemeines Ziel im Leben eines Neuheiden gibt, dann ist es am ehesten die tiefe spirituelle Verbindung mit den Göttern und die Teilnahme an der Erhaltung der Natur. Von einer Heilserwartung kann man jedoch nicht sprechen, weil sich der Mensch in keiner „bestehenden Unheilssituation“ befindet, aus der er sich befreien bzw. befreit werden müsste (Mensching, Religion 66). Vielmehr ist die Welt an sich Ort des Heils. Unheil kommt dadurch zustande, dass der Mensch sich falsch verhält und 305 den Heilszustand gefährdet und selber zerstört. Die Verantwortung für die Erde und den Lauf der Dinge trägt der Mensch allein. Die Gedichte der Wicca zeugen von der Heiligkeit der Welt, wie sie das neuheidnische Weltbild bestimmt. Es sind Texte, die die Charakterzüge der Religion und die Spiritualität der Anhänger vermitteln. Die Gedichte sind individueller Ausdruck einer neuheidnischen Sicht der Welt. Sie geben Aufschluss über das rituelle Erleben, über die Verbundenheit mit den Göttern und über die Art der Auseinandersetzung mit der Umwelt, als deren Teil sich Wicca verstehen. Deshalb sind sie für Wicca Ausdruck tief empfundener Spiritualität und stellen für die Religionswissenschaft eine unverzichtbare Informationsquelle dar. Wicca und Neuheidentum lassen sich nicht ohne weiteres in die gängige Kategorisierung von Religionen einordnen, wie sie Mensching in Die Religion in Form von Typen darstellt. Sie sind insofern Naturreligion, als dass die Natur Träger und Kristallisationspunkt des Heiligen ist und als solche als kostbar erachtet und verehrt wird. Sie sind Universalreligionen, nicht indem sie dem Menschen Heil in irgendeiner Form anbieten würden, sondern weil sie das Heil als in der Welt gegeben ansehen. Diese Einsicht steht aus neuheidnischer Sicht jedem Menschen offen. Trotzdem missionieren Neuheiden nicht, weil der Prozess zur Hinwendung zum Neuheidentum als individuell und spirituell motivierter Prozess verstanden wird, der nicht durch Mission ‘künstlich’ vorangetrieben werden soll. Was Mensching über die Mysterienreligionen der Antike formuliert, trifft in diesem Fall auch auf Wicca und Neuheidentum zu: „Ihre Ausbreitungsform ist das Wandern durch lebendiges Beispiel“ (Mensching, Religion 118). Wicca und Neuheidentum sind einerseits sehr auf die individuelle Erfahrung von Leben, Glauben und Welt ausgerichtet, andererseits verstehen sie sich als enge familiäre Gemeinschaft innerhalb der eigenen Anhänger und zusätzlich als Teil der gesamtmenschlichen Gemeinschaft mit Blick auf die Welt, die sich alle Menschen teilen. Das Plädoyer für einen friedlichen und verantwortungsbewussten Umgang aller Menschen untereinander und mit der Erde basiert auf der Sicht der Heiligkeit aller Dinge. Wicca und Neuheiden vereinen die Auffassung von der pantheistischen impersonalen Gesamtgöttlichkeit der Welt mit der Vorstellung von einzelnen personal gedachten Göttern. Dies trägt außerdem dem Umstand Rechnung, dass der Mensch mit seinen Erfahrungen nicht immer derselbe ist, sich ständig im Fluss befindet und verändert und dass verschiedene Erfahrungen und Erlebnisse zu unterschiedlichen Zeiten zu unterschiedlichen Akzentsetzungen in Spiritualität 306 und Glauben führen können. Durch diese Fluktuationen werden im Neuheidentum jedoch keine Dogmen verletzt, vielmehr werden sie als selbstverständliche Begleiter des menschlichen Lebens angesehen. Die Wicca-Religion hat seit ihrer Stiftung viele Veränderungen durchlaufen und die Phase der kleinen und großen Modifizierungen ist lange nicht beendet. So kann auch diese Arbeit nur einen temporären Ausschnitt einer fortlaufenden Entwicklung darstellen, wobei sich noch zeigen wird, ob sich Wicca und Neuheidentum auch langfristig in der religiösen Landschaft etablieren werden. 307 Bibliographie Einzelne Titel sind mit kurzen Kommentaren versehen. Forschungsliteratur ist ausführlich im Forschungsbericht dargestellt. Weitere kritische Anmerkungen und Hinweise zu einigen Quellentexten finden sich im Hauptteil der Arbeit. A. Primärliteratur Unter Primärliteratur sind Titel verzeichnet, die von Autoren verfasst wurden, die zu den Zeitgenossen Gerald Gardners zählen oder der ersten Phase der Festigung und Verbreitung des Wicca angehören. Zu dieser Liste gehören auch aktuelle Wicca-Autoren, die über ihre eigene Religion berichten und über Wicca aus der Sicht eines Praktizierenden reflektieren. Aburrow, Yvonne. „Featured Tradition: Polytheist Wicca“. Pagan Dawn 157 (2005): 13. Amber K. Pagan Kids’ Activity Book. [1986]. Victoria, Canada: Horned Owl Publishing, 1998. Amber K. True Magick: A Beginner’s Guide. St. Paul, MN: Llewellyn Publications, 1990. Amber K. Moonrise: Welcome to Dianic Wicca. Madison, WI: Re-formed Congregation of the Goddess, 1992. Book of Shadows. 1949-1961. . Zugriff am 19. Juli 2003. Bourne, Lois. Autobiographie einer Hexe. [1979]. München: Knaur, 1987. Bourne, Lois. Dancing with Witches. London: Robert Hale, 1998. Buckland, Raymond. 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[Witchcraft Today und The Meaning of Witchcraft waren von Gardner ursprünglich als Sekundärliteratur gedacht, das bedeutet als Literatur über die von ihm angeblich entdeckten Hexen. Im Rahmen dieser Arbeit und für die Wicca-Religion sind es allerdings die ersten Schriften des Religionsgründers über seine eigene Religion und deshalb als Primärliteratur zu behandeln.] 311 Gardner, Gerald B. Ursprung und Wirklichkeit der Hexen [Witchcraft Today]. [1954]. Weilheim: O. W. Barth, 1965. Gardner, Gerald B. The Meaning of Witchcraft. [1959]. Boston, MA: Weiser, 2004. Gillotte, Galen. Book of Hours: Prayers to the Goddess. St. Paul, MN: Llewellyn Publications, 2002 Glass, Justine. Witchcraft: The Sixth Sense. Hollywood, CA: Wilshire Book Company, 1965. Green Marian. Das geheime Wissen der Hexen: Dreizehn Monde, um Meisterschaft in natürlicher Magie zu erlangen. [1991]. München: Knaur, 1996. Grimassi, Raven. The Wiccan Mysteries: Ancient Origins and Teachings. 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An verschiedenen Stellen wurden die Einträge zur besseren Einordnung nicht ganz eindeutiger Fälle mit einem Kommentar versehen. Adler, Margot. Drawing Down the Moon: Witches, Druids, Goddess-Worshippers, and other Pagans in America Today. [1979]. New York: Penguin Compass, Revised Edition with Updated Appendix 1997. [Margot Adler ist amerikanische Autorin und studierte Journalismus an der Columbia University in New York. Sie wurde bereits Anfang der 70er Jahre in einen Gardnerischen Coven initiiert und leitete in New York eine eigene Gruppe. Ihre Datensammlung zum nordamerikanischen Neuheidentum auf der Basis von Gesprächen, Interviews und Beobachtung gilt als die erste Grundlage für eine fundierte wissenschaftliche Beschäftigung mit der Wicca-Religion und dem Neuheidentum.] Ahn, Gregor. „’Monotheismus’ -‘Polytheismus’: Grenzen und Möglichkeiten einer Klassifikation von Gottesvorstellungen“. Dietrich/Loretz, Mesopotamica 1-24. Albanese, Catherine L. 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Dabei ist zu beachten, dass vieles von dem dargestellten Material von Seiten der Wicca als Beleg für ein hohes Alter der eigenen Religion herangezogen wurde und seine Darstellungen mancher Bräuche vor allem die Vorstellung vom wiccanischen Gott geprägt haben. Heute wir die Arbeit unter Neuheiden als wichtige Sammlung heidnischer Traditionen auf der ganzen Welt geachtet.] Frey, Jörg, Jan Rohls und Ruben Zimmermann (Hgg.). Metaphorik und Christologie (Theologische Bibliothek Töpelmann, Band 120, hgg. O. Bayer, W. Härle und H.-P. Müller). Berlin: Walter de Gruyter, 2003. Fries-Knoblach, Janine. Die Kelten: 3000 Jahre europäischer Kultur und Geschichte. Stuttgart: W. Kohlhammer, 2002. Fowler, James W. Stufen des Glaubens: Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn. [1981]. Gütersloh: Chr. Kaiser, 2000. Gardner, Gerald B. Keris and Other Malay Weapons. Singapore, 1936. Gawlick, G. „Deismus“. Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 2 44-47. Gebelein, Helmut. 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Seine Veröffentlichungen erheben keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, seine Arbeit ist als die eines spirituellen Lebenshelfers zu verstehen.] Banzhaf, Hajo. Das Tarot-Handbuch. München: Wilhelm Goldmann, 3. Auflage 1998. Banzhaf, Hajo und Elisa Hemmerlein. Tarot als Wegbegleiter: Der zuverlässige Ratgeber für den „nächsten Schritt“. München: Wilhelm Goldmann, 3. Auflage 1999. Botheroyd, Sylvia und Paul F. Botheroyd. Keltische Mythologie von A-Z. Wien: Tosa Verlag, 2004. Collins English Dictionary (CED). General Consultant J. M. Sinclair. Glasgow: HarperCollins Publishers, Fourth Edition 1998. Cotterell, Arthur. Mythologie: Götter, Helden, Mythen. Bath: Parragon, 2004. 347 Gemoll, Wilhelm. Griechisch-Deutsches Schul-und Handwörterbuch. München: R. Oldenbourg, 9. Auflage 1965. Golther, Wolfgang. Handbuch der Germanischen Mythologie. [1895]. Wiesbaden: Matrix Verlag, 2004. Grehn, Joachim (Hg.). Metzler Physik. Stuttgart: J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 2. Auflage 1988. 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Liste der Webseiten und Zugriffe In dieser Liste sind Webseiten verzeichnet, auf die im Rahmen der Untersuchung zugegriffen wurde. Die hier gewählte Reihenfolge der Angaben lautet: . Firma/Person (Jahr). Domain holder. Letztes Update. Zugriff. Die entsprechenden Angaben wurden gemacht, sofern sie aus der Webseite ersichtlich waren bzw. ermittelt werden konnten. Die alphabetische Sortierung nach Webadressen basiert auf der Überlegung, dass die Adresse die zentrale Information ist, „über die das Dokument abgerufen werden kann“ (Runkehl/Siever 94). Hinweise und Vorschläge zur Zitierweise aus dem Internet finden sich bei Runkehl, Jens und Torsten Siever. Das Zitat im Internet: Ein Electronic Style Guide zum Publizieren, Bibliografieren und Zitieren. Hannover: Revonnah Verlag, 3. korrigierte Auflage 2001. Bezüglich der Zeichensetzung für Webadresse (spitze Klammern) und Datumsangabe mit ausgeschriebenem Monat orientiert sich die vorliegende Untersuchung an der Praxis der Modern Language Association (Runkehl/Siever 51ff; . University of California (2004). Zugriff am 20. Februar 2006). Die Richlinien der Universität Heidelberg machen außerdem Vorschläge, weisen aber im Hinblick auf die Interpunktion der Webadresse Unklarheiten auf ( und . Zugriff am 20. Februar 2006). Schließlich sind im Laufe der Untersuchung Dokumente auf andere Seiten verschoben worden und manche Dokumente 352 nicht mehr verfügbar. Die Liste gibt in solchen Fällen die Adresse an, auf die ursprünglich zugegriffen wurde (mit Datum des Zugriffs), und wenn möglich die neue bzw. eine andere Adresse, auf der das Material am 14. Februar 2006 zu finden war. . Zugriff am 27. Februar 2004. Neue Adresse . New Wiccan Church International (2004-2005). Domain holder: Joanne Barret, USA. Zugriff am 14. Februar 2006. . 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Gesamtdeutsche Konferenz der Pagan Federation International Deutschland Britta Rensing (B), Janet Farrar (J), Gavin Bone (G) Auslassungen akustisch undeutlicher Stellen der Bandaufnahme ([...]) B: We are here on the first German conference of the Pagan Federation International in Witten on October the 9th 2004, and I am talking to Mrs Janet Farrar and Mr Gavin Bone. Thank you very much for being here and thank you very much for having come to this interview. This is the first conference of the Pagan Federation International in Germany. What does it mean for you to be invited to conferences all over the world to talk about Paganism and to talk about Wicca? J: First of all, we’ve always concidered us as very priviledged. We are very lucky to travel to as much countries as we do. And we have an old loyalty to Pagan Federation that goes back a very, very long time. Several of our friends go back to the old days of Pagan Federation, and I love to see a new conference like this opening in Germany, because it will grow and it will get bigger. And certainly for us to be here on the first one. It’s wonderful. It’s the most wonderful feeling, because there is so much enthusiasm in Germany, but it’s still in its infancy as far as bringing conferences together. I think within ten years it will be one like -if I incorporate the Netherlands and Belgium as well as Germany -we could see some real strong movement in the craft coming our of Europe, because communication is opening up so much more now. B: Up to now it has all come from America really, the new ideas and the enthusiasm. Do you think Europe is going to become an important part in the movement? J: Yes. Europe at the moment is behind the United States, but Europe always has been. When the first conferences happend in England, there were already happening in America. America is ten years advanced, and Australia is catching up very fast as well. G: In America it’s mainly due to the culture, it’s the openness. I think in each country it will develop its own pace, so in -we would expect probably in the next two years -we’ll start seeing much bigger conferences here. But for all of us it is great to see your work, the work that you are doing in the groups is actually having an effect and causing change. That one thing we like to see. B: I’ve told you via e-mail that one of the things I’m very interested in is poetry in Paganism. Poetry is an important part and pagans compose their own poetry. They compose their own ritual poetry, but also personal poetry about what it means to be a pagan, about what it means to be a Wiccan, about the Gods, about just life and death and everything. Why is it so important for pagans to write Poetry. What is the specific function of poetry? 369 J: That goes back a long way. It goes back to the old idea of the muse. The muse inspires you, and everyone has her own personal muse, and for pagans it’s that deep love of our Gods. We want to sing their praises, we want to write of the joy that we feel having the old Gods. In Canada back in 1991, Stewart and I were invited by the Canadian witches for an evening meal in a restaurant and they sang their ‘Cantata for Beltaine’. They had written it themselves. All the Ladys in full evening dress, all the Gentlemen in evening suits, and the entire ritual was performed as a Cantata. And we are seeing more pagan opera, sooner or later I hope to see pagan ballet as well. The arts are coming into paganism in a way that -with many religions you don’t see the arts incorporated, everything is very ritualized, but not the arts themselves. G: The new pagan movement is developing its own cultural base. Art, Media, obviously the poetry, song writing. Your having pagan groups here. In England there is the Medieval Babes who actually ended up in the charts. In Australia you’ve got the group Spiral Dance. So you’ve got -really it’s not just the poetry but it’s all the arts, which if you look in paganism where you see the arts were running all the way through even at the time of the Renaissance. The Renaissance looked back to a bygone aera of paganism. [...] You can see very strong pagan influences. B: In the workshop you said, Gavin, that spiritualism really is the centre of paganism, is really the centre of witchcraft. How can poetry help to get back to the spirituality? Do you think poetry is playing an important part here? G: Poetry comes out of that spiritual union and connection. It comes out wanting to be expressed. That spirituality in a form which can’t be expressed intellectually. It has to be expressed emotionally, which is what poetry does. So, when one person starts to express that and put that down, other people quickly -they will read it and go: „Yes, that’s what I feel“. So, poetry is a form of spiritual communication. And this is why it’s been so important, particuarly within Wicca in the early days were the most important parts. [...] something which has remained central, and this one is known as the Charge of the Goddess by Doreen Valiente. Which is a piece -when she first read the Charge it was really a rambling ritual, and she was the one who realized, it needed that prose, that poetry in it, and that’s what she put in. That’s what gave it the spitituality, the umph. And eversince then that’s remained central within Wicca. People may change their way they cast circles, how they call quarters, even how they invoke the Goddess, but for everybody, if there is one piece which sums up Wicca today it’s that Charge and its poetry [...]. B: A question about theology in Wicca. Wiccans faith is based on many beliefs. Some believe in a duotheistic system, having a God and a Goddess, other Wiccans see their religion as a polytheistic one. J: We are Polytheists. B: What is the connecting concept behind those many ways of believing and of God and Goddess-principles? There is this wide diversity. J: The complexity is what makes it so important. Our ancestors were polytheists. For us, when we look at our ancestors, they did not have the idea of the one deity divided into God and Goddess. To the polytheists, people like ourselves, we feel that the ultimate is unknowable. As Gavin likes to say, it’s like an ant looking at a computer. But as every single person on earth is an individual, we are still all parts of the divine. And our Gods and Goddesses, and 370 some of them, remember, were our own ancestors, are also reflections of that divine with individual personality. And one of the things that is so nice about witchcraft is that it shouldn’t have the dogma laid down, that „thou should worship the way I worship“ or „the way Gavin worships“. Worship is individual. So, to a certain extend it doesn’t really matter how you look at the divine. It is the mere fact that you have knowledged divinity exists. When you start to lay down dogma, you start moving into the monotheist religions: the one concept, that this is the way you worship and this is the one true God. One of the reasons I think we’ve had this idea of dualism among some witches -when I first came into the craft I thought dualistic, having been a Christian Sunday school teacher -one of the reasons that we have this at the moment is, because we are very young as a religion and a philosophy. If you travel the world the way we do and you go to pagan cultures, they would not accept this concept of duality. To them, at the Hinduism for example -many, many Gods and Goddesses. And remember, their religion has been unchanged for thousands and thousands of years. So the concept of just one male and one female principle united together almost in a sort of bisexuality to a certain extend is an anathema. But if somebody choses to worship that way, than that’s fine for them. B: So it’s always an individual thing how you view the Gods. J: Yes. B: Many people write about the mysteries. Graham Harvey in his book Listening People, Speaking Earth says, the only secret in witchcraft is that there is no secret, and you are writing in your book that the mysteries are really the idea of experiencing spirituality. That the mysteries is just a word where you have to go behind and look for it. J: That’s right. You have to experience it. We could give away every single mystery in the Craft. We could have an auditorium full of people, and take the mysteries apart one by one. And unless you are ready to understand that mystery, it would be like talking to somebody who is deaf. They just won’t understand, they won’t comprehend. You have to find out the mysteries for yourself. They cannot be given away. We are often accused of betraying the mysteries, but the people who accuse us of that don’t understand the mysteries. They can’t be given away. Because your mystery is different from my mystery, your face of the Goddess is different from my face of the Goddess. We may both worship the same deity. But if I was to ask every woman here how they saw Isis, they would all describe Isis probably from the Egyptian wall paintings with maybe a little bit of Dion Fortunes concept thrown in, or a few ideas of their own. But if every woman was to go ahead and paint that Isis, not one of them would be the same. And that is one of the inner mysteries, that can be explained away: You can never see my Isis and I can never see your Isis. B: Doreen Valiente has written a very nice poem about the Mysteries and here she says: „Here and now are the Mysteries, out of no stored and storied past, of things long lost; But the breathing moment of time.“ Do the mysteries also mean that you are here and now, that you have a look at your life here and now, and not searching in books to find them? J: That’s right. B: Many people, especially in Germany, still argue on the topic of solitary Wicca. Some do not accept the solitary Wicca as proper members of the Wiccan community. They will not accept initiations which seem to be self-initiations, but of course, where the Gods are present. 371 What would you say to stop this argument? To tell people: „You do not have to be initiated into a coven, and still can be a Wiccan... J: If you believe that witches were around in, say, the 13th and 14th century, some poor old lady in the backwoods practicing her own form of magic may have no family and just her cat or chickens for company, does it not make her a witch? „Oh no, she hasn’t been properly initiated!“ She was probably more initiated than there is any witch in the world today. In other words, yes, you can be a witch alone. This concept ‘you can’t be a witch alone’ is a very modern concept. The moment you dedicate yourself to the Craft and study it and learn -and that is your everyday learning experiences -you’re working with the divine. That makes you a witch. If you decide you are a witch than a witch you are indeed. G: Everything you need to be a witch is inside you. B: So was it this situation where you became aware of your connection with Freya, that you realized „now I’m really initiated“, because she did it, the Goddess did it? G: Yes. I didn’t need anybody else to do it. J: She didn’t lean out of the clouds and tapped him on the head and said „There, there my boy“. G: It was an epiphany. I made a connection with her individually as the divine. I still can’t actually describe it. I simply can’t describe. And that is one of the problems. So, it’s like -it is, to use a Christian term, an epiphany. It’s gone bang, your eyes were opened! And it’s the realization of the whole process I had been trough as well, that this was...that the techniques used in Wicca can only really help to point somebody in the right direction. But there are just techniques. If somebody is able to do that for themselves, that actually makes them a stronger witch! So sometimes a solitary witch can be a better witch, because they had to find this for themselves. They had to pull it out. They never had somebody giving them terms like „Well, you should look at doing this or look at doing that“. They had to pull out for themselves. So, for people who work in covens turning around saying „Well, that person is self-initiated and not a real witch“ is really to put somebody down for no reason. What if that person may in fact be much more accomplished with the divine. J: I expect every member of my coven to end up solitary. But they will still be part of the coven, in other words their own individuality. Every single of my witches is a solitary witch in their own right. And if some of them got shipwrecked on a desert island, they would still be apt to practice their witchcraft, because they were initiated by the divine. What we did for them by giving them a coven initiation was merely an acknowledgement of what the Gods had already preordained for them from the moment they were born. I do believe that you are drawn to the old religion by birth and that can be partly genetic. Partly because our ancestors are talking to us on a deep subconscious level saying „Remember how we worshiped, don’t let it die“. And that’s why being a solo witch does work. And for those who say it doesn’t, the one thing I would say to them is „Why are you so sure it doesn’t? Try it! Just for a while try it. Step back from your covens and try it on your own. You will learn more during that experience than you ever will running your coven.“ B: That’s an interesting theory. That the solitary witch has got actually more power. 372 G: In some cases, yes. It’s a slower path, because there is nobody there, and you learn from your own experiences, but that’s the important: You learn from your own experiences. You trip up and you lear the lessons where somebody in a coven doesn’t neccessarily. So, in the long run somebody can be a solitary Wiccan actually. Learning by themselves can actually turn people stronger. B: You are also writing that the evolution of witchcraft means adding new things that are needed at a time and dropping things that are hindering the growth. What do you think is an important thing in Wicca that still has to be changed, that still has to be developed? G: I think we are growing out of this ides of lineage. That really came out of the Christian idea of apostolic succession, which goes back to passing down the power in the Christian church. And it came in via Freemasonry into Wicca. So, I think we are moving beyond that now and begin to realize that the powers are coming from closer connection with the divine. And that’s the change. That’s part of the movement towards spirituality. The power isn’t yours anyway. It’s divine power and it’s only used in an intercom way. J: Also, I think that some of the pieces that were handed down in the original Gardnerian and late Alexandrian Book of Shadows...they need to be seriously looked at. The classic one is in the ancient laws. Now, by ancient I meant Gerald Gardner basically wrote them. But one specific one is an assault to every woman and to the Goddess herself. If you remember that „The Priestesses power is being lent to her from the man“. That’s a total fun to the Goddess. Stupid laws like that need to be thrown out the window. We are an equal partnership, and this no case of standing up for womens’ liberation. A lot of man are at that... G: Or „The older Priestess will stand down for the younger one“. So, to make place for a new priestess is another law. But where is wisdom? Here it seems to be beauty over wisdom. J: What happened to the days when we used to sit down and talk to our grandmothers and learn so much about how grandmother lives? This is knowledge and wisdom. The older priestess has that knowledge and wisdom. She may have lost her beauty, but she has a different type of beauty. It’s an inner beauty that softens with age. She doesn’t have to prove anything any longer. She should be the one that can sit to the fire with the grandchildren on her knees. And this is what it was like twenty years ago, now it will be your mums doing it. G: I think there has to be a realization that there are some things that, if you do them, will have certain magical effects, sometimes positive and sometimes negative. So, the only laws that are really important are the core ones, which will tell you that if you do something it will bounce back on you. Now I’m not talking about the three-fold law, because the three-fold law again, for instance, that’s been of the challenging effect that if you do something now it will bounce back on you three times. That is the base of the laws of Karma in the Hindu-system of laws. If you believe in the idea we call „As above, so below“ -this obeys basically the laws of Physics. Equal and opposite reaction. So that law of Physics makes the sense of the three-fold law. People need to learn to challange and go „Why does that make sense?“ rather than just blindly accepting. If people wish to blindly accept something, perhaps they shouldn’t leave Christianity. J: And also we have the thing in ritual: I think it’s healthy for people to speak in ritual in their native tongue. If you are in Germany, do the rituals in German, if you are in Holland, speak Dutch, if you are in France, speak French. I wish I understood more Gaelic than I do, but I 373 love to hear my witches do rituals in Gaelic, I think it’s beautiful! Use your native language. And if you have pieces again like -in the Book of Shadows we have this „Bazabi lacha bachabi“-charm [Book of Shadows, The Sabbat Rituals, November Eve] , you know, that goes on and on. We had linguists look at it, and one who was a Basque witch found some words of Basque, her husband was Hungarian, he found some words of Hungarian in it, but apart from a little bit of it, the rest of it is gibberish. If it doesn’t make sense, if you don’t understand what it says, don’t use it. Drop it. It would be stupid for somebody in Germany to pick up our book Eight Sabbats for Witches and they might want to learn the Gaelic names of the festivals like Lughnasadh or Beltaine. But for gods sake, you’ve got your own names for those seasons. Use them. Don’t try speaking in a tongue which you don’t understand. It’s stupid. You just look stupid, you sound stupid, and the Gods will scratching their head say „Why are they doing this?“. [Lachen] B: Many Wiccan authors like you are sharing their experience via internet, via books and there are many witch-networks and so on. How do you feel when you are thinking about how much Wicca has changed during the last decades and how are you feeling about the internet and the worldwide connection? G: The worldwide connection is absolutely brilliant. We’re in regular contact with witches in Australia, Amerika, New Zealand, all of the world, South Afrika. We’ve had witches contact us from the Eastern European States, Japan, even, which was strange. J: The only problem is it shouldn’t be used as an excuse to be bitchy. G: There is a good side and a bad side. For somebody who is looking for information on Wicca, it’s there on the internet, but there is so much of it „They don’t know it“-stuff. The negative side that we see is it being an excuse for what’s called ‘bitchcraft’. You have mailing lists. Some of these mailing lists could mainly list things informing people of what is going on, and you have mailing lists which exist...where it allows people to speak anonymously without resposibility. And use it as an excuse to stirr up trouble for other people they don’t like. J: And sometimes blatant lies. We’ve had people come to us, because they read appalling things about us on the internet. And they have been told appalling things. And eventually they come to us to find out if it’s true or not, and then in the end they said this is stupid. G: This is one of the down sides. The other down side that you get -back in the seventies and eighties, they used to be reffered to what we called ‘armchair occultists’. They just soaked up information, they read books and they could tell you anything about everything, about witchcraft, paganism, magic, the occult world, but they had never actually experienced it. And the term for them is armchair occultists, because they never go out their armchair. Now the armchair is actually situated in front of a computer, and you have these people grow up claiming to be teachers on internet sides, and are teaching people on witchcraft. People can do it on their site and learn about witchcraft. And they have never actually ever done it. The have just read books. And this is the other problem: They’ve got no real experience, and we see that happening. 374 J: Off their trawlers they have fish-trawls on the bottom of the ocean. They trawl for the young and the vunerable, and basically once they have them in their power over the internet, these young people think they’re being told magic and told witchcraft, but they are not. They are feeding the armchair occultist’s ego. And sometimes it involved sending money to this person. G: And that’s unfortunately the negative side of it. Also a negative side is -what just recently began to appear -of sites which are charging on the internet for training and initiation, which we have a problem with, we do have a problem with this! It debases the spirituality into a case of „I’ll do this course over several weeks and then I’ll be a witch’, which it isn’t. It’s fast food Wicca. You see that happening. J: I know one person who has been doing this for some time. And what they’re teaching their initiates, to be honest, they are teaching this as advanced witchcraft -my neophytes know this stuff. And yet there are people paying to get this knowledge. And my neophytes were scratching their heads saying „Why? We’ve been doing this from day one.“ So, there a lot of people out there making a lot of money out of witchcraft. Maxine Sanders had a term for them, and I’ll use it to: They are prostitutes. And not in a sense of a woman out there trying to keep her family alive by selling her body. They’re prostituting spirituality. And that is an anathema to me, complete anathema. B: So, the most important thing for a witch these days is always to ask if it is good for her, always to ask „Why am I doing this?“ or „Do I have to do this?“ to find the inner spirituality of oneself. J: And the most important thing for a teacher to remember is sometimes, if you don’t know, be honest and say „I don’t know“. G: I don’t stop learning. All our students know this, and we say it all the time: We are still learning, too. We don’t stop. And we will learn things from people who have just joined our coven, who then will come up with an idea, we have never thought of, and we have learned something from them. The danger is always ego. And it’s the peolple who will set themselves up on thrones who will make claims. They’re not interested in spirituality, they’re just interested in enlarging their own egos, feeding their own egos. And they are the ones who say „I don’t need to learn any more.“ And because they say that, they won’t. Whereas, anybody who is genuine is trying to learn as well. Somebody who is helping others on the path...I mean, I really don’t want to call myself teacher. Because all I do is just trying to help you with it. And it’s the same with our students, we are trying to bring our coven students up to the same level as us, and not only up to the same level. Beyond. They’ve got to be better than us. Or else nothing moves foreward. And if you look, in Wicca everyone is looking back to the old days. And here is a terrible problem in Wicca, this austerity, you know, this must have been raised back in Gardner’s days. But the fact is, if people like Gerald Gardner were around now, people would say „How can you want to do that?“. Because they were learning. And the Wiccan movement, to their credit, the credit of speaking [...] has moved on. It has evolved and developed. B: Do you think one day it might evolve into a proper, really accepted religion all over the world? J: In some parts of the world it already is. 375 G: In the United States. I think what you see is -I’d hate see it being as uniform. It never will, because there will always be somebody going „No, I’m not doing it, I’m going to rebell“. This is the nature of witches. [...] They want to challenge. And their spirituality comes from saying „I’m not going to accept that I can’t connect with the God or Goddess“. So, there will always be witches going „Excuse me“ and ask the Why-question. So, it will never really get to established clergy churches. What’s happening in the United States is, they have blanket forms, it’s just like you’re inquiring to have an actual church. It’s a church on paper for the benefit of society. But underneath there are people in it who are witches,druids, shamans, it gives them legal status. And I think we will all see that, we will see more accaptance, we will see people go and train in parks, meet for celebrations, if being accepted. I think what we will see in Wicca itself is something very interesting: You’ll have your tight coven structures beneath the people for who it’s vocation. Because I don’t think everybody can be a witch. Everybody can be a pagan, but some people will never ail to make that leap, for some people they will never in this lifetime be able to make that leap into the mysteries. So, they will be happy to do the festivals and everything, but they will never want to do the vocation, turning their lifes upside down to reach this spirituality. So, what you will get is -you will get very tight coven groups, but outside you’ll get what they call in America ‘outer courts’ of people who come along to the festivals with the rest of the coven and the group. [...] What it’s becoming is rather interesting. We have a coven, and the people in that coven are organizing public festivals or even conferences. And every coven member is supporting. So, what you get is the coven eventually -things begins to happen around the coven, because it’s a good structure. Everybody knows and trusts each other. J: In Ireland we work with the druids. And at Midsummer they have a big event all day long on Tara, which is the sacred hill in Ireland. It’s where the high king had his centre of power. And it’s always our coven, who are asked to do the closing ritual. So we do all the choreography, we are bringing young children from witch families, and they do dance routines, they do songs that they have written themselves. [...] And that really works. So the witches and the druids get on and we all work as a team together. Witchcraft in Ireland -there is a public face of it and then there is the private face of it. And the private face tends to be more people like ourselves, except when it comes to being asked by people at the Chamber of Commerce, local town councils etc. „We want an event“. If it’s the harvest festival, we will do you a pagan harvest festival. We love to. G: This actually happened in Belgium. A coven actually got asked to do a public ceremony. One of the things that’s happening is people like their ceremonies and rituals, particularly in our own culture countries. Because this is part of the culture. In Ireland the church is drawn back in the tabernacle. And we find ourselfs filling it doing public ceremony. It starts with doing a town twinning between Laton [?] in France and Roy [?] they’re actually doing a druidic blessing ceremony and it moves on to later on the next year being asked, would we do a harvest festival for the local Chamber of Commerce. Which we did in all the robes and everything, because they wanted that ceremony. So we will see that. The problem that has been particularly in Wicca is its insularness against the rest of society. That’s been a problem. And people are scared of things which they don’t know about. So, if Wicca will eventually go more into public gaze...that doesn’t mean there won’t be the closed coven structure in the middle, but people will see covens and witches doing their work. They begin to understand what they really are. The days of hiding are over. [...] B: And hiding still has this feeling of elitism about it, which witchcraft doesn’t want to have really. 376 G: I like in Wicca to actually be in -an equivalent in Christianity being at the holy orders, the Dominican or Franziscan, -the hole Christianity is equivalent to pagan, but Wicca is like being a Dominican or Franziscan in that not everybody can have that lifestyle. I don’t believe to be a witch is being elitist. Just in the way I don’t think it’s elitist to have some people in our culture that are brain surgeons. Not everybody can do that. So, I think that is something of Wicca one needs to understand as well. It’s a commitment to spirituality. And that Wicca itself is ultimately about service of the divine.[...] B: This is always the goal we go to, always the connection with the divine, always the spirituality, finding the spiritual bridge between you and your God or Goddess. G: Yes. J: And it should never turn into a cult of personality, and this is one of the problems with the Craft. There were people in the past who -like Gerald Gardner -and it’s not his fault, it’s the fault of some of the people who look at him as this great figure, people who are alive today he would not have liked to be the leader of a cult. He would not have liked to be the leader of the personality cult. And you’ve got people even today who set themselves up as cult personalities. And people look up to them, and all these people are doing is feeding their own egos. They are not serving the divine. I’m well known, they know my name in the Craft. Somebody came up to me and called me Lady Janet, you know, unfortunately she was German and couldn’t speak English very well, but the joke we normally make -I say to people „Don’t call me Lady. I’m not a Lady. I’m a slut like the rest of you“. Because I hate titles. I’ve dropped all titles. And its only in our own coven only when I am taking the circle I am High Priestess. Outside that I don’t call myself High Priestess or Witch Queen, I don’t call myself anything. I’m a witch. Due and simple. That’s all I call myself. If I’m doing a public function for somebody who for example needs a marriage ceremony, I’m entitled to call myself -and so is Gavin -we are both reverents, you know, we have that title -when it’s apropriate. But apart from that I hate titles, and I hate these people who set themselves up as big personalties in the Craft. You can’t relate to big personalities, you’ll always be the underdog, always the little guy down there. I like the little guy down there, that’s were I belong. I play with the puppies, I don’t play with the big dogs. B: It was obvious from the workship that this is your feeling, that this is really the centre of witchcraft which you want to bring to the people. That it is all just the connection with the Gods and talking to normal people just like you and me and that a witch is a human being. G: Once you connect with the deities everything else follows. We are not the servants of the deity, but it happenes that when the deities lead us then obviously you are going to be ending up doing their work. And that will be your focus within witchcraft. No everybody in witchcraft will do the same thing. Anybody has some specific talents. When you connect with your own deity it could be you end up involved in counseling [...]. B: Like different professions. G: When you go back into the past in paganism, that’s what it was. People working in priesthoods were connected to specific deities, not all the deities. And we need to remember that and go back to that point of connection with divinity, for those were individual persons. 377 B: So it’s always the connection with deity and with human beings. Always a double connection. G: You are serving humanity and deity. For serving deity is serving humanity, and serving humanity means serving deity. You are serving the divine, and that’s what it means. For instance, I’m a healer. But the energy I channel whn I’m healing is not mine, it comes from the divine. If I was to say „it’s my healing energy“, that’s ego and that means it closes me off and I can’t work and I would actually destroy myself [...]. So, to work with the divine you must have that connection. That’s one of the things I’ve learned from actually being involved with spiritualism, the spiritualist church. Where the energy comes from. That has been one of my influences we’ve got in Wicca, realizing that this is one of the truths of religion. So, we get back again, like you said, to that connection with deity. That’s what we are trying to do. So, in a strange way, about pushing foreward we are really going backwards. B: Going back to the hedge witches of former times. J: Very much so. And I find when we are travelling the world -for example this morning -we stand in a circle and here in Germany Rhianna performed the opening ritual. I’ve seen priestesses who have done the ritual and the Goddess comes through...they pull the Goddess through -and I just wanted to get down and kiss that priestess’ feet, or like Rhianna this morning just in welcoming ritual -I was nearly in tears, because I looked at her and I thought „I love you so much, Rhianna“, and I love that relationship that we should have with each other. But I have been in circles, both private and public, where that priestess would stood up there and she has been nothing but ego. And I stood almost pulling back from the edge of the circle, because I thought „No. You’re not behaving like a priestess and you’re dishonoring the Gods“. And there is the difference. And that’s how we should relate to each other. We should relate to each other in such a way that when we get together it should be a joy to see each other working. It should be a joy to be close to each other and a to talk and communicate with each other. The biggest curse of witchcraft I’m afraid today is that there are some of us out there who are very [...]. They don’t listen to the divine, they don’t work with the divine. An underneath are the real witches, and these are the good people. B: Thank you very much. This was a very nice last sentence from your side. Thank you very much. BRITTA RENSING LEBENSLAUF BERUFSERFAHRUNG seit 2003 „Ich-AG“ Jena und Magdeburg Künstlerin und Dozentin für Englisch und Deutsch als Fremdsprache . Freiberufliche Malerin und Zeichnerin . Business Englisch . private Nachhilfe . Kurse für Deutsch als Fremdsprache 1999 -2002 Deutsche Lufthansa AG Düsseldorf Servicefachkraft Fluggastdienste . professionelle Kundenbetreuung im Flugverkehr auf der Station . Abwicklung des Gepäcktransfers sowie der Datenverarbeitung 1999 Lehrerseminar Wuppertal Wuppertal Referendarin für Englisch und Evangelische Religionslehre . Unterrichtspraxis und Schulung in Didaktik und Methodik in der Schule AUSBILDUNG UND QUALIFIKATIONEN 2003 Training für Deutsch als Fremdsprache am Zentrum für berufliche Bildung und Qualifizierung am IFW Jena Praktikantin . Selbstständiges Erarbeiten von Unterrichtsstunden . Halten von Unterrichtsstunden . Praxis in den Bereichen Lese-und Hörverstehen, Sprechen und Schreiben . Training mit den Deutschprüfungen TestDaF und DSH 2003 Fachtraining für Akademiker am Zentrum für berufliche Bildung und Qualifizierung am IFW Jena Trainee . Textverarbeitung 1991 – 1998 Universität zu Köln und Universität Bonn Köln und Bonn Studentin der Anglistik und der Evangelischen Religionslehre für das Lehramt Sekundarstufen I und II . Literaturwissenschaften, Sprachwissenschaften, Fachdidaktik des Englischunterrichts . Altes und Neues Testament, Kirchengeschichte, Systematik, Fachdidaktik der evangelischen Religionslehre . Abschluss: 1. Staatsexamen für das Lehramt für die Sekundarstufen I und II 1982 – 1991 Bettina von Arnim-Gymnasium Dormagen . Abschluss: Abitur 1978 – 1982 Grundschule Dormagen Mitte Dormagen Britta Rensing . geboren am 28.1.1972 in Köln Am Weinhof 4 . 39106 Magdeburg . Telefon: (0178) 5407369 verheiratet AUSLANDSAUFENTHALTE 1994 – 1995 Westcliff on Sea High Schools Westcliff on Sea, Essex (GB) Fremdsprachenassistentin . Lehrtätigkeit im Bereich Deutsch als Fremdsprache an der Westcliff High School for Girls und der St. Thomas Moore High School for Boys . Unterricht der Grundstufe, Mittelstufe (GCSE-Level) und Abitur (A-Level) . Ausprägung der englischen Sprache fließend in Wort und Schrift 1988 Brunswick High School Brunswick, Georgia (USA) Austauschschülerin . Besuch einer amerikanischen High School während der 11. Klasse . praktische Erfahrungen in der englischen Sprache VERÖFFENTLICHUNGEN Die Augen. Zweifältig. Marburg: Neusek Verlag, 2001, ISBN 3-9808000-0-8 . Illustrationen/Kohlezeichnungen in einem Lyrikbüchlein zweier Marburger Dichter Rensing, Britta. „XII – 4: Wicca“ in Klöcker, Michael und Udo Tworuschka (Hgg.). Handbuch der Religionen: Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland. München: Olzog, Loseblatt-Ausgabe 1997 und Ergänzungslieferungen. 10. Ergänzungslieferung 2005. . Wissenschaftlicher Aufsatz Britta Rensing . geboren am 28.1.1972 in Köln Am Weinhof 4 . 39106 Magdeburg . Telefon: (0178) 5407369 verheiratet